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Brief 247

Nonne im Kloster Lüne an ihre Verwandte Anna

undatiert

Glückwunsch zur Hochzeit — Congratulatory letter on marriage

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 18, fol. 2v

Niederdeutsch.

Die Absenderinnen wünschen der ehemaligen Klosterschülerin Anna alles Gute zur bevorstehenden Ehe. Obwohl sie mit Verweis auf die enge verwandtschaftliche Beziehung gern wollen, können sie ihr wegen ihres Armuts- und Gehorsamsgelübdes kein wertvolles Geschenk machen. Doch sie senden ihr Christus, der der Ärmste auf Erden und der Reichste im Himmel ist, als eine edelsteinbesetzte Brosche, in der alle Schätze der Weisheit enthalten sind. Ausdeutung der fünf Wunden Jesu und seiner Tugendgaben als die geschenkten Edelsteine (Saphir, Smaragd, Calcedon, Amethyst). Wenn ihre Seele sich diese Brosche ansteckt, wird Anna sich mit Tugenden schmücken können. Die Priorin und Subpriorin senden im Namen des gesamten Konvents ihre Gebete, weil die Empfängerin als Kind im Kloster gewesen ist. Sie senden die große Gesellschaft aller Heiligen, die ihr in allen vier Himmelsrichtungen beistehen mögen: Die Apostel im Osten, die Märtyrer im Süden, die Kirchenväter im Westen, die heiligen Jungfrauen im Norden. Alle neun Engelschöre mögen sie beschützen, wenn sie in die Kirche geht. Die Patriarchen und Propheten sollen in ihrem Schlafzimmer bei ihr sein. Abschluss mit der Mahnung, dem Beispiel Mariens zu folgen.

The nun sends her relative Anna her best wishes for her forthcoming marriage. She sends her Jesus, the jewelled brooch, in whom all treasures of wisdom and knowledge are hidden. A comparison between Jesus’s wounds, his virtues and four precious stones (sapphire, emerald, chalcedony and amethyst) follows. When her soul wears the brooch, Anna can adorn herself for the world externally as well as dress her heart with virtues internally. The prioress and subpriorsess send their prayers on behalf of the convent, as Anna was a ‘convent child’. They also send a large company of saints and the elected, who will accompany her in the north, south, east and west, nine choir of angels to accompany her to church, and the patriarchs and prophets to be with her in the bedroom. The letter concludes with a call to follow Mary’s example.

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[Lage 18, fol. 2v]

[J]esuma Christum, den keyserliken heren unde vorsten, de gheboren is in unbegripelker ewicheit des hemmelschen Vaders ane anbegyn unde syn rike ock blyvende is ane ende, dar eme denet de vorstendummelke schare der neghen chore der hilgen enghele in groter erwerdicheit an deme hemmelschen palase der hogen stat Ierusalem, den sende we dy vor enen fruntliken grod tovoren myd usem kranken bede!

Anna, leve weske unde alderleveste truten gulden kynd, alze we wol vernamen hebben, dat nu anstande is in korte de tyd, dar du scolt anghan dat sacrament des hilgen echtes, dat Godvader an der ewicheit sulven angesettet [Lage 18, fol. 3r] unde ok gehilget heft van anbeginne an deme paradyse myd usen ersten olderen, des we van dyner wegen hoge vrouwet synt in Got den heren, dat he dy darto levet laten heft. Nu esckede wol de grote inwendighe leve, de we noch to dy in usem herten dreget, wente du jo use leve, truten kynt bist, dat wy dy eren scolden myd enem groten unde kostelken clenade, dar we dy mochte leve anedon unde dik ok konde behulpelick wesen an dem lyve unde an der zele; unde wol, dat we dat van herten gherne deden, sob konne we doch sodane ghave nerghen vynden in al user wold, wente we altinges nicht hebben sunder den leven soten armen Jesus Christum, unsen zalichmaker unde usen alderlevesten brudegam, de vor us allen hir dalestegen is in dit elende unde heft verlaten al de ere unde vroude des hemmeltrones, up dat he vermiddest synen hilgen armode us mochte wedderkopen dat vaderke erve, dar we afghescheden weren dorch de sunde des unhorsams; unde wol dat he nach syner mynscheit de alderarmste was up erden, so was he doch nach syner gotheit de rikeste unde woldigeste in hemmel unde in ertrike, wente „in eme sint besloten de hemelken schatte aller wisheit unde klocheyt“,1 unde den sende we dy nu vor ene grote schone unde durbare gave, alze eyn guldene schynende vorspan van dem alderbesten roden golde bewracht vul eddeler stene aller gnade unde doghede. De mote dyne zele bynnen tziren sik to eren, alze du nu dynen licham buten vligest na der werlde lope unde geve dy uth der trezekamer synes vaderken herten dat blancke schynende gold gotliker wisheit to bekennede, want eme anname is, unde dar myd ghantzen willen na to dunde unde ok vermydende alle bosheit unde juk darmyd allen vlite vor to bewarende.

