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Brief 383

Nonne ESN, vielleicht Elisabeth Schneverding im Kloster Lüne, an ihren Bruder

undatiert

Glückwunsch zur Hochzeit — Congratulatory letter on marriage

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 28, fol. 12v

Niederdeutsch.

Die Absenderin teilt ihrem Bruder mit, dass sie erfreut über seine anstehende Wiederverheiratung ist, die auch ihre Eltern noch miterleben können. Sie begründet, dass sie keine Gabe schenken oder zum Fest kommen kann, da sie im Stand selbstgewählter Armut lebt. Sie sendet stellvertretend Gott Vater als König David, Christus als König Salomon und den Heiligen Geist als König Ahasver. Diese mögen dem Brautpaar jene Segen bringen, die bereits Abraham, Isaak, Jakob, Samson und alle Patriarchen erfahren haben: Der Vater Widerstandskraft, der Sohn Weisheit und der Heilige Geist Tugend. Als Gefolgschaft werden die Königin Esther, die Gottesmutter und die Schar der heiligen Jungfrauen angekündigt, sowie die heilige Elisabeth von Ungarn, deren Festtag ansteht. Den Gaben und Tugenden der himmlischen Gäste möge der Empfänger im jetzigen Leben entsprechen, sodass die Gäste im ewigen Leben erneut zu ihm kommen wollen.

The writer ESN informs her brother that she and one or more of her sisters are overjoyed by his forthcoming remarriage which their parents can also witness. She apologises that she and her sisters cannot send a gift or come to the celebration as they are in the state of willing poverty. Instead, they send the Holy Trinity in their place: God the Father as King David, Christ as King Solomon and the Holy Spirit as King Ahasverus. May these bring the bridal pair every blessing which Abraham, Isaac, Jacob, Samson and all the patriarchs have already experienced. The Father will bring resilience, the Son wisdom and the Holy Spirit virtue. Joining the company are the queen Esther, the mother of God and the host of heavenly virgins, as well St Elisabeth of Hungary. May these heavenly guests entertain the bridal pair well so that in eternal life they will come to them again.

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[Lage 28, fol. 12v]


1 ESN1 fratria.


2 Salicheit der zele suntheit des lyues de leue Godes etc


3 Alderleueste broder dyn leue scal weten dat wy2 in den
4 leuen God hochliken van dyner wegen vrouwet synt nach
5 dem dat he dy uan syner mylden gnade weghen escket h.
6 to dem hochwerdigen state des hilgen echtes. den du nu wedder
7 vor nigen wult vnde dat vnse leuen elderen den froliken
8 dach h. gheleuet des konne wy Gode nummer to vullen
9 dancken. Vnde alzo borde us nu wol dat wy uan suster
10 ker leue weghen to dyner werschop scholden komen efte
11 to dem mynsten dy vnse gaue scolden senden vel sic vnse cle
12 nade vnde werdigen gaue senden. [doch so westu wolb dat de sote Jesus vnse herte
13 leue brudegam na synem gotliken willen to vnser ewigen
14 zalicheit an vns heft ghewandelt vnde h. vns ghescik
15 ket in enen sekeren stad enes vullenkomen gestliken leuen=
16 des dar wy den willigen armod dor syne leue h. myd
17 vrouden anne nomen vp dat wy synes ewigen rikes wer
18 dich werden.

Vnde wol dat wy nu nenerleye gaue h. to
19 vorgeuende vnde ock lifliken n. kont komen to dyner werschop
20 so en konne wy vns doch n. entholden van groter inwendighen
21 leue. sunder wy h. vnse othmodigen vnwerdighen bede vte
22 lecht vnde h. to dyner koste beden dre grote landes heren

[Lage 28, fol. 13r]
23 alze den sachtmodigen koning Dauid den hemmelschen Vader vnde
24 den wysen vredesamighen koning Salomon Jesum Christum vnsen
25 brudegam vnde den riken mylden koning Aswerum den Hilgen Gest
26 Desse anbeden scollenden hochgeloueden Hilgen Dreualdicheit
27 dede is en heylsamich ortsprungh alles guden vnde ock en
28 an setter des hilgen echtes de sende wy dy in vnse stede de
29 mote seghenen vnde benedigen den anbegin den ingank. dat myd
30 del vnde den ende dyner werschopp vnde dy vnde dyne brud an
31 lyue vnde an zele in eren vnde in gude vnde bestedighe in juck
32 beyden alle de benediginge dar van anbeginne der werlt
33 wente in dissen dach alle creaturen in hemmel vnde in erden mede
34 benediget synt besundergen de leuen vterkoren vrunde Godes
35 alze Abraham in vormeringhe synes slechtes. Isaac vnde Iacob
36 in vormeringhe tydliker gudere. Samson in sterke vnde
37 in auer winnighe syner vyende5 vnde alle de leuen patriarchen
38 in hode der enghele in dem vruchten vnde in der leue Godes
39 Desse suluen gnade vnde benediginghe mote bestediget
40 werden in dynem lyue vnde in dyner zele alzo dat du van der
41 walt des Vaders motest wedder stan allen vndogheden
42 van der wisheit des Sons motest vorluchtet werden in dyner
43 vor nuft to bekennende den willen Godes vnde den in den wer
44 ken to vullenbringende. Van der gude des Hilgen Geistes
45 motestu beuestiget werden in enen rechtuerdighen hilgen
46 dogetsamighen leuende dar du mede vor denen motest
47 dat ewighe leuent.

