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Brief 272

Nonnen im Kloster Lüne an den Bruder Melchior einer Nonne GT

undatiert

Glückwunsch zur Hochzeit — Congratulatory letter on brother’s marriage

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 20, fol. 3r

Niederdeutsch.

Brief 124 (Lage 12, fol. 1r-2r)

Die Absenderinnen gratulieren dem Empfänger zur anstehenden Hochzeit. Beschreibung der Gottgefälligkeit der Ehe anhand der Bibel. Als Verwandte sollten sie eigentlich am Fest teilnehmen und ihm ein Kleinod schenken; doch durch ihre Gelübde ist das nicht möglich. Doch sie senden die Einwohner des himmlischen Jerusalem an ihrer statt, unter anderem Johannes den Täufer, den Patron Lüneburgs, und Matthäus, wohl der persönliche Apostel des Empfängers, um ihn und seine Braut in die Kirche zu geleiten und dem Paar lebenslang beizustehen. Wie Tobias mögen er und seine Braut ihrer Mutter und ihnen viel Freude bereiten. Bartholomäus, der Lüner Patron, möge dem Empfänger einen goldenen Gürtel bringen, um ihm eine beständige Zunahme der Gnade und schließlich den Weg vor das Angesicht der Dreifaltigkeit zu ermöglichen.

The nun expresses joy on her brother’s wedding. God established the status of marriage in paradise and has shown its use through countless examples of the patriarchs and other saints. As his sister the nun should attend but she is duty bound to stay in the convent. In her place she sends a depiction of the inhabitants of heavenly Jerusalem, represented by Solomon, Mary, Beersheba, the Lüneburg town patron John the Baptist, the three wise men, the brother’s personal apostle Matthew, and Anna with the Holy Family, all of whom would like to come to the wedding and lead bride and groom to the church. In addition, the nun sends her apostle, Bartholomew, depicted on a belt decorated with rings and precious stones. She hopes that this belt will fire him in his love of God and lead him to heavenly Jerusalem.

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[Lage 20, fol. 3r]

GT Melchiora 1

Jesum Christum, den keyserliken groten heren unde gnedigen fursten hemmelrikes unde ertrikes, deme dar underworppen syn alle fursten unde heren der gantzen werlt, den scrive wy dy, alderlevester N, vor enen fruntliken grod tovoren!2

Unde doth dyner leve witen, dat wy van grunt unses herten seer ghefrouwet synt, dat unse leve moder unde wy den froliken dach hebben gelevet, dat du anghan scolt den werdighen stath der hilgen echteschop, dar du van Gade ane allen twivel sunderken bist tho uteseen. Unde wo anam dat gade van hemmel deser stath is, vinde wy openbar in der hilgen scrift. Wente he heft densulven angesettet in dem paradyse mitb unsen ersten olderen unde heft ock de dre groten patriarchen Abraham, Ysaac unde Jacob unde vele andere hilge mynschen in deme sulven stath ghehilget unde myd groten gnaden begiftet, beide in dem olden unde ock in dem nyen testamente, so dyn leve sulven wol wet. Unde alze du nu so den stath myd groter heerlicheyt werst annemen unde must van noden unse negesten frunt unde ock ander lude to dyner werschopp laden, so were dat wol billich unde recht, dat wy dy scolden de aldernegesten wesen to dyner hochtid unde scolden dyc eyn scone klenade geven; dat kon wy nu liffliken nicht vullen, wente wy hebben uns Gote vorplichtet hir in synem wyngharden eme to denende wente in unsen doth unde hebben ok umme syner leve willen versmahet unde avergeven dat rike der ganten werlt. Jodoch so scoltu unser derhalven nenen scaden hebben.

