➨ Hinweis: Die Edition ist in Bearbeitung und daher nur eingeschränkt zitierfähig.
Zur Zeit sind Änderungen und Korrekturen am Text und in den Apparaten möglich.
Nach der endgültigen Veröffentlichung werden etwaige Korrekturen und Ergänzungen in einem Änderungsregister gelistet.
Nonne EG, wahrscheinlich Elisabeth Garleghes im Kloster Lüne, an ihren Bruder
Weihnachtszeit, unbekanntes Jahr
Glückwunsch zur Hochzeit — Congratulatory letter on marriageKloster Lüne, Hs. 15, Lage 28, fol. 10v
Niederdeutsch.
Die Absenderin ist erfreut über die anstehende Hochzeit ihres Bruders. Sie beschreibt die segenbringende Gottgefälligkeit der Ehe als Sakrament unter Verweis auf die Ehepaare Abraham und Sarah, sowie Joachim und Anna mit ihren Kindern Isaak und Maria. Sie entschuldigt sich, nicht zum Fest kommen zu können, indem sie auf die Eheschließung Christi mit der heiligen Kirche in seiner Geburt verweist, die von allen gläubigen Menschen gefeiert wird, von geistlichen Personen mehr noch als weltliche Hochzeiten. Um nicht vergessen zu werden, sendet sie an ihrer statt Vater, Sohn und Heiligen Geist, die je ein wertvolles Geschenk für das Brautpaar bringen mögen. Da die Eltern der Absenderin und des Empfängers und viele Freunde schon verstorben sind, sendet sie zur Gesellschaft auch Maria als Gastwirtin und die zwei ungenannten persönlichen Apostel des Empfängers, die ebenfalls Segen bringen mögen.
EG, probably Elisabeth Garleghes in Lüne, is overjoyed by the forthcoming marriage of her brother. She interprets marriage as a sacrament with reference to the old age of the bridal pairs of Abraham and Sarah, as well as Joachim and Anna. She apologises that she cannot come to the celebration, which she compares to the marriage Christ made with the holy church through his birth. She says that all people will celebrate this marriage which is prized more highly than all worldly marriages, especially by clerics. In her place she sends the Father, the Son and the Holy Spirit who will each bring a valuable gift for the bridal pair. As their parents and many friends have already died, she sends as company Mary as the host and his own patron apostles who will also bring blessings.
fratria
1 De anbeden schollenden hochgeloueden Hilgen Dreuoldic
2 heyt etc de sende ik dy alderleueste N in mynen vnwer=
3 digen bede vor enen leffliken grod vnde to ener saligen benedy=
4 gynge des werdigen states des hilgen echtes den du nu an
5 ghan scholt welkeren stad de almechtige God suluen
6 h. gestichtet vnde an gesettet in dem anbegynne der werlt
7 in dem paradyse myd vnsen ersten olderen den he suluen gaf
8 de benedigynge de werlt to okende do he to jum sprack
9 Crescite et multiplicanum etc.!1
Ock vinde wy in der hilgen
10 scrifft dat God de here syne gnade mannichworue h.
