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Beschreibung von Cod. Guelf. 11.2 Aug. 4° (Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 2: 12. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung))
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Gumpold von Mantua, Vita des Hl. Wenzel und andere Viten

Hildesheim (?) — um 1000 (vor 1006)

Provenienz: Die Handschrift wurde 1641/42, so wie sie heute vorliegt, als Sammelhandschrift von Herzog August dem Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg erworben (pag. 3274 des Bücherradkataloges; Milde Erwerbungsjahre, 119) und erhielt bereits im 15. Jh. in Braunschweig ihren heutigen Einband. Der Ankaufsort ist unbekannt. Das Ankaufsdatum könnte davon zeugen, dass Philipp Hainhofer die Handschrift für Herzog August beschafft und Georg Forstenheuser sie geliefert hat (freundl. Auskunft von W. Arnold).

Pergament — 109 Bl. — 22,5 × 18 cm

Aus vier Teilen zusammengesetzt: I 1v18r (12. Jh.), II 18v37v (um 1000), III 38v53v, IV 54r109v . Die folgenden Angaben (außer zu den Texten und dem Lagenschema) beziehen sich auf Teil II der Handschrift. Zum bebilderten Teil I vgl. Wolfenbüttel Ill. Hss. 2 (in Vorb.). Lagenschema Teil II (Vita Wenceslai; Bl. 18–37): III (23). IV (31). III (37). Neuer Tintenfoliierung. Schriftraum: 15,5 × 12 cm, einspaltig, 20 Zeilen. Karolingische Minuskel von einer Hand. Die Schrift wird von Mayr-Harting, basierend auf den Arbeiten von Hoffmann, nach Mainz verortet (Mayr-Harting, 358–360). Zu den Textanfängen 2–3zeilige, goldene unverzierte Majuskeln.

Hellbrauner Ledereinband mit Streicheisenlinien und Stempeldekor (15. Jh.). Einbandstempel: Rhombus mit Fabelwesen (EBDB s004654); offene Rosette / mit einem Blattkranz / fünfblättrig / Blätter kreisförmig (EBDB s007653); Rhombus mit Lilie / Lilienkreuz (EBDB s002627); Kreis mit Stern / fünfstrahlig (EBDB s008689); Rhombus mit Lilie / Mittelblatt mehrteilig / unterer Abschluss lilienförmig (EBDB s002089). Aus der Braunschweiger Werkstatt "Stern mit Punkt" (w000245).

INHALT

1v13v Passio Pantaleonis martyris. 13v18r Legenda sancti Aegidii (BHL 93). 18v37r Gumpold von Mantua: Vita Wenceslai (BHL 8821; zu den Editionen vgl. Spunar, Anm. 4–6; Legendy Wolfenbüttelského rukopisu, hrsg. von J. Zachová, Faksimile legend Wolfenbüttelského rukopisu, Tschechisch/Latein, Prag 2010). 38r53v Folcuinus Sichemensis: Homiliae XIV (die Predigtsammlung fehlt in den Repertorien; nachgewiesen sind bislang die zweite Predigt [39v–40v], vgl. Schneyer 8, 244 Nr. 66) sowie folgender Text: 46v48v Folcuinus Sichemensis: Sermo synodalis bonus et fructuosus (Druck: J. G Leuckfeld, Antiquitates Walckenredenses, oder Historische Beschreibung der vormahls berühmten Kayserl. Freyen Reichs-Abtey Walckenried Cistercienser-Ordens…, Theil II, handelnd von unterschiedenen darin gelebten Closter-Personen, Leipzig und Nordhausen 1705, 180188.; Lit. 2VL 2, 767–769). 54r108r Aristoteles: Liber physicorum , glossiert (Thorndike/Kibre 1296; Aristoteles Latinus. Codices, Teil 1, Rom 1939, S. 683 Nr. 936; GW 2334). 108v109r Aristotelica , Exzerpte.

AUSSTATTUNG

1 Zierinitiale. 1 Initialzierseite. 3 Miniaturen.

Miniaturen: Die Bildausstattung der Wenzelsvita (18v Miniatur, 19r Initialzierseite, 20v Miniatur und 21r Miniatur und Initialfeld). Sowohl das Widmungsbild auf 18v als auch die anschließende, dem Prolog vorangestellte Initialzierseite auf 19r werden von Goldrahmen mit Rankenfüllung umgeben. Die Streifenminiatur auf 20v zeigt einen breiten goldenen Rahmen, ohne Füllung. Die Miniatur auf 21r sowie die auf der unteren Blatthälfte anschließende Initiale besitzen einfache, schmale goldene Leistenrahmen, wobei die der Initiale doppelt angelegt sind. Sämtliche Initialfelder und Miniaturen sind mit kassettierten, blütengefüllten Purpurgründen hinterlegt.

