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Brief 382

Nonne EG, wahrscheinlich Elisabeth Garleghes im Kloster Lüne, an ihren Bruder

Weihnachtszeit, unbekanntes Jahr

Glückwunsch zur Hochzeit — Congratulatory letter on marriage

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 28, fol. 10v

Niederdeutsch.

Die Absenderin ist erfreut über die anstehende Hochzeit ihres Bruders. Sie beschreibt die segenbringende Gottgefälligkeit der Ehe als Sakrament unter Verweis auf die Ehepaare Abraham und Sarah, sowie Joachim und Anna mit ihren Kindern Isaak und Maria. Sie entschuldigt sich, nicht zum Fest kommen zu können, indem sie auf die Eheschließung Christi mit der heiligen Kirche in seiner Geburt verweist, die von allen gläubigen Menschen gefeiert wird, von geistlichen Personen mehr noch als weltliche Hochzeiten. Um nicht vergessen zu werden, sendet sie an ihrer statt Vater, Sohn und Heiligen Geist, die je ein wertvolles Geschenk für das Brautpaar bringen mögen. Da die Eltern der Absenderin und des Empfängers und viele Freunde schon verstorben sind, sendet sie zur Gesellschaft auch Maria als Gastwirtin und die zwei ungenannten persönlichen Apostel des Empfängers, die ebenfalls Segen bringen mögen.

EG, probably Elisabeth Garleghes in Lüne, is overjoyed by the forthcoming marriage of her brother. She interprets marriage as a sacrament with reference to the old age of the bridal pairs of Abraham and Sarah, as well as Joachim and Anna. She apologises that she cannot come to the celebration, which she compares to the marriage Christ made with the holy church through his birth. She says that all people will celebrate this marriage which is prized more highly than all worldly marriages, especially by clerics. In her place she sends the Father, the Son and the Holy Spirit who will each bring a valuable gift for the bridal pair. As their parents and many friends have already died, she sends as company Mary as the host and his own patron apostles who will also bring blessings.

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[Lage 28, fol. 10v]

fratria

De anbeden schollenden hochgeloveden Hilgen Drevoldicheyt etc., de sende ik dy, alderleveste N, in mynen unwerdigen bede vor enen leffliken grod unde to ener saligen benedygynge des werdigen states des hilgen echtes, den du nu anghan scholt, welkeren stad de almechtige God sulven heft gestichtet unde angesettet in dem anbegynne der werlt, in dem paradyse myd unsen ersten olderen, den he sulven gaf de benedigynge de werlt to okende, do he to jum sprack: „Crescite et multiplicanum etc.!1

Ock vinde wy in der hilgen scrifft, dat God de here syne gnade mannichworve heft bewiset alze synen besundergen gůden frunde Abraham unde syner husvrowen, den he an erem older lavede en erve to gevende, darane scholden benedyet werden alle de slechte des ertrikes, unde vorlende gym ock darna enen sone, ghenomet Ysaac, na synem gheloffte.2 Vorder is dat wol openbar in den hilgen rechtverdigen elderen Joachim unde Annen, de God so hoge begiftigede unde jum vorlende so zaligen eddelen frucht alze de zaligen junchvrowen Marien, dar God sulven wolde van boren werden.3 Dar we inne merken, dat Gode desse stad der echteschopp anname is unde wol behaget, wente desse stad wert ghenomet eyn sacrament unde is der soven sacramente eyn, an de nement kan zalich werden.4

Unde alze du nu van schickinge wegen des leven Godes sodanen stad wult anghan, so borde sik dat wol van angheborn susterker leve weghen, dat ik scholde tho [Lage 28, fol. 11r] dyner koste komen unde dy de negeste wesen edder to dem mynsten dy myne gave senden, wente du jo myn ynege broder bist; konde ik dy nu wat geven, dat dy mochte vromen an dem lyve unde an der zele, dat dede ik van grund mynes herten gerne. Doch so westu wol, dat de leve sote Jesus dat an my ghewandelt heft, wente de Vader in der ewicheit, de dar is eyn koning aver hemmelrikes unde ertrikes, aver mennich dusent jaren, heft utesand syne sendebaden, alze de hilgen propheten, unde heft vorkundiget laten aver alle werlt de gestliken brudlacht synes eyngeborn sons Jesu Christi, de sik in unbegripelke leve vortruwet heft myd unser mynschliken naturen alze myd syner leven brud; unde de werschopp der brudlacht heft he geholden in dem snewitten elpenbens brudbedde des junchfrowelken lichammes der zarten eddelen junchfrowen Marien, dar he uthtrat alze eyn erwerdich brudegam uth syner brudkamer,5 dar sik de hilge kerke nu jegenwardigen mede bekummert in danchnamicheit unde in dessem feste alzo heft ghesungen.

Hude in dessem daghe is de hilge kerke, dat is eyn juwelick innich zele thovoget dem hemmelschen brudegamme, wente Christus heft in der Jordanen waschen vel reyniget alle ere lastere der sunde, darumme lopet de koninge myd eren gaven to dem konichliken werscoppen; unde van dem brudegamme is dat water wandelt in den wyn, des vrouwen sik alle, de to der werschopp gheladen syn.6 Unde wol dat alle lovige mynschen to desser werscop geladen syn werdet, so synt doch geistlike lude, de de avergeven hebben de werliken brudlacht, de synt darboven alle sunderken to escket, dat se sick geistliken scollet vrouwen myd dem hemmelschen brudegamme [Lage 28, fol. 11v] Jesu Christo; unde desse sake hindert my, dat ik nicht kan jeghenwardich wesen to dyner koste.

