Text

Ein neuer Bergreihen (1548)
bearbeitet von Johannes Hund
[Inhaltsverzeichnis]

|| [949]

|| [A 1v:] Was wln wir aber heben an?1 Christus, der wl uns beystandt thun,
das vns nicht misselinge, das ichs mag frlich heben an, zu trost der Deud-
schen Nation ein newes Liedt zu singen.

O Jhesus Christus, unser Herr, dein Gdtlich gnad nicht von vns kehr jnn
(5)diesen jamerzeiten. Groß nodt vnd gefar ist vor der handt.2 Es gehet3 alles
vber Deudsches Landt zu allen seinen seiten.

Laß ab, du werde Christenheit von Weltlicher betriegligkeit,4 thu dich von
Snden wenden. Haldt fest am heiligen Gotteswordt, das wird vns helffen
aus aller nodt, vns bringen zu seligem ende.

(10)Fallet nicht zurück, das bit ich euch, geistlich und Weltlich alle zu gleich.
Ein jeder thu sich erkennen!5 Der Babst mit seinem valschen wordt, der will
vns nehmen das Gtlich wort, die Christenheit zutrennen.6

Buß zu thun ist hohe zeit! Die Axt ist schon an Baum geleit,7 das mag ein
jeder spuren in gantzer Deudscher Nation. Hilff, Jhesus Christus, du Gottes-
(15)son, vnser sachen selbs hynausfren.8

Fest und starck thuts glauben frey. Herr, stehe vns allen selber bey. Dein
wort wlln sie angreiffen! Beschtz vns, Herr, aus deinem Thron! || [A 2r:]
Dein heiliges Euangelion – laß vns daruon nicht weichen!

Ewiger Herr, du hchster trost, du hast vns allen von snden erlost durch
(20)deinen todt vnd schmerzen. Du bist allein der beste radt, stehe bey vns in der
letzten nodt, vorwar,9 es ist kein scherze.

Jhesus, des Vater ewiger Son, der hat vns selbs gezeiget an, durch seine bo-
ten verkndent: Wer Getaufft wird vnd gleuben thut, isst meinen Leib vnd
trinckt mein Bludt, dem sind bedenckt seine Snde.10

|| [950]

Lert vns den glauben allezeit, das ist dem Babst getrewlich leid. Vnd das er
sol verliesen11 Sein menschen tandt,12 falsche lehr, sein Ablas wil nicht
gelten mehr, thut jn gar hart verdriessen.

Seid getrost, jr werden13 Christen all, es ist des Herrn wolgefal! Sein wort
(5)helfft alle verfechten.14 Jnn gantzer Deudschen Nation erst15 wils vns an die
Rimen ghon.16 O Gott, steh bey dem gerechten.

Christliche schar, die ist noch klein!17 Christus will vnser helffer sein. Das
slln wir jm vertrawen, vnd kem der Babst mit seinem geschwrm,18
Bisschoff, Prelaten, mit grossem gestrm,19 so laß doch dir nicht grauwen.

(10)Heiliger Geist, du Gotteskrafft! Vnd || [A 2v:] mach vns alle Sigenhafft vnd
hilff vns vberwinden. Vnd nimb vns, Herr, in deine gt, so sein wir alle wol
beht. Beschtz dein arme kinder.

Mit freuden wolln wir wagen daran Leib, Ehr vnd Gut, als, das wir han,
deinem Wort zu gefallen. Jst besser hie verlieren den Leib wenn20 dort die
(15)ewig Seligkeit. Dohyn helff vns Gott allen.

Jhr Herrn, eins will ich bitten euch, geistlich vnd Weltlich allzugleich: Thut
ewre schefflein weiden, beschtzt das Euangelion, das wir nicht werden
gedrungen21 daruon. Sonst geschicht vns allen leide.

Damit wil ich das Liedlein beschliessen. Solt es des Babsts gesellen ver-
(20)driessen zu ehren Gottes namen. Er ist allein der hchste trost, er macht vns
von allen Feinden loß. Hilff, Jhesus Christus. Amen.

|| [951]

Das Ander auff das Jnterim.

Was woln wir aber singen vnd wollens heben an?22 Gott helff es vns vorbrin-
gen,23 || [A 3r:] ja bringen zu seinen ehren schon, zu warnen die arme Chris-
tenheit, die sich jtzt ja muß leiden24 in aller Weltea breidt.25

(5)Ein Krieg hat sich erhaben, ist jederman bekandt.b Gebracht in grossen scha-
den Das werde Deudsche Landt. Vorherth,26 vorzert27 ist manchem sein gut.
Sein weib vnnd kindt geschendet, vergossen vnschuldig bludt.

