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Brief 270

Nonne im Kloster Lüne an ihre Eltern

vor 24. August, wahrscheinlich 1489

Ankündigung von Nonnenkrönung — Thank-you letter

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 19, fol. 18v

Niederdeutsch.

Brief 220 (Lage 16, fol. 15v-16v)

Die Absenderin dankt ihren Eltern dafür, dass sie sie ins Kloster gegeben haben. An diesem paradiesischen Ort ist sie nun auserwählt worden, am Tag des hl. Bartholomäus mit der Jungfrauenweihe die Nonnenkrone zu erhalten. Sie beschreibt die Bedeutung des Heiligen mit seiner Legende und deutet ihre Jungfrauenweihe, den Fingerring und die Nonnenkrone, mit Rückgriff auf das Buch Esther, als geistliche Hochzeit mit dem Bräutigam Christus aus. Der himmlische König wird damit zum Verwandten der Eltern. Auch wenn die Eltern bei der geistlichen Hochzeit nicht anwesend sein können, werden sie später doch zum ewigen Hochzeitsfest geladen. Abschließende Bitte um Vergebung für alles, womit die Absenderin sie erzürnt haben könnte.

The nun thanks her mother for all her good deeds, especially that she has given her over to the convent. God may give the reward. Description of being selected by God and the forthcoming celebration of crowning during the patronal festival, St Bartholomew’s day. The nun expounds on the legend of Bartholomew. Interpretation of the celebration with reference to the Book of Esther and description of ring and veil. The highest king will be their groom and relative. Even though the mother cannot be physically present at the spiritual marriage, she will be invited to the eternal marriage feast. She asks for forgiveness for everything, which may have angered her mother.

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[Lage 19, fol. 18v]

[Jaesum Christum, den wisen hochghebornen vredesamighen koningh Salomon, ghekronet myd dem durbaren hovetgoldeb dar en syn hemmelsche Vader mede kronede in dem heren, hochtideghen daghe syner brudlacht, do he sik vortruwede myd der mynschliken naturen unde trat uthe dem guldenen scrine syner zarten, junchvrowelkerc moder Marien alze eyn erwerdich brudegham uth syner brudkammerd,1 den sende ik juk vor enen annamen grod tovoren!

Alderleveste N N, ik, juwe leve dochter, dancke juwer wederken2 unde moderken leve, hochliken unde fruntliken, vor alle gud, dat gy my van myner kyntheyt wente an desse stunde lefliken dan hebbet, sunderken darvore, dat gy my in dit closter hebbet ghegeven, dar ik rouwesamighen inne leven mach alze in enem wunnighen, lustighen paradyse unde mach spasseren ghane in dem soten rosengarden mynes brudeghammes mangt den witten lillien unde mangt den roden roseken in gheystliker wollust, wo vake my des lustet, dar my juwe leve io to holpen heft, des ik juk nummer to vullen danken kan alle de daghe mynes levendes; mer Christus Jesus, de koning der ere, de dat afgrunde syner overvlodighen barmherticheyt openet allen ruwighen, ynnighen herten, de mote juk dusentvolt belonen juwelk word, dat gy my to gude spraken hebbet unde alle gud, dat gy my dan hebbet, dat mote he thomale vorgelden myd dem groten lone, dat he sulven is.

Vortmer, Alderleveste N, so juk wol witlik is, wo grote tekene der leve dat God de here by my heft bewiset, indeme dat he my mangt dusent dusent3 mynschen heft uterkoren to ener eghenen brud, nicht van myner werdicheyt, sunder van syner mylden, endelosen barmherticheyt weghen; alzo do ik juwer leve nu vorder to wetende, dat de Vader in der ewicheyt, de syne grundelosef myldicheyt vaken bewiset synen armen creaturen, de heft nu jeghenwardighen upgheslaghen ene sunderghe, grote werschop unde de wel he don in dem neddersten synes koninghrikes, dat is in dessem clostere, [Lage 20, fol. 1r] dar wel he werschoppen myd synen eghenen leven kynderen, de he uterkoren heft; unde to desser groten werdicheyt heft he my, syne arme denerinneg, ok gheladen unde gheesket, wente ik schal nu de schonen, eddelen cronen entfanghen in dem hochgheloveden werdighen festdaghe des hoghen hemmelvorsten unde werden aposteles sancti Bartholomei,4 unses alderlevesten hovetheren,5 den God de here dar sunderken heft to uterkoren umme syner groten werdicheyt willen; wente desse leve, eddele apostel is van hogher art unde van eddelem slechte unde he was enes riken koninghes sone unde vorled dat ganse koningrike synes eghenen vorstendomes, dat eme van rechtes weghen ervet was van vader unde van moder, dat gaf he tomale over umme de leve Godes, wente he was so sere entfenghet myd dem vure der gotliken leve, dat eme dar nicht ane noghede, dat he enes riken koninghes sone was, men eme dorstede na dem endelosen springborne Jesu Christo unde he begherde, dat he mochte wesen eyn vrunt des alderhoghesten koninghes, des rike nummer nenen ende heft, unde darumme so vorled he nicht allene syne koningliken walt, sunder he led sik syne eghenen hud van synem lichamme then umme de leve des oversten koninghes, uppe dat he synes rikes mochte werden, dar he nu vordricht dat schone guldene hochtidescled der ere, van rodem golde wracht6 unde van eddelen stenen besettet na koningliker wonheit, unde he wert nu gheheten eyn lef vrunt unde eyn7 van den hoghesten vorsten des koninghes na dem male, dat he so menliken vochten heft unde heft den groten seghe wunnen alze eyn sterck kemppe; hirumme so mach eme dat boren, dat en de koningh wedder ere myd sundergher werdicheyt alze synen alderneghesten,8 up dat God de here beyde an hemmelrike unde an ertrike syn lof unde syne groten werdichheyt vorbreden mochten.

