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Anna van der Molen aus dem Kloster Lüne an ihre Eltern
nach 14. Juni 1502
Kinderbrief an Eltern — A child dictates a letter to her parentsKloster Lüne, Hs. 15, Lage 23, fol. 13v
Niederdeutsch.
Brief 326 (Lage 23, fol. 12r-13v) Einleitung, Kap. 2.2.1.
Die junge Anna van der Molen teilt ihren Eltern mit, dass sie wohlauf und gern im Kloster ist und herzlich dafür dankt, dass sie nach ihrem Wunsch dem Konvent übergeben worden ist. Sie will es ihnen mit zunehmendem Alter durch gehorsames Klosterleben vergelten. Die Priorin hat sie sehr lieb und gibt ihr beim gemeinsamen Mahl stehts die besten Stücke der Speisen. Auf ihren Wunsch, zu den Eltern fliegen und ihnen sagen zu können, wie viel ihr der Klostereintritt bedeutet, hat die Domina geantwortet, sie nicht entbehren zu können, aber den Heiligen Geist als weiße Taube schicken zu wollen. Und auch wenn sie selbst fliegen könnte, würde sie doch all das Gute, was ihr im Konvent widerfährt, nicht tragen können. Die Eltern sollen bald mit zwei Verwandten zu Besuch kommen, sie hat mehr als zwei Stunden lang zu erzählen und kann nicht alles schreiben. Nach den Grüßen der Vermerk, dass es sich um ein Diktat des Mädchens handelt.
Anna thanks her parents for all that they have given her and hopes that when she is older and serves God in the convent that her prayers will have an effect. She will hold fast to what she has promised and be obedient to God, the prioress and the all the nuns. The prioress loves her as she loves herself, she eats from the same bowel as her and provides her with the best bites to eat, including chicken legs and wings. Anna would often say to the prioress that she wished that her parents knew how well she was. If she were a little bird and had two wings then she would fly to her parents and tell them how much she loved the prioress and how much she has given her. But the prioress would respond that she could not go without her and would ask the holy spirit that it fly to her parents in the form of a white dove and let them know in their hearts how well Anna is. Anna also thinks that if she had two wings and could fly then she could not take everything with her what she has been given. Therefore the parents should be satisfied and come and visit as soon as they can so that she can talk with them and say in words what she cannot put in writing. They should bring along their dearest family members and receive 300,000 good night wishes and be commended to a healthy and long life by God. The letter is signed off as dictated by Anna Molen and written by somebody else.
1 Kyntlike leue to voren
Myn alderleueste N vnde N1 ik juwe
2 leue dochter do juck lefliken wethen dat ik uan Godes gnaden sunt
3 vnde wol to passen byn vnde mach hir gherne wesen in dessem clos=
4 ter vnde ik dancke juw des van alle m. herten dat gy m. willen
5 daͤn h. vnde h. my dar to holpen
dara ik hir inne kommen byn vnde
6 h. my dar to gheuen allent wes ik bederff h. dar h. gy my
7 dat wol inne bewiset dat ik juwe leue kynt byn vnde dat kan ikb
8 ik nu noch van joget weghen nicht vor denen jeghen juw men
Ghe screuen vth Annen Moleken
44 erem munde myd vromder hand.2
a zu korrigieren in dat
b hier gestrichen ik
c hier gestrichen myd
d zu korrigieren in N
e dahinter ein Kürzel
1 Johann van der Molen, bezeugt 1467, Sülfmeister 1482, †1508; Anna wurde am 6. Dezember 1492 geboren. Sie ist wahrscheinlich die Tochter von Johann s zweiter Frau Anna von Raden. Vgl. Witzendorff, Patriziergeschlechter (1952), S. 81.
2 Dieser Brief ist eine Ergänzung zum Bericht über Annas erste Tage im Konvent, wie sie in Brief 326 (Lage 23, fol. 12r-13v) wahrscheinlich von der Priorin beschrieben werden. Der Wunsch des Mädchens, zu den Eltern fliegen zu können, wird hier aufgegriffen und in das Bild des Heiligen Geistes als Boten kanalisiert.