Der dis hat angefangen ist vns fein wol bekandt. Wolt Gott, er wehr erhan-
gen! Bapstteuffel ist ers genandt. Wol wider die armen Christenheit Hat er
(10)den Keyser erreget Mit seinem geschwornen Eidt.28

Den Keyser thut er ntzen29 vnd nent jn seinen Son. Seinen Stuel30 mus er
jm schtzen, darzu die dreyfachtige Kron.31 Des mus entgelten32 das Deud-
sche Landt
, Gottes Wort ja faren lassen vnd annemen des Bapstes tandt.33

Gutt friede wolln sie machen Vnd einigkeit im Landt. Wolln also helffen der
(15)sachen Biß ein Concilium werd erkandt.34 Ein Jnterim haben sie dargestelt,
die Christen zu verfren. Dem Teuffel dis wol gefelt.

|| [952]

Etzlich habens angenomen, dempffen die reine Lehr.35 Es bringt jn keinen
frummen,36 Gottes Gericht wird jnen zu schwer. Bapst, Keysers gunst wirt
helffen nicht, wenn sie werden anschawen Das Gttlich ernste gericht.

|| [A 3v:] Jnterim, du magst wol bleiben, wo du bist ausgeflohen.c 37 Du kanst
(5)ja nicht vortreiben Den Edlen Gottesson! Er sitz so hoch vnd lachet dein,38
das du jm wilt verfren Sein armes Heuffelein.

Dein list tuth er auffdecken, auch deinen falschen schein Vnd lesset nicht
erschrecken sein armes heuffelein, hrt jr Gebet vnd gibt jn muth. Jnterim,
hastu verloren. Falsche sache wird nmmerd gut.

(10)Wer dem vngck will empfliehen, der muß gerstet sein. Las sich ja nicht
verfren39 den schnen falschen schein. Es ist die Braud von Babylon. Mit
gifft wil sie vns trencken, wie sie vormals hat gethan.40

Jnterim, du thust dich schmcken vnd bist doch grewels voll. Jch halt, dich
krawet41 der Rcken,42 wann ichs jae sagen soll. Du wirst anrichten alles
(15)leidt, Vnglck wirstu erregen. Man kendt dich weidt vnd breidt.

Solt vnser Seel verterben, wir nehmen dich nicht an. Viel lieber wolln wir
sterben, Bapst, Keyser faren lahn. Vnd bleiben bey dem reinen Wort, das vns
Christus lest leuchten.43 Vom Teuffel seind wider kart.44

|| [953]

Doch istf euch vnuorborgen Die reine rechte Leher. Darumb drfft jr nicht
sorgen. Es gelinget euch nmmermehr! Weil45 jr den || [A 4r:] Babst vorfech-
ten thut, must ewiglichen leiden Mit jm in der Hellen gluth.

Ganz listig vnd behende ist es gefangen an. So gar an manchem ende ist
(5)betrogen der arme man. Man meint, es gelte den Frsten allein. Jzt thun sich
selbst verraten, das Jnterim besaget fein.

Vnd wem es hat gegolten, wirt jtzunde offenbar: den, dyß Wort schtzen
wollten, auch der gantzen Christenschar. Das Jnterim bringets jtzt an das
Liecht, fein genugsam zu vertreiben, die Lehr zuletzt leiden nicht.

(10)Herr Gott, dich zu vns kehre Vnd hilff vns aus diser noth zu lobe deynen
ehren. Du bist ein trewer Got! Auch hilff den Frsten bestendig sein, die
noch ja seindt geblieben Bey deynem Worte Rein.

Wir seindt ja ausgeschritten46 Vnd haben snd gethan. Darumb wir hertzlich
bitten, wolst vns nicht entgelten lan.47 Vorgib vns vnsere missethadt, das wir
(15)bey Christo bleyben. Das gib vnns durch dein Genad.

Jnterim hab ich gesungen, Jnterim zu dieser frist. Jnterim wirt Christus kom-
men, Jnterim vor der thr ist. Jnterim mssen sie zu boden ghan, Jnterim die
Christen schreyen, Jnterim sie bleibe stan.48

|| [A 4v:] Jnterim wirt man hren Von kriegen grosse streych,49 Jnterim wirdt
(20)sich erbren50 Der Gemeine man im Reich. Jnterim leidet die Christenheit,
Jnterim wirt Christus kommen zu erlsen von allem leidt. Amen.51
Finisg

Textapparat
a  Werlet: D.
b  erkandt: D.
c  ausgeflogen: D.
d  nimmehr: D.
e  Nicht in D.
f  ist bey: D.
g  Nicht in D, E.