Doch up dat ik gans uth der brudlacht nicht vorgeten werde, so sende ik dy in myne stede de hochgelovede zalige Hilge Drevoldicheit, God vader, God sone, God hilge gest, de moten jegenwardigen komen to dyner brudlacht unde moten segenen unde benedien den anbegynne, den ingang unde dat myddel unde de ende dyner brudlacht unde dy unde dyne brud an lyve unde an sele in eren unde in gůde; unde bestedige in juw beyden alle de benediginge, dar hemmel unde erde unde unse ersten olderen mede benediget synt, dat gy juw in ener luckigen zaligen stunde moten tohope vorgadderen in der leve, in der vruchte, in den hulden unde gnaden Godes unde so moten leven, dat gy moten zalich werden. Unde desulve werde Hilge Drevoldicheit mote dy ok begaven van mynent wegen myd den eddelen durbaren klenaden, de dy numment up erden geven kan. De hemmelsche Vader mote dy geven uth der trezekamer syner gotliken walt enen schonen schinenden halsbant van rodem golde myd eddelen stenen unde fynen parlen dorwracht, dar de ewige gotlike leve by betekent wert, dat du de alle tyd motest dregen in dynem herten unde enboven alle creaturen motest leff hebben unde dynen negesten lick dyk sulven,7 alzo dat alle de dogede der leve vord an dy moten bestediget werden. De Sone mote gy geven uth dem gulden scrine syner ewigen wisheyt dat scone guldene hanttruwe der rechten truwen leve unde voreninge des loven, dar he sik myd allen cristenmynschen mede vortruwet heft dorch den waren loven, alze myd enem gulden vingerne, dar he us [Lage 28, fol. 12r] inne geven heft den durbaren saphyr synes unschuldigen blodes, dat he dorch unse leve uthgůd in syner besnidinge; dat du in dersulven truwe unde leve dy nu motest so vorenighen in dem scate des hilgen echtes myd dyner brud, dat juck numment mote scheden ane de doth. De Hilge Gest mote dy geven uth dem schatte syner gude enen gulden dusingh aller dogede unde besunderken syner sovenvoldighen gnade unde mote dy bynnen unde butenb tziren myd rechter gotliker wisheit, myd klocheyt unde wetenheit, myd sterke unde vorsichticheit, myd myldicheit unde myd rechten gotvruchten, dar du motest vulherdich inne blyven bed in dem ende dynes levendes.

Ock, leve N, so my witlick is, dat du arm byst van vrunden tydliken, na dem male dat God de here uns vader unde moder unde unse negesten vrunde genamen heft, so hebbe ik averwandert in mynen unwerdigen bede de hemmelsborch Jerusalem unde hebbe dy dar sunderge vrunde utebeden, de by dy magen syn in dyner brudlach unde mogen dy vorwerven gestliken allent, dat dy enbrickt lifliken. Vor dat erste sende ik dy de hemmelskoninginne Marien, de dar is ghenant en moder der barmherticheit, de mote nu wesen dyn werdynne unde mote in dersulven leven komen to dyner koste alze se qwam to der brudlacht in Chana Galilee, dar ere leve kynt dor ere bede willen wandelde dat water in den besten wyn.8 Alzo mote se ock nu dat water der undogede, der drofnisse unde des lydendes, dat dy mochte weddervaren, in den wyn der dogede unde des gotliken trostes [wandelenc. Ock moten dyne leven apostele N et N, de hilgen hemmelvorsten, [Lage 28, fol. 12v] by dy wesen alze truwe wise radgevere unde moten dy vorwerven vrede, leve, lucke, ere unde gud unde allent, wes dy nod is, dat du hir so motest leven, dat Gode dar mote loff unde ere van scheen unde dat gy beyden samen moten werden kynder des ewigen levendes. Amen.


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b folgt gestrichen upp

c fehlt in der Handschrift wandelen


Sachapparat

1 Gn 1,28; Gn 8,17; Gn 9,7.

2 Gn 17,15-19; Gn 18; Gn 21,1-7.

3 Die Verehrung der heiligen Anna, Mutter Mariens, lässt sich in vielen Zeugnissen aus den norddeutschen Frauenklöstern wiederfinden. Ihre Darstellung zusammen mit Joachim geht zurück auf das apokryphe Protoevangelium des Jakobus, dessen Inhalt in der östlichen Kirche anerkannt war, in die westlichen Kirche jedoch erst über den Umweg verschiedener theologischer Schriften, nicht zuletzt der Legenda Aurea, Verbreitung fand. Vgl. Dörfler-Dierken, Verehrung (1992).

4 Die Betonung auf der Ehe als Teil der sieben Sakramente, „ohne die niemand selig werden kann“, ist möglicherweise Teil von Reformationspolemik. Luther lehnte in ‚Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche‘ (1520) die Siebenzahl der Sakramente ab und ließ nur noch Taufe und Abendmahl bestehen, vgl. Knoch u. a., Art. Ehe (1986).

5 Ps 18,6: Tamquam sponsus dominus procedens de thalamo suo ist Antiphon am Weihnachtsfest, daher auch die Datierung des Briefes. Die gleiche Verbindung von Marias Schoß als Brautkammer, aus der Christus heraustritt, mit dem Psalmvers z.B. auch in Brief 226 (Lage 17, fol. 6r): de virginali utero alvo processit tamquam sponsus de thalamo.

6 Vgl. die Benedictusantiphon zu den Laudes am Fest Epiphanie: Hodie caelesti sponso iuncta est ecclesia, quoniam in Jordane lavit Christus eius crimina, currunt cum muneribus magi ad regales nuptias, et ex aqua facto vino laetentur convivae, Alleluia. (Cantus ID 003095).

7 Vgl. Lv 19,18.

8 Vgl. Io 2,1-12.

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