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Brief 124

Anna von Bülow im Kloster Lüne an ihren Bruder Vicke von Bülow

undatiert

Glückwunsch zur erneuten Hochzeit — Congratulatory letter on a second marriage

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 12, fol. 1r

Niederdeutsch.

Lähnemann, ‚Saluta apostolum tuum‘ (2015); Ostrowitzki, Klösterliche Lebenswelt (2013); UB Lüne, Nr. 675; Brief 284 (Lage 20, fol. 3r-3v).

Anna von Bülow schreibt ihrem Bruder anlässlich seiner erneuten Eheschließung. Sie beschwert sich, dass sie von dieser Heirat nicht vorher erfahren hat, obwohl sie die nächste Verwandte ist. Sie kann aufgrund des Gelübdes nicht am Hochzeitsfest teilnehmen und schickt im Gebet stattdessen Jesus als „König des Engellandes“ und die hl. Ursula als Tochter des englischen Königs mit ihren 11000 Jungfrauen zu der Feier. Der Brief enthält außergewöhnlich viele Abkürzungen.

Anna von Bülow, a nun of Lüne, writes to her brother on the occasion of his second marriage. She complains that she was not previously informed about the wedding, even though she is his closest relative. Because of her commitment to her vows, she cannot attend the wedding feast. However, using a turn of phrase possibly inspired by St Peter’s promise to the beggars at the temple in Acts 3.6 that, even though he has neither silver nor gold, he will give them what he has, she announces that she will send Jesus, “king of the land of the angels” and St Ursula (the daughter of the King of England) with her 11,000 virgins to the celebration instead in her prayers. She also prays that her brother’s descendants from this marriage may be as numerous as the stars in the sky, in allusion to God’s promise to Abraham in Genesis 15. The letter contains a remarkable number of abbreviations. A note just after the abbreviated salutation refers the reader to Letter 272, written by the nun GT to her brother Melchior, where the same salutation can be found in full.

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[Lage 12, fol. 1r]

Anna Bülow fratri Vicken ad 2as nuptias.

Jesum Christum, den keyserliken groten mechtigen heren unde gnedigen, riken fursten etc. GT fratris littera1

Alderleveste N, wy hebben vorvoren, dat du in korte van schickinge wedder des levendes gan wult wedder vornien den eerliken stad des hilligen echten levendes, so do wy dyner leve fruntliken weten, dat wy derhalven hochliken irfrouwed synt in God dem heren, wente wy up deser eerden nemen lever hebben, alse dy; worumme hadden wy wol hapet, dat du uns, de wy jo dyne leve susteren synt, sodane froude heddest vorkundigen laten, up watte tyd de kost wesen schol, deme so nicht ghescheen is. Unde alse du nu sunder al twivel van noden io must unse negheste frunt unde ander lude to dyner werschopp laden, so were dat wol billick unde recht, dat wy dy de aldernegesten schollen wesen, wan us dat so ghelegen were.

Aver nachdem dat wy myd fryem willen alle wollust, frouden unde frolicheit der ganten werlt umme unser alderlevesten brudegam willen hebben vorsmadet unde avergelaten, so enkonnen wy persoͤnliken nicht to dyner kost kamen. Ock so enhebbe wy noch golt vel sulver,2 dat wy dy unse gave konden senden unde mothen dy eren myd enem clenade .

Doch so twinget us de angheborne naturlike leve darto, dat wy dy unse kyntlike scrift moten senden unde wy doth dyner leve witlik, dat wy in unsem othmodigen bede to dyner kost hebben gheladen unde beden den riken woldigen koninc van engeland, Jesum Christum, unsen aldervesten schoͤn brudegam, de in syner ewigen wysheit van ewigen tyden heft uterwelet des riken, woldigen fursten unde groten [Lage 12, fol. 1v] koningesa dochter van Brittannien, alse de edele, avermaten schone junchvruw sunte Ursula, de he so wunderwise myd elvendusent junchvruwen unde myd anderem velem volke heft gheesschet to der kronen der marter. Desulve mote myd alle den leven junchvruwen unde koninges kynderen voͤrghenomet unde myd dynem leven hilligen apostel sunte Andreas,3 myd dem hilligen bischop sunte Nycolaus unde myd al synen engelen unde leven hilligen kamen to juwer werschopp unde mote juw sulven hilgen seghen unde benedieden myd syner gotliken volbordigen vorderen hant, alse he in demb olden testamente synen uterkoren frunt Abraham benediede, do he also to eme sprak: „Suspice celum etc.4 Unde ok alse he benediet Ysaac unde Jacob unde al de leven patriarchen unde propheten, dar he na der mynscheit sulven wolde van ghebaren werden, den he gaf avervlodigen vormeringe in koͤrne, in wyne, in olye unde in anderen tydliken guderen. Also mote he juw ock geven den hemelschen invlote syner gotliken gnaden, dat gy juwe stath in synem soten namen so moten annemen in ener luckliken, saligen stunde unde al de tyd juwes levendes in syner hulde unde gnade, in syner leve unde in syner frucht, in lucke, ere unde in gude, in eynsamicheit, truwe unde leve, in vrede unde in eyndracht so moten holden unde eme lof unde ere beden moten, dat gy vor synen gotliken ogen moten staͤn, alse en bloyende olyetwich unde so moten tonemen in dogeden, dat de krone juwer beloninge alle tyd in der salicheit mote vormeret werden unde gy Gade juwe sele froliken moten offereren .

Darto sende wy dy vor ene gave de kusche junchvruwen Marien, de dar is dat gulden schryn, dar de gantze Hilige Drevoldicheit den edelen duͧrbar schat aller [Lage 12, fol. 2r] gnade inne beslaten heft, des se mechtich is to vorgeven, wene se wel, de mote juw beyde vorwerven dat rode golt der gotliken leve unde al de eddelen steine der dogeden, de juw nod syntc, an lyve unde an sele, unde darto suntheit des lyves, salicheit der sele, enen saligen kerstliken guden ende, dat gy hir so moten leven na dem bade Godes, dat gy darna moten kamen to der selschop aller saligen unde myd jum moten beschouwen dat clare frolike anghesicht Gades unde juw dar den ewelken frouwen moten vor deme speyeld der Hilligen Drevaldicheit sunder ende. Amen.


Kritischer Apparat

a folgt gestrichen son

b in der Hs. de

c in der Hs. syt

d in der Hs. speye


Sachapparat

1 Hier wird sehr wahrscheinlich auf Brief 272 (Lage 20, fol. 3r-3v) der Nonne GT an ihren Bruder Melchior verwiesen. Dieser beginnt mit derselben Grußformel, die allerdings nicht abgekürzt wird: Jesum Christum, den keyserliken groten heren unde gnedigen fursten hemelrikes unde ertrikes, deme dar underworppen syn alle fursten unde heren der gantzen werlt, den scrive wy dy, alderlevester N, vor einen fruntliken grod tovoren.

2 Mt 10,9; Act 3,6.

3 Zum Eigenapostel vgl. Lähnemann, Apostelverehrung (2015).

4 Gn 15,5.

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