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Marcus Molnaris in Lübeck an Propst Nikolaus Graurock im Kloster Lüne
25. Januar 1483
Austausch über Geldgeschäfte und über Lübecker Domkapitelsitzung — Report on business dealings and the meeting of the Lübeck chapterKloster Lüne, Hs. 15, Lage 10, fol. 5v
Lateinisch.
Molnaris reagiert bei dem dichten Briefwechsel auf die letzte, von Heinrich Hesse überbrachte Nachricht, in der Graurock geschrieben hatte, dass er sich aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Lüner Konvent dauerhaft in Lübeck niederlassen will. Molnaris begrüßt die Entscheidung Graurocks, die Lüner Nonnen sollten sich eben einen neuen Verwalter suchen. Danach spricht Molnaris eine Verstimmung zwischen sich und Graurock an, die offenbar aus einem Missverständnis entstanden und Gegenstand des vorausgegangenen Briefwechsels war: Der Lübecker Domherr Heinrich Erpensen hatte für Molnaris 100 Gulden ausgelegt, in der Annahme, Graurock bürge für ihn, doch hatte der Propst dies zunächst nicht getan. Molnaris entschuldigt sich nun, falls er sich im Ton vergriffen habe. Anscheinend ist das strittige Geschäft inzwischen rückgängig gemacht und Erpensen wickelt nun den gesamten Handel über 1000 Gulden direkt mit Dritten ab. Im Weiteren thematisiert Molnaris die 100 Rheinischen Gulden, die Graurock vom Lüneburger Ratsherren Cord Lange für ihn erlangen konnte. Molnaris verfügt damit über 400 von 800, die nach Lübeck zu schicken wären. Über die Restsumme muss er den Kredit bzw. die Stundung erneuern, deshalb wolle er sich am ersten Fastensonntag vertraulich mit Graurock treffen. Zudem bittet er Graurock, er möge jetzt die 100 Gulden an sich nehmen und Lange dafür in seinem Namen eine Quittung ausstellen. Es folgen Nachrichten aus der am Vortag abgehaltenen Sitzung des Lübecker Domkapitels über die Neuverleihungen von mehreren Höfen, so des Klerikers Johannes Osthusen und darunter eine Verleihung an Graurocks Vertrauten Ludolph Töbing, die Molnaris befürwortet hat, und über Verfahrensänderungen bei der Vergabe der kleinen Pfründen des Kapitels.
Marcus Molnaris has heard that Provost Nikolaus Graurock wishes to permanently settle in Lübeck and welcomes this decision in the words of the Song of Simeon, praising him for choosing to devote the remainder of his brief time on earth to his duties in the Church in an allusion to Matthew 24. He suggests that the Lüne nuns should look for a new administrator, accusing them of being ungrateful to Graurock and pointedly remarking that they will only know what they have lost when the provost who succeeds him squanders the convent’s wealth. Molnaris then addresses a disagreement which he had had with Graurock arising from a misunderstanding and which had been the subject of previous correspondence. He reports that Heinrich Erpensen, Canon of Lübeck, had advanced him the sum of one hundred guilders on the assumption that Graurock would act as a guarantor for him, but the provost did not do so. Molnaris apologises if he had struck the wrong tone in the previous letter. Apparently, the disputed deal has now fallen through and Erpensen is currently liquidating the whole deal, worth over a thousand guilders, with a third party (some elements which are crucial to enabling us to fully understand these references are missing from the much-shortened text). Molnaris then broaches the topic of the 100 Rhenish guilders that Graurock was able to obtain for him from the Lüneburg town councillor Cord Lange. Molnaris reports that he currently has 400 guilders in total of the 800 guilders that must be sent to Lübeck. He has had to renew his credit and defer his payment of the remaining amount. He therefore requests to meet Graurock in secret on the First Sunday in Lent. In an addendum, Molnaris asks Graurock whether he would be willing to take responsibility for the 100 guilders and issue a receipt to Lange in his own name. The letter ends with news from the Lübeck cathedral chapter meeting which had taken place the previous day and in which Graurock had not participated because he had been in Lüne. He also sends news of the chapter’s decision to grant several farms that it owned to various people, including one to Graurock’s confidant Ludolph Töbing, which Molnaris supported, as well as to make changes to the procedure for the grant of smaller benefices from the cathedral chapter, quoting snippets of the chapter’s decision verbatim.
