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Brief 274

Nonne im Kloster Lüne an eine weltliche Person

undatiert

Nachricht über die kommende Einkleidung — Spiritual letter on profession

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 20, fol. 5r

Niederdeutsch.

Die Absenderin teilt mit, dass der Tag für ihre Einkleidung gekommen ist, nach dem sie sich gesehnt hat. Nun wird Christus ihr Begehren erfüllen. Sie bittet die Empfängerin oder den Empfänger, sich mit ihr zu freuen, dass sie auserwählt wurde, im Rosengarten Christi zu arbeiten und unter den Blumen der Tugenden zu wandeln. Keine Braut hat je einen solchen Bräutigam gehabt. Ein goldener Ring ist das Zeichen ihrer Verbundenheit und weder Freude noch Trauer könnte sie von ihm trennen. Sie will für ihn in seinem Garten arbeiten, wo sie die Blumen pflücken und mit allen Jungfrauen tanzen kann, deren höchste die Gottesmutter ist. Das wohlklingende Harfenspiel und der Gesang der Engel werden noch übertönt vom lieblichen Wort Christi, mit dem er sie empfangen und zu seinem Thron führen wird, um sie zu krönen. Danach wird er sie in seine Kammer leiten, wo sie ewige Ruhe finden wird. Anempfehlung an Gott.

The writer lets her female relative know that the day of her profession has now arrived. Jesus has chosen her among thousands to serve in the rose garden which he himself has planted. She can walk among green lilies with the white blossoms of chastity, the blue violets of true humility and the red roses of burning love. No bride has ever found such faithfulness in a groom. A gold ring will be a sign of true love, so that neither joy nor sadness will divide them, but she will serve him in the rose garden where she can pick sweet-smelling flowers with spiritual joy. She will follow him to the dance of the pious virgins. Every small word which sounds from his mouth is greater than the songs of angels or the sound of harps. He will enclose her in his white arms, place the little gold crown of the virgins on the writer’s head, and lead her into the bedroom of his fatherly heart. He will send the wine of his divine comfort to the writer from the grapes of his fatherly heart to make her stronger in all her good works, serving God in this earthly paradise so that she may reach eternal life.

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[Lage 20, fol. 5r]

Jesuma Christum, den vruchtbarighen gronen wynraven aller wollusticheyt, den de overste wyngardener, de hemmelsche vader, heft gheplantet in dem wunnighen liliengarden des junchvrowelken lichammes Marien, up dat he us allen schenken mochte den soten wyn synes gotliken trostes, vor enen fruntliken grot tovoren!

Alderleveste N, ik do juwer leve witlik in groter vrolicheyt mynes herten, dat ik van der scickinghe weghen des alweldighen Godes gheladen unde esket byn to enem geystliken levende, wente nu is, God hebbe lof, deb frolike leve dach upgheghan, dat ik myn gestlike cled schal entfanghen, dar my lange tyd na vorlanget unde na dorstet heft; men de borne der barmherticheyt, Jesus Christus, de wel myne begheringhe nu vorvullen unde my trosten, unde darumme so vrouwet juk myd my, dat gy den vroliken dach hebbet ghelevet, dat ik schal vortruwet werden des oversten koninghes sone, de my heft lef ghehat er myner bord, unde heft my mangt dusent dusent mynschen uterkoren to ener denerinnen, dat ik eme hir scal denen in dessem eddelen rosengarden, den he sulven heft gheplantet unde myd so mennighen gaven heft ghetziret alze enen hemmelschen paradis; dar stan de gronen lilienstruke vul witter lilien der kuscheyt, de blawen fyolen der waren othmodicheyt, de roden rosen der bernenden leve, mangt welkeren blomeken eme alle tyd lustet spasserenghan.

O, welk brud heft de truwe unde de woldath gy bevunden by erem brudegamme de ik vullenkomelken hebbe bewunden by mynem herteleveken, deme ik nu schal vortruwet werden myd enem guldenen [Lage 20, fol. 5v] wyngerlyn in eyn teken der rechten waren leve, dat ik nu so myd eme schal vorbunden werden, dat my to ewighen tyden noch vroude edder drofnisse van eme scheden scal, sunder hir scal ik eme denen in dessem rosengarden, darinne spasseren mach in gestliker wollust unde breken alle de blomen, de my lusten unde behaghen, so langhe dat he my bringet in den oversten rosengarden der levendigen rosen unde lilien, de myd erem soten roke avertreden balsem unde wyn; dar scal ik den van ghesadighet werden to ewighen tyden unde eme volgen in deme dantze der kuschen junchvrowen, dar syn benedyede moder de erste inne is.

O, wol deme mynschen, de den wunnichliken spelenden, vroudenriken dans by syner schonen hant in vroudenriker sekericheyt jummer treden schal, eyn innech wordelyn, dat uthe synem munde so lefliken clinget, dat trid boven alle engele sangh unde boven alle harpen clangh; dar wel he my entfan an synem blanken arm unde wel my denc an dem trone syner werdicheit ewelken vorhoghen, unde my cronen myd der lutken guldenen croneken de allene den junchvrowen lovet is; darmede wel he my den leden in syne slapkamer an den konichliken palas1 synes vaderken herten, dar ik inne rouwen scal to ewighen tyden.

Hirmede bevale ik juk in de hode des almechtighen Godes; de mote juk schenken uth der wyndrufelen synes vaderken herten den wyn synes gotliken trostes, dar gy io moten van ghesterket werden to allen guden werken, eme hir alzo to denende in dessem erdesken paradyse, dat gy na desseme levende ene sunder ende moten loven in der schare aller salighen. Amen.


Kritischer Apparat

a I in mg.

b in der Hs. ik nu is God hebbe lofden

c folgt gestrichen cronen


Sachapparat

1 Ct 2,4-5.

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