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Brief 368

Nonne, wahrscheinlich im Kloster Lüne, an ihre leibliche Schwester

undatiert

Glückwunsch zur Hochzeit — Congratulatory letter on marriage

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 27, fol. 1r

Niederdeutsch.

Die Absenderin sendet ihrer Schwester zur Hochzeit die Dreifaltigkeit. Sie beschreibt den göttlichen Segen des Ehestandes am Beispiel der Hochzeit zu Kanaa. Sie ist froh, dass ihre Familie und Freunde diesen Tag erleben. Sie selbst kann wegen ihrer Gelübde nicht zum Fest kommen, sendet aber an ihrer statt ihren Bräutigam Christus, der die Schwester und ihren Bräutigam segnen möge. Wie jeder Herrscher bringt auch der König der Könige ein Gefolge mit: Neben der Himmelskönigin Maria kündigt sie die neun Chöre der Engel an, insbesondere die Erzengel Michael, Gabriel und Raphael. Weiterhin kommen Johannes der Täufer, sowie die zwölf Apostel und aus der Schar der Heiligen der Patron des Klosters Lüne, Bartholomäus, und Johannes der Evangelist. Sie entsendet außerdem Mauritius, Georg, Nikolaus und Benedikt, sowie die heiligen Jungfrauen Katharina, Barbara, Margarete, Agnes, Dorothea und Cäcilia. Letztere beiden mögen ihr das Brautgemach mit Blumen aus dem Paradies schmücken. Da sie aller weltlichen Güter entsagt hat, kann sie nur Christus als Kleinod schicken. Er möge ihr Herz tugendhaft erblühen lassen wie die Feldblumen, sodass sie zur Zeit der Ernte, wenn Gott das Unkraut seines Feldes aussortiert, zu den Erwählten gehört und das ewige Leben erhalten kann.

A nun in Lüne congratulates her sister on her wedding. Since she has to work in the vineyard of the Lord, she could not come herself, but sends her bridegroom Christ in her place. Like every ruler, the King of Kings also brings an entourage: With him would come not only Mary, the Queen of Heaven, but also the nine choirs of angels, especially the archangels Michael, Gabriel and Raphael. Furthermore John the Baptist, as well as the twelve apostles and from the crowd of saints, first Bartholomew, the patron of Lüne, and then John the Evangelist. She also sends other saints and martyrs: Maurice, George, Nicholas and Benedict, and of the chosen virgins Catherine, Barbara, Margaret, Agnes, Dorothea and Cecilia. The latter two may decorate her bridal chamber with flowers from paradise.

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[Lage 27, fol. 1r]

Den Vader der ewicheyt, de de is eyn ackerman der hilghen cristenheyt; den erwerdighen Sone des ewighen Vaders, de de is dat eddele, sote wetenkorneken, dat desulve God vader gheseyet heft in den kuscken acker des junchvrowelken lichammes der zarten clenliken junchvrowen Marien, den lovesamen Hilgen Geyst, de dessen kuschen acker begoten heft myd dem soten slachregene syner sovenvoldighen gnade, dar us armen sunderen alle trost unde gnade is van ghekomen; disse anbedenscollenden hochgeloveden werdigen, Hilgen Drevaldicheyt, de dar is eyn heylsamich ortsprungh alles guden, eyn crone unde eyn vullenkomen lon aller hilgen, de sende ik dy, alderleveste suster, vor enen lefliken unde vruntliken grod unde tho eyner saligen benedighynge dyner brutlacht; darane du anghande byst den stad des hilgen echtes, den de almechtighe Ghod sulven heft ghestichteta unde gheset an dem ersten anbeghinne der werlt in dem paradyse myd unsen ersten olderen.

Ock vynde wy in dem nygen testamente clarliken unde openbare, dat he Gode wol behaget heft, in dem dat he sick dartho othmodiget heftb in syner eddelen mynscheyt, dat he myd syner leven werdigen junchvrowelken moder Marien sulven tho der werschop was in Chana, Galilee, dar he dat water wandelde in den besten [wync, dat gheschenket ward alle den, de de tho der brutlacht ghekomen weren, unde dat was syn erste wunderwerck, dat he dede.

Hirumme byn ick des hoge ghevrouwet in dem leven God van dyner weghen, dat use alderleveste moder unde unse leven brodere unde ick unde al use vrunde den dach ghelevet hebben, dat dy Ghod uthgekoren heft unde gheschicket in dat sacramente des hilgen echtes.

