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Brief 378

Nonne MSC, wahrscheinlich Margarete Schele im Kloster Lüne an ihren Bruder

wahrscheinlich zwischen 19. Oktober und Dezember 1481

Glückwunsch zur zweiten Hochzeit — Congratulatory letter on marriage

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 28, fol. 3v

Niederdeutsch.

Die Absenderin teilt ihrem Bruder ihre Freude über seine anstehende Wiederverheiratung mit. Der Ehestand ist von Gott im Paradies gestiftet und in der Hochzeit zu Kanaa geheiligt. Als seine nächste Verwandte sieht sie sich eigentlich verpflichtet, zum Fest zu kommen und ein wertvolles Geschenk zu machen. Das ist ihr wegen ihrer Gelübde nicht möglich. Sie hat aber ihren Bräutigam Christus um Ersatz gebeten; er möge dem Empfänger weltliche und geistliche Güter bringen. Sie sendet ihm auch Christus selbst als einen edlen Schmuckgürtel, der ihn innerlich zieren und ihm und seinen Nächsten Gnade bringen möge. Ebenso sendet sie Maria und alle Heiligen. Sie wünscht dem Empfänger, dass die Gottesmutter sich dafür einsetzt, dass er die Segnungen, die schon Abraham erhielt, empfangen kann und dass die Ehe dem Empfänger und seinem Geschlecht Segen und später ewige Glückseligkeit bringt.

The writer, probably Margarete Schele, is overjoyed by the forthcoming remarriage of her brother or male relative. She apologises that because of her vows she is unable to come to the celebration or send a valuable gift. She has asked her bridegroom Christ to do what she cannot and hopes that he will bring him earthly and spiritual goods. She also sends him Christ himself as a decorative belt who will adorn him internally and bring him and those dear to him mercy. Mary and all the saints are also sent. As with Abraham, may his marriage bring him and his family blessings and later eternal joy.

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[Lage 28, fol. 3v]

MSC1 fratria

[J]esumb Christum des oversten koninges sone, de dar is dat sterke mechttighe eynhorningh,2 dat sik umme unser salicheit willen heft gheneghet in den schod der reynen, kusken junchvrowen Marien, dar syn strengicheit tomale ward ghewandelt in barmherticheit unde mildicheit,3 den scrive ik dy, myn alderleveste bole, vor enen lefliken unde fruntliken grod tovoren! So my wol witlick is, dat du van schickinge weghen des leven Godes wedder anghan wult den stad des hilgen echtes, den God de here in dem ersten anbegynne der werlt sulven heft anghesettet in dem paradyse myd unsen ersten olderen unde heft den ock sulven ghehilget in syner hilgen mynscheit, do he myd syner leven moder Marien unde myd synen leven jungheren qwam to der werschopp in Chana Galilee, dar he umme bede willen syner leven moder dat water wandelde in den besten wyn; hirumme so byn ik des hoge vrouwet in God den heren, dat he dy to sodanen werdighen state gheesket heft.

Unde it temede sik wol van mageschop weghen, dat ik dy de negheste were to dyner brudlacht unde dy wormede bega- [Lage 28, fol. 4r] vede, so westu wol, dat ik altes nicht hebbe, noch sulver edder golt, dar dy mochte mede holpen wesen, unde God de here bekent myn herte, were my dat moghelik, dat ik dy konde wat geven, dat dy to ewigen tyden mochte vromen, dat wolde ik van herten gherne don; unde wat nu in my enbrickt, dat hebbe ik dy beden van mynem uterkoren brudegamme Jesu Christo, dar synt inne besloten de verborgene schatte der wisheit, wente he is der alderwoldigeste in hemmel unde in erden unde kan dy geven lucke, ere unde ghud. He is de alderrikeste unde kan dy geven rikedage unde stad, luckegen vortgang in tydliken gůderen unde besittinge der ewigen hemmelschen ghudere. Desse sulven heren unde fůrsten sende ik dy alze enen kostliken vorguldeden dusingh, bewracht myd finen eddelen durbaren parlen unde myd fynen eddelen stenen, de mote dyne zele tziren myd allen gaven unde dogheden, de dy nod synt to der zalicheit, unde geven dy uth der trezekamer synes soten herten dat schinende rode golt syner ewigen gotliken leve, dattu ene boven alle creaturen allene mogest leff hebben alze dynen schipper unde dynen God unde darneghest dynen evenen mynschen lick alze dy sulven, up dat du in der leve alzo moghest bevestiget werden, dat alle de anderen doghede unde gnade ock moten in dy groyen unde bloyen, dar de hilge apostel sunte Pawel van scrift, der vele is, de tomale uth der leve komet, dat nu to langh worde to scrivende.4

Darto sende ik dy de koningynnen des hemmels Marien myd allem hemmelschen here, de mote dy vorwerven van erem leven kynde alle de segheninghe unde benedigynge, dede God de here lavede unde gaff dem groten patriarchen Abrahmec an synen sone Ysaac, do he to em sede: „An dynem [Lage 28, fol. 4v] slechte scholet benedyet werden al de slechte der werlt etc.“5 Datsulve mote juw ock weddervaren, dat gy in dem hilgen echte so moten leven in der leve unde in dem vruchten Godes, in gotliker lefliker eynsamiger truwe unde leve, in vrede unde in eyndracht unde in allen dogetsamigen ghuden werken moten bestediget werden unde dar vulherdich inne to blivende wente an dem ende, up dat gy na dessem levende myd vrouden komen moten to der hemmelschen werschopp in de hogen stat Jerusalem, de ghebuwet is van eddelen durbaren levendighen stenen, dar de straten gulden synt, dar nummer neyn drofnisse is, sunder ewich vroude unde frolicheit.

Dat gy juw dar den moten vrouwen myd allen salighen unde uterkoren, des helpe juw unde us de Vader unde de Sone unde de Hilge Geyst. Amen.


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b Textergänzung in mg. durch Nolte mit Bleistift J

c in der Hs. Abrahe


Sachapparat

1  Wahrscheinlich Margarete Schele, die 1481 zu der Gruppe Ebstorfer Nonnen gehörte, die in Lüne die Einführung der Reform begleiteten. Sie blieb nur wenige Monate und reiste im Advent 1481 wieder zurück. Sofern dieser Brief also nicht von Ebstorf nach Lüne weitergetragen wurde, dürfte er in den Monaten verfasst worden sein, in denen Margarete sich in Lüne aufhielt. Vgl. Brief 92 (Lage 8, fol. 19r); Brief 223 (Lage 17, fol. 3r); Brief 224 (Lage 17, fol. 4r); Brief 277 (Lage 20, fol. 8r); Brief 306 (Lage 22, fol. 3v); Brief 365 (Lage 26, fol. 15v); Brief 389 (Lage 30, 7r).

2 Zum Einhorn als Christussymbol vgl. Brief 246 (Lage 18, 1r-2v).

3 Vgl. zu dieser Brieferöffnungsformel vgl. Brief 263 (Lage 19, fol. 10v).

4 Im Zentrum dieses Verweises auf die Textstelle Paulus‘ zu Tugenden, die zu lang sei, um sie hier zu zitieren, steht sicher 1.Cor 13.

5 Gn 12,3.

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