➨ Hinweis: Die Edition ist in Bearbeitung und daher nur eingeschränkt zitierfähig.
Zur Zeit sind Änderungen und Korrekturen am Text und in den Apparaten möglich.
Nach der endgültigen Veröffentlichung werden etwaige Korrekturen und Ergänzungen in einem Änderungsregister gelistet.
Nonne, wahrscheinlich im Kloster Lüne, an einen jüngeren Verwandten
6. Oktober 1499
Beratungsschreiben — Letter of adviceKloster Lüne, Hs. 15, Lage 18, fol. 6r
Niederdeutsch.
Die Absenderin teilt mit, dass sie gesund ist und das Gleiche vom Empfänger hofft, der nach dem Tod seiner Eltern von seinem Vormund in die Fremde geschickt wurde. Sie ermahnt ihn, Gott zu ehren und so oft wie möglich in die Kirche zu gehen. Er soll Maria, seinen Eigenapostel und seinen Schutzengel täglich mit einem Vaterunser und Ave Maria ehren, und den hl. Hieronymus, als Patron der Gelehrten, bevor er zum Unterricht geht. Er wird ermahnt, seinem Vormund gehorsam zu sein und zu vermeiden, was ihn erzürnt und er soll friedlich mit seinen Mitschülern umgehen und selbst wenn er geschlagen wird, nicht dagegen zu murren, sondern geduldig zu sein. Der Lohn dafür ist die Gnade Gottes und die Gunst der Leute. Die Absenderin unterstreicht ihre Mahnung und hofft, bald gute Neuigkeiten von ihm zu hören. Sie werde für ihn beten und sendet einen Korb, darin ein Pferd mit goldenem Zaumzeug, ein silberner Pfau, ein kleiner goldener Stuhl, ein Paar Socken und vier gekochte Fische. Sie will nichts weiter, als dass er tugendsam und fromm ist und ihr schreibt, wie es ihm geht und ob er auch Latein versteht. Grüße an den Vormund.
The nun confirms that she is well and hopes that the recipient, a male relative of hers, is as well. After the death of his parents he has been sent to a different place. She exhorts him to love and honour God and go as often as possible to church. He should invoke Mary, honour his own apostle and guardian angel daily with a Lord’s Prayer, and do the same for St Jerome (the patron saint of scholars) before his lessons. He should be obedient to his guardian and avoid what could anger him. He should be peaceful among his fellow pupils: even if he is struck, he should not grumble about it but at all times be patient.
1 [J]esuma Christum
vnsen alder leuesten zalich. de dar is en vader aller elenden
2 bedroue. kyndere den scriue ik dy myn alder leueste vedder vor=
3 enen fruntli. grod to voren vnde do dyner leue witlik dat ik uan Godes
4 gnaden sunt vnde wol to passe byn des gheli. begere ik ock uan dy to
5 wetende wer du doch ock sterck syst vnde wo it dy geit
Vorder
6 myn alder leueste vedder so God almechtich na synem gotliken willen
7 dyne leue elderen h. to sik esket van desser werlt vnde du nu
8 in vromde land schicket byst by dynem leuen vadderen alzo is
9 myn begheer dattu io willest vlitich vnde willech wesen tho
10 der lere vnde willest dy n. ringe vth der scole vor sumen vmme
11 speles willen sunder do nu arbeit vnde vlid
dat du in der joget
12 mogest leren, dat dy up dyn older moghe vromen don;1 vnde bouen
13 alle ding so h. God dynen schipper leff van ghantzem herten vnde hold
14 syne hilgen bode2 vnde h. synen fruchten in allen dingen3 vnde gha
15 gherne myd flite in de kerken dat du mogest horen dat word
Dar to scoltu ock
23 gerne anropen de moder Godes Marien vnde eren se io myd dem ro
24 sen krantze up dat se dy by eren leuen kynde vor bydde in al dem
25 des dy nod is beyde an dem lyue vnde an der sele Ock scoltu
26 io alle daghe eren dynen leuen apostel vnde hilgen engel myd
27 enem Pater noster vnde Ave Maria dat se dy vaste by stan in allen noden
28 vnde bescermen dy uor allem ouele vnde den leuen hilgen sunte
29 Ierominus scoltu ock myd I Pater noster vnde Ave Maria eren alle dage
30 eer du in de scole geist
vp dat he dy enen guden syn vor
31 werue van Gode dattu wol konnest leren vnde motest deghe
32 lik vnde vram werden
Item so beghere ik ock van dy dattu
33 dynem leuen vadderen dar du mede bist willest to willen
34 wesen vnde willest ene horen in dem besten vnde myd flite vullen
35 bringen allent wad he dy hed. vnde wad du west dat eme to
36 willen is dar scholtu alle tyd horsam inne syn
vnde wat eme
37 den ock en jeghen is dar scoltu dy gherne voer waren dattu
38 ene dar n. mede vor tornst. vnde wes ock jo vredesam myd
39 dynen mede kumpanen in der scole dattu enen anderen n. dost,
40 men alze du gherne wult, dat dy scheen schal.4 werstu vn=
41 der tyden beropen edder slagen so
kurre nicht wedder.
Item ik sende dy enen korff dar h. ik inne lecht
53 en suuerk wit perd myd enem vorgulden tomen vnde I suuerken
54 paweken I lutken gulden stoleken I par socke vnde veer
55 koken viscke5 dat scoltu h. vmme myner leue willen vnde
56 ik beghere n. van dy men dattu willest degelick vnde vram
57 wesen vnde willest my doch ens scriuen wo it dy dar geyt vnde
58 wer du ock kanst latyn vorstan vnde segghe dynem leuen
59 N van myner wegen CCC. M . M gude nacht
Hir mede beua
60 le ik dyn liff vnde dyne zele in de hode vnde bescherminge des
61 almechtigen Godes de dy
friste vnde spare sund vnde zalich tho
62 langhen tyden Amen
Ghescreuen des achten daghens sancti
63 Michaelis anno Domini etc XCIXo.6
5 Dieser Gabenkorb scheint eine Sammlung von kleinen Dekor-Gegenständen und/oder geformten Gebäckstücken zu enthalten, vgl. Brief 138 (Lage 12, fol. 20r). Bei den Fischen könnte es sich hier auch um echten Fisch in einer gekochten Zubereitung handeln, vgl. Brief 324 (Lage 23, fol 8r).
6 6. Oktober 1499.