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Nonne im Kloster Lüne an ihre Eltern
vor 24. August, wahrscheinlich 1489
Ankündigung von Nonnenkrönung — Thank-you letterKloster Lüne, Hs. 15, Lage 19, fol. 18v
Niederdeutsch.
Die Absenderin dankt ihren Eltern dafür, dass sie sie ins Kloster gegeben haben. An diesem paradiesischen Ort ist sie nun auserwählt worden, am Tag des hl. Bartholomäus mit der Jungfrauenweihe die Nonnenkrone zu erhalten. Sie beschreibt die Bedeutung des Heiligen mit seiner Legende und deutet ihre Jungfrauenweihe, den Fingerring und die Nonnenkrone, mit Rückgriff auf das Buch Esther, als geistliche Hochzeit mit dem Bräutigam Christus aus. Der himmlische König wird damit zum Verwandten der Eltern. Auch wenn die Eltern bei der geistlichen Hochzeit nicht anwesend sein können, werden sie später doch zum ewigen Hochzeitsfest geladen. Abschließende Bitte um Vergebung für alles, womit die Absenderin sie erzürnt haben könnte.
The nun thanks her mother for all her good deeds, especially that she has given her over to the convent. God may give the reward. Description of being selected by God and the forthcoming celebration of crowning during the patronal festival, St Bartholomew’s day. The nun expounds on the legend of Bartholomew. Interpretation of the celebration with reference to the Book of Esther and description of ring and veil. The highest king will be their groom and relative. Even though the mother cannot be physically present at the spiritual marriage, she will be invited to the eternal marriage feast. She asks for forgiveness for everything, which may have angered her mother.
1 [Jaesum Christum den wisen hochghebornen vredesamighen koningh Salomon
2 ghekronet myd dem houet durbaren goldeb dar en syn hemmel
3 sche Vader mede kronede in dem heren hochtideghen daghe syner
4 brudlacht do he sik uor truwede myd der mynschliken naturen.
5 vnde trat vthe dem guldenen scrine syner zarten
junchvrowelkerc
6 moder Marien
alze eyn erwerdich brudegham vth syner bud
7 kammerd1 den sende ik juk vor enen annamen grod to voren Alderle=
7 ueste N N ik juwe leue dochter dancke juwer wederken2 vnde mo=
8 derken leue hochliken vnde fruntliken
uor alle gud dat gy my uan
9 myner kyntheyt wente an desse stunde lefliken dan h.
sunderken dar
10 uore dat gy my in dit closter h. ghegeuen dar ik rouwesamighen inne
11 leuen mach alze in enem wunnighen lustighen paradyse. vnde mach spas
12 seren
ghane in dem soten rosen garden mynes brudeghammes. mangt
13 den witten lillien vnde mangt den roden roseken in gheystliker wollust=
14 wo uake my des lustet. dar my juwe leue io to holpen h. des ik
15 juk nummer to vullen danken kan alle de daghe mynes leuen=
16 des. mer Christus Jesus de koning der ere de dat afgrunde syner ouerulodi=
17 barmherticheyt openet allen ruwighen ynnighen herten.
18 de mote juk dusent uolt belonen juwelk word dat gy my to gu=
19 de spraken h. vnde alle gud dat gy my dan h. dat mote he tho
20 male uor gelden myd dem groten lone dat he suluen is. Vortmer
21 alderleueste N so juk wol witlik is wo grote tekene der leue
22 dat God de here by my h. bewiset
in deme dat he my mangt dusent
23 dusent3 mynschen h. vterkoren to ener eghenen brud nicht van
24 myner werdicheyt sunder van syner mylden endelosen barmhertic
25 heyt weghen. alzo do ik juwer leue nu vorder to wetende dat
26 de Vader in der ewicheyt de syne grudelosenf myldicheyt uaken
27 bewiset synen armen creaturen. de h. nu jeghenwardighen up
28 ghe slaghen ene sunderghe grote werschop. vnde de wel he don
29 in dem neddersten synes koninghrikes dat is in dessem clostere.
a fehlt in der Handschrift J
b zu korrigieren in durbaren hovetgolde, durbaren in der Hs. mit Verweiszeichen supra lin. zwischen houet und gold gesetzt
c überschüssiger Nasalstrich über dem zweiten e
d zu korrigieren in brudkammer
e überschüssiger Nasalstrich supra lin.
f zu korrigieren in grundelose
g zu korrigieren in arme denerinne
h hier gestrichen con
i zu korrigieren in kroninghe
j zu korrigieren in unde
k hier gestrichen dat brud | vigher
l zu korrigieren in ik
m hier überschüssig u
n hier gestrichen hir
o hier überschüssig in ewigher | vrolicheyt, Doppelung zeitgenössisch durch Verweiszeichen gekennzeichnet
p hier gestrichen jummer
1 Ps 18,6: In sole posuit tabernaculum suum; et ipse tamquam sponsus procedens de thalamo suo. Exsultavit ut gigas ad currendam viam.
