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Brief 321

Priorin Sophia von Bodenteich im Kloster Lüne an Alheid Schomaker

vielleicht Januar oder Februar 1499

Trostbrief — Letter of consolidation

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 23, fol. 3v

Niederdeutsch.

Brief 330 (Lage 23, fol. 2r); Brief 335 (Lage 23, fol. 10r)

Die Absenderin dankt der Empfängerin zunächst für erwiesene Wohltaten. Besonders in ihrer Krankheit hatte die Angeschriebene ihr in besonderer Weise beigestanden, was die Absenderin nicht ausreichend vergelten kann. Sie verweist daher auf Gott, den Quell der Barmherzigkeit, der alles mit seiner Gnade belohnt. Da die Angeschriebene nun Magdalena, wahrscheinlich eine Ziehtochter, ihren Eltern zurückgegeben hat, ist ihre Trauer nur verständlich und die Absenderin würde der Empfängerin gern Trost spenden. Gott wird sie für die vielen Jahre liebevoller Erziehung belohnen und für Magdalena alles zum Guten fügen, ob sie nun weltlich bleibt oder geistlich wird. Die Empfängerin soll sich also trösten, wie es das Beispiel der zwei magischen Ringe Mose vorgibt. So soll auch sie zwei magische Ringe nehmen, die die menschliche und die göttliche Liebe repräsentieren, und für den Eingang ins himmlische Jerusalem arbeiten.

Prioress Sophia von Bodenteich thanks Alheid Schomaker for her help during illness. She could never repay her and not send sufficient consolation now. The recipient is in distress about Magdalene, apparently a foster daughter, who recently went back to her biological parents. God will help Magdalene find her way, whether she stays secular or would become spiritual. They all will eventually come to the New Jerusalem.

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[Lage 23, fol. 3v]

Alheid Scomakers1 a

[J]esumb Christumc, den avervletenden grundelosen borne aller gnade unde mildicheyt, de myd syner soticheyt vorvullet de reynen herte syner leffhebbere in dem ertrike unde spyset unde vordrenket de salighen in dem vaderlande myd der wunne unde clarheyt syner hilghen mynscheyt, vorenighetd myd der gotheyt, den scrive ik juw, myn alderleveste vrundinne unde myn leve moder, vor enen fruntliken grod unde to ener sunderghen groten dancknamicheyt alle der gude unde woldath, truwe unde leve, de gy my to allen tyden bewiset.

Boven alle ding nu in myner krancheyt2 hebbe gy by my moderke leve bewiset, nachdem gy my persoͤnliken trosteden unde sulven to my qwemen unde my na allem vormoghe myd allem vlite hulpen unde darto juwe groten gave gheven, dat ick doch by mynen eghenen vrunden nicht bevunden hebbe.

O, wor wil ik edder wor mach ik sodane grote, truwe leve mede vorschulden jeghen juw, so ik plichtich byn, dat is my unmoghelick to begripende unde noch vele unmogelker to vullenbringende; worumme so wyse ik juw tho dem voͤrgherorden borne der barmherticheyt, de dar [Lage 23, fol. 4r] wyde jeghen uns armen sundere apen steyt, dar dat wader der gnade, de olye der barmherticheyt, dee wyn der soticheyt unde de eddele balsem der waren leve tho viff orden uthvlud, dar scholle gy juwe loͤn vullenkomen vynden ane twivel, wente unse leve zalichmaker hefft sulven spraken unde secht: „Wat gy doth enen van mynen aldermynsten, dat do gy my sulven etc.“3

Alzo, alderleveste vrundynne unde leve moder, wil ik darf nicht inne twivelen, God alweldich wel juw sunderghe hantreckinghe, sunderghen vothstappen, sunderich word, dat gy my to gude spraken hebbet, unde alle gud, dat gy daͤn hebbet, hundertdusentvolt belonen, hir myd syner gnade unde darna myd derg frolicheyt synes wunnighen froliken anthlates in der ewighen glorien sunder ende.

