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Brief 372

Nonne im Kloster Lüne an eine Bekannte

undatiert

Kondolenzbrief — Letter of consolation

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 27, fol. 9v

Niederdeutsch.

Die Absenderin hat erfahren, dass der Angehörige der Empfängerin nun nach langer Krankheit verstorben ist. Auch wenn sie gegenwärtig sicher betrübt ist, soll sie sich dem Willen Gottes fügen. Mit Schriftbelegen führt sie aus, dass Gott den Verstorbenen mit der Krankheit eine angemessene Zeit geprüft hat, wie er es mit den Seinen tut. Das Leid des Verstorbenen ist nun zu Freude gewandelt. Wie ein Vater seinen Sohn liebt, ihn zwar gelegentlich schlägt, aber nicht enterbt, so prüft Gott die Menschen durch Krankheit oder vorzeitigen Tod, ob sie des Erbes der ewigen Freude würdig sind. Die Menschen sind Gottes liebste Geschöpfe, die er Christi Leid nachfolgen lässt. Wenn also auch die Empfängerin der göttlichen Liebe teilhaftig werden will, soll sie ihr Leid geduldig ertragen, an das Leid Christi denken und seinen Trost in Anspruch nehmen. Brieffragment, Ende fehlt.

The nun consoles the person to whom the letter is addressed. She has learned that a man close to the addressee, probably her husband, has now died after a long illness. This is all for the best since otherwise people might easily get indolent. Suffering should be seen as a test and a gift from God, because those who suffer like Christ come to his side in eternal life. She can always go to Christ for comfort. The closing formula is missing.

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[Lage 27, fol. 9v]


1 Jesuma Christum vnsen alder leuesten brudegam de deib is eyn loser
2 vnde eyn sunt maker des ghansen mynschliken slechtes. eyn cro
3 ne vndec der vrolicheyt. en schat erd der ewighen salicheyt.
4 eyn borne der grundelosen barmherticheyt. den sende ik dy
5 vor enen soten trost to voren.

Alder leueste so ik vor voren hebbe
6 dat de almechtighe ewighe barmhertighe God dede is eyn
7 bekenner aller herten. heft ghe esket to sik dynen leuen N
8 vnde heft den ghebrocht in de ewighen glorien myd allen synen
9 vterkoren de vrowde to besittende to ewighen tyden. alze du nu
10 ieghen wardighen bedrouet bist des dy nicht to witende is.
11 so scholtu doch dynen willen geuen in den willen Godes vnde scholt
12 dat vor war weten dat he Gode dem heren heft beheghelick
13 ghe west. na dem male dat he hir lange tyd in groter kranckheyt
14 ghe leghen heft dar en de leue God mede besocht heft alze
15 he synen leuen vrunden plecht to dunde de he leff heft doch scol
16 de he noch lengher leghen hebben dat mochte em suluen vnde
17 ock anderen luden lichte tho sware worden hebben. dat heft=

[Lage 27, fol. 10r]
18 de leue God nu ghe wandelt vnde heft en to sik ghenomen
19 in de ewighen vrowde vnde dar vmme en scholtu dy nicht be
20 drouen wente dat synt ware tekene der leue Godes. we
21 ne he hir lydent tho send alze dar betughet de wise man
22 Salomon vnde secht. Wene God de here lef hed, den castiget
23 he hir. vnde alze de vader in synem kynde. so maket sik
24 God de here beheghelick in dem mynschen.1 wente we seet dat
25 openbare dat de leue naturlick is twiscken deme va
26 dere vnde dem kynde. wol dat he dat vnder tyden sleyt
27 edder twinghet. doch so en maket he dat kynt dar
28 vmme nicht erlose erflos. sunder he drouwet em dar
29 mede vp dat he em dat noch gheuen moghe. vnde alzo
30 deyt vs God de here ok alze sunte Augustinus secht. God de
31 here drouwet vs wan nere dat he vs lydent to send. alze
32 krankedaghe des lichammes. edder den tydliken dod vnser
33 vrunde.2 vnde wan God den mynschen myd dessen plaghen nicht
34 en dwunghe. so worde he uake vedder streuich ieghen
35 en. alzo dat he sik des erues vnwerdich makede. dat is
36 des ewighen leuendes. dar we alto male erf kyndere
37 to synt. wente use leue salichmaker heft nener crea
38 turen so grote leue bewiset alze dem mynschen. wente do
39 de enghele sundegheden der losede he nicht. ock en heft
40 he de neddersten creaturen dar nicht to scicket. dat
41 se syne ere besitten scholten. mer de myddelsten creatu
42 ren dat is de mynsche den heft [hef gheloset myd synem du
43 ren blode. vnde heft den to syner ewighen ere ghe schykket
44 vnde dar vmme thut he den ok na sik ver myddest tydliken
[Lage 27, fol. 10v]
45 drofnissen vp dat he des erues werdich werde. wente we
46 leset dat in der hilgen schrift openbare dat de leuen hilgen
47 ere blot hebbet vth ghe goten vp dat se to der groten
48 vroude mochten komen. de God synen vterkoren bereth heft
49 wente dar kan nement hen kamen mer ver myddest lydende
50 alze use leue salichmaker dat sulueng betughet in dem ewan
51 gelio van sik suluest na der mynschliken naturen vnde secht.
52 Is was nod dat Christus lyden muste vnde alzo ghan in syne ere.3
53 vnde dar vmme secht de werde apostel sunte Pawel Is dat we
54 nicht mede lyden. so en scol we ok dat rike nicht mede be
55 sitten. dat is de ewighe vroude de God bereth heft synen vterkoren
56 vrunden4 de heft ny nen oghe seen ny nen ore hord etc den jennen
57 de en lef hebbet.5