2 Die Schreiberin benutzt mehrfach w statt v, d. h. hier ist „väterlichen“ zu lesen; weiter unten auch wnde statt unde.
3 Doppelung von dusent als rhetorisches Mittel.
4 24. August. Wahrscheinlich im Jahr 1489, für das an diesem Tag eine Jungfrauenweihe belegt ist, vgl. Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), 77.
5 Hovethere (Hauptherr) ist die niederdeutsche Bezeichnung für den Klosterpatron, vgl. Brief 368 (Lage 27, fol. 3r), wo Bartholomäus als Klosterpatron stellvertretend zur Hochzeitsfeier geschickt wird. Die Chronik, hg. von Stenzig (2009), S. 77 (24. August 1489): Item eodem anno coronabantur XI sorores in die sancti Bartholomei gloriosi patroni nostri, et non communicaverunt, in secundo die.
6 Vgl. die Darstellung des hl. Bartholomäus im Sternengewand im ‚Medinger Gebetbuch‘, SUB Hamburg Ms. in scrin. 209, fol. 92r; auch das Lüner ‚Bartholomäuslaken‘, bei dem die Stationen der Legende dargestellt werden und am Ende die Verehrung des Heiligen durch die Nonnen steht, vgl. DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 45 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0004505.
7 Vgl. das Gebet zum Johannisfest im Medinger Gebetbuch, HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. Extrav. 300.1, fol. 89r: O hilghe here sunte Iohannes, en lef vrunt unde en uterkorne apostel Godes, kere dy to my unde se mj an, alse dy Cristus an sach, do he di van der werlde ladede to siner mesterscop, unde verwerf mj, dat ik eme mit vlite moghe to hanghen.
8 Danach fehlt möglicherweise nochmals ein Substantiv, zu erwarten wäre wie vier Zeilen darüber, vrunt.
9 König Ahasver aus dem Buch Esther (Assuerus in der Vulgata), vgl. Brief 220 (Lage 16, fol. 15v), wo ebenfalls zum Bartholomäustag als Kirchweihfest in Lüne der Vergleich mit dem großen Fest des Königs Ahasver herangezogen wird.
10 Vgl. Ebstorf, Hs. V 2, fol. 212v-213r, der zweite Ebstorfer Reformbericht, in dem es heißt: In corona sunt quatuor cruces rubee cum trans […] nant crucifixi sponsi nostri quinque vulnera, quod in signum Christi vulnerati gerebimus in capite, ut semper simus memores nostri sponsi, in canticis ubi dicit: „Vulnerasti cor meum, soror mea sponsa” [Ct 4,9], scilicet per amorem. Vgl. dazu Schlotheuber, Klostereintritt (2004), S. 164.
11 Einsetzung von v statt w.
12 Das Offizium der Jungfrauenweihe oder Nonnenkrönung war dem Agnesoffizium entnommen (Cantus ID 001426): Annulo suo subarravit me dominus Jesus Christus et tamquam sponsam decoravit me corona.
13 Im Niederdeutschen eine Bezeichnung für Amt, Zunft oder Stand.
14 Vgl. eine Übersetzung der ‚Passio sanctae Barbarae virginis‘, transkribiert aus British Library, Add. MS 29727, fol. 267v von Rudy, A play (2015), S. 81: Com, mijn wtvercoren biruut [sic], com mijn vriendinne, mijn schoen. Com, du salt mytter meechden cronen ghecroent werden, die ic dy van aen begynne bereit heb in mijnen rijck, in Bezug auf Ct 4,8: Veni de Libano, sponsa mea: veni de Libano, veni, coronaberis: de capite Amana, de vertice Sanir et Hermon, de cubilibus leonum, de montibus pardorum.