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Brief 283

Nonne im Kloster Lüne an ihre Ziehmutter

undatiert

Dankesbrief — Thank-you letter

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 20, fol. 16r

Niederdeutsch.

Die Absenderin dankt der Empfängerin für ihre vielen Wohltaten und für die liebevolle Fürsorge in der Kindheit, als die Absenderin vater- und mutterlos war. Charakterisierung des Klosters als irdisches Paradies, das sie ihr durch den Klostereintritt eröffnet hat. Diese Entscheidung kann sie nicht vollständig vergüten, sie sendet aber mit ihrem Gebet die Gottesmutter, die der Empfängerin ihre Gnade offenbaren möge.

The writer thanks the recipient for her good deeds and for her loving care during her childhood, when the writer was without father and mother. As she cannot fully compensate the fact, that the recipient had given her into the convent’s paradise, she sends with her prayer the Blessed Mother, who may reveal her grace to the recipient.

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[Lage 20, fol. 16r]

Marien, de hemelschen keyserinnen, dat eddele, blenkernde, schynende cristallenvad, dar sik de koningh der ere sulven heft inne bewracht, unde den ghansen schat syner gnade heft inghegoten vor enen fruntliken grod tovoren!

Alderleveste N, ik kan wol bekennen juwe groten woldath unde truwen leve an my, juwer leven dochter, bewiset nicht allene up desse tyd, sunder ock van mynen junghen jaren wente heer alle de tyd aver, de gy my moderlos so lefliken hebbet upghetoghen unde truwelken besorget, nicht allene alze eyn lef vader, sunder ock alze en truwe moder, de van inwendigher, naturliker leve den kynderen mededelet allent, wes se wynnen unde werven kan; scolde se des ock sulven enberen, des enachtet se nicht van groter leve weghen, de se to den kynderen heft unde desse truwe hebbe ik vullenkomen an juw bevunden, wente vederke leve heft gy my darane bewiset, dat gy my uter werlt hebbet ghebrocht in dessen erdesken paradys, dar ik in enem rouwesamigen, levende Gode denen mach unde darto hebbet gy my den alderschonesten unde rikesten brudegam uterkoren, dat is Christus Jesus, de en here is aver hemmelrike unde ertrike, des schonheyt sik vorwundert sunne unde mane,1 des rikedaghes unde walt nummer vorgheyt sunder ewich blivende is, dem hebbet gy my vortruwet; konde gy my ock wol beters to steden holpen hebben in der ghansen werlt, men alze gy rede dan hebbet, unde darto bewise gy my alle tyd moderke leve unde truwe, in dem dat gy my so vlitighen gevet allent, wes ik begherende byn, unde behoff hebbe, des ik juck nummer to vullen dancken kan alle de daghe mynes levendes, alze gy wol egheden unde ik juck ock plichtich byn, nademe dat gy my synt beyde vader unde moder unde wol dat my dat unmoghelick is vor alle woldath sunderghen to danckende, so kan ik dat doch up desse tyd nicht laten van groter vroude, ik mod juck witlick don, wo rechte leve dat gy my in der suverken groten lade dan heft, de is my- [Lage 20, fol. 16v] so anname, dat ik dat nicht to vullen uthscriven kan.

Unde wor wil ik arme kynd dat mede vorschulden, wente ik hebbe nichtes nicht, men wat my van usen overstena unde van juwer gnade geven wert unde darumme kan ikb juck nicht wedder to willen don, doch so wil ik myne unnagafticheit bevalen unde tolaten der vorghenomeden keyserinnen des hemmels Marien, de alle tyd berede is uns armen sundere barmherticheyt unde myldicheyt to bewisende, de mote juck so vele gůdes vorwerven an lyve unde an sele, alze ik juck van ghansem herten alle tyd wunsche unde bidde in mynem unwerdighen bede; darto mote se juck mededelen de gnade, de se entfengh in der honnichvletenden stunde, do se de engel her Gabriel grotte unde sprac: „Ave Maria etc.“;2 dat gy hir in den hulden unde gnaden eres leven kyndes moten leven in dogheden unde in rechtverdighen ghuden werken, dat juw nummer lucke ere unde ghudes enbreken mote unde na dessem levende, wan wy alle schollet rede gevent vor use levent, so mote se juck den strengen richter huldeghen unde synen torn wandelen in barmherticheyt, dat gy vormyddest eren bede den moten rekent werden in den tal aller saligen, dar erec leve kynt den to segghen wel: „Komet, gy benedyeden, etc.“;3 dat gy dar den des ewighen ghudes sunder ende bruken moten vor dem speyghele der Hilgen Drevaldichheyt. Amen.


Kritischer Apparat

a folgt gestrichen to

b folgt gestrichen dat

c ere korrigiert aus ene


Sachapparat

1 Übersetztes Liturgie-Zitat aus der ‚Jungfrauenweihe‘ (Agnes-Offizium, Antiphon): Ipsi sum desponsata cui angeli serviunt, cuius pulchritudinem sol et luna mirantur […].

2 Lc 1,28.

3 Mt 25,34.

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