Wy senden dy in unse stede alle de inwoner der hemmelschen stat Jerusalem, de wy ghebeden3 hebben to unsen kerkmissen . Tovoren an sende wy dy den groten wysen koning Salomon, Jesum Christum, myd der groten koninginne Bersabee, syner leven moder Marien, den hilgen dopere Christi, Johannes baptista,4 unde darto dre grote landesheren, alze de hilgen dre koninge Jasper etc., dynen leven apostel sancte Mathias,5 de hilgen frouwen sancte Annen myd eren hilgen gheslechte. Desse alle moten nu to juwer brudlacht unde moten dy unde dyne brud leden to der kerken unde moten ok by juw wesen nacht unde dach, allent, wor gy gaͤd [Lage 20, fol. 3v] unde stath, upp dat gy juw in ener saligen, luckigen stunde also moten vorgadderen in dem hilgen echte unde moten alle de tyd juwes levendes so tohope ummegan in leve unde in fruntschop, in vrede unde in eyndracht, dat in juw mote bestedighet werden al de benedyginge, de Got van anbegin der werlt synen leven frunden geven heft, besunder de he gaf aver den jungen Tobiam unde syne brud; dat gy mote to der werlde denen unde Gade dem heren lof unde ere beden in juwem state, up dat unse leve moder unde wy noch alle froude in juw leven moten. Darto so senden wy dy ock unsen werdigen hilgen patrone sancte Bartholomeus, de mote dy van unser wegen vorwerven enen groten schonen guldenen dusing6 van rodem claren golde, vul klocken unde vul eddeler steyne, dat is de hite vurige leve Gades, dar de grote hemmelfurste unde leve frunt Gades mede ghetziret was unde de an synem herte brante alze eyn gloyende vurich kale, dat he nicht allene avergaf syn koningrike unde vorled landesloten unde borgeren,7 sunder he sick ock levendich villen umme de leve Gades unde enachte ock nene pyne.

Myd desem schonen dusinge mote de almechtighe Gat ock tziren dyn leff unde dyne sele, unde geven dy, dattu ene motest beleven boven allen ding unde dynen evenmynschen ghelick alze dy sulven8 unde motest tonemen unde groyen unde bloyen in allen dogeden unde guden werken, dardorch du vordenen magest syne hulde unde gnade, lucke, heyl unde zalicheyt lyves unde der sele, vormeringe tydliker gudere, eynen salighen kersliken ende unde den darna de woninge der hohen hemmelschen borch Jerusalem, dar de straten unde muren synt van clarem roden golde, de porten van eddelen stenen unde fynen margariten, dat du dar den vorbenomeden keyserliken heren den motest beschouwen „van anthlate to antlate“9 unde motest dy dar den ewelken frouwen vor dem speygel der Hilgen Drevaldicheyt. Des behelpe dy unde uns allen de moder der barmherticheyt. Amen.


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b m mit t supra lin.

c folgt gestrichen eren myd enen


Sachapparat

1 Es ist keine Nonne mit diesen Initialen in Lüne nachgewiesen; vermutlich gehörte sie zur Töbing-Familie, die mehrere Töchter in Lüne hatte. Für die Familie Töbing ist auch der eher seltene Vorname Melchior im 16. Jh. belegt, vgl. Witzendorff, Stammtafeln (1952), S. 323.

2 In Brief 124 (Lage 12, fol. 1r), wird auf die Grußformel dieses Briefes verwiesen. Dort ist sie verkürzt abgeschrieben und endet mit dem Bezug auf den Brief GTs an ihren Bruder: Jesum Christum, den keyserliken groten mechtigen heren unde gnedigen, riken fursten etc. GT fratris littera.

3  Vgl. die Hochzeit des Lammes, den Festzug der Heiligen zur Auferstehung Christi, wie er in den Osterorationalien aus dem Kloster Medingen geschildert wird: Lipphardt, Funktion (1972), S. 193.

4 Johannes der Täufer war Patron der Lüneburger Hauptkirche.

5 Zum Konzept des Eigenapostels auch für den weltlichen Empfänger vgl. Lähnemann, Apostelverehrung (2015), S. 41-64; siehe auch das niederdeutsche Matthias-Gebetbuch, Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. oct. 265.

6 Ein mit Schellen oder Glocken besetzter Gürtel, lateinisch cingulum sonorosum, Schiller-Lübben 1, Sp. 603.

7 Nach der Legende war Bartholomäus ein Königssohn.

8 Zum Doppelgebot der Liebe vgl. Lc 10,27Ille respondens dixit: Diliges Dominum Deum tuum ex toto corde tuo, et ex tota anima tua, et ex omnibus virtutibus tuis, et ex omni mente tua : et proximum tuum sicut teipsum.

9 Gn 32,30.

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