He geve juw uth dem vorguldenen schrinen, dat is uth den wunden syner hilgen hende unde vote, veer eddele, durbare stene alze den blawen saphir enes othmodigen herten, up dat gy syner gnade altyd werdichc wesen motest. Enen gronen smaragdus des waren vredes, so dattu in dem got- [Lage 18, fol. 3v] liken vrede unde in fruntliker endracht myd allen luden so motestd ummeghan unde dyn levent alzo slyten, dat du na desser tyd komen motest dar de ewighe vrede is. Ock geve dy de leve God den schinenden sperkenden calcedonius der waren leve, so dattu den leven God leff hefst boven alle erdescke wollusticheit unde darnegest umme syner leve willen gud to dunde allen bedroveden armen luden, de dyner hulpe wor ane behovende synt, en gherne almissen to gevende unde dyne tydliken ghudere jum mede tho delende, up dat du dar dat ewighe gud, dat God sulven is, mede kopen mogest. He mote dy ok geven enen brunen ametistum, dede is purpervarech unde violenvarvech, der inwendighen begheringhe, wo du deme leven Gode moghest behaghen unde eme io alle tyd dancknamich sist vor syn hilge bitter lydent unde dat vaken in dynem herten aver tokerendee, uppe dattu eme dar nu in dessem elende dat alzo eren motest, dat io dyn vredeschilt mote syn vor alle dynen vienden beyde in dem levende unde in dem dode, so dat id in dy unde an us allen nummer mote vorloren werden, sunder dat we myd dy komen moten to der ere, to der clarheit unde to der unsprekelken vroude, de us use leve zalichmaker myd synem hilgen duren blode kofft heft. Alderleveste N, dit scone vorspan lath dy anname wesen, unde drucke dat in dat hovet der inwendighen krefte dyner zele unde hebbe den leven Got jo vor oghen unde wan du dik butenwendighen vligest uppe dattu der werlde wol behagest, so tzire ock io dyn herte bynnen vormyddest dessen vorghenomeden dogheden, uppe dattu na desser vorgenkliken tyd moghest ghetziret werden unde ghecledet myd dem clede unde ornate der ewighen zalicheit.

Ock, alderleveste N, use werdige, leve domina unde ok de underpriornt van des ghantzen conventes weghen sendet dy er innige bet unde wuschet dy alle samtliken salicheit der zele, suntheit des lyves myd vullenkomener tookinghe alles ghuden, wente du io use leve closterkynt wesen hefst. Se sendet dy ock van erer alleweghen [Lage 18, fol. 4r] de groten selschop alle der leven hilgen unde uterkoren an dem hemmelrike, de moten nu by dy wesen in al den veer orden der werlt, wor du dy henne kerest unde allent, wor du geist nachtes unde dages in allen stunden unde steden. De XII apostele, de eddelen hemmelvorsten, ghan myd dy an dat osten. De sterken marteler unde duchtighen stridvorsten syn by dy, wan du geist an dat suden. De wisen cloken heren unde hilgen bichteghere leyden dy an dat westen unde de weyderliken schonen kusken junchvrowen bewaren dy, wan du bist an dem norden. Alle de neghen chore der hilgen enghele leyden dy, wan du ghan scholt an de kerken. De erliken patriarchen unde propheten syn by dy in juwer slappkamer unde vorwerven dy altosamde de gnade Godes, so dat gy juw nu alzo moten sammelen in ener hilgen, zalighen, luckegen stunde unde dessen hilgen stad so moten anghan unde ock so holden moten unde to hope leven in der leve Godes unde in den vruchten, in vrede unde in endracht unde in beholdenen guderen, so dat Gode dar mote lof unde ere van schen unde in juw bestediget werde alle de benediginge, dar van anbeginne der werlt alle uterkoren mede benediet synt, besundergen de gnade unde de segeninge, de he Marien, syner eddelen kuscken tzarten moder gaf, do de ertzeengel Gabriel to er sprak: „Ave Maria etc.“,2 dat de umme erer moderken bede willen ok nu alzo in juw vloten mote, so dat gy in dem gotliken wolbehage alle juwe levedaghe tobringhen moten unde darnegest juwe levent myd enen zalighen, kerstliken ende besluten moten unde in synen hulden unde gnaden sekerken vunden werden.

Des helpe juw unde us allen de brudegham der cristenheit, Jesus Christus, unde bringe us dor de werdicheit synes hilgen soten namen Jesus na dessem vorghenkliken levende tho dem vroliken vaderlande, dar we us ewelken vrouwen moten vor dem speyghele der Hilgen Drevaldicheyt. Amen.


Kritischer Apparat

a Textergänzung in mg. durch Nolte mit Bleistift J

b folgt gestrichen d

c folgt gestrichen syn

d folgt gestrichen leuen

e in der Hs. to kende


Sachapparat

1 Col 2,3.

2 Lc 1,18.

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