So heft de grote rike konigh Asswe- [Lage 20, fol. 1v] rus,9 de hemmelsche Vader, desse groten werschop unserh croninghe upgeslaghen, de he in synem daghe holden wel in geystliker vrolicheyt unde wollust myd my syner armen denerinnen; unde na dem male, dat he van koninglike stamme is, so mach em dat temen, dat he sodane ere heft, unde wol dat ik mynem brudegamme tosecht wart in myner cledinghe, do ik vader unde moder vorsakede dor syne leve unde myd eme do so vaste vorbunden wart myd der guldenen keden der rechten, waren leve, doch so wel de brudlacht nu wedder vornighen in myner kroninghei undej wel my nu geven dat brudvingherlyn an myne hant unde den erliken lefliken namen, dat ik wesen unde heten schal des ewighen koninghes brud, unde darto wel he my gevenk de schonen cronen myd den vif eddelen brudspannen syner hilgen vif wunden,10 de ik dreghen schal vor alle der werlde, dar ik dat mede bewise, dat ikl so vaste myd eme vorbunden byn, dat my noch led noch leff van syner leve scheden kan to ewighen tyden unde hirumme so mach ik wol spreken de soten worde, de dar de zarte junchvrowe sunte Agnete so lefliken schallede, do se sprak: „Myn here Jesus Christus heft my ghehantruwet myd synem vingherlyn unde heft my ghekronet myd ener schonen cronen unde syn blod heft myne vanghen11 rosenvar ghemaket.“12

Alderleveste N, konde efte mochte beyde juk unde my ok bed wesen, wen us is, wan we dit andenket, wente de koningh aller koninghe is myn brudegham unde is juwe swagher unde wol dat gy nu nicht jeghenwardich synt efte wesen moghet to myner brudlacht, de hir gestelken vullenbrocht wert; doch so schol gy na dessem levende myd allen salighen to der hoghesten wersschop komen, wente desse bruchtlacht schalm n nicht allene [Lage 20, fol. 2r] hir beghan werden in dem ertrike, sunder se wert ok beghan in dem hoghen hemmele, dar sik myn brudegham vrouwet in ewigher vrolicheyt myd den hemmelschen borghereno, de dar van dem gruntborne syner endelosen myldicheyt overvlodighen vorvullet werdet; dar schal desse brudlacht den vullenbrocht werden, wente dar schal ik den dreghen de lucken guldenen croneken, de dar nummede geven wert men allene den junchvrowen, dar schal ik den medeghan in der junchvrowen dans unde schal den volghen deme snewitten lamme alwor it gheyt. O, welk unsprekelik vroude is dar wol deme mynschen, de den wunnichliken, spelenden, vroudenriken dans by des koninghes syden an syner schonen hantp in vroudenriker sekericheyt jummer treden mach.

Item, alderleveste N, ik bidde gik othmodighen umme de leve Godes, dat gy my willen vorgeven allent, wor ik juk mede vortornet hebbe al myne levedaghe myd worden edder myd werken, dat is my tomale van herten led; unde biddet jo den leven God vor my, dat ik dyt groten ammacht13 so mote entfanghen unde desse cronen so dreghen mote, dat ik na dessem levende mote ingheleydet werden an dat brudbedde des unbevleckeden lammes unde den de soten wort horen mote: „Kam, myn uterkoren brud, ik wil dy kronen myd der cronen der ere unde wil mynen tron in dyn setten.“14 Dat uns allen dyt besche, des help uns de Vader unde de Sone unde de Hilge Geyst. Amen.


