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Brief 389

Margarete Schele, wahrscheinlich im Kloster Lüne, an Schwester V

undatiert

Kondolenzbrief — Letter of consolation

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 30, fol. 7r

Niederdeutsch.

Margarete Schele sendet ihrer Schwester den tröstenden Christus nach dem Tod des gemeinsamen Bruders. Sie nimmt an, dass der Verlust die Empfängerin ganz besonders schmerzt, weil sie dem Bruder zur Ehe verholfen hat. Die Empfängerin soll aber nicht trauern, dass er diesen Stand nicht lange innehatte, sondern daran denken, dass Gott ihm statt einer Zeit weltlicher Freuden direkt die Freuden der himmlischen Ewigkeit gegeben hat. Den Zugang zu diesem Freudenreich hat Christus im Augenblick seiner Geburt für die Menschen erworben. Die Engel, die damals sangen, haben nun den Verstorbenen ins himmlische Königreich gebracht. Sie fordert die Empfängerin auf, dem Verstorbenen diese Freude zu gönnen, statt über seinen Verlust zu klagen, um Gott nicht zu erzürnen, der jene besonders prüft, die er besonders liebt. Beschreibung der fünf Wundmale Christi als Brunnen der tröstenden Barmherzigkeit und Übersendung eines Bildchens mit entsprechendem Motiv.

Margarete Schele, a nun of either Lüne or Ebstorf, consoles her sister V after the death of their brother. This pains the sister V in particular as she had led him to marriage. But she should not mourn that he was not long married but rather think that God has granted him directly the joys of heavenly eternity instead of a time of worldly joys. To grant mankind entry to this kingdom of Joy, Christ took it upon himself at the moment of his birth. The angels, who sang then, have now brought the deceased into the heavenly kingdom. They both should indulge in this, rather than mourning his loss, in order not to anger God who particularly tests those whom he particularly loves. Margarete describes the five wounds of Christ as foundations of comforting mercy and sends a little image with the same motive.

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[Lage 30, fol. 7r]

Margarete Scelen sorori Va

Jesum Christum, mynen alderlevesten brudegham, de dar is eyn vader der barmherticheit unde en zote milde trost al der bedroveden herten, de he vorquicket unde lavet myt deme soten invlote siner honnichsemighen gnade, den schrive ick dy, alderleveste suster, vor enen vruntliken grod unde to enen sunderghen troste der drofnisse, dar wi ane begrepen sunt in inwendighen kreftenb unses herten van unses alderlevesten broders weghen zeligher dechtnisse, den de almechtighe God na sinem godliken willen heft gheesket van desser bedroveden werlt.

Dat uns beiden like vele antrid, doch so můd ik di dat tovoren gheven unde kan dat wol bedencken, dat di dat sunderghen we deyt unde pinlick werd in dinem herten, na dem male dattu so groten vlid bi eme ghedan hefstc unde ene darto holden hefst, dat he sik scolde voranderen in dem hilgen echte; unde wol, dat he des nicht langhe bruket hefft, so scoltu di dar likewol nicht umme bedroven, dattu en darto holden hefst, lichte heft dat Gode deme heren so behaghet, dat gi dar van beiden halven scolden inne vordenen. Unde he wel di de groten truwe unde leve nicht unbelonet laten, sunder he wel di dat huden, wente na dessem levende, wan wi scollet lon entfanghen en juwe- [Lage 30, fol. 7v] lick na sinen werken, so wel he di darvor gheven dat unsprekelke grote lon, dat he sulven is, unde darto de vroude, dede ny nen oghe besen heft, ny nen ore hort heft unde ny in nenes mynschen herte steghen is;1 der scholtu dend bruken to ewighen tiden in dem talle aller salighen uterkornen; darumme ghiff din herte darinne thovrede unde sette dinen trost in den soten Jesum, wente ik hape des ane twifel, he heft unsem leven bolen ghegheven de vroude, de wunne unde de vrolicheit synes begherliken vroliken hilghen antlates to ewighen tiden to beschouwende, vor desse tidliken vroude, de he noch mochte had hebben in desser werlt; dat he eme nicht gheghunt heft, dat he dar lengher bruken scholde, sunder he heft bi eme ghedan alse en vader der barmherticheit unde heft ene gheloset uth dessem jammerdale der tranen unde heft ene ghebrocht in dat vroudenrike vaderland der ewighen zalicheit, dat dar vlud van melke unde van honnighe, dat uns unse leve salichmaker Jesus Christus ghekofft heft myd sinem hilghen rosenvaren duren blode; dese jn en teken der leve hefft he gheesket to sik in der begherliken tyd siner hilghen bord, dar he ane vrouwet heft hemmelrike unde ertrike unde al de leven hilghen engghele, de do scalleden unde sunghen in dem ertrike „gloria in excelsis etc.2