Kommentar
1  beginnen. Vgl. Art. anheben, in: DWb 1, 370.
2  vorhanden. Vgl. Art. Hand B.II.1.h), in: DWb 10, 347.
3  ergeht. Vgl. Art. gehen II.30.e), in: DWb 5, 2455.
4  Betrügerei. Vgl. Art. Betrieglichkeit, in: DWb 1, 1717f.
5  prüfen. Vgl. Art. erkennen 7.a), in: DWb 3, 869.
6  zertrennen.
7  gelegt; vgl. Mt 3,10.
8  zum guten Ende zu bringen.
9  fürwahr. Vgl. Art. vorwahr, in: DWb 26, 1876.
11  verlieren. Vgl. Art. verlieren 1), in: DWb 25, 794.
12  menschlichen Erdichtungen. Vgl. Art. Tand 2), in: DWb 21, 103.
13  werten. Vgl. Art. wert 1.b), in: DWb 29, 446.
14  Helft alle, sein Wort zu verteidigen.
15  demnächst. Vgl. Art. erst 9.b), in: DWb 3, 993.
16  werden wir verletzt. „Riemen“ ist hier gemeint als die Riemen, die dem Helm und der Rüs-
tung ihren Halt geben. „An die Riemen gehen“ bedeutet daher soviel wie „verletzt werden“. Vgl.
Art. gehen II.36.f.α), in: DWb 5, 2470.
17  Vgl. Lk 12,32.
18  Gewimmel. Vgl. Art. Geschwürm 1), in: DWb 5, 4013.
19  Getöse. Vgl. Art. Gestürm 2), in: DWb 5, 4268.
20  als. Vgl. Art. wenn I.B.2.a), in: DWb 29, 64.
21  getrieben. Vgl. Art. dringen 2.b), in: DWb 2, 1416.
22  beginnen. Vgl. Art. anheben, in: DWb 1, 370.
23  ans Tageslicht zu bringen. Vgl. Art. vorbringen 3), in: DWb 26, 934.
24  die jetzt ja muss Not leiden. Vgl. Art. leiden B.III.2), in: DWb 12, 665.
25  weit und breit.
26  Zerstört. Vgl. Art. verheeren 3), in: DWb 25, 544.
27  vernichtet. Vgl. Art. verzehren I.2), in: DWb 25, 2460.
28  Kaiser Karl V. hatte 1519 im § 11 seiner Wahlkapitulation zugesagt, den Frieden im Reich zu
bewahren und ohne Zustimmung der Reichsstände kein fremdes Kriegsvolk ins Reich zu führen.
Diesen Eid hatte er in der Wahrnehmung der evangelischen Stände gebrochen, indem er im
Schmalkaldischen Krieg (1546/47) ungarische, italienische und spanische Truppen ins Reich
geführt hatte. Vgl. die Wahlkapitulation Karls V. vom 3. Juli 1519, in: DRTA.JR 1, 870,4–6.
872,30–873,8 (Nr. 387).
29  benutzen. Vgl. Art. nützen I.1.b), in: DWb 13, 1029f.
30  Thron. Vgl. Art. Stuhl 1.a), in: DWb 20, 322.
31  Gemeint ist die außerliturgische Krone des Papstes, die Tiara, die, von Urban V. in seine End-
gestalt gebracht, über einen dreifachen Kronreif verfügte und bei feierlichen Anlässen getragen
wurde, um die weltliche Herrschaft des Papstes zu unterstreichen. Die Dreizahl der Kronen wurde
als Sinnbild seiner weltlichen Macht und seiner sich über die irdische und himmlische Kirche
erstreckenden Binde- und Lösegewalt aufgefasst. Die Tiara wurde zum letzten Mal im November
1964 von Papst Paul VI. getragen. Vgl. Hermann Streber, Art. Krone 2c, in: WW² 7 (1891), 1224f.
32  büßen. Vgl. Art. entgelten, in: DWb 3, 542.
33  Lügen, Erfindungen. Vgl. Art. Tand 2), in: DWb 21, 103.
34  gesehen. Vgl. Art. erkennen 2), in: DWb 3, 867.
35  In Süddeutschland, wo der Kaiser mit seinen Truppen präsent war, hatten einige Territorien,
etwa Regensburg, Schwäbisch Hall und das Herzogtum Württemberg, im Sommer 1548 das
Interim angenommen, um Schlimmeres zu verhüten. Vgl. die Einleitungen zu unsere Ausgabe,
Nr. 8: Brenz, Bedenken etlicher Prädikanten (1548), 241, und Nr. 4: Gallus, Untertänige Antwort
(1548), 117f.
36  Nutzen. Vgl. Art. Frommen 2), in: DWb 4, 246.
37  entflohen. Vgl. Art. ausfliehen, in: DWb 1, 858.
38  Vgl. Ps 2,4.
39  Lass dich ja nicht verführen durch. Vgl. Art. verleiten 6.b), in: DWb 25, 364.
40  Vgl. Apk 18,2f.
41  juckt. Vgl. Art. krauen, in: DWb 11, 2085.
42  du machst mutwillig Streiche, obwohl du weißt, dass du dafür bestraft wirst. Vgl. Wander I,
502 (Nr. 13).
44  haben wir uns abgekehrt.
45  Solange. Vgl. Art. weil B, in: DWb 28, 764.
46  abgeirrt. Vgl. Art. ausschreiten 2), in: DWb 1, 961.
47  büßen lassen. Vgl. Art. entgelten, in: DWb 3, 542.
48  bleiben bestehen. Vgl. Art. stehen II.E.3.f.γ), in: DWb 17, 1710.
49  Kämpfe. Vgl. Art. Streich A.3.b), in: DWb 19, 1158.
50  auflehnen. Vgl. Art. empören 4), in: DWb 3, 435f.
51  Der Autor löst hier das Wort „interim“ von der Bezeichnung des Religionsgesetzes ab, um das
Moment des Vorübergehenden (lat. interim = inzwischen, unterdessen) zu betonen.
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