Vorder leue N so vor mode wy vns
48 vnde wetet dat ock wol vor war dat sodane landes heren
49 nicht en komet myd ringhen volke sunder se bringhen myd=

[Lage 28, fol. 13v]
50 sik en grod kostlik heer beyde heren vnde fůrsten herto
51 ghen bischoppe. greuen riddere vnde ander gude lude.
52 vnde dar to de koningynne Hester6 de moder der gnade Maria
53 wert dar ock komende myd der scare aller kuscken
54 junchurowen vnde alle desse willen dy n. vnbegauet laten
55 sunder se willen dy geuen sunderke clenade vnde gaue der
56 doghede de dy behoff synt so verne alze du se gudliken
57 entfangest vnde up dattu desse hemmelschen gheste wol han=
58 delen vnde herbergen mogest so h. wy dy ock beden ene wi=
59 se cloke eerbare vrouwen alze de lantgreuinnen van Vn=
60 geren s Ilseben der ere fest nu an stande is.7 dat de dorch
61 ere vordenst vnde innighe bet dy wille vor weruen rechte
62 gotlike wisheit to dyner zele zelicheit. dattu dessen
63 woldigen heren vnde fursten hir so motest denen in den werken
64 der barmherticheit de to vullenbringende ersten in dy suluen
65 so dattu dyne zele dor ware lede vnde ruwe losen motest
66 vth den banden der sunde vnde motest se cleden myd dem
67 clede der doghede vnde se spisen vnde louen gestliker wise
68 Vnde den ock in dynen euenen mynschen mogest lifliken vul
69 lenbringen de suluen barmherticheit. den hungergen tho=
70 spisende dor dyne almissen den dorstigen to louende. den bedro=
71 ueden to trostende etc vnde alle de anderen stucke motest ok
72 vullenbringen de wile dattu bist in dessem elende. vnde wan du
73 den uan hir scholt vnde nicht en west wor du de ersten nacht scolt
74 herbergen dat dy den desse vor screuen hemmelschen geste mogen
75 wedder entfangen in de froliken woninghe des ewighen leuendes
76 dar du dy den myd jum vrouwen motest to ewighen tyden.
77 vnde motest den gherekent werden in de tal aller zalighen.
[Lage 28, fol. 14r]
78 de den horen scholt de froliken word Komet, gy benedye
79 den mynes Vaders. entfanget dat rike, dat juw bereth
80 is van anbeginne der werlt.8

Dat dy vnde us allen dat mote
81 wedder varen des helpe vs de Vader vnde de Sone vnde
82 de Hilge Gheyst Amen.


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b fehlt in der Handschrift doch so westu wol,, fehlende Phrase ergänzt nach Brief 269 (Lage 19, fol. 18r); Brief 271 (Lage 20, fol. 2v) u.a.


Sachapparat

1 Vielleicht Elisabeth Schneverding (†1540). Sie hatte mehrere Brüder, die als Adressaten in Frage kommen würden, vgl. Witzendorff, Stammtafeln (1952), S. 109-110.

2 Das schreibende ‚wir‘ steht hier wahrscheinlich für die schreibende Nonne als stellvertretend für die geistliche Gemeinschaft, vgl. zum Gebrauch von Pluralformen in den Briefen die Einleitung, Kap. 3.4.8.

3 Brief 269 (Lage 19, fol. 18r)

4 Brief 271 (Lage 20, fol. 2v)

5 Vgl. Gen 17,1-8, Gen 21-28, Gen 25,26-28,22, und Idc 13,1-16,31.

6 Königin Ester, Frau König Ahasvers, im Alten Testament. Sie legt Fürbitte für das jüdische Volk bei ihrem Ehemann ein und wird daher in theologischen Schriften als Präfiguration christlicher Fürbitte, aber auch als Vorbild weiblichen Einflusses gesehen. Vgl. Siquans, Esther (2008).

7 Damit kann der Feiertag der hl. Elisabeth von Ungarn gemeint sein, das wäre der 19. November, oder das Fest ihrer Translatio, das wäre der 1. Mai. Kurz vor einem dieser beiden Daten dürfte der vorliegende Brief abgefasst sein.

8 Mt 25,34.

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