De hebben ane twifel de leven zeleken do ghebrocht in de hoghen stad Jerusalem, dar he sik ewelken vrouwen schal; unde der vroude wille wi eme gherne ghunnen van ghansem herten unde uns dar nicht umme bedroven, dat wy siner ieghenwardicheit enberen motet, upp dat wi unsen heren God myt unser undult nicht vortornen; wente wi vindet dat apenbare in der hilghen [Lage 30, fol. 8r] schrifft, dat God de here pineghet in desser werld vormiddest drofnisse al dejennen, de he leff heft, upp dat se sinen godliken oghen beheghelik werden, unde he is so mylde unde bermhertich, dat he nummede bedrovet boven dat he dreghen kan, sunder he is harde bi denjennen, de dar bedrovet sint unde he beydet dar nicht na, dat wi ene bidden umme sine gnade unde sinen gotliken trost, sunder he esket uns sulven to sik unde sprikt: „O alle gi, den dar dorstet, komet to dem levendighen watere miner gnade unde alle gi, de gi nen word effte lon enhebbet, komet to my unde kopet ane sulvere win unde melk.“3

Alderleveste suster, in dessem honnichvletenden soten worden unses leven zalichmakers wert uns bewiset sin grote, overvlodighe barmherticheit unde mildicheit, dar he uns sulven trosten wel vormiddest den levendighen viff springhbornen siner hilghen viff wunden, dar uns allen trost unde heyl unde zalicheit utevloten is; unde dar scoltu toghan in dineme lidende unde in diner droffenisse, wente se sunt dor unse leve unde zalicheit willen gheopent in dem ghalghen des cruces unde drepet unde vletet overvlodighen ane mate unde sunder underlat van overvlodigher mildicheit unde soticheit allen bedroveden herten to troste, unde stad noch so wide jeghen uns open, alse se do weren in dem cruce; darumme gha dar vrielken to unde suchf unde drinck de soten melk des gotliken trostes unde den win der inwendighen ghestliken vrolicheit unde lave unde vorquicke darmede din bittere bedrovede herte, wente du vindest dar vullenkomen gnade. Dar is vletende dat water der leve, de olie der bermherticheit unde de eddele durbare balzem aller zoticheit, de dar vordrifft allen wemod unde vorlichtighet de swarmodicheit aller drofnisse beide des lives unde [Lage 30, fol. 8v] der zele. Unde upp dattu dar alle dinen trost unde hopene hensettest, so sende ik di in rechter leve eyn hilghenblad, dar sint de hilgen viff wunden inghemalet, dat scoltu vaken ansen unde di dar ghans insencken in inwendigher leve unde begheringhe, upp dat di alle sure unde sware ding lichte unde sote moten werden unde dattu in leve unde in dult vordreghen motest allent, wad di weddervard unde motest spreken mit dem hilghen apostel sunte Pawel: „Ick bin des al wis, dat my noch de dot, noch dat levent, noch nen drofnisse kan scheden van der leve Jesum Christum etc.“;4 unde dattu in sodaner dult motest vulherdich bliven wente in den ende dines levendes, dattu na dessem levende dar motest komen, dar en dach beter is wan hir dusent jar, dar God de here sulven wel affdrogen de tranen van den oghen siner hilgen,5 dar nummer nen drofnisse, nen lident, nen ropent unde nen schrient mer enis unde du dar den vrouwen motest vor deme speygele der Hilghen Drevaldicheit. Hirmede bevale ik din liff unde dine zele in de hude unde bescherminghe des almechtighen Godes, sunt unde zalich to langhen tiden. Amen.


Kritischer Apparat

a als Überschrift im Kasten

b in der Hs. keef=ten

c in der Hs. heftt

d in der Hs. scholtuden

e folgt überschüssig c, Lesart unsicher

f in der Hs. suchl


Sachapparat

1 Vgl. 1.Cor 2,9.

2 Vgl. den ‚Hymnus Angelicus‘ (Cantus ID 509502).

3 Is 55,1.

4 Rm 8,38-39.

5 Vgl. Apc 21,4.

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