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Brief 253

Nonne im Kloster Lüne an eine weltliche Empfängerin

undatiert

Kondolenzbrief — Letter of condolence

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 18, fol. 7v

Niederdeutsch.

Die Absenderin antwortet auf die Nachricht vom Tod der jungen Tochter der Empfängerin. Sie nimmt an, dass die Empfängerin sehr traurig ist, weil das Mädchen in dem Alter starb, als es im Haus hätte mithelfen können. Aber Gott hat es auch in seiner Unschuld abberufen; es wäre für die Empfängerin viel schmerzhafter gewesen, wenn sie ihre Tochter erst noch erzogen und dann nicht nur sie, sondern auch das investierte Gut verloren hätte. Die Empfängerin soll sich in Gottes Willen fügen. Das Kind ist nun Teil der Schar der himmlischen Jungfrauen. Sendung eines Marienbildchens gegen die Schwermut. Ausführliche Beschreibung der Leiden Mariens während der Kreuzigung Christi, die dadurch sicher Verständnis und Tröstung für die Empfängerin hat. Dank im Namen der Priorin und des ganzen Konvents für ein Fass Bier; Gott möge es ihr vergelten und ihr wieder eine Tochter schenken. Versprechen, dass der Konvent für die Verstorbene Vigilien und Seelmessen hat lesen lassen.

The nun responds to the news of the death of the recipient’s young daughter. It has pleased God to call her away in her innocence since worries about marriage and dowry would have come her way in the next years. The daughter is now with a crowd of virgins. If the recipient still feels melancholic she should turn to Mary, who the nun sends in the form of a devotional picture, who suffered under the cross. On behalf of the prioress and the convent she thanks the recipient for the beer. They hope that she will soon have another child. The convent has hold vigils and masses for the deceased.

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[Lage 18, fol. 7v]

Kollensckena 1

Marien, de bedrovede moder, de dar is en mylde trosterinne aller elenden bedroveden mynschen, vor enen fruntliken grod tovoren!

Alderleveste N, alse ikb leyder wol weth, dat God de almechtige na synem gotliken willen uth desser bedroveden werlt heft gheesket juwe leve dochter, dar gy ane twivel seer aver bedrovet synt, wente se nu so old was, dat se juw in juwe huse wol were nutte worden unde hedde juw juwe sorge helpen dregen kont. Doch so wil wy des waraftich loven, dat se Gade heft behegelick ghewesen, unde is vele beter, dat he se nu in erer unscult heft gheescket, wan aver II edder III jaren, wan gy se myd groten sorgen hedden tobrocht unde hedden den beydes, kynt unde gud, vorlaren; dat were juw noch vele pynliker worden in juwe herten.

Hirumme, so geve juwe willen in den willen Gades, unde dencket also: „Sicut domine placuit etc.2

Gy seet unde hord alle dagec, wat groter kummer, jammer unde droffnisse, dat nu in der werlde is, unvrede, krychd unde orlich in allen orden, dar enen wol voͤr gruwen unde gresen mach, de dat hord. Wovele meer den demejenne, de in der werlde ummegheyt, de kan selden van gantzem herten frolik wesen. Mannich mynsche, [Lage 18, fol. 8r] de syn kynt tobringet unde meent, dat he dat wol hebbe beraden, so heft he dat sulven vorraden unde heft mer lydent unde droffnisse, unde dat heft juw God nicht gunt myd juwe leven dochter. Wol hebbet gy nenen trost unde hulpe van er, alse gy wol behoven; so hebbe gy ock neyn lydent unde droffnisse van er. Se is ane twivel en kynt des ewigen levendes unde is ghesettet in den tal der reynen, kußen junchvruwen, de dar in wunderliker wunne unde froude „volget deme unschuldigen lamme allent, woͤr it geyt,3 unde synt ghekledet myd schonen witten klederen unde hebben syne bloyenden lylienkrentzen unde guldene kronen up eren hoveden, unde dat scal juw metigen unde sachtigen juwe bedroffnisse. Unde wan gy jo noch under tyden wemodig werdet, alse juw nicht to witende is, so gad to der bedroveden moder Marien, de sende ik juw in enem clenen bladeken to ener sunderken troͤsterinne, der klage al juwe wemod unde bedroffnisse unde dencknisse, aver wo wat grote smerte, pynee unde bedroffnisse, dat se led in erem junchfrouweliken, soten herten, do ere ynege alderleveste kynt, dar alle eres herten trost innelach, van den bosen joden ward ghevangen unde bunden unde alse en mysdeder to dem dode trecken myd grotem storme unde ropende, unde ward vor eren ogen uppehenget unvorschuldet in den galgen des hilligen cruzes twischen twe mordere, dar se under stunt unde sach [Lage 18, fol. 8v] myd eren moderliken ogen, wo dat rosenvarwe, hete, dure blod uth allen synen ledmaten gudt, dat ere kled dar rod van warden, unde hoͤrde ock, wo ere lef kynt in syner utersten nod drinken bat, do em en kold drunk waters nicht werden konde, sunder se schenkeden eme etick unde gallen. O, wo gherne hedde se do erem leven kyndef g holpen unde were vor en ghestorven unde konde ene doch myd enem worde nicht trosten; wan gy er dat vormand, so enkan se sick nicht entholden, se mut juw troͤsten unde helpen, wente se het unde is en moder der barmherticheit.

Vorder, alderleveste N, unse werdige leve domina led juw hoͤch dancken myd der gantzen sammelinge, dat gy us uth mylde hant so wol hebbet spiset unde vor de tonne beers; se wunschen juw alle CCC M Godes loͤn unde hebben den leven God vor juw beden, dat he juw dat wille wedderh tovogen hundertdusentvolt in juwen tydliken guderen, unde wille juw I lutke suver dochter wedder geven, dar gy so grote froude moten mede hebben, alze gy nu grote bedroffnisse haddet unde wy hebben juwe leven dochter myd vilien unde selemissen beghaͤn; de leve God geve en dat to hulpe unde to troste unde spise ere sele unde allei cristensele myd synem froliken hilligen anthlate. Hirmede weß Gade bevalen etc.


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b folgt gestrichen wol

c korrigiert mit Verweissytem supra lin. aus seet al(le) da(ge) vnde hord

d i supra lin.

e i supra lin.

f folgt gestrichen hel.

g folgt überschüssig schen. wo ger hed. se eme

h folgt gestrichen neten

i folgt gestrichen ere


Sachapparat

1 Die Bezeichnung für die Adressatin des Briefs lässt sich als „Köllensche“ übersetzen, was entweder eine Frau aus Köln oder mit einem Familiennamen wie Kolle, Kolde, Kollmann o. ä. bedeuten kann; nicht für Lüneburg belegt.

2 Iob 1,21: Et dixit: Nudus egressus sum de utero matris meae, et nudus revertar illuc. Dominus dedit, Dominus abstulit; sicut Domino placuit, ita factum est. Sit nomen Domini benedictum.

3 Apc 14,4: Hi sunt, qui cum mulieribus non sunt coinquinati: virgines enim sunt. Hi sequuntur Agnum quocumque ierit. Hi empti sunt ex hominibus primitiae Deo, et Agno.

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