1 Solita commendatione premissa Venerabile
2 pater et domine die Iovis proxima1 preterita
3 Hynrick
Hesse2 portavit
michi litteram ex
4 parte dominationis vestre ad singula scripta mea plus
quam
5 sufficienter respondentem pro quibus regratior
6 etc Hodie vero accepi aliam vestram
7 litteram que cum prima ut
prefertur littere
8 concordat sed in fine narrat vestram
9 dominationem
esse in proposito ad nos Lubeck ve=
10 niendi atque perpetuo permanendi etc
11 Hoc annexum littere
vestre multo plus quam
12 premissa scripta de pecuniis habitis
13 etc
placet et ergo primo ad istud ultimum
14 respondeo Utinam et iterum utinam
talem diem
15 supervivere possem cantarem utique Nunc
56 In quibuscumque e v d irritavi peto michi
57 indulgeri non scripsi tamen animo
irritandi
58 sed conquerendi quod fides mea apud prefatum
59 dominum H Erpensen denigraretur Quid
60 potuit ille bonus vir aliud
dicere meis
61 notis in Luneborch aut alibi quam hec
62 verba Ecce ego exposui ad scripta Marci
63 IC florenos credens ut eosdem michi cum proximo
64 persolveret iam sollicitat erga dominum
65 prepositum in Lune ut ipse me de eisdem
66 contentaret cum
dominus prepositus proponit se
67 valde ad hoc gravem et difficilem
credidi
124 Opto etiam quod dominatio vestra illas IC marcas a
domino
125 Conrado
Langhen28 recipiat ad
se et
126 quitantium29 meum sibi tradat
128 Venerabili ac circumspecto viro domino et
129 magistro Nicolao Grawrock ecclesie
130 Lubicensi
preposito diligentissime merito etc
131 domino suo predilecto. […]
132 upp den hoff to Lune.
a supra lin.
b zu korrigieren in advenerit
c hier gestrichen quod
d hier gestrichen in
e zu korrigieren in Oesthusensis
f auch Lesart quoniam ad möglich, zu korrigieren in quoad
g zu korrigieren in Loste
h zu korrigieren in episcopi
i zu korrigieren in Swerinensi
j hier gestrichen ego
k hier gestrichen petivi
l in der Hs. danach nicht auflösbare Abkürzung
m Auflösung unsicher, alternative Lesart vicario, mit dem Genitiv wäre der Verstorbene bezeichnet, mit dem Dativ der folgend genannte Herr
n zu korrigieren in Lubicensi
o Abkürzung uneindeutig
p hier überschüssig folcium, Bedeutung unklar, Auflösung unsicher
q Auflösung der Abkürzung unsicher
1 Am Donnerstag vor Ausstellung des Briefes, also am 23. Januar 1483.
2 Ein Henricus Hesse findet sich im UB Bistum Lübeck, Nr. 1668 (vom 26. Oktober 1447, dort als Vikar an der Lübecker Marienkirche) und UB Bistum Lübeck, Nr. 2471, Zeile 397 (Liste der Vikare), aber dabei muss es sich nicht um den hier genannten Boten handeln.
3 Lobgesang des Simeon, Lc 2,29-32, ‚Canticum‘ in der Komplet.
4 Mt 24,43 – gemeint ist: Graurock kann nicht wissen, wieviel Zeit ihm noch zu leben bleibt, deshalb soll er den Geschäften entsagen und sich ganz seinen geistlichen Pflichten widmen.
5 Der Verfasser unterstellt, die Lüner Nonnen wären undankbar gewesen und hätten sich einen anderen Propst als Graurock gewünscht. Wenn nun ein anderer käme, der die Güter des Klosters verschleudere, dann würden sie merken, was sie an Graurock gehabt hätten.
6 In Io 19,37 eine auf Christus bezogene Weissagung – sie werden aufschauen zu dem, den sie gekreuzigt haben.
8 Anscheinend fehlt das Prädikat zu dem mit quod eingeleiteten Nebensatz. Zu erwarten wäre respondendum, quod […] exposuit.
9 Zu Heinrich Erpensen vgl. ‚Klerikerbiographie‘.
10 Das Prädikat, von dem das Akkusativobjekt centum florenos abhängig ist, fehlt. Offenbar hat Erpensen die genannten 100 Gulden ausgezahlt.