Alzo borde my nu wol van [Lage 27, fol. 1v] susterliker leve wegen, dat ik scolde jeghenwardich wesen tho dyner brutlacht unde dat kan effte mach nu nicht wol wesen, wente du west wol, dat ik uterkoren byn van dem Vader in der ewicheyt unde byn ghehanttruwet synem eyngheboren sone Jesu Christo, mynem alderlevesten brudegamme, de de is eyn koning der rechticheyt; de heft my gheplantet in synen wyngarden, wente he is de eddele wynstock der waren leven, alze he sulven betuget in dem ewangelio, dar he to synen jungheren sprickt unde secht: „Ik byn eyn war wynstock, unde myn vader is eyn wyngardener, unde eyn jewelick van juw is eyn gheplantet winrancke, unde de denne nene vrucht an my ne dreghent, den wel myn hemmelsche Vader affsnyden, aver de dar vrucht dregen, den wel he reyneghen, uppe dat se meer vrucht moghen bringen.“;1 Unde hirumme heft my myn brudegam ghesettet an synen wyngharden, dat ik ock vrucht halen, dat is, dat ik vele ghuder werke schal don, de my moghen bringen to dem ewighen levende unde scal ene nu loven, tydliken unde na dessem [levended ewelken, alze he sulven secht in dem ewangelio: „Ift my we denet, den scal eren myn hemmelsche Vader.“,2 Unde ock in eyner anderen stede secht he: „Vader, ik wil, dat myn dener sy, dar ik byn.3

Hirumme, alderleveste suster, kan ik nicht ieghenwardich wesen tho dyner brutlacht, wente ik mach my so langhe uth dessem wyngarden nicht vorsumen, wente sunte Augustinus secht: „Dar nen bom kan vrucht dreghen van sick sulven, id si dat he blyve an der wortelen.4 Unde deytsulve vynde we ock in dem ewangelio, dar use leve here sprickt unde secht: „Gy ne moget nene vrucht bringhen, gy ne blyven an my, ik byn de wynstock unde gy syn de rancken.“;5 Unde hirumme mud ik blyven by dessem wynstocke unde mud arbeyden dach unde nacht, [Lage 27, fol. 2r] uppe dat ick moghe van eme entfangen den daghelikes penningh,6 dat is dat ewighe levent unde de ewighen vroude, de he my lovet vor desse tydliken vroude, de ik umme synen willen hebbe overghegeven. Doch uppe dat ik uth der werschopp nicht vorgheten werde, so hebbe ik overwandert de ghantzen hemmelschen stad Jerusalem, dar hebbe ik dy uthebeden de aldereddelsten unde hoghesten geste alze ervene: Mynen alderlevesten unde sconesten brudegam myd syner leven junchvrowelken moder Marien, der hemmelschen koninghinnen, de mote komen tho dyner brutlacht unde seghene unde benedighe dy unde dynen brudegham myd syner godliken gnade unde benedighinge unde sy desses hilgen echtes eyn anbeghin, eyn myddel unde eyn ende, dat gy juw an eyner saligen stunde moten vorsammelen, unde gheve juw dartho synen gotliken vrede, leve unde hulde, lucke, ere unde ghud, dat gy in gotliker leffliker ensamigher truwe unde leve, in vrede unde in ensamicheit alle de tyd over juwes levendes to langhen tyden so moten tosamde ummeghan, dat eme dar loff unde ere mote van scheen, unde scencke juw den soten clareth syner gotliken gudef, dat gy des in dessem jammerdale so bruken unde smecken moten, dat gy na dessem levende an der ewighen vroude ghelovet unde ghesadighet moten werden, uthe dem beke syner wollust myd alle synen uterweleden. Dartho mote dy begaven de hemmelkoninginne Maria myd den eddelen durbaren clenaden, dat is myd den soven gaven des Hilgen Geystes, de se in syck ghehad heft, dat du der gnade so bruken motest dar tho dyner zele salicheyt, dat du dar de gnade Gadesg meer unde mer motest mede vorwerven.