18v Stifterbild. Doppelt gezogener Leisteinrahmen gefüllt mit einer Knospenranke. Das Bildfeld hinterlegt mit Gittermuster und Kreuzblüten. In der linken oberen Ecke Christus als Halbfigur. In seiner Linken ein Buch. Mit der Rechten setzt er dem Heiligen Wenzel, der von links ins Bild schreitet und zu ihm aufschaut, die Krone auf das Haupt (Herrscher- und Märtyrerkrone). In der Linken hält dieser eine Lanze als Herrschaftszeichen. Er ist bekleidet mit einer kurzen Tunika und einen Soldatenumhang. Vor ihm auf dem Boden, seinen linken Fuß in Proskynese umfassend, die Stifterin Herzogin Emma von Böhmen. Im Hintergrund die Widmung Hunc libellum hemna venerabilis principissa pro remedio anime sue in honore beati uenceslauvi martriris fieri iussit (Dieses Büchlein ließ die ehrwürdige Fürstin Hemma für ihr Seelenheil zur Ehre des gesegneten Märtyrers Wenzel anfertigen). 14,2 × 11,5 cm.

20v Streifenbild auf der unteren Blatthälfte. Trinkspruchszene. Zwei Bildhälften. In der linken Hälfte der Heilige Wenzel nach rechts zum anderen Bildfeld gewandt und einen Becher darreichend. In der oberen linken Ecke der ihn beschirmende Erzengel Michael. In der rechten Bildhälfte sitzen sein Bruder Boleslav I. und vier Gäste an einer Tafel und nehmen den Becher in Empfang. Streifenbild auf der unteren Blatthälfte: 8 × 12,9 cm.

21r Streifenbild auf der oberen Blatthälfte: Der Kampf von Boleslav I. mit seinem Bruder Wenzel und der Tod des Heiligen. Rechts im Bild eine Kirche, in deren geöffnetem Portal ein Priester steht. Vor der Kirche, in der linken Bildhälfte, der Bruderkampf, wobei in der Bildmitte Wenzel mit erhobenem Schwert noch im Vorteil erscheint, links im Bild jedoch bereits stark bedrängt wird. Nach der Christian-Legende (vgl. Spunar, 352f.). 15,1 × 13 cm.

Die Bildfelder der Miniaturen sind mit lebhaft agierenden Personen und eng gesetzten Szenen gefüllt, die simultan mehrere Ereignisse parallel zeigen. Figuren und Gebäude überschneiden das Bildfeld.

Zierinitiale und Initialzierseite: Einleitend zum Prolog auf 19r eine Initialzierseite. Auf 21r , auf der unteren Blatthälfte, eine Zierinitiale zum Textbeginn. Goldrahmen mit goldener Spiralrankenfüllung (19r) und einfacher Farbfüllung (21r). 21r Goldene Spaltleisteninitialen vor grünem Grund als Textbeginn mit mennigroten Spalt- und Geflechtfüllungen. In den Binnenfeldern, vom Initialstamm ausgehend, locker geschwungenes Rankenwerk. Als Endbesatz aufsprossende Blattknospen-, Lanzettblatt- und Palmettenformen sowie, an Stielen hängend, ein Dreier- und ein Herzblatt (vgl. 21r). Am Initialstamm und an den Rankenabläufen zahlreiche Triebansätze. Die Rankenabläufe gehen auf 21r mit dem Initialstamm und dem Rahmen Verflechtungen ein. Der Initialstamm auf 19r zeigt End- und Gliederungsgeflechte mit spitzwinkeligen Abschlüssen. Initialhöhe: 6,2–7,1 cm.

Farben: Initialen und Miniaturen mit reichem Goldauftrag. Farben: Grün, Blaugrün, Dunkelgrün, Braunorange, leuchtendes Orange, lavierender Gelbauftrag, blass Lila. Faltentäler und Umrisse mit kräftiger schwarzer Linienführung. Das Inkarnat ist hautfarben.

