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Brief 266

Nonne im Kloster Lüne an eine Verwandte

vor 21. März, wahrscheinlich 1488

Ankündigung der bevorstehenden Profess — Notice about the upcoming clothing

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 19, fol. 14r

Niederdeutsch.

Schlotheuber, Klostereintritt (2004), S. 156-174; Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), S. 74; Brief 224 (Lage 17, fol. 3v-4v); Brief 264 (Lage 19, fol. 11r-12v); Brief 268 (Lage 19, fol. 16r-17r).

Die Absenderin lässt die Empfängerin wissen, dass der lange erwünschte Tag des Übertritts in den geistlichen Stand am Tag des hl. Benedikt kurz bevor steht. Von da an wird sie das Leben des Gehorsams führen, den schwarzen Schleier tragen und nur noch das besitzen, was die Klosterleitung zulässt. Darüber ist sie froh, denn als Lohn wird sie nach diesem Leben mit den Aposteln im himmlischen Jerusalem sein. Ihr Bräutigam Christus wird ihr die Krone aufsetzen. Sie bittet die Empfängerin um Verzeihung für alle in der Kindheit, vor dem Eintritt ins Kloster möglicherweise begangenen Verfehlungen in Worten und Taten. Die Empfängerin soll auch eine weitere Verwandte um Nachsicht bitten. Sie bittet um Fürbitte, damit sie die Ordensregel gänzlich erfüllen und Christus ohne Verdruss dienen kann. Sie wünscht sich, wie eine blühende Weinranke zu gedeihen.

The nun writes to a female relative and lets her know that her clothing is forthcoming on St Benedict’s day. From that point she will only have what the convent leadership grants her but in return will be with the apostles in heavenly Jerusalem. Her bridegroom Christ will place a crown on her head. She asks the recipient for forgiveness for her misdeeds in words and deeds in childhood before entering the convent, which were done not out of bad will but through lack of knowledge and childishness. She asks her other relatives for forgiveness. She asks that they intercede on her behalf that she will follow the rules of the order and therefore serve Christ without disappointment and flourish in virtues and good works like a vine branch.

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[Lage 19, fol. 14r]

Jesuma Christum, den alderlefhebbelkesten brudegham der junchvrowen, de dar is eynb wunnichschynende glans der gotliken vaderliken clarheyt, en wunne unde vrolicheit der enghele, en crone unde en ere aller hilgen, en sote mylde trost unde en vullenkomen noghaftich lon alle syner uterkoren leven brude vor enen fruntliken grod thovoren!

Alderleveste N, witlick sy juwer leve, dat ik van alle mynen kreften hoghe ghevrowetc byn in God den heren, wente jeghenwardighen is uppgheghan de begherlike dach user ewighen salicheyt,1 des ik langhe tyd hebbe begherende van ghanser grunt mynes herten, dat ik mochte komen to enem vullenkomen ghestliken levende, dar my de leve God heft to levet laten, des ik em nummer to vullen danken kan; alzo do ik juwer leve nu fruntliken to wetende, dat me myk claren2 schal in der anstanden hochtit des uterkoren hochgheloveden vaders sunte Benedictus,3 dar ik dem leven Gode vorder love unde thosegghe de lofte, de en ghestlik mynsche plichtich is to holdende: horsam to wesende mynen oversten unde willighen armod to lydende, umme de leve mynes alderlevesten brudeghammes; des in en teken wert my den upghesettet de swarte clar,4 wente ik van dem daghe an nicht meer hebben mach, men so vele alze use regule uthholt, unde wovele my van mynen oversten tolaten wert, dat myk en sunderlick vroude is an mynem herten, wente darvor scal ik na desseme levende to dele ghan myd den hemmelschen vorsten alze myd den twolf apostelen, de ok umme de leve Godes hebben vorlaten alle dingh, dar se nu vor hebben entfanghen dat hundertvoldegheste lon, unde besittet de ewighen rikedaghe in derd e hemmelschen stat Jerusalem, de de ghebuwet is van eddelen durbaren stenen; boven dat so wel my [Lage 19, fol. 14v] myn brudegham gheven de schonen eddelen durbaren guldenen croneken van parlen unde eddelen stenen,5 de nummede dreghen mod, mer allene de junchvrowen, unde dar scal ik den mede ghan in der junchvrowen dans, unde volghen dar dem unschuldighen, begherliken, snewitten lemmeken Jesu Christo, dem undotliken brudeghamme, de van sconheit unde van clarheit heft nenen liken.