Item, alze dy wol witlick is, dat eyn eddele here effee vorste, dede wor gheladen werd, de plecht gerne eyn grod heer medetobringhende, unde alzo deyt myn brudegam ock, wente he is eyn [Lage 27, fol. 2v] koningh aller koninghe, eyn here allerh heren, he is de aldermechtigheste unde woldigeste an hemmel unde erde. Syn walt is ewich unde wert nicht benomen unde syn rike wert nicht vorstoret, alze de prophete sechti:Under syner walt syn alle creaturen, wente eme denetj meer wen dusen scare der enghele unde dartho alle de uterkoren, dede syn in dem hemmeltrone“,7 wente alze prophete Job secht: „Syner riddere enis nen tal.“;8 Hirumme mach eme dat boren, dat he vele volkes medebringe, beyde, de heren unde vorsten, riddere unde knapen; unde vor dat aldererste komen de neghen chore der hilgen enghele unde dar hebben we dy sunderken uthebeden den hilgen ertzeengel sunte Michael unde dartho sunte Gabriel unde sunte Raphael, wente se syn dejennen, de deme koninghe denet unde lovet ene dach unde nacht sunder underlad, dat sek bewaren juwe liff unde juwe zele vor allem ovele unde vor alle juwen vyenden, sichtliken unde unsichtliken. Unde de eddelen heren desses koninghes, dat syn de erliken patriarchen unde propheten, del hebbe ik ock ghebeden, besunderghen sunte Johannes baptisten, den uterkoren vrunt Godes, de des heft werdich ghewesen, dat he dofte denjennen, dar hemmel unde erde vor bevet unde de al der werlde sunde up sick nam; unde dem heft he ok bewiset myd synem vyngere, do he sprack unde sede: „Seed dat lam Godes, dat al der werlde sunde up sick nympt.9

Desse erlike here, de mote dy vorwerven myd allen patriarchen, de vorgheseen unde bekant de hemelicheyt Godes, dat in iuw beyden samen unde an juwen erven mote bestedighet werden alle de benedighinghe, de Got lavede unde gaf Abrahamme an synem sone Ysaac, dem he sede: „An dynem slechte scollen benedyet werden alle slechte der werlt.10 Dartho hebbe ikm ghebeden de erliken vorsten desses koninghes, alze de twolff apostele, de moten van nod weghen komen myd dem koninghe, wente se syn dejennen, de tuchnisse hebben ghegheven van eme, unde se syn de XII, de vorluchtet hebben de duster- [Lage 27, fol. 3r] nisse der ghantzen werlt mit erer soten lere unde hebben den dot gheleden umme des cristenloven willen; unde darvor heft ium […]n de leve God de macht unde de walt ghegheven, dat se myd eme richten scholt de twolf slechte van Israel, dat is alle mynschlike slechte, unde heft de ghesettet vor vorsten desser werlt, alze de propheta Davit secht in dem psaltere. Ock syn se de eddelen wynrancken,11 dar van ghescreven steyt im ewangelio, alze ik vorberort hebbe; unde uth erem chore sende ik dy usen alderlevesten hovetheren sunte Bartholomeum, dede is eynes eddelen riken koninges sone; unde dartho den uterkoren sconen jungelin sunte Johannes ewangelisten, dede gherouwet heft up den eddelen, soten, lefliken herten Jesu Christi, dar he uthesoghen heft den win der gnade unde soticheyt unde der gotliken leve. Unde desse eddelen vorsten moten komen tho dyner brutlacht unde moten juw vorwerven allent, des nu nod is tho juwer sele, dat gy so leven, dat gy moten werden kyndere des ewighen levendes.

Ik hebbe ock ghebeden de mechtigen, riken riddere desses koninges, dat syn de leven martelers, de ere blod hebben uthgheghoteno umme synen willen, unde uth erem chore sende ik dy den eddelen, mechtighen stridvorsten sanctum Mauricium unde den duchtighen ridder sunte Jurgen, dat de myd eren scarpen swerden unde mit eren starken wapenen vechten wedder alle juwe vyende; unde dartho sende ik dy den hilgen bischopp sunte Nicolaus myd allen byschoppen unde den hilgen vader sunte Benedictus mit allen bichtegeren unde monniken, de moten juw vorwerven eyn hillich salich rechtverdich levent, dar gy mede vordenen moten dat ewighe levent.

To dem alderlesten sende ik dy den chor der hilgen junchvrouwen unde de motet vannod weghen wesen, wor de koning is, wente se hebben vorsmadet unde overgheven alle de rikedaghe desser werlt umme synen willen unde darumme volghen se nu erem brudegamme, alze dar [Lage 27, fol. 3v] screven steyt: „Se volget deme unsculdigen lemmeken, alwor id gheyt, unde se singet ock eynen sunderken sang den anders nument synghen mud“;12 unde hirumme hebbe ik ghebeden de leven uterkoren junchvrowen sunte Katherinen, Barbaren, sunte Margareten, sunte Agneten, sunte Dorotheen, sunte Cecilien; unde desse leven twe junchvrouwen, alze sunte Dorothen unde sunte Cecilien, de moten bereyden unde vlygen juwe brutkamer unde bestrouwen de myd den rosen unde lylien, de jum wunderken van der schickinge Godes uth dem paradyse send worden.