STIL UND EINORDNUNG

Bei der Vita des Heiligen Wenzel handelt es sich um eine Legende, die im Auftrag von Kaiser Otto II. von Bischof Gumpold von Mantua (gest. 985) verfasst wurde. Sie berichtet über das Leben und den Tod des Fürsten Wenzel von Böhmen (903/910–929/35), dem ersten der Přemyslidenherrscher. In der Handschrift wird das Gastmahl gezeigt, bei dem Wenzel seinen Bruder Boleslav bewirtet, sowie die am nächsten Morgen stattfindende Ermordung Wenzels durch diesen auf dem Weg zur Frühmesse (dat. 929 oder 935). Die im Widmungsgedicht auf 18v genannte Herzogin Emma von Böhmen, Gattin von Boleslav II., gibt mit ihrem Todesjahr 1006 einen Terminus ante quem für die Entstehung der Handschrift. Emma lebte bis 1002 als Ehefrau und später als Witwe Boleslavs II. in Prag. In den Jahren 1002 bis 1004 ging sie ins Exil an den Hof des ostfränkischen Kaisers Heinrich II. nach Regensburg (zu Herzogin Emma vgl. P. Hilsch, Zur Rolle von Herrscherinnen. Emma Regina in Frankreich und in Böhmen, in: Westmitteleuropa Ostmitteleuropa. Vergleiche und Beziehungen, München 1992, 81–89). Ihre letzten zwei Lebensjahre verbrachte sie auf ihrem Witwensitz in Mělník. Die für den Text ausgewählten Szenen gehen, nach Spunar, nicht nur auf die Legende des Gumpold von Mantua zurück, sondern erweitern die Erzählung um Darstellungen aus der älteren Christian-Legende. Nur in letzterer findet sich die Erwähnung des Priesters, der sich aufgrund der verweigerten Hilfeleistung an dem Mord Wenzels mitschuldig macht (vgl. 21r; Lit. Spunar, 351–354). Indem der Tod Wenzels im Bild ausgespart, eine besonders prachtvolle Ausstattung gewählt und die himmlische Erhöhung Wenzels im Stifterbild dargestellt wird, zeigt die Bildausstattung der Handschrift das Bemühen, Wenzel als Staatsheiligen wiederzugeben. Nach Spunar lässt sich hier die Instrumentalisierung Wenzels durch die Přemyslidenfürsten während der Konsolidierung ihrer Herrschaft erkennen (Spunar, 352–354). In der Forschung wurde der Ausführungsort der Vita bisher kontrovers diskutiert. Die Lokalisierung der Handschrift nach Böhmen, eine aufgrund des Textes naheliegende Annahme, lässt sich ausschließen, da ein für diese qualitätvolle Arbeit notwendiges, leistungsfähiges Skriptorium dort nicht bekannt ist (für Böhmen, vgl. Milde, 64–70; Karolingische und ottonische Kunst, Nr. 234 [I. Siede]). Dass es sich bei der Handschrift um eine Prager Auftragsarbeit handelt, liegt thematisch nahe. Das Stifterbild und die Inschrift (18v) bezeugen Herzogin Emma von Böhmen als Auftraggeberin. Motive und stilistische Argumente veranlassten zu einer eventuellen Verortung der Handschrift nach Corvey oder Hildesheim, in den niedersächsischen Raum (vgl. u.a. Bauer Bernward-Handschriften, 216–231; Bernward von Hildesheim, Bd. 2, Nr. VI-74 [U. Kuder]; Schätze im Himmel, Nr. 8 [M. Müller]). Stilistische Vergleiche der Handschrift weisen in unterschiedliche Richtungen. Die paläographische Verortung der Handschrift nach Mainz (Mayr-Harting, 358–360) veranlasst für die Initialornamentik ebenfalls einen Abgleich. Hartmut Hoffmann fasst paläographisch das Mainzer Skriptorium in ottonischer Zeit zusammen (Hoffmann Buchkunst, 226–276; Hoffmann Schreibschulen, 192–194). Aus der Zeit des Erzbischofs Willigis (amt. 975–1011) stammen zahlreiche in Mainz hergestellte Codices mit teils aufwendiger Bild- und Initialausstattung (vgl. Beuckers Mainzer Buchmalerei). Im Vergleich der Initialornamentik ergeben sich Parallelen zum schlanken Buchstabenstamm mit den spitz zulaufenden Endgeflechten, den beweglichen, schlanken Rankenverläufen, sowie die den Initialstamm gliedernden, häufig in Schlaufen angelegten Veflechtungen. Außerdem findet sich mit den aufgesprossten Blattknospen und den gelegentlich gestielt zwischengefügten Herz- und Dreierblättern ein ähnlicher Rankenbesatz (vgl. München, BSB, Clm 8102, Mainz, gegen 1000; Lit. Klemm Ill. Hss. 2, Nr. 203, Abb. 452–462 und das Festtagsevangelistar aus St. Stephan in Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, Inv. Nr. B 00258 (olim Hs 973; Cod. Kautzsch 2), Mainz, mit auswärtiger Beteiligung, um 990; Lit. In Gold geschrieben, Nr. 27, zahlr. Abb.). Sehr ähnliches Rankenwerk und ähnlichen Rankenbesatz zeigt das um 1014 (zwischen 1014 und 1022) entstandene Hildesheimer Sakramentar (Hildesheim, Domschatz, Nr. 19 (Guntbald-Sakramentar), 2bv), das unter dem Einfluss von Fulda und Regensburg als eine der späten Guntbald-Handschriften entstand (zu den Guntbald-Handschriften vgl. Cod. Guelf. 