Vorder, alderleveste truwe moder, so gy juwe alderlevesten suverken dochderken Magdaleneken nu hebbet eren elderen myd sund unde macht gheantwerdet, so is dat wol to lovende, dat juve leve dar aver bekummert is unde sick dar [Lage 23, fol. 4v] ock ichteswes umme bedrovet, dat gy ere fruntliken jeghenwardicheyt schollet enberen; unde konde ik juw nu so groten trost doͤn, alze gy wol egheden, dat wolde ik van herten gherne doͤn, wente ik kan dat wolh bedenken, dat juw dat sur wert, nach dem male dat gy se so lange tyd myd juw had hebbet unde hebbet se so leffliken uppetogen, unde allent, wes gy darinne dan hebbet Gode to eren unde juwem evenen mynschen tho gude, dar scholle gy sunderich loͤn na dessem levende vor entfangen ane twivel unde darto werde gy samdelich alle des ghuden, dat se al ere levedage deyt Gode to eren, se werde gheistlick edder se blyve werlick.

Unde darumme so bydde ik juw fruntliken unde leffliken, dat gy juwe herte willen to vrede gheven unde willen juw dar klokelken unde wysliken inne hebben, dat gy juw van wemode nicht vorderven in juwer suntheyt, men doth na der wise, alze wy leset van Moysi, deme groten propheten unde [Lage 23, fol. 5r] uterkoren vrunde Godes, do he noch was in Egipten unde scholde vechten unde striden wedder de vyende, de dem lande enjeghen weren, doi wan he se alle aver unde sloch de vyende doth unde nam des koninges dochter van Ethiopien, de morinnen, to ener husvrowen;5 unde de hadde he so leff unde se en wedder, dat se nicht mochten vanander. Unde wanneer dat Moyses wolde wedder in syn lant theͤn, so hynderde em alle tyd de vrouwe; worumme so nam he twe eddele stene, de gropede he uth myd bylden undej bewrachte de in twe guldene ringe. De ene hadde de krafft, we en droch, de ward vorgetteren, unde den gaf he der husvrowen, darmede vorgat se syner leve. Den anderen beheld he, de hadde de kraft, we en droch, dem ward de dechtnisse scherpet, unde alzo qwam he wedder in syn lant unde vorled de husvrowen.6 Na desser wise scol gy ock doͤn, wank gy na der synlicheit bewegen werdet, so nemet twe guldenel [Lage 23, fol. 5v] ringe myd eddelen stenen. De ene ring, dat is de levem des mynschen; de eddele steyn darinne, dat is dat bylde des dodes, dat de leve schedet, unde den ring scol gy geven der synlicheit, de by der husvrowen betekent wert. De ander ring betekentn de leve Godes; de eddele steyn darinne, dat is de dechtnisse der ewighen zalicheyt; den ring scol gy sulven beholden nach juwer redelicheyt, uppe dat gy van dem naturliken leve des mynschen mogen so togen werden in de ewigheno gotliken leve undep allene ylen unde arbeyden moten, dat gy froliken wedderkomenq in dat vaderlant, dar sunte Augustinus alzo van scrift: „Latet uns hasten unde snellen to ghande in de hogen wonnige der hemmelschen borch Jerusalem, dar unser wachtet de untellike grote schare aller saligen, dar wy mangt hebben unse elderen, unse brodere unde sustere, de unser dar alle wachtet unde beydet etc.“7 [Lage 23, fol. 6r] Dat wy dar alle froliken komen moten, des help uns alle de Vader unde de Sone unde de Hilghe Gheist. Amen.

Soffia eyn denerinne tho Luner

An Hartich Schomakers des olderen8 ersames husvrowen,9 myne besundergen vrundinnen unde leven moder, fruntliken ghescreven.