Alzo, alderleveste N, bydde ik juk lefliken unde fruntliken, ift ik juk gywerlde wormede vortornet hebbe in mynen junghen iaren, do ik noch myd juk was, ift ik juk do so horsammich nicht hebbe wesen, alze ik scholde to dunde, wad gy myk heteden, unde to latende, wad gy my vorboden, alze ik juk plichtich byn, efte ik juk hedde entieghen wesen myd late, myd bere, myd worden edder myd werken, dat is my tomale van herten led, unde ik bydde juk othmodighen umme de leve Godes, dat gy my dat willen lefliken vergheven unde willen my dat nicht keren to bosheit, men to dorheit unde to unwetenheyt unde kyntheyt.6 Ock so byn ik van juk begherende, dat gy van myner weghen willen bydden myne leven N, ift ik de ok wormede vortornet hebbe in myner ioghet, dat se my dat willen vorgheven umme juwer leve willen van ghansem herten, unde willen des nummermer denken, wente hedde ik dat beter weten, ik wolde dat nummer dan hebben.

Nicht mehr up desse tyd, mer wolde gy io den leven God vor my bydden, dat he my wille sterken dartho, dat ik vormyddelst syner gotliken hulpe mote vullenbringhen, dar he my heft to uterkoren, dat is dat ik de hilgen regulen, de ik beghere to holdende, dat ik de in ener salighen stunde loven mote, unde den ok so holden alle de daghe mynes levendes, dat id eme anname sy unde my verdenstlik, unde dat ik eme so denen mote in dessem erdesken paradyse, nachtes unde daghes, sunder jenegherleye vordred, dat ik vor synen gotliken oghen stan mote alze en jungh bloyende wynrancke, uppe dat ik entfanghen mote den dow des hemmelschen paradises, dat is de invlote syner got- [Lage 19, fol. 15r] liken gnade, dat ik darvan groyen unde bloyen moten unde upwassen in allen dogheden unde in ghuden werken, unde dar vulherdich inneblyven, wente an mynes lyves ende, up dat ik na dessem levende dar komen mote, dar ik bruken mote der vrowde unde ere mynes alderlevesten brudeghammes, unde den beschouwen mote van oghen to oghen, van antlate to antlate to ewighen tyden sunder ende.7 Des help juk unde us allen Jesus Christus de brodegham der junchvrowen. Amen.


Kritischer Apparat

a J in mg. als figürliche Initiale

b folgt gestrichen sote

c in der Hs. Tintenklecks über w

d der korrigiert aus dem

e folgt gestrichen hogen hemmele


Sachapparat

1 Vgl. Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), S. 74 (21. März 1488): Eodem anno fecerunt XXXVI sorores professionem in die gloriosi patris nostri Benedicti, cuius festum tunc occurebat feria sexta post Letare; vgl. auch Brief 224 (Lage 17, fol. 3v-4v); Brief 264 (Lage 19, fol. 11r-12v) und Brief 268 (Lage 19, fol. 16r-17r).

2  Ein Lehnwort von lat. clarere. Das mnd. Verb claren (erleuchten; reinigen; erheben) bezieht sich auf die Reinigung in der Profess, vgl. Brief 264 (Lage 19, fol. 11r) und Brief 267 (Lage 19, fol. 15v).

3 21. März.

4 Seltene Bezeichnung für den Nonnenschleier, vgl. UB LEK, Abt. 2, Bd. 1, S. 873.

5  Verweis auf die himmlische Krönung durch Christi nach dem Modell der Marienkrönung für das geistliche Martyrium der Jungfräulichkeit. Die Nonnenkrone, die den Nonnen in Lüne bei der Jungfrauenweihe überreicht wurde, besaß eigentlich nur Verweischarakter auf die Krönung durch Christus. Vgl. Schlotheuber, Klostereintritt (2004), S. 156: „Die Nonnenkrönung bildete als Jungfrauenweihe den Höhepunkt und Abschluss der Aufnahmefeierlichkeiten der Nonnen, deren Liturgie in den Statuten auch den größten Raum einnimmt“; und bes. S. 161-162.

6 Diese Entschuldigungen bei den Eltern waren offenbar vor der Einkleidung und Profess üblich.

7 1.Cor 13,12.

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