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Mönch Gregor in der Kartause Ahrensbök an Nonne Elyzabeth Schack im Kloster Lüne
8. April, vor 1486
Geschenk eines Gebetbuches — Praise of the monastic lifeKloster Lüne, Hs. 15, Lage 11, fol. 10r
Lateinisch.
Wätjer, Die Geschichte (1988). Vgl. Briefe 117 und 121.
Der Absender dankt für das freundliche Schreiben der Empfängerin und teilt mit, dass ein Besuch nicht möglich sei. Er übersendet ein Gebetbuch mit einer kurzen Auswahl an Texten, eigenhändig geschrieben und illuminiert. Weiter schreibt er Ausführungen zu den Klostergelübden, vor allem ein Lob des Gehorsams. Grüße an Susanna Munter, Gertrud de Ancklem, Berte Hoyers. Weitere Grüße auch von Magister Jasper in Ahrensbök an Mette van dem Berge, Gertrud de Ancklem, Alburg Qwickborn und Katherina Qwickborn. Überreicht an Elyzabeth Schack in Kloster Lüne.
The sender thanks the addressee for her friendly letter and explains that it is not possible for him to visit her. He sends a prayerbook containing a small selection of prayers, written and illuminated in his own hand, with the intention not to seek praise from her, but to meditate on the Passion whilst he was preparing it and encourage her to do the same when she uses it. He asks that she may remember him in her prayers whenever she meditates on the prayers with devotion and a pure heart. This is particularly effective because of the gift of chastity which she has achieved through effort and grace. Drawing extensively on the writings of the Church Fathers, especially David von Augsburg, Bonaventura and St Bernard of Clairvaux, Brother Gregor (probably the Gregor who served as Prior of Ahrensbök from 1453 to 1465) praises the monastic vows, especially obedience; he stresses that, without this virtue, no good work can please God. Strikingly, he omits the second of David von Augsburg’s rationes obedientiae and replaces it with his own original thought that whoever is disobedient is no child of God and whoever is no child of God will be damned. He also adapts a verse from the Book of Wisdom in praise of wisdom into one in praise of obedience. He sends greetings to Susanna Munter (mentioned as Prioress of Lüne in 1455 and 1461), Gertrud de Ancklem and Berte Hoyers (sacristan and later briefly Prioress of Lüne in the early stages of the reforms of the convent). Greetings also from Magister Jasper to Prioress Mette van dem Berge, Gertrud de Ancklem, Alburg Qwickborn and Katherina Qwickborn. The letter was given to Elyzabeth Schack (who describes herself as a professed choir nun in Letter 121) in the convent.
1 Jesu Christo virginum sponso beatissimisque spiritibus
2 vitam post hanc laudabilem consumatam
3 inseparabiliter copulari Honorabilis in Christo
4
my karissima domina petitiones vestras cari=
5 tativas ante aliquod temporum intervalla michi
6 cum vobiscum habitu seculari non corporis
7 sed spiritus ore conversabar
proa aliquot devo=
8 tis orationibus conscribendis medio inter=
9 nuntio porrectas ex causis circumva=
10 gantibus plurimis circa varia occu=
11 patus heu mente instabili aure quasi
12 surda pertransivi Dei autem misericordia vi a me=
13 ipso contra me revocatus ad me servi=
14 tioque eius iugi professione forti inutilis
15 et indignus mancipatus nulli iam alteri
16 sed sub humilis obedientie vexillis ipsi soli
17 militans utinam mente sicut corpore
18 de venerabili ac benigni patris nostri prio=
a supra lin.
b hier gestrichen autem placere
c korrigiert aus Confidensque in mg.
d zu korrigieren in victorie
e hier gestrichen exi
f zu korrigieren in casta
g hier gestrichen clau=
h zu korrigieren in sit
i zu korrigieren in conferre
j supra lin.
k fehlt in der Handschrift quod
l hier gestrichen suis
m hier gestrichen is
n hier gestrichen sulp
o auch Lesart pravior möglich, zu korrigieren in planior
p zu korrigieren in attenditur
q hier gestrichen eterna
3 Bezug auf den Durchzug durch das Rote Meer „trockenen Fußes“.
5 Ex 2,22. Vgl. Ex 18,10; Dt 7,8.
6 Als Kartäuser ist der Verfasser zu beständigem Schweigen verpflichtet.
7 Hier beginnt ein längeres Zitat aus David von Augsburg bzw. Bonaventura, siehe unten.
8 Emendiert nach der Vorlage von David von Augsburg bzw. Bonaventura.
9 Hier ist das Zitat etwas gekürzt – in der Vorlage gab es zwei Bibelzitate: Sic angeli superiores inferioribus praesunt, et caelestia terrenis, et irrationabilibus rationabilia praesint, Genesis: „Faciamus hominem, et praesit piscibus maris et volatilibus coeli, et bestiis terrae“ [Gn 1,26], ad Romanos: „Omnis anima […]“
11 Auch hier ist das Zitat nicht ganz wörtlich – David von Augsburg (bzw. Bonaventura, siehe unten) hat substantia divina ita elevata est statt substantia enim divina est ita elevata.