113 Noviss 4° (Bernward-Psalter); zur Handschrift vgl. Schätze im Himmel, Nr. 16 [M. Müller] und Bernward von Hildesheim, Bd. 2, Nr. VIII-25 [U. Kuder]). Die als Endbesatz verwendete Palmettenform begegnet häufig in Corveyer Codices (vgl. Quedlinburger Evangeliar New York, PML, MS M.755, 17v, Corvey, um 970; Lit. Vor dem Jahr 1000, Nr. 10 [G. Bauer] und das Evangelistar New York, NYPL, MA 001 (olim Astor Ms. 1), 9r; Lit. Vor dem Jahr 1000, Nr. 9 [G. Bauer] und Splendor of the word, Nr. 27; zum Vergleich Bauer Bernward-Handschriften, 217). Die in den Text eingebetteten oder untereinander gesetzten Streifenbilder erinnern an Miniaturen aus dem Fuldaer Skriptorium, (für Fulda vgl. das Sakramentar Bamberg, SB, Msc. Lit. 1, Anfang 11. Jh.; Lit. Suckale-Redlefsen Ill. Hss. 1, Nr. 74). Die für die Initialzierseiten im Hintergrund verwendeten gemusterten und häufig im Raster in hellen Farbtönen angelegten Purpurgründe mit Blütenmotiven sowie gleich angelegte Rahmungen erinnern an Werke der Regensburger, Seeoner und Reichenauer (Ruodbrechtgruppe) Buchmalerei, die unter Heinrich II. beginnend im späten 10. und im frühen 11. Jh. deutlich an Bedeutung gewinnen (zur Regensburger Buchmalerei unter Heinrich II. vgl. Mütherich Regensburger Buchmalerei, 24ff.; Handschriftenvergleiche: Evangelistar Bamberg, SB, Msc. Bibl. 95, 9r, Seeon, vor 1012; Lit. Suckale-Redlefsen Ill. Hss. 1, Nr. 68, Abb. 34; das SakramentarFlorenz, BNC, B.R. 231 , Reichenau, um 978–983; Lit. Labusiak Ruodbrechtgruppe, Nr. 6, Abb. 321–323). Die von Bauer vorgeschlagenen Parallelen zur Buchmalerei aus Norddeutschland mit häufig verwendeten Purpurgründen überzeugen nicht, da Farbton und Motive nicht übereinstimmen (vgl. Bauer Bernward-Handschriften, 217) im norddeutschen Raum verwendete man nahezu durchgängig Blattmotive (keine Blütenmotive), deren Anordnung in den späteren Codices zwar geometrischer erscheint, die jedoch nicht im Gittermuster angelegt sind; zu Purpurgründen im norddeutschen Raum vgl. Bauer, Bd. 1, 213–221. Im Figürlichen konnte Gerd Bauer überzeugend auf stilistische Übereinstimmungen der Wenzelsvita mit dem Hildesheimer Kostbarem Evangeliar (breite goldene Gewandsäume, kindlich wirkende Köpfe mit gerade gezogenen Augenbrauen, rechtwinklig abknickende Nasenlinie und kleine Münder - vgl. Hildesheim, Domschatz, Nr. 18 (Kostbares Evangeliar oder Bernward-Evangeliar), Hildesheim, um 1015 (Lit. Schätze im Himmel, Nr. 18 [M. Müller]; Hildesheim Domschatz, 17ff.) und Hildesheimer Bronzearbeiten deutlich machen (Gewandstauung der Ärmel in parallelen Bogensegmenten, spitz zulaufende Schnurrbärte, gegenläufige Bewegungsmuster; Bauer Bernward-Handschriften, 217ff.; zu den Bronzearbeiten vgl. Wesenberg Bernwardinische Plastik). Die Vergleiche lassen folgenden Schluss zu. Für die Bildausstattung der Wenzelsvital müssen Vorlagen aus dem Süddeutschen Raum (Regensburg, Seeon, Reichenau) und aus Fulda vorgelegen haben. In der Ausführung (Initial- und Figurenstil) ist an einen Hildesheimer Künstler zu denken. Herzogin Emma von Böhmen, als nachgewiesene Auftraggeberin der Handschrift, konnte vermutlich über hauseigenen Kontakte auf niedersächsische Skriptorien zugreifen, da Böhmen vielfältige Beziehung dorthin unterhielt. So stammen der erste Prager Bischof (Thietmar, amt. 973–982) und der dritte (Thiddag, amt. 998–1017) aus dem Benediktinerkloster Corvey; die Skriptorien von Corvey und Hildesheim standen nachweislich in engem Austausch (vgl. Schätze im Himmel, Nr. 7 [M. Müller]). Dass in Hildesheim in Mainz ausgebildete Schreiber gearbeitet haben könnten, ist denkbar, da mit Willigis ein gebürtiger Sachse dem Mainzer Erzbistum vorstand (amt. Erzbischof von Mainz 975–1011), der zudem vor seiner Amtszeit Domherr in Hildesheim gewesen ist (amt. 971–975). Dass auswärtig ausgebildete Schreiber in Hildesheim arbeiteten, ist durch den Regensburger Schreiber Guntbald gut bekannt. Letzterer war nicht nur Schreiber, sondern war auch an der Ausführung von Initialen und Initialzierseiten beteiligt. Ähnlich könnte es sich auch mit dem Mainzer Schreiber verhalten haben (s. Initialvergeiche mit Mainz). Über Guntbald stehen die Hildesheimer Kontakte nach Regensburg überaus deutlich im Raum. Entsprechend dürften auch Regensburger Handschriften oder eben Handschriften aus dem Regensburger Umfeld (Seeon, Reichenau) in das sächsische Kloster gelangt sein. Nicht zuletzt sei in diesem Zusammenhang auf die Zeit des Exils Emma von Böhmens am Hof Heinrichs II. in Regensburg verwiesen (1002–1004), wo sie mit entsprechenden Handschriften konfrontiert worden sein dürfte und diese nun als Vorlagen für ihre Wenzelsvita wünschte. Fuldaer Vorlagen sind zur Herstellung Hildesheimer Codices ebenfalls nachgewiesen, vgl. Hildesheim, Domschatz, Nr. 19 (Guntbald-Sakramentar), Hildesheim, um 1014 (Schätze im Himmel, Nr. 16 [M. Müller]). Die Handschrift dürfte Sachsen /Niedersachsen nicht verlassen haben (). Dies belegen der Braunschweiger Einband aus dem 15. Jh. und die Verbundhandschrift, die in späterer Zeit (13. Jh.) ebenfalls in Hildesheim illuminiert wurde (s. Katalog 2).

