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Brief 251

Nonne, wahrscheinlich im Kloster Lüne, an einen jüngeren Verwandten

6. Oktober 1499

Beratungsschreiben — Letter of advice

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 18, fol. 6r

Niederdeutsch.

Die Absenderin teilt mit, dass sie gesund ist und das Gleiche vom Empfänger hofft, der nach dem Tod seiner Eltern von seinem Vormund in die Fremde geschickt wurde. Sie ermahnt ihn, Gott zu ehren und so oft wie möglich in die Kirche zu gehen. Er soll Maria, seinen Eigenapostel und seinen Schutzengel täglich mit einem Vaterunser und Ave Maria ehren, und den hl. Hieronymus, als Patron der Gelehrten, bevor er zum Unterricht geht. Er wird ermahnt, seinem Vormund gehorsam zu sein und zu vermeiden, was ihn erzürnt und er soll friedlich mit seinen Mitschülern umgehen und selbst wenn er geschlagen wird, nicht dagegen zu murren, sondern geduldig zu sein. Der Lohn dafür ist die Gnade Gottes und die Gunst der Leute. Die Absenderin unterstreicht ihre Mahnung und hofft, bald gute Neuigkeiten von ihm zu hören. Sie werde für ihn beten und sendet einen Korb, darin ein Pferd mit goldenem Zaumzeug, ein silberner Pfau, ein kleiner goldener Stuhl, ein Paar Socken und vier gekochte Fische. Sie will nichts weiter, als dass er tugendsam und fromm ist und ihr schreibt, wie es ihm geht und ob er auch Latein versteht. Grüße an den Vormund.

The nun confirms that she is well and hopes that the recipient, a male relative of hers, is as well. After the death of his parents he has been sent to a different place. She exhorts him to love and honour God and go as often as possible to church. He should invoke Mary, honour his own apostle and guardian angel daily with a Lord’s Prayer, and do the same for St Jerome (the patron saint of scholars) before his lessons. He should be obedient to his guardian and avoid what could anger him. He should be peaceful among his fellow pupils: even if he is struck, he should not grumble about it but at all times be patient.

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[Lage 18, fol. 6r]

[J]esuma Christum, unsen alderlevesten zalichmaker, de dar is en vader aller elenden bedroveden kyndere, den scrive ik dy, myn alderleveste vedder, vor enen fruntliken grod tovoren unde do dyner leve witlik, dat ik van Godes gnaden sunt unde wol to passe byn; des gheliken begere ik ock van dy to wetende, wer du doch ock sterck syst unde wo it dy geit.

Vorder, myn alderleveste vedder, so God almechtich na synem gotliken willen dyne leve elderen heft to sik esket van desser werlt unde du nu in vromde land schicket byst by dynem leven vadderen, alzo is myn begheer, dattu io willest vlitich unde willech wesen tho der lere unde willest dy nicht ringe uth der scole vorsumen umme speles willen, sunder do nu arbeit unde vlid, dat du in der joget mogest leren, dat dy up dyn older moghe vromen don;1 unde boven alle ding so hebbe God dynen schipper leff van ghantzem herten unde hold syne hilgen bode2 unde hebbe synen fruchten in allen dingen3 unde gha gherne myd flite in de kerken, dat du mogest horen dat word [Lage 18, fol. 6v] Godes in derb predinghe unde dat ock in dyn herte scrivest; wente likerwis alze du dynen licham vost myd naturliker spise, so scoltu ok jo dyne zele spysen myd dem worde Godes, unde scolt gherne vaken misse horen, wan du jummer konst tyd hebben, unde bevale den dyn liff unde dyne zele in de hode unde bescherminge Godes, dattu vormyddest syner hulpe so motest leven, dattu eme motest to denste werden.

Darto scoltu ock gerne anropen de moder Godes, Marien, unde eren se io myd dem rosenkrantze, up dat se dy by eren leven kynde vorbydde in al dem, des dy nod is, beyde an dem lyve unde an der sele. Ock scoltu io alle daghe eren dynen leven apostel unde hilgen engel myd enem Pater noster unde Ave Maria dat se dy vaste bystan in allen noden unde bescermen dy vor allem ovele unde den leven hilgen sunte Ierominus scoltu ock myd I Pater noster unde Ave Maria eren alle dage, eer du in de scole geist, up dat he dy enen guden syn vorwerve van Gode, dattu wol konnest leren unde motest deghelik unde vram werden.

Item so beghere ik ock van dy, dattu dynem leven vadderen, dar du mede bist, willest to willen wesen unde willest ene horen in dem besten unde myd flite vullenbringen allent, wad he dy hed, unde wad du west, dat eme to willen is, dar scholtu alle tyd horsam inne syn, unde wat eme den ock enjeghen is, dar scoltu dy gherne voerwaren, dattu ene dar nicht mede vortornst; unde wes ock jo vredesam myd dynen medekumpanen in der scole dattu enen anderen nicht dost, men alze du gherne wult, dat dy scheen schal;4 werstu under tyden beropen edder slagen, so kurre nicht wedder [Lage 18, fol. 7r] sunder wes duldich to allen tyden, unde se io alle tyd na dem besten, unde nicht na dem argesten; unde wan du dyn levent aldus scickest, alze ik dy nu screven hebbe, so let dy God de here dygen beyde an lyve unde an zele, unde de lude kriget dy leff unde id enkan dy nummermeer so ovel ghan de leve God helpet dy myd syner gnade.

Hirumme, myn alderleveste N, nym desse clenen vormaninge vol in unde flite dy dar ock an, dattu dat in den werken vullenbringest up dat ik jo wat gudes moghen van dy horen des ik moghe frouwet werden; so wil ik alle tyd gerne don wat du wult unde wil dyner ock nummermeer vorgeten in mynem unwerdighen bede etc.

Item ik sende dy enen korff, dar hebbe ik innelecht en suverk wit perd myd enem vorgulden tomen unde I suverken paweken, I lutken gulden stoleken, I par socke unde veer koken viscke,5 dat scoltu hebben umme myner leve willen unde ik beghere nicht van dy men dattu willest degelick unde vram wesen unde willest my doch ens scriven wo it dy dar geyt unde wer du ock kanst latyn vorstan unde segghe dynem leven N van myner wegen CCC M M gude nacht.

Hirmede bevale ik dyn liff unde dyne zele in de hode unde bescherminge des almechtigen Godes, de dy friste unde spare sund unde zalich tho langhen tyden. Amen.

Ghescreven des achten daghens sancti Michaelis anno Domini etc. XCIXo.6


Kritischer Apparat

a Textergänzung in mg. durch Nolte mit Bleistift J

b folgt gestrichen per


Sachapparat

1 Sir 6,18.

2 Lc 10,27.

3 Sir 19,18.

4 Mt 7,12.

5  Dieser Gabenkorb scheint eine Sammlung von kleinen Dekor-Gegenständen und/oder geformten Gebäckstücken zu enthalten, vgl. Brief 138 (Lage 12, fol. 20r). Bei den Fischen könnte es sich hier auch um echten Fisch in einer gekochten Zubereitung handeln, vgl. Brief 324 (Lage 23, fol 8r).

6 6. Oktober 1499.

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