11 bewiset alze synen besundergen gůden frunde Abraham vnde
12 syner husvrowen den he an erem older lauede en erue
13 to geuende dar ane scholden benedyet werden alle de slech=
14 te des ertrikes vnde vor lende gym ock dar na enen so=
15 ne ghenomet Ysaac na synem gheloffte2 Vorder is
16 dat wol openbar in den hilgen rechtuerdigen elderen Joachim
17 vnde Annen de God so hoge begiftigede vnde jum vor len=
18 de so zaligen eddelen frucht alze de zaligen junchurowen
19 Marien. dar God suluen wolde van boren werden3 Dar we
20 inne merken dat Gode desse stad der echteschopp anname
21 is vnde wol behaget
wente desse stad wert ghenomet eyn
22 sacrament vnde is der souen sacramente eyn an de nement kan
23 zalich werden4 Unde alze du nu van schickinge wegen des le=
24 uen Godes sodanen stad wult anghan so borde sik dat wol
25 van angheborn susterker leue weghen dat ik scholde tho
Hude in dessem daghe
44 is de hilge kerke dat is eyn juwelick innich zele tho voget
45 dem hemmelschen brudegamme. wente Christus h. in der Jordanen was=
46 chenvel reyniget alle ere lastere der sunde. dar vmme lopet
47 de koninge myd eren gauen to dem konichliken werscoppen. vnde van
48 dem brudegamme is dat water wandelt in den wyn. des=
49 vrouwen sik alle de to der werschopp gheladen syn6 Vnde wol
50 dat alle louige mynschen to desser werscop geladen syn werdet
51 so synt doch geistlike lude de de auer geuen h. de werliken brud
52 lacht de synt dar bouen alle sunderken to escket dat se sick
53 geistliken scollet vrouwen myd dem hemmelschen brudegamme=
Ock leue N so my witlick is dat
93 du arm byst van vrunden tydliken
na dem male dat
94 God de here vns vader vnde moder vnde vnse negesten vrunde
95 genamen h. so h. ik auer wandert in mynen vnwerdigen bede
96 de hemmels borch Jerusalem vnde h. dy dar sunderge vrunde
97 vte beden de by dy magen syn in dyner brudlach vnde mogen
98 dy vor weruen gestliken allent dat dy en brickt lifliken.
99 Vor dat erste sende ik dy de hemmels konin. Marien
100 de dar is ghenant en moder der barmher. de mote nu
101 wesen dyn werdynne. vnde mote in der suluen leuen komen
102 to dyner koste alze se qwam to der
brudlacht in Chana Galilee
103 dar ere leue kynt dor ere bede willen wandelde dat water
104 in den besten wyn.8 Alzo mote se ock nu dat water der vn=
105 dogede. der drof. vnde des lyden. dat dy mochte wedder
106 varen in den wyn der dogede vnde des gotliken trostes. [wandelenc Ock
107 moten dyne leuen apostele N et N de hilgen hemmelvorsten
2 Gn 17,15-19; Gn 18; Gn 21,1-7.
3 Die Verehrung der heiligen Anna, Mutter Mariens, lässt sich in vielen Zeugnissen aus den norddeutschen Frauenklöstern wiederfinden. Ihre Darstellung zusammen mit Joachim geht zurück auf das apokryphe Protoevangelium des Jakobus, dessen Inhalt in der östlichen Kirche anerkannt war, in die westlichen Kirche jedoch erst über den Umweg verschiedener theologischer Schriften, nicht zuletzt der Legenda Aurea, Verbreitung fand. Vgl. Dörfler-Dierken, Verehrung (1992).
4 Die Betonung auf der Ehe als Teil der sieben Sakramente, „ohne die niemand selig werden kann“, ist möglicherweise Teil von Reformationspolemik. Luther lehnte in ‚Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche‘ (1520) die Siebenzahl der Sakramente ab und ließ nur noch Taufe und Abendmahl bestehen, vgl. Knoch u. a., Art. Ehe (1986).
5 Ps 18,6: Tamquam sponsus dominus procedens de thalamo suo ist Antiphon am Weihnachtsfest, daher auch die Datierung des Briefes. Die gleiche Verbindung von Marias Schoß als Brautkammer, aus der Christus heraustritt, mit dem Psalmvers z.B. auch in Brief 226 (Lage 17, fol. 6r): de virginali utero alvo processit tamquam sponsus de thalamo.
6 Vgl. die Benedictusantiphon zu den Laudes am Fest Epiphanie: Hodie caelesti sponso iuncta est ecclesia, quoniam in Jordane lavit Christus eius crimina, currunt cum muneribus magi ad regales nuptias, et ex aqua facto vino laetentur convivae, Alleluia. (Cantus ID 003095).