Wolfenbüttel Aug., Nr. 3008 (Heinemann Nr.). — A. Friedl, Iluminace Gumpoldovy legendy o s. Václavu ve Wolfenbüttelu. K dějinám středověkého malířství v Čecách, Praha 1926, 182. — Milde, 64–70. — Bauer Bernward-Handschriften, 216–231. — Spunar Wenzelslegende, hier besonders 352–354, weiterführende tschechische Literatur zur Handschrift vgl. 351 Anm. 1. — Mayr-Harting, 358–360. — Bernward von Hildesheim, Bd. 2, Nr. VI-74 (U. Kuder). — Schunke/von Rabenau, 42–47. — Europas Mitte, 280f. Nr. 11.01.14 (M. Kostílková). — C. Lübke, Die Ausdehnung ottonischer Herrschaft über die slawische Bevölkerung zwischen Elbe/Saale und Oder, in: Otto der Große, Magdeburg und Europa, Ausst.-Kat. Kulturhistorisches Museum Magdeburg, hrsg. von M. Puhle, Bd. 1, Mainz 2001, 65–74, Abb. 3–5. — Karolingische und ottonische Kunst, Nr. 234 (I. Siede). — Winterer Fuldaer Sakramentar, 143 Anm. 640. — Schätze im Himmel, Nr. 8 (M. Müller). — Kuder Studien, Bd. 1, 386, Nr. 388. — D. Havel, Die lateinische Schriftkultur in den böhmischen Ländern bis zum 12. Jahrhundert. Handschriften, Fragmente und Skriptoria, Wien 2022 (Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 20), 444 Anm. 348 (tschechische Literatur zur Handschrift).