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b Textergänzung in mg. durch Nolte mit Bleistift J

c folgt gestrichen dem

d in der Hs. vor o enighet

e folgt gestrichen dar

f folgt gestrichen enen

g folgt überschüssig fl

h folgt gestrichen bekennen

i folgt überschüssig do

j folgt gestrichen bewar

k in der Hs. van

l folgt gestrichen ringe

m folgt gestrichen godes

n in der Hs. be=bekent

o folgt überschüssig g, teilweise ausgeführt

p folgt gestrichen a

q folgt gestrichen in dat

r rechtsbündig abgesetzt

s folgt überschüssig husw


Sachapparat

1 Der vorliegende Brief und der in der Hs. vorangegange Brief 320 (Lage 23, fol. 2r-3r) haben denselben Gegenstand und wohl auch dieselbe Absenderin. Womöglich handelt es sich um zwei Entwürfe für dasselbe Schreiben. So erklärt sich auch die angenommene Datierung.

2 Vielleicht ist hier eine Krankheitswelle angesprochen, die den Konvent im Januar und Februar 1499 heimsuchte, vgl. Die Chronik, hg. von Stenzig (2019), S. 85. Ob die Priorin dabei zu den zahlreichen Erkrankten gehörte, überliefert die Klosterchronik nicht explizit.

3 Mt 25,40.

4 Gode to eren unde juwem evenen mynschen tho gude,

5 In der Bibel finden sich keine Berichte über Kämpfe, die der junge Mose im Dienst der Ägypter ausgefochten hat. Bereits Flavius Josephus berichtet allerdings, Mose habe für die Ägypter einen Feldzug gegen die Äthiopier geführt und in der Folge Tarbis, die Tochter des Äthiopischen Königs, geheiratet, sie aber nach der Hochzeit wieder verlassen um nach Ägypten zurückzukehren. Vgl. Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae, Buch 2, Kap. 10. Nach einer mittelalterlichen Legende schnitt Mose zwei Gemmen für Ringe, von denen der eine Vergessen, der andere Gedenken bewirkte, und gab den zum Vergessen der äthiopischen Königstochter, als er zurück nach Ägypten ziehen wollte, und behielt den anderen. Der Erzählung des Flavius Josephus zufolge wäre die Ehe mit Zippora, die Mose in Midian heiratete und mit ihr zwei Söhne zeugte, vgl. Ex 2,15-22 und Ex 18,2-4, bereits seine zweite. Vielleicht ist von Tarbis, als der „kuschitischen“, also dunkelhäutigen Frau, die Mose geehelicht habe, in der Bibel in Nm 12,1 die Rede.

6 Die Geschichte über die zwei magischen Ringe, die Mose angefertigt haben soll, um seine Ehefrau die Liebe zu ihm vergessen zu lassen, findet sich weder in der Bibel noch bei Josephus. Sie ist aber in der volkssprachigen Chronik-Tradition verbreitet und wird zum Beispiel bei Rudolf von Ems, Weltchronik, V. 9224-9271, erzählt.

7 Bei diesem Zitat handelt es sich um eine Falschzuschreibung, der Ursprung ist nicht zu identifizieren. Am ehesten könnte der erste Teil des Ausspruches noch in Verbindung gebracht werden mit: Augustinus Hipponensis, In Psalmos ennarationes, in Ps 121 (Migne PL 37, Sp. 1618-1629).

8 Gemeint ist Hartwig Schomaker, geb. 1434, der Bruder des Lüner Propstes Nikolaus Schomaker. Er ist nicht identisch mit dem „jüngeren“ Hartwig, geb. 1466, dem Neffen dieser beiden, Sohn von Jakob Schomaker. Vgl. Witzendorff, Stammtafeln (1952), S. 113.

9 Angeschrieben ist Alheid Schomaker, geb. Sanckenstede. Vgl. Witzendorff, Stammtafeln (1952), S. 113.

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