Kritischer Apparat

a fehlt in der Handschrift J

b in der Hs. houet durbaren golde korrigiert aus houet golde durbaren, durbaren in der Hs. mit Verweiszeichen supra lin. zwischen houet und gold gesetzt

c überschüssiger Nasalstrich über dem zweiten e

d in der Hs. bud kammer

e überschüssiger Nasalstrich supra lin.

f in der Hs. grudelosen

g in der Hs. armen denerinnen korrigiert aus amen denerinnen

h folgt gestrichen con

i kroninghe korrigiert aus koninghe

j in der Hs. wnde

k folgt gestrichen dat brud vigher

l in der Hs. is

m folgt überschüssig u

n folgt gestrichen hir

o folgt überschüssig in ewigher vrolicheyt, Doppelung zeitgenössisch durch Verweiszeichen gekennzeichnet

p folgt gestrichen jummer


Sachapparat

1 Ps 18,6: In sole posuit tabernaculum suum; et ipse tamquam sponsus procedens de thalamo suo. Exsultavit ut gigas ad currendam viam.

2 Die Schreiberin benutzt mehrfach w statt v, d. h. hier ist „väterlichen“ zu lesen; weiter unten auch wnde statt unde.

3 Doppelung von dusent als rhetorisches Mittel.

4 24. August. Wahrscheinlich im Jahr 1489, für das an diesem Tag eine Jungfrauenweihe belegt ist, vgl. Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), 77.

5 Hovethere (Hauptherr) ist die niederdeutsche Bezeichnung für den Klosterpatron, vgl. Brief 368 (Lage 27, fol. 3r), wo Bartholomäus als Klosterpatron stellvertretend zur Hochzeitsfeier geschickt wird. Die Chronik, hg. von Stenzig (2009), S. 77 (24. August 1489): Item eodem anno coronabantur XI sorores in die sancti Bartholomei gloriosi patroni nostri, et non communicaverunt, in secundo die.

6 Vgl. die Darstellung des hl. Bartholomäus im Sternengewand im ‚Medinger Gebetbuch‘, SUB Hamburg Ms. in scrin. 209, fol. 92r; auch das Lüner ‚Bartholomäuslaken‘, bei dem die Stationen der Legende dargestellt werden und am Ende die Verehrung des Heiligen durch die Nonnen steht, vgl. DI 24, Lüneburg: St. Michaeliskloster, Kloster Lüne, Nr. 45 (Eckhard Michael), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di024g002k0004505.

7  Vgl. das Gebet zum Johannisfest im Medinger Gebetbuch, HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. Extrav. 300.1, fol. 89r: O hilghe here sunte Iohannes, en lef vrunt unde en uterkorne apostel Godes, kere dy to my unde se mj an, alse dy Cristus an sach, do he di van der werlde ladede to siner mesterscop, unde verwerf mj, dat ik eme mit vlite moghe to hanghen.

8 Danach fehlt möglicherweise nochmals ein Substantiv, zu erwarten wäre wie vier Zeilen darüber, vrunt.

9 König Ahasver aus dem Buch Esther (Assuerus in der Vulgata), vgl. Brief 220 (Lage 16, fol. 15v), wo ebenfalls zum Bartholomäustag als Kirchweihfest in Lüne der Vergleich mit dem großen Fest des Königs Ahasver herangezogen wird.

10 Vgl. Ebstorf, Hs. V 2, fol. 212v-213r, der zweite Ebstorfer Reformbericht, in dem es heißt: In corona sunt quatuor cruces rubee cum trans […] nant crucifixi sponsi nostri quinque vulnera, quod in signum Christi vulnerati gerebimus in capite, ut semper simus memores nostri sponsi, in canticis ubi dicit: „Vulnerasti cor meum, soror mea sponsa” [Ct 4,9], scilicet per amorem. Vgl. dazu Schlotheuber, Klostereintritt (2004), S. 164.

11 Einsetzung von v statt w.

12  Das Offizium der Jungfrauenweihe oder Nonnenkrönung war dem Agnesoffizium entnommen (Cantus ID 001426): Annulo suo subarravit me dominus Jesus Christus et tamquam sponsam decoravit me corona.

13 Im Niederdeutschen eine Bezeichnung für Amt, Zunft oder Stand.

14 Vgl. eine Übersetzung der ‚Passio sanctae Barbarae virginis‘, transkribiert aus British Library, Add. MS 29727, fol. 267v von Rudy, A play (2015), S. 81: Com, mijn wtvercoren biruut [sic], com mijn vriendinne, mijn schoen. Com, du salt mytter meechden cronen ghecroent werden, die ic dy van aen begynne bereit heb in mijnen rijck, in Bezug auf Ct 4,8: Veni de Libano, sponsa mea: veni de Libano, veni, coronaberis: de capite Amana, de vertice Sanir et Hermon, de cubilibus leonum, de montibus pardorum.

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