Abgekürzt zitierte Literatur

Bauer G. Bauer, Corvey oder Hildesheim? Zur ottonischen Buchmalerei in Norddeutschland, 2 Bde., Phil. Diss., Hamburg 1977
Bauer Bernward-Handschriften G. Bauer, "Neue" Bernward-Handschriften, in: M. Gosebruch und F. N. Steigerwald, Bernwardinische Kunst. Bericht über ein wissenschaftliches Symposium in Hildesheim, Göttingen 1988 (Schriftenreihe der Kommission für Niedersächsische Bau- und Kunstgeschichte bei der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft 3), 211-235
Bernward von Hildesheim Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog der Ausstellung Hildesheim 1993, 2 Bde., hrsg. von M. Brandt und A. Eggebrecht, Hildesheim 1993
Beuckers Mainzer Buchmalerei K. G. Beuckers, Zur Mainzer Buchmalerei unter Erzbischof Willigis (amt. 975-1011), in: In Gold geschrieben. Zeugnisse frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz. Festgabe für Domdekan Heinz Heckwolf zum 75. Geburtstag, hrsg. von W. Wilhelmy und T. Licht, Regensburg 2017 (Publikationen des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Mainz 9), 165-218
BHL Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis, 2 Bde., ed. Socii Bollandini, Bruxelles 1898 und 1901 (Subsidia hagiographica 6), Bd. 3: Supplementi editio altera, Bruxelles 1911 (Subsidia hagiographica 12)
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Europas Mitte Europas Mitte um 1000. Katalog zur 27. Europaratsausstellung, Budapest 20. August-26. November 2000 und Bratislava 7. Juli-29. September 2002, Bd. 3: Katalog, hrsg. von A. Wieczorek und H.-M. Hinz, Stuttgart 2000
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Hildesheim Domschatz Die Handschriften im Domschatz zu Hildesheim, beschrieben von M. Stähli, Wiesbaden 1984 (Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen 7)
Hoffmann Buchkunst H. Hoffmann, Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich, Textbd., Stuttgart 1986 (MGH Schriften 30,1)
Hoffmann Schreibschulen H. Hoffmann, Schreibschulen und Buchmalerei. Handschriften und Texte des 9.–11. Jahrhunderts, Hannover 2012 (MGH Schriften 65)
In Gold geschrieben In Gold geschrieben. Zeugnisse frühmittelalterlicher Schriftkultur in Mainz. Festgabe für Domdekan Heinz Heckwolf zum 75. Geburtstag, hrsg. von W. Wilhelmy und T. Licht, Regensburg 2017 (Publikationen des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Mainz 9)
Karolingische und ottonische Kunst Karolingische und ottonische Kunst, hrsg. von D. Blume und B. Reudenbach, Darmstadt 2009 (Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland 1)
Klemm Ill. Hss. 2 Die ottonischen und frühromanischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek, beschrieben von E. Klemm, Wiesbaden 2004 (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek 2)
Kuder Studien U. Kuder, Studien zur ottonischen Buchmalerei, hrsg. und eingel. von K. G. Beuckers, 2 Bde., Kiel 2018 (Kieler kunsthistorische Studien NF 17)
Labusiak Ruodbrechtgruppe T. Labusiak, Die Ruodbrechtgruppe der ottonischen Reichenauer Buchmalerei. Bildquellen - Ornamentik - stilgeschichtliche Voraussetzungen, Berlin 2009 (Denkmäler Deutscher Kunst)
Mayr-Harting H. Mayr-Harting, Ottonische Buchmalerei. Liturgische Kunst im Reich der Kaiser, Bischöfe und Äbte, Stuttgart 1991
Milde Mittelalterliche Handschriften der Herzog August Bibliothek, ausgewählt und erläutert von W. Milde, Frankfurt/M. 1972 (Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sonderbd. 1)
Milde Erwerbungsjahre W. Milde, Die Erwerbungsjahre der Augusteischen Handschriften der Herzog August Bibliothek, Supplement zum Katalog von Otto Heinemann "Die Augusteischen Handschriften" Bd. 1-5, Wolfenbüttel 1890-1903, in: Wolfenbütteler Beiträge 14 (2006), 73-144
Mütherich Regensburger Buchmalerei F. Mütherich, Die Regensbuger Buchmalerei des 10. und 11. Jahