Vorwort
verfasst von Irene Dingel
[Inhaltsverzeichnis]

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Vorwort

Im Jahre 2008 ist als erster Band aus der Reihe „Controversia et Confessio“
eine kritische Edition von Schriften zur Debatte um Abendmahlslehre und
Christologie in den Jahren 1570 bis 1574 erschienen. Diese theologische
(5)Auseinandersetzung kann in ihrer langfristig konfessionstrennenden Trag-
weite als Kulminationspunkt der nachinterimistischen Streitigkeiten angese-
hen werden und führt in exemplarischer Weise die Verquickung von theolo-
gischer Option und territorial-politischer Positionierung vor Augen.1 Die
Reihe wird nun mit der Edition solcher Stücke fortgesetzt, die den Blick auf
(10)den Anfang jener innerprotestantischen Kontroversen zurücklenken. Es geht
um die Reaktionen auf das Augsburger Interim von 1548, die überwiegend
ablehnend, satirisch persiflierend, gelegentlich aber auch Kompromisse an-
bietend oder das kaiserliche Religionsgesetz verteidigend Position bezogen.
Dieser erste Band der auf insgesamt acht Bände geplanten Reihe erscheint
(15)also – aus internen, arbeitsbezogenen Gründen – nach dem letzten. Alle wei-
teren Bände werden sich in chronologischer Reihenfolge anschließen.
Die Edition mit ihrer spezifischen Konzeption und ihrem inhaltlichen
Zuschnitt2 antwortet auf ein Desiderat, das in den vergangen Jahren in der
wissenschaftlichen Beschäftigung mit der werdenden Konfessionalität des
(20)späten 16. Jahrhunderts deutlich geworden ist. Sie dokumentiert die über
Kontroversen vollzogenen theologischen Abgrenzungen und Identitäts-
bildungsprozesse, die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Bewah-
rung des von Wittenberg ausgehenden reformatorischen Erbes angesichts
politischer und gesellschaftlicher Herausforderungen, die Suche nach zu-
(25)kunftsweisenden, Orientierung gebenden Autoritäten, die multifunktionale
Dimension von Bekenntnisbildungen sowie den literarischen und rhetori-
schen Reichtum in der Entfaltung einer theologischen „Streitkultur“, aus-
gelöst durch das kaiserliche Augsburger Interim und viel mehr noch durch
das sich als Alternative verstehende sog. „Leipziger Interim“ (1548). Dabei
(30)kommt nicht zuletzt die theologische Vielfalt des Protestantismus Augsbur-
ger Konfession zum Vorschein, die sich vorschnellen konfessionellen Etiket-
tierungen entzieht, sich nicht ohne weiteres in vorgegebene Schemata
einordnen lässt und, trotz aller historisch gegebenen territorialen Einbin-
dungen, europäisch grenzüberschreitend wirkte. Die Quellenedition zielt also
(35)nicht darauf, Leben und theologisch-geistesgeschichtliches Wirken einzelner
Verfasser aufzuarbeiten und gegebenenfalls zu kontrastieren. Vielmehr geht
es ihr darum, einen themenorientierten Zugang zu den einzelnen „ Streitkrei-
sen“ der „interimistischen“ und „nachinterimistischen“ Periode zu ermögli-

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chen und so Entwicklungsprozesse und Zusammenhänge deutlich zu ma-
chen. Die Edition wird fortgesetzt mit Bänden zum Adiaphoristischen Streit
(Bd. 2), Majoristischen Streit (Bd. 3), Antinomistischen Streit (Bd. 4),
Synergistischen Streit (Bd. 5), Erbsündenstreit (Bd. 6) und Osiandrischen
(5)Streit (Bd. 7). Dass hierbei nicht eine vollständige Dokumentation, sondern
lediglich eine Auswahl der in den jeweiligen Kontroversen zentralen Stücke
geliefert werden kann, versteht sich von selbst. Die im Netz allgemein
zugängliche Datenbank des Projekts3 , die zugleich die bibliographische
Grundlage des Editionsvorhabens darstellt, verzeichnet jedoch die Gesamt-
(10)heit der in dem bezeichneten Zeitraum erschienenen, sich in Kontrovers-
zusammenhänge einordnenden Schriften: ca. 2.000 Drucke zwischen Interim
und Konkordienformel bzw. Konkordienbuch (1577/80). Die hier gewähr-
leisteten unterschiedlichen Recherchemöglichkeiten erlauben einen for-
schungsperspektivisch vielfältigen Zugriff, der interdisziplinären Fragestel-
(15)lungen gegenüber offen ist.
Dass dieser Band, trotz eines tiefgreifenden Wechsels unter den Bearbeitern
zügig erscheinen konnte, ist dem reibungslosen Austausch zwischen altem
und neuem Mitarbeiterstab und dem Teamgeist der gesamten Gruppe zu dan-
ken. Für seinen verantwortungsbewußten Einsatz, wann immer Rat und Hilfe
(20)nötig war, ist Herrn Dr. Henning P. Jürgens zu danken, in dessen Nachfolge
Herr Dipl. Theol. Hans-Otto Schneider den hier vorliegenden Band entschei-
dend mitgestaltet hat. Weiterhin zur Stelle war auch Herr Dr. Johannes Hund,
dessen Aufgaben als Bearbeiter nunmehr an Herrn Dr. des. Jan Martin Lies
übergegangen sind. Herrn Dr. Andreas Mohr ist für die Pflege und Komplet-
(25)tierung der Datenbank zu danken, ebenso für die Hilfe bei der Register-
erstellung. Frau Dipl. Theol. Hedwig Toth-Schmitz hat in zuverlässiger Weise
die elektronische Erfassung der Quellentexte übernommen. Nicht unerwähnt
bleiben darf die freundliche Hilfe, die wir durch Herrn Dr. Günter Weitling,
Padborg, DK, bei der Übersetzung einer hier publizierten dänischen Quelle
(30)erfahren haben. Profitiert hat der Band nicht zuletzt von den impulsgebenden
Gesprächen mit Frau Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte, Frankfurt/M., Prof. Dr.
Joachim Bahlcke, Stuttgart, und Prof. Dr. Timothy Wengert, Philadelphia PA,
während der Eingangsevaluation des Projekts im Sommer 2009. Darüber
hinaus hat Prof. Dr. Robert Kolb, St. Louis MO, durch seine profunde Quel-
(35)lenkenntnis und wertvolle Hinweise zum Gelingen des Bandes beigetragen.
Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Mainz, im März 2010 Irene Dingel

Kommentar
2 Vgl. dazu die Historische Einleitung, unten S. 5–34.

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