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Nonne im Kloster Lüne an eine Verwandte, vielleicht in einem anderen Kloster
undatiert
Trostbrief — Letter of comfortKloster Lüne, Hs. 15, Lage 34, fol. 17r
Lateinisch und Niederdeutsch.
Die Absenderin hat dem Brief ihrer Verwandten entnommen, dass diese momentan nicht wohlauf ist. Ihre schwesterliche Ermutigung ist daher, das Leid zugunsten ihrer Seele geduldig zu ertragen. Die Absenderin hat einen schönen Text gefunden, den ein Pater einst einer Nonne zum Trost geschrieben hat, daran will sie die Empfängerin teilhaben lassen. Langes Zitat aus der Rede des Aeneas Silvio Piccolomini zum Krieg gegen die Türken, übertragen auf den spirituellen Kampf des Klosterlebens. Mit diesem Text soll sich die Empfängerin trösten, ebenso wie mit dem beigelegten Bild der Passion Christi, das sie über ihren Betschemel hängen soll. Die Absenderin täte gern ihr Möglichstes, der Empfängerin zu helfen, überlässt das aber Christus und Maria. Grüße und Anempfehlung an Christus.
Letter of comfort by a nun for a female relative, encouraging her to bear the suffering with patience for the good of her soul. She has found a beautiful text which a father had once written to a nun for comfort and she wants the recipient to be able to share it. There follows a long quotation from an oration by Aenea Silvio Piccolomini calling for war against the Turks, adapted for spiritual warfare. She would like to comfort her with this text, as well as with the figure of Christ’s passion which she attaches with the letter and which she can hang over her bed. The writer would gladly do her utmost to help the recipient but leaves this in the hands of Christ and Mary. Greetings are exchanged and commendation in the name of Christ.
1 In salutari pacientia animam iungiter
2 possidere ac tandem salutis et sanitatis
3 altum acerrium annulare
My precor=
4 dialissima germana juwe scrifte, de
5 ik nuperrime van juw recipieret
6 hebbe, dar ik vth vor sta, wo gy syn
7 astricta in vinculis Christi wor vmme so
8 iß myn fruntlike ex horteringhe
9 in sororia caritate dat gy impositum
10 onus in fmfirmitatisa vestre pacienter
11 dreghen wente de sulue swar=
12 heyt in firmitatis vestre schal juw
13 indubie komen ad perfectum anime vestre
14 My amantissima soror ik hebbe aliqua
15 pulchra prescripta ghe mvdenb
16 vundenb, de quidam devotus pater aliquando ghe
17 screuen heft pro consolatione cuidam
18 lc famule in gravi langored detente
19 de ik ad vestram consolationem juw ok nu
20 wil participeren. Dar screft de leue
21 pater1 alder tho Quidquam bonum quaquam salutiferum
My carissima konde ik juw
85 nu vele trostes vnde hulpe don,
86 wad ik dat totusv visceribus libentis
87 sime dede, sunder was ik nu
94 Cum isw his sororiam caritatem vestram Christo
95 Jesu attentius recommendo qui per egritu=
96 dinem vobis in positam vos expoliri
97 animam quam nostram structure celestis
98 Jerusalem gemmam preciosam im ponere
99 dignetur
a zu korrigieren in infirmitatis
b zu korrigieren in ghevunden
c hier gestrichen l
d zu korrigieren in langore
e hier gestrichen o filia
f zu korrigieren in angelis
g hier gestrichen tua, Lesart unsicher
h zu korrigieren in fugiunt
i zu korrigieren in spes
j zu korrigieren in tendenda
k hier gestrichen d
l hier gestrichen iter um nullum securius, Lesart unsicher
m hier gestrichen secu
n zu korrigieren in gloriosius
o zu korrigieren in scandere
p zu korrigieren in admonet
q zu korrigieren in quamvis
r zu korrigieren in infirmitatis
s zu korrigieren in scuto
t hier gestrichen yuw
u hier gestrichen dit
v zu korrigieren in totis
w hier gestrichen is
1 Der beratende Geistliche ist nicht identifizierbar; die von ihm verwendeten Zitatversatzstücke sind im Folgenden einzeln nachgewiesen.
2 Vgl. Gregorius Magnus, Epistolae, lib. 10, ep. 63, in Migne PL 77, Sp. 1115.
4 Aus der Formel der Absolution in der Beichte.
5 Antiphon zum zweiten Psalm (Ps 18) der ersten Nokturn der Matutin an Mariä Himmelfahrt (Paradisi portae per te nobis apertae sunt quas hodie gloriosa cum angelis triumphas (Cantus ID 004215).
6 Apc 5,10; Apc 20,6; Apc 22,5.
7 Vgl. z. B. Augustinus Hipponensis, Ennarationes in Psalmos, in Ps 9,9: per illam enim patientiam homo coelum acquisivit, in: Migne PL 36, Sp. 121.
9 Diese Passage ist der Türkenkriegsrede des Aenea Silvio Piccolomini entnommen: ‚Oratio habita in coventu Francfordiensi ad suadendum Germanos bellum contra Turcos‘, gehalten am 15. Oktober 1454, 30, in: Collected Orations, hg. von von Cotta-Schönberg (2019), S. 184. Bei der Übernahme wurden jedoch zwei Anpassungen an die Lebensrealität einer Nonne vorgenommen: Zum einen fehlt zwischen anni nostri und curriculum evi eine Fortsetzung der Mahnung mit Fokus auf leibliche Genüsse (Spatium vitae nostrae sicut aranearum tela cito disrumpitur. Festinat enim decurrere velox flosculus, angustae miseraeque brevissima vitae portio, dum vina, cibos, somnosque poscimus, obrepit non intellecta senectus. Nemo scit, quid vesper vehat.). Zum anderen ist hier nach nullum gloriosius est die Schlussfolgerung, der beste Weg ins Himmelreich sei das geduldige Ertragen der göttlichen Prüfung – nicht, wie in der Vorlage, der Krieg gegen die Türken: […]quo possimus in caelum tendere, quam si contra Turcos caelestis patriae nostrae, aeternae civitatis, supernae Jerusalem perfidos inimicos arma et scutum sumentes puris et constantibus animis bellum geramus.
10 In umgekehrter Reihenfolge orientiert an: Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano (Juvenal, Saturae, 10, 356).