Alderleveste suster, desse hemmelschen gheste sende ik dy tho dyner brutlacht in myne stede unde bydde dy, dat du se lefliken willest entfangen, wente du westp wol, dat we umme der leve willen unses leven brudegammes hebben overgheven de werlt unde alle dat darinne is unde byn eyn willich arme, alzo kan ik dy nu nene gave effte clenade senden, mer Jesus Christus, myn alderlevesten brudegam, de geve juw syne gotliken gnade, dat juwe herte mote groyen an dogeden to dogeden unde ewighen bloyen, alze de blomen des veldes, unde gheven roke alze de lylien, unde schinen vor deme antlate Godes alze de sterne der ewicheyt, dat gy desse tydliken werschop nu alzo beghinnen, dat gy to der ewigen werschop komen moten in der tyd der arnen, dat is na dessem levende, wan de hemmelsche Vader wel uthsenden syne meyere, dat syn syne engele, de scoltq tosamde lesen dat unkrud, dat up dem wassen is,13 dat syn de bosen mynschen, de wel he denne werpen laten in dat vur der ewighen vordompnise; unde dat sote korneken, dat syn de uterkoren, de wel he den voren laten in de groten schune des ewigen levendes, dar he den welr synen uterkoren eynen grote werschop don, dar de prophete Davids dar he secht: „Here, wo grod is de mennichvoldicheyt [Lage 27, fol. 4r] dyner soticheyt, de du bered hefst denjennen, de dy vruchten“;14 unde na disser grotent vroude secht de hemmelsche vorste sunte Pawel unde sprickt: „Nenu oghen heft beseen, nen ore hefte hord, noch ny is in mynschen herte steghen de vrouwde, de God bered heft denjennen, de ene leff hebbet.“;15 Dat we tho desser vrowde alle komen moten, dat helpp uns de Vader unde de Sone unde de Hilge Geyst. Amen.


Kritischer Apparat

a in der Hs. ghestichteti

b folgt überschüssig d

c fehlt in der Handschrift wyn

d fehlt in der Handschrift levende

e mit Verweiszeichen eingefügt, steht zweifach am unteren Seitenrand

f in der Hs. gotliker

g in der Hs. gnades

h in der Hs. darüber überschüssiger Nasalstrich

i folgt gestrichen ock

j darüber Verweiszeichen, das nicht aufgelöst wird

k folgt gestrichen juw

l folgt gestrichen moten

m folgt überschüssig ik

n unleserlich

o in der Hs. vth ghe ghoten korrigiert aus ghe ghoten, vth in mg. mit Verweiszeichen

p folgt gestrichen west

q folgt gestrichen th

r in der Hs. darüber überschüssiger Nasalstrich

s folgt gestrichen ghich van sproken heft in dem psalter

t folgt gestrichen wor

u folgt gestrichen n


Sachapparat

1 Io 15,1-2.

2 Io 12,26.

3 Io 12,26.

4 Die Zuordnung zu Augustinus scheint falsch; vielmehr handelt es sich wohl um ein Sprichwort, vgl. Wander, Bd. 1, S. 275, Nrn. 38, 75, 77.

5 Io 15,4-5.

6 Anspielung auf das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, Mt 20,1-16.

7 Diesem Zitat lässt sich keine Stelle des Alten Testaments eindeutig zuordnen, geht aber sicher auf Ps 8 zurück. Im Neuen Testament finden sich weitere mögliche Vorbilder, z. B. Eph 1,20-23; Col 1,15-17; 1.Pt 3,22.

8 Iob 21,33.

9 Io 1,29.

10 Gn 26,4.

11 Zur Verbindung von Aposteln und Propheten als Weinranken mit Christus vgl. das Wichmannsburger Antependium aus dem Kloster Medingen, DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 62 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0006205; Lähnemann, Die Ikonographie (2005).

12 Apc 14,3-5.

13 Bildlichkeit entspricht der von der Parabel vom Unkraut unter dem Weizen, Mt 13,24-30.

14 Ps 31,20.

15 1.Cor 2,9.

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