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Nonne im Kloster Lüne an eine Priorin in einem anderen Kloster
12. Mai 1506
Dank für Kondolenzbrief nach dem Tod des Propstes — Thank-you for letter of condolence after the death of the provostKloster Lüne, Hs. 15, Lage 5, fol. 9r
Lateinisch und Niederdeutsch.
Die Absenderin dankt für einen Kondolenzbrief zum Tod des alten Lüner Propstes, Nikolaus Schomaker († 1. Februar 1506), und berichtet von der einstimmigen Wahl seines Nachfolgers Johann Lorber im Kapitel. Charakterisierung des Propstes als gelehrt, klug und wohlwollend, der Observanz nahestehend und dem Konvent in den geistlichen und weltlichen Angelegenheiten zuträglich. Er hat bereits baufällige Gebäude des Klosterhofs restaurieren lassen und will auch die Klostergebäude instandsetzen lassen. Sie bittet um das Gebet für den neuen Propst und um zwei paar Handschuhe, wie sie als Geschenk für einen Abt oder Weihbischof üblich sind.
The sender thanks the recipient for her letter of condolence from February 1506 after the death of the former Provost of Lüne, Nikolaus Schomaker. She writes that she had forgotten to reply until now and she reports on the unanimous election of his successor, Johannes Lorber, and the community’s first impressions of their new provost. She reveals that, unusually, the nuns possessed some prior knowledge of the new provost’s qualities and had held secret discussions about him before his election to secure a consensus in the convent that he should be elected. Lorber is described as learned and wise, well-intentioned and rich in virtue. He makes an outstanding contribution to Divine Service and has announced that he wishes to renovate the buildings of the convent, particularly the chapter house and the dormitory, after commissioning restoration works to dilapidated buildings on the convent’s farm. She asks the recipient to pray for the provost and orders a pair of gloves, which should serve as a customary gift for an abbot (usually of Oldenstadt) or a bishop (usually the auxiliary bishop of Verden) when he visited the convent to preside at a nun’s solemn profession or coronation respectively.
1 Lilium quallium spirans odorem balsami=
2 ticum1 Christum regem et sponsum anime e tumu
3 lo pullulantem ut rosa et nardus odori=
4 fera in amoris cantico letabunda gratu=
5 latitone et hic misterialiter et illic in
6 celesti Jerusalem realiter subsequi Venerabilis et
7 religiosa domina ymmo fautrix predilecta
8 rubore quodam erubescentie nimie
9 merito perfunderer si aliquam aliam ob
10 causam preterquam nimiam occupationem
11 et a Domino immissam tribulationem reverende
12 vestre a qua michi tam multa exhibita sunt bene=
13 ficia scribere omisissem Nempe cum
14 in necessitate sint probandi amici2 ego
15 tantilla a vestra dominatione tempore meroris
16 et necessitatis videlicet post obitum dilecti
17 domini prepositi pii patris nostri3 felicis recorda
18 cionis scriptis consolatoriis visitata lu=
Nil magis
80 ad presens sed salutem plurimam vobis
81 optat venerabilis dominus noster prepositus et tota
82 nostra congregatio Modo simili
83 ex nomine meo peto salutari
84 totum laudabile collegium filiarum
85 vestrarum dilectarum Valeatis feliciter
86 in Christo victori mortis invictissimo
87 iugi evo Ex Lune
feria 3a Cantate9
a hier gestrichen ago
b zu korrigieren in porrecto
c zu korrigieren in virem
d zu korrigieren in quod
1 Aus dem Osterhymnus ‚Salve, Jesu, agne paschalis‘, dort heißt es: Tu lilium convallium, spirans odorem suavissimum, nomen tuum oleum, effusum et balsamum (die darin erwähnte Lilie stammt ihrerseits aus Ct 2,1).
2 Thomas a Kempis, Vallis liliorum, cap. 16; Manuale parvulorum, cap. 12; Vita Florentii, cap. 15, in: Thomas von Kempen, Opera, hg. von Pohl (1918), Bd. 4, S. 80, usw. Hier geht es um ein volkssprachiges Sprichwort, das auch sonst als in der Volkssprache abgefasst zitiert wird. Vgl. z. B. Brief 13 (Lage 2, fol. 3r-5v), Brief 144 (Lage 21, fol. 21r-23r) und Brief 194 (Lage 15, fol. 6r-7r).
3 Vgl. Brief 215 (Lage 16, fol. 11r): de obitu pii patris ac fidelissimi pastoris nostri.
4 Aus diesen Zeilen ergibt sich ein interessanter Einblick in die Propstwahl: Die Nonnen hatten – divulgante fama – eine gewisse Vorkenntnis von den Qualitäten des Kandidaten und unter dem Siegel der Verschwiegenheit (in loco capitulari sub sigillo confessionis) schon vor dem eigentlichen Wahlakt über den Kandidaten gesprochen und einen Konsens im Konvent hergestellt. Das ‚Amtsbuch der Sakrista‘, Lüne, Hs. 23, fol. 64v, sagt darüber: Feria sexta [am 30. Januar 1506, Schomaker lag auf dem Sterbebett] statim post capellm dixit priorissa toto conventui de electione, et interrogavit unamquamque personam, si essent contente de Johanne Lorbere, et responderunt omnes „quod vobis placet“, zitiert in Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), S. 103.
6 4.Rg 2,1-18. Als Ersatz für den entrückten Elias (Schomaker) haben die Nonnen einen neuen Elisaeus (Lorber) gewonnen.
7 Johann Lorber ließ in seinen ersten Amtsjahren besonders den Kapitelsaal und das neue Dormitorium bauen, Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), S. 110; 124, später stiftete er er noch viele weitere Bauten und Kunstwerke.
8 Zur Profess pflegte ein Abt eines der Bursfelder Klöster aus der Umgebung, etwa jener von Oldenstadt, nach Lüne zu kommen. Die Nonnenkrönung war einem Bischof oder Weihbischof vorbehalten. Nach Lüne kam der Verdener Weihbischof, zunächst Martin von Fürstenwalde, danach Christopher Radelennes.
9 Der Sonntag Cantate ist der vierte nach Ostern – daraus wird deutlich, dass sich der Brief auf die Wahl und die ersten Amtshandlungen Johann Lorbers (gewählt im Februar), und nicht etwa auf die Wahl seines Vorgängers Nikolaus Schomaker (gewählt im Juni) beziehen muss.