11 Gemeint ist telonium, ein Zoll, vgl. DuCange, Bd. 8, Sp. 46.
12 Der erste Fastensonntag war 1483 der 16. Februar.
13 Terenz, Andria, actus 3 (bzw. versus 555).
14 Hier berichtet der Verfasser aus der wahrscheinlich nicht öffentlichen Sitzung des Lübecker Domkapitels vom 24. Januar 1483, der er offenbar selbst beigewohnt hatte. Allerdings findet sich sein Name, Marcus Molnaris, weder in den erhaltenen Mitgliederlisten des Domkapitels, UB Bistum Lübeck, Nr. 2417 und 2418, noch im Memorialbuch der Lübecker Kirche, UB Bistum Lübeck, Nr. 2503. Graurock seinerseits wäre als Dompropst zur Teilnahme berechtigt gewesen, war aber zu der Zeit in Lüneburg.
15 Johannes Osthusen oder Osthues, vgl. die ‚Klerikerbiographie‘.
16 Ludolph Töbing aus Lünenburg hatte schon 1472, damals mit Nikolaus Graurock, in Rom geweilt. In Brief 109 (Lage 10, fol. 1r-4r) vom 8. Januar 1472 wird er als besonderer Vertrauensmann Graurocks genannt. Offensichtlich ist er auch dem Absender dieses Schreibens, dem Vikar Bernhard Staken in Lüneburg, bekannt. Er ist auch der Verfasser von Brief 112 (Lage 10, fol. 9r-16r) vom 22. Oktober 1473. Vgl. auch die ‚Klerikerbiographie‘.
17 Der Satz ist in der vorliegenden Abschrift gekürzt und es fehlt das Beziehungswort zu factum, sofern in der Vorlage wirklich factum und nicht eher factam gestanden hat. Man kann nicht erkennen, ob Johannes Stavel ein verstorbener Geistlicher sein soll, der bisher die jetzt neu zu vergebenden Einkünfte aus einem Hof des Domkapitels bezogen hat, oder vielleicht der Pächter des Hofes, der jüngst verstorben ist. Im Kontext viel wahrscheinlicher erscheint erstgenannte Vermutung. Sie muss dann zutreffen, wenn sich die abgekürzt dargestellte Form von vicarius zwölf Zeilen weiter unten auf den zuvor genannten Stavel (im Genitiv), und nicht auf den nachfolgend genannten Begünstigten, Konrad Swarte (im Dativ) beziehen soll. Doch ist im Urkundenbuch Bistum Lübeck kein Kleriker dieses Namens belegt.
18 Thomas Grote, vgl. ‚Klerikerbiographie‘.
19 Johannes Breide, vgl. ‚Klerikerbiographie‘.
20 Hier ist wohl ein Fragment vom Wortlaut des Beschlusses inseriert. Zu erwarten wäre eine Formulierung ut michi usw.
21 Konrad Swarte, Domherr zu Lübeck, vgl. ‚Klerikerbiographie‘.
22 Gottfried Stauwer, Domherr zu Lübeck, vgl. ‚Klerikerbiographie‘.
23 Wahrscheinlich Dietrich Arndes, der jüngst in das Lübecker Domkapitel aufgenommen worden war, vgl. ‚Klerikerbiographie‘.
24 Jutke oder Jütke sind Kurzformen von Gottfried; gemeint ist hier der zuvor genannte Godfridus Stauwer .
25 Gemeint sind wohl solatia, Trostworte.
26 Conversio sancti Pauli am 25. Januar 1483, nicht das Apostelfest Peter und Paul am 29. Juni.
27 Wahrscheinlich Johannes Kruse, Vikar am Dom zu Lübeck, vgl. ‚Klerikerbiographie‘.
28 Cord Lange, Ratsherr, dann Bürgermeister in Lüneburg, vgl. biographische Information. Er war später einer der Testamentsvollstrecker des Nikolaus Graurock und wohnte der Amtseinführung von dessen Nachfolger Nikolaus Schomaker bei, vgl. UB Lüne, Nr. 640 und 642.
29 Vgl. DuCange, Bd. 6, Sp. 609, hier: ‚Quittung‘.
30 Der Verfasser des vorliegenden Briefes hat ausweislich seines Berichtes an der Sitzung des Lübecker Domkapitels vom 24. Januar teilgenommen und auch an der Vergabe von Pfründen, die dort verhandelt wurde, selbst mitgewirkt. Es gibt jedoch im UB Bistum Lübeck keinerlei Beleg für einen Domherren dieses oder eines ähnlichen Namens.