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Beschreibung von Cod. Guelf. 46 Weiss.
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Smaragdus Sancti Michaelis, Expositio libri comitis

Weißenburg, Benediktinerkloster — 9. Jh., 2. Viertel

Provenienz: 1r Benediktinerkloster Weißenburg, Besitzvermerk: Unterer Rand (auf Rasur) Codex monasterii sancti Petri in Wissenburg ordinis sancti Benedicti. Letztes Wort der Rasur Ierusalem. 129v oberer Blattrand et et RAMNHOTU(S). Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. Wiener Liste 2°46 (Butzmann Weißenburg, 3–18).

Pergament — 170 Bl. — 29,3 × 22 cm

Lagen: 8 IV (64). IV+1 (73). 8 IV (137). II (141). III-1 (146). 3 IV (170). Letzte Lage, hier fehlend, liegt mit dem Wolfenbütteler Fragment 404.1 Novi (12) vor (Butzmann Extravagantes, Novi, Novissimi, 202; S. Limbeck, S. Rode-Breymann (Hgg.), Verklingend und ewig. Tausend Jahre Musikgedächtnis 800–1800, Wolfenbüttel 2011 [Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 94], 87). als Lagenbezeichnungen I-XXXII in römischen Zahlen am Ende jeder Lage Blattmitte unten, einige durchsichtig/gelblich überstrichen (vgl. 17 Weiss., 19 Weiss. und 47 Weiss.). Neuere Tintenfoliierung. Guter Zustand. Schriftraum: 23,3 × 17,5 cm, zweispaltig, 29 Zeilen. Karolingische Minuskel mit drei beteiligten Haupthänden. Butzmann erkennt in der Handschrift drei geübte regelmäßige Haupthände und mehrere Nebenhände, zugehörig zur Waldmann-Gruppe und verweist auf 19 Weiss., 20 Weiss., 28 Weiss. und 37 Weiss. (vgl. 61 Weiss. Zu dem Verfahren der gelb überstrichenen Zeilen nennt er 19 Weiss. und 61 Weiss, wobei er bemerkt, dass sich die Hand des "Evangeliar-Meisters" (gemeint ist das Evangeliar 61 Weiss.) in 46 Weiss. nicht wiederfinden lässt, dass aber das Stilvorbild dessselben zu spüren ist (Butzmann Weißenburg, 46, 47, 175.). Schwarze und rot/schwarz zeilenweise alternierende Initialmajuskeln seitlich neben dem Text. Überschriften und Bibelstellen im Text in roter Unzialis und teils in Capitalis Rustica. Die Zeilen gelegentlich rot/schwarz alternierend, der schwarze Text gelb überstrichen.

Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1970).

INHALT

1r144r Smaragdus Sancti Michaelis: Expositio libri comitis (PL 102, 15–552, hier bis Sp. 274).

AUSSTATTUNG

1 Zierinitiale. Federinitialen.

Initialen: Zu Beginn des Textes (1r) eine Zierinitiale (Randbandinitiale; 4,5 cm). Der doppelkonturig umrissene Initialstamm ist schwarz gefüllt. Im Binnenfeld ein eigenständiges Flechtmotiv, die Cauda ebenfalls durch ein Flechtmotiv ersetzt. Das Flechtband schwarz geädert. Die Flechtbandfelder sowie das Binnenfeld farbig gefüllt. Die schwarzen Initialmajuskeln (s.o.) gelegentlich verziert und als Federinitialen vergrößert: G-Majuskeln mit auffällig eingerollten und sichelförmigen unteren Enden (s.u.), vgl. 157v. 170v der Bogen einer U-Initiale ersetzt durch Profilpalmette. 104v eine Initialmajuskel farbig hinterlegt.

Farben: Leuchtendes Gelb, Dunkelgrün, Orange und blasses Lila.

STIL UND EINORDNUNG

Die Handschrift beinhaltet den im Jahr 812 von Smaragdus, Abt von Saint Mihiel (gest. 830) verfassten Kommentar zu den Messperikopen (Divina officia, Nr. 75 [P. Carmassi]). Die in der Handschrift fehlende letzte Lage liegt mit 404.1 Novi (12) vor (s.o.). Sie wurde von Butzmann zu den Handschriften der Waldmann-Schule gegeben und in die erste Hälfte des 9. Jh. datiert. Bischoff nennt ebenfalls Weißenburg als Enstehungsort und präzisiert die Datierung um die Wende des 1./2. Viertel 9. Jh. Der bescheidene Buchschmuck, die Zierinitiale auf 1r zeigt äußerst enge Parallelen zu der Randbandinitiale im Evangeliar 61 Weiss. (gleiches geädertes Flechtband bei gleicher Farbgebung). Die Initialmajuskel G mit sichelförmig aufgerolltem Ende (157v) liegt ebenfalls in 61 Weiss. vor, hier in den Auszeichnungsschriften. Die Federinitiale mit Palmettenersatz (170v) ist bekannt aus 63 Weiss., 10v; 4 Weiss., 11v; 49 Weiss., 1v, 101r; 66 Weiss., 7v; 60 Weiss., 78r und 22 Weiss., 197v. Die äußerst enge Beziehung zu 61 Weiss. veranlasst zu einer Datierung von 46 Weiss. in das frühe 2. Viertel des 9. Jh.

Wolfenbüttel Weiss., Nr. 4130 (Heinemann Nr.). — Lesne, 707. — Butzmann Weißenburg, 175, 176. — Kleiber Otfrid von Weißenburg, 129, 130. — F. Rädle, Studien zu Smaragd von Saint-Mihiel, München 1974 (Medium Aevum 29), 124, Anm. 91. — Hellgardt, 91, 115, 116, 122, 145, 189. — Krämer, Bd. 1,1.2, 824. — Bischoff Katalog 3, 7395. — Divina officia, Nr. 75 (P. Carmassi). — Grifoni, 95. — Westphal Buchmalerei Weißenburg, 363f., 369.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bischoff Katalog 3 B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014
Butzmann Extravagantes, Novi, Novissimi H. Butzmann, Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppen Extravagantes, Novi und Novissimi, Frankfurt a.M. 1972 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 15)
Butzmann Weißenburg H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10)
Divina officia Divina officia. Liturgie und Frömmigkeit im Mittelalter, Wolfenbüttel 28. November - 31. Juli 2005, Konzeption von Ausstellung und Katalog P. Carmassi, Wiesbaden 2004 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 83)
Grifoni C. Grifoni, Auf Otfrids Spuren in der frühmittelalterlichen Bibliothek Weißenburg, in: Marginalien in Bild und Text, 79-101
Hellgardt E. Hellgardt, Die exegetischen Quellen von Otfrids Evangelienbuch. Beiträge zu ihrer Ermittlung, Tübingen 1981 (Hermaea; N.F. 41)
Kleiber Otfrid von Weißenburg W. Kleiber, Otfrid von Weißenburg. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und Studien zum Aufbau des Evangelienbuches, Bern/München 1971 (Bibliotheca Germanica 14)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
Lesne E. Lesne, Histoire de la proprieté ecclésiastique en France, Lille 1938
PL Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865
Westphal Buchmalerei Weißenburg S. Westphal, Karolingische Buchmalerei aus dem elsässischen Kloster Weißenburg, in: Die Handschriften der Hofschule Karls des Großen. Individuelle Gestalt und Europäisches Kulturerbe, Tagung Trier 2018, Trier 2019, 357–391
Wiener Liste Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6)
Wolfenbüttel Weiss. Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).
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