Hir vmme alder leueste wultu desse groten
58 glorien vnde vroude mede besitten so mustu duldich wesen in alle
59 dynen lydende dat dy God de here to send. vnde segghen vaken
60 myd dem propheten Iob De name des heren sy benedyet. wente
61 alze id em behaghet heft so is id gheschen.6 Ock so scoltu an denken
62 de groten drofnisse vses leuen salichmakeres dar he ane was in der
63 tyd syner bitteren martere do he vmme vnser leue willen wart ghe
64 bunden vmme de sule vnde so vnbarmhertighen vnde bitterliken ghejslet
65 dat he van syner schetelen wente up syne versen ene hele stede nicht en
66 hadde in al synem lichamme so grod alze en natel knop wesen mach.
67 vnde wo duldichliken dat he dat led vmme vnsen willen. vnde dede ny syne
68 mund vp. sunder he wart to dem dode trecket alze en vnschuldich
69 lemmeken vnde kropp vnder dem hilgen cruce alze en luckik wormeken
70 alze de prophete Dauid betughet in dem psaltere dar he secht in der personen
71 Godes. Ik byn en worm vnde nen mynsche.7 vorder so beclaget desse
72 sulue prophete ok den groten hon vnde smaheit den vnse leue God van synen
73 vyenden led in syner bitteren martere vnde secht. Alle de my seghen, de
74 belacheden my. se specken my myd eren lippen vnde beweghede ere

[Lage 27, fol. 11r]
75 houede van groter bosheyt.8 Desses groten lydendes scoltu andechtich
76 wesen wan du van mynschliker krancheit weghen vnder tyden beweghent
77 werst to drofnissen. so gha vrigelken vnde sekerliken to vnsem leuen salich
78 makere de wel dy lefliken entfanghen in syne wyden vthereckeden
79 arme. klaghe em alle dyn led he is de alder beste ratgheuer vnde de
80 ouerste trost. allen wes du begherest dat vynstu in em. alze de leue sunte
81 Augustinus secht. Christus Jesus vnse here is vs gheworden alle dingh. Hungert
82 dy he is de ish en spise. dorstet dy he is dat leuendighe water. synt we arm
83 he heft de waren rikedaghe. bist du krank edder bedrouet he is de alder
84 beste arste. vnde de ewighe vroude. vruchtestu den dod he is dat leuent9
85 ane ende. vnde dat ewighe gud des we to ewighen tyden bruken scholt
86 na dessem leuende.


Kritischer Apparat

a J als sechszeilige Initiale

b zu korrigieren in dede

c hier gestrichen vnde

d hier überschüssig er

e hier gestrichen erlos

f fehlt in der Handschrift he

g hier gestrichen suluen

h hier überschüssig de is


Sachapparat

1 Prv 3,12.

2 Zitat nicht identifizierbar.

3 Vgl. Mt 16,21, Lc 9,22 u.a.

4 Vgl. Rm 8,1-17.

5 1.Cor 2,9

6 Vgl. Iob 1,22.

7 Ps 22,7.

8 Ps 22,8.

9 Nicht Augustinus, sondern Ambrosius von Mailand, De Virginitate 16,99, in: Migne PL 16.

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