12 Thomas von Aquin diskutiert die Frage, ob Gott auf die untergeordneten Kreaturen nur vermittels der übergeordneten, oder auch direkt einwirkt, am nämlichen Beispiel der Engel in Questiones disputatae de veritate, 1 qu. 9, art. 2.
13 In der Vorlage: nihil sit omnibus eo praesentius etc.
14 Von fol. 13r Omnis enim creatura […] bis hier war alles ein mehr oder weniger wörtliches Zitat aus David von Augsburg, De compositione, hg. Collegii S. Bonaventurae (1899), S. 263-264. Der Text ist auch überliefert unter dem Namen des Bonaventura. Im ‚Tractatus de profectu religiosorum‘, lib. 2, cap. 3. Der bis hier zitierte erste Teil stellt dort zunächst die erste von drei rationes obedientiae dar. Auch im folgenden schöpft der Kartäuser, wie zu sehen sein wird, weiter aus dieser Quelle.
15 Die zweite ratio obedientiae hat der Kartäuser übersprungen und stattdessen eine eigene Reflektion eingefügt: Wer nicht gehorsam ist, ist nicht Sohn (Gottes), wer nicht Sohn ist, der wird verdammt. Nun kehrt er zu seiner Vorlage zurück: Bei David von Augsburg (bzw. im Bonaventura zugeschriebenen ‚Tractatus de profectu religiosorum‘) hatte die dritte ratio gelautet: Tertia ratio est, ut homo, qui sub Deo esse noluit peccando, et ita superbiendo gratiam Dei perdidit, satisfaciat ei subiciendo se homini propter Deum, et ita per humilitatis meritum gratiam Dei recuperet, quam amisit. Der Kartäuser verwandelt hier also lediglich die 3. Sg. in eine 1. Pl.
16 In den alten Bonaventura-Ausgaben (siehe oben) findet sich die Variante planior, im David-Text der Franziskaner von Quarracchi hingegen steht purior.
17 Nun ist das Zitat wieder fast wörtlich, nur der erste Satz ist leicht gekürzt – bei David von Augsburg hat er gelautet: Quanto maior autem et purior et promptior fuerit humiliatio, tanto plenior erit gratiae recuperatio et gloriae remuneratio etc.
18 Einen Satz über die triplex oboedientia (necessitas, cupiditas und caritas) hat der Kartäuser übersprungen, jetzt zitiert er weiter David von Augsburg. Dort geht der Satz so weiter: […] si posset vel auderet, ut asinus et bos et servi malevoli, et similes.
19 Bei David von Augsburg: […] libenter facit quod iniungitur, ut canis et accipiter, et mercenarii, et similes illis. Der Kartäuser lässt, wie schon im vorigen Satz, die Vergleiche weg.
20 Bei David von Augsburg fast gleichlautend: […] quando ex caritate Dei vel propter Deum et propter divinam remunerationem obeditur, etc.
21 Ursprünglich aus Smaragdus sancti Michaelis, Diadema monachorum, cap. 13, in: Migne PL 102, Sp. 610 (ca. 760 bis ca. 840), dann bei Adalgerus episcopus, De studio virtutum, cap. 3, in: Migne PL 134 134, Sp. 919 (10 Jh.), hier sicher vermittelt durch den Bernhard von Clairvaux zugeschriebenen Tractatus de statu virtutum, pars 2, § 26, in: Migne PL 184, Sp. 805.
22 Bernardus Claraevallensis, In tempore resurrectionis sermo 3, §3, in: Migne PL 183, Sp. 290, dort seinerseits inspiriert durch Augustinus Hipponensis (zugeschrieben), Ad fratres in eremo commorantes, in: Migne PL 40, Sp. 1291: Claude enim oculum, et amittis vitium; claude ianuam, et latronem occides; claude oculum, et voluntas non erit habendi; claude oculum, et infernum clauseris in aeternum.
23 Sap 7,11, aber dort nicht im Hinblick auf den Gehorsam, sondern auf die Weisheit.
24 Als Priorin des Klosters Lüne belegt in UB Lüne, Nr. 568; 576 (vom 20. Dezember 1455 und vom 20. Dezember 1461, dort aber im Hinblick auf ein früheres Geschäft).
25 Vgl. UB Lüne, 565 (vom 4. April 1453) und 584 (vom 28. September 1465, jeweils als Nonne); Nr. 586 (vom 22. März 1466, als Sakristanin); und dann Nr. 595 (vom 22. August 1469); 610; 617; und 619-622 (als Priorin). Im Zuge der Klosterreform, am 19. Oktober 1481 musste Berte Hoyers ihr Amt abgeben, um der aus Ebstorf gekommenen Sophia von Bodenteich Platz zu machen; ausweislich der ‚Klosterchronik‘ starb sie am 24. Februar 1486, Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), S. 20; 73. Vor diesem Jahr muss der Brief also datiert werden.
26 In Brief 121 (Lage 11, fol. 20r), bezeichnet sich Elyzabeth Schack als professa, also als Chornonne mit ewigen Gelübden.
27 Priorin Mette van dem Berge (1458, 1468). Vgl. Klosterbuch, hg. von Dolleth/Knochenhauer (2012), 2, S. 946.
28 Wahrscheinlich Cyriaci et socii der 8 April
29 Namenform Lunde für Lüne belegt auch im UB Hildesheim, Bd. 6, S. 924.