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Brief 104

Nonne im Kloster Lüne an Priorin Anna Behr im Kloster Walsrode

undatiert

Dankesschreiben für die Medizin — Thank-you letter for medicine

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 9, fol. 16v

Lateinisch und Niederdeutsch.

Die Absenderin dankt für ein kostbares Glas und Marienbild, genauso wie für die Medizin gegen Schlaganfall (apoplexia). Bitte um Auskunft, wie oft Elisabeth Medingen mit dem Kräutersud baden möge, ob einmal monatlich oder öfter; es ginge ihr leidlich gut. Sie bittet auch um Auskunft zur Anwendung der Lavendelsalbe und wie sie herzustellen sei. Im Gegenzug sei man gern behilflich. Entschuldigung für Versäumnis, da man angenommen habe, dass der Bote noch dabliebe, nachdem er den Brief aus Walsrode geliefert hatte, aber er war bereits weg. Sie schicke einen Speiseteller, von dem die Priorin zu Weihnachten essen möge.

After a salutation which bears some resemblance to the final model salutation from Letter 102, the Lüne nun thanks the prioress of Walsrode for the precious glass, the image of Mary and the remedy for apoplexy. One of the Lüne nun’s expressions praising the recipient’s goodness and kindness is an example of the contemporary reworking of an old metaphor whose original meaning was a misogynistic suggestion that if all the oceans were filled with ink, there would still not be enough to record just how deceitful and wicked women can be! However, from around the early fourteenth century, this metaphor began to be used more positively to suggest that even if all the oceans were filled with ink, there would not be enough to record the virtues of a woman. This is clearly also the case in this letter, where it is used to express deep gratitude for the recipient’s kindness and generosity to the sender and the other nuns of Lüne. She asks for more information about how often Elisabeth Medingen should bathe with the herbal extract (whether she should use it once a month or more frequently), as she is currently reasonably well. She asks about the use of the lavender salve and how it should be made. She offers assistance in return. She apologises for the delay in writing, as she had expected the messenger to wait for her reply after delivering the letter from Walsrode, but he left straight away. She sends a plate of food for the prioress to eat at Christmas. A later note added to the beginning of the letter suggesting that it was written to Elisabeth Medingen as prioress of Walsrode is incorrect; even though Elisabeth is mentioned later in the text, Anna Behr was prioress of the convent at the time.

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[Lage 9, fol. 16v]

Priorissa Walsrode, Elisabeth von Medinga 1 In fontali profluvio deifici ac melliflui cordis Jesu Christi refocilletur spiritusb vester cum optatu totius prosperitatis ac salutis!2 Venerabilis domina et amita carissima, cordiali amore insinuo vestre reverentie, quod sum in competenti sospitate et idem assidue opto rescire de vobis. Ceterum, venerabilis domina, quantas gratiarum actiones vestre reverentie rependere deberem una cum carissima sorore mea N, wete wy nicht, war wy inne moghen, quod si mare esset incaustum et folia penne,3 so konde wy doch nummer uthscriven tantam bonitatem et fidelitatem erga nos exhibitas, unde kont dat ok alle use levedaghe jeghen juw nicht vorschulden in dem, dat gy uns beghaveden cum maximis et egregiis donis alze myd den suverken glasen numquam in nostro monasterio visus, unde ok cum pulcherimis ymagi- [Lage 9, fol. 17r] nibus gloriose Dei genitricis Marie, quale gaudium cordibus nostris intulit, konne wy nicht expliceren. Sed ille, qui ingens desiderium cordis novit, infundat cordi vestro ex influxu divine gratie et pietatis stillicidia consolationis so mannighen guden drunkelken, alze wy de istis vitris theth, dar wy sunderken werdet innen refocillert unde volet in uns ineffabilem amorem fidelissimi cordis vestri unde dat mote van unser weghen vorschulden virgo Maria optinendo reverentie vestre omnium gratiarum carismata a filio suo dilecto, in quo habitat omnis plenitudo divinitatis corporaliter, quem totis novem mensibus in sui virginali scrinio portare meruit, dar van se nu ghans iß vorvullet gratiam plenam, ita ut veridice dicere possit [Lage 9, fol. 17v] „ab initio et usque in seculum fluere non desinam.“4 Et ipsa impleat omnia pro nobis des wy nicht vormoghen und konnen apud reverentiam vestram, unde dat wil wy nu aridis orationibus nostris myd er bestellen apud presepe, dat reverentia vestra tempore congruo mote wedder recipieren manu plena in decuplum, wor gy datc inne behovet in anima et in corpore.

Ceterum, venerabilis domina, alze gy uns hebben screven remedia ad apoplexiam,5 wolde uns nu reverentia vestra, bydde wy humiliter, scriven, wo vakend Elisabeth Medingen wol baden mochte myd dem krude, semel in mense vel pluries; id iß ex Dei gratia jo redelick myt er, et certe orationibus vestris pro ea oblatis unde ift savi pro bono preservativo sick ok moghen bruken der lavendelensalven, in wad wyse se de nemen [Lage 9, fol. 18r] moghen.6 Karissima domina, wolde gy uns dat noch ens uthtekenen unde alze gik ok venerabilis domina nostra beden hebbet umme de salven, dat wy de ok mochten weten to makende; konne wy wad wedder don, dar reverentia vestra mede behulpen iß, dar wil wy stedes parate tho syn.

Precordialissima domina, respondeo vestris caritativis et consolatoriis scriptis tamen certi nuntii hoc stat actum carentia, wy menden dat nuntius vester noch hedde in civitate wesen, alze wy scripta vestra ad manum kreghen, do was he rede al weghe. Sic nunc venerabilis et carissima dominae sendet reverentie vestre I tallerf, I mensale, dar scol gy van eten in festo natale Domini etc.7 Valeat cum hiis reverentia vestra.


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b Die Passiv-Endung von refocilletur als auch die Kürzung für spiritus sind in der Hs. radiert, müssen dem Sinn nach aber erhalten bleiben

c folgt überschüssig wor gy dat

d folgt überschüssig wo vaken

e in mg. venerabilis domina erklärend wiederholt und nach domina unlesbare verwischte Buchstaben

f taller korrigiert aus tallor


Sachapparat

1 Hier sind Adressatin und der Betreff des Schreibens, (die Gesundheit von) Elisabeth von Meding, in der Überschrift zusammengeführt. Der Brief richtet sich an die Walsroder Priorin Anna Behr, die auch schon in Brief 100 (Lage 9, fol. 10r) und wahrscheinlich Brief 101 (Lage 9, fol. 13v) Adressatin war.

2 Eine ähnliche Grußformel findet sich als Textbaustein auch in Brief 102 (Lage 9, fol. 15r).

3 Das Meer als Tinte ist ein beliebter Schreiberspruch im Mittelalter, vgl. Köhler, Nachträge (1900), 3, S. 307-318.

4 Sir 24,14.

5 Zum Briefwechsel zur Behandlung mit Lavendelsalbe, von dem sich auch in Hs. 31 weitere Briefe finden, vgl. Bülters, Wissen (2022), Kap. III. 2.2, Heilkundliche Praxis im Klosternetzwerk.

6 Vgl. Brief 4 (Lage 1, fol. 2r), in dem die Behandlung mit Lavendelwasser an den Handgelenken und Schläfen, sowie zur Einnahme zur Linderung einer Lähmungserkrankung beschrieben wird. Ebenso Brief 100 (Lage 9, fol. 11rv), auch an Anna Behr.

7 Der Brief könnte in der Vorweihnachtszeit geschrieben worden sein.

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