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Konvent im Kloster Lüne an eine weltliche Adressatin
undatiert
Glückwunsch zur Hochzeit — Congratulatory letter on marriageKloster Lüne, Hs. 15, Lage 18, fol. 1r
Niederdeutsch.
Die Absenderinnen gratulieren der Empfängerin zu ihrer bevorstehenden Hochzeit. Sie freuen sich, dass die Eltern das noch erleben. Weil sie einige Zeit im Kloster verbracht hat und ihre Eltern den Konvent stets unterstützt haben, wollen sie ein Zeichen der Liebe senden. Gott möge ihnen allen das ewige Leben schenken. Zum Hochzeitsfest senden sie Anna, Maria und Christus, die in der gleichen Liebe zur Empfängerin kommen mögen, wie Christus damals in den goldenen Schrein von Marias Schoß gekommen ist. Diese Gabe wiederum ist bereits in der Bundeslade und den darin befindlichen Tafeln, die Gottes dauerhafte Liebe zu den Menschen belegen, angedeutet worden. In dieser Liebe und einer glücklichen Stunde möge nun die Empfängerin in die Ehe eintreten. Wie die Mandeln an Aarons Stab möge die Empfängerin göttliche Weisheit aufnehmen und von einer Tugend zur nächsten wachsen, sodass sie und all ihre Nachkommen zur Frucht des Mandelkerns Christi werden, der aus Maria und Anna erwuchs. Sie möge jetzt und zukünftig die Süße der Menschlichkeit Christi schmecken, der als wildes Einhorn seinen Kopf in den Schoß Mariens legte und von ihr für die Menschheit festgehalten worden ist. Anempfehlung der Empfängerin und ihrer Gesellschaft an Marien Herz und Schoß.
The nun congratulates the recipient, a former pupil of the convent school, on her forthcoming marriage and is glad that the parents are alive to witness this. She felt called to write as the recipient had spent some time in the community and her parents have regularly supported the convent. The nuns send in their place as wedding guests a depiction of the Virgin and Child with St Anne. She and her parents should go to the celebration with the same love with which Jesus came into the shrine of Mary’s body, prefigured by the ark of the covenant. The writer draws on Paul’s letter to the Hebrews to compare the growth in virtues with almond trees. The letter concludes with a description of the mystical unicorn hunt.
1 Marien den eddelen lilien struck de ghe sproten is van dem
2 hoghen konnichliken stamme hern Yesse alze eyn knenlick rodeke
3 vnde vordan vp ghewassen is in de lenghe vor myddest allen
doge=
4 den
so hoge dat Got alweldigha suluen wesen wolde eyn=
5 blome dar vppe. dar alle vorlaren mynschen mochten van
6 entfanghen de vrucht des ewighen leuendes de sende we juw
7 vor enen fruntliken grod myd vsem kranken bede
N
leue
8 vrundinne wy h. wol vernamen dat gy nu entfanghen scholt dat
9 sacramente des hilgen echtes dat de leue Got suluen hilget
10 vnde gheboden h. des wy vs myd juw vrouwen in dem leuen Got
11 de juw dar to leuet laten h. vnde ock juwe leuen elderen so lan
12 ghe vristet h. juw to troste alzo konne we des van leue
13 weghen n. laten
na dem male dat gy io vse leue kynt ghewe=
14 sen h. we musten iuw en luttik senden in en teken der leue.
15 de we noch to juw h. dar vmme dat gy so rechte vrame vnde
bed
16 derue
weren alle de tyd auer de gy hir myd us werenb noch plegen
17 to wesende Vnde ock vmme juwer leuen elderen willen de vser
18 samlinghe vaken uele ghude vnde vruntschop bewiset h. des
19 juw allen samtliken de barmhertighe Got neten late in der zele
20 vnde in dem lyue in ere vnde in gude in desser tyd vnde geue juw
21 na dessem leuende dat ewighe grote lon dat he suluen is
22 vnde wol dat we juw n. geuen kond dar juw wes mede hulpen
23 sy isc doch konde we juw wor ane behulplick wesen dat juw
24 vramen mochte in lyue vnde in zele dat dede we van herten gherne
25 Alzo sende we juw in ene bewisinge vse klenen closter gaue
26 vnde de hilgen erbaren vrouwen s Annen
vse leuen groter
27 moder1
myd der lustliken snewitten lilien Marien der hemmel
28 schen konigynnen de se us ghetelet h.
vnde dar to Jesum Christum de
bloy
29 genden
roden rosen de van er gheboren is vs allen to vrouden
30 vnde zalicheit de moten nu komen to juwer brudlacht
31 in der suluen leue dar he ane komen is in dat reyne kusckere=
Do de hochgelauede
83 bassuner der Hilgen Dreualdicheit Gabriel to er sprac
84 Ave gratia plena dominus tecum.7 Dar he do ene geystlike
85 jacht begink8 myd den snellen jacht wynden der dogede
86 alze der barmherticheit vnde warheit. der rechticheit
87 vnde des vredes. de jagheden den sone Godes hastigen vthe=
Hir
102 mede beuale we juw vnde al de juwen in ere moderke herte
103 vnde in eren junchurowelken schod dat se juw dar inne behode vnde
104 bescherme vor al dem dat juw mochte schedelik syn an der zele
105 vnde an dem lyue. vnde sy by juw nach vnde da in allen stunden vnde steden
106 vnde verlate juw nummer vth erer mildicheit so langhe wente
107 dat gy komen vor den speygel der Hilgen Dreualdicheit Des help
108 juw vnde vs allen de moder der barmherticheit Amen.
a korrigiert aus de alwedlighe Got, Änderung der Reihenfolge angezeigt durch supra lin. a und b
b hier gestrichen weren
c hier überschüssig is
d hier überschüssig moder
e korrigiert aus vorbunden vnde vorsonet, Änderung der Reihenfolge angezeigt durch supra lin. a und b
f zu korrigieren in kynd
g hier gestrichen mynsche
h zu korrigieren in besmecket
i zu korrigieren in schrynes
j zu korrigieren in grimmichen
1 Die Betonung der hl Anna als „unsere Großmutter“ weist auf die besondere Verehrung im Kloster Lüne wie auch das Fenster mit Anna selbdritt im Kreuzgang zeigt Darüber hinaus könnte es darauf hindeuten dass der Brief an die gleiche ehemalige Klosterschülerin Anna gerichtet ist wie der folgende Brief 247 (Lage 18, fol. 2v-4r der wie Brief 246 und Brief 248 (Lage 18, fol. 4v-5r) ebenfalls ein Glückwunschschreiben zur Hochzeit ist Ansonsten begegnet die hl Anna auch an anderen Stellen in den Briefen z B als Patronin für ein neugeborenes Mädchen in Brief 375 (Lage 27, fol. 14v-16v)
2 Beseleel, die Vulgata-Namensform von Bezael, wurde von Moses beauftragt, die Bundeslade (arke Godes) zu bauen, vgl. die folgende Anm.
3 3.Rg 8,9: In arca autem non erat aliud nisi duae tabulae lapideae quas posuerat in ea Moyses in Horeb, quando pepigit Dominus foedus cum filiis Israël, cum egrederentur de terra Aegypti.
4 Ex 37,1: Fecit autem Beseleel et arcam de lignis setim, habentem duos semis cubitos in longitudine, et cubitum ac semissem in latitudine, altitudo quoque unius cubiti fuit et dimidii: vestivitque eam auro purissimo intus ac foris.
6 gywerlde […] heft: „irgendwann irgendein gutes, inniges Herz gekostet hat.“
8 Die Ikonographie der Einhornjagd beruht auf den in der ‚Biblia Pauperum‘ hergestellten Bezügen zwischen der jungfräulichen Empfängnis und Bibelstellen des Alten Testament, ausgeführt mit Gabriel als Jagdhornbläser (buchstäblich: Posaunenspieler, bassuner) und den Tugenden Barmherzigeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede als Windhunden (jachtwynden). Vgl. z. B. die Lesepultdecke aus Kloster Ebstorf, bei der auch das goldene Gefäß und der Stab Aarons angeführt sind, 4. V. 15. Jh., DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 60 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di076g013k0006001, oder der Marienaltar auf dem Nonnenchor in Isenhagen 1. V. 16. Jhr DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 107 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di076g013k0010709. Vgl. außerdem Vosding, Tausend Briefe (2021).
9 Physiologus latinus (Versio B), hg. von Carmody (1939), Cap. 16, S. 31: Sic et dominus noster Jesus Christus, spiritalis unicornis, descendens in uterum virginis, per carnem ex ea sumptam, captus a Iudaeis, morte crucis damnatus est; de quo David dicit: Et dilectus sicut filius unicornium; et rursum in alio psalmo ipse de se dicit: Et exaltabitur sicut unicornis cornu meum. Siehe auch Schmidt/Schmidt, Bildersprache (1981), S. 48-51, bes. S. 49, das Einhorn als Christussymbol, das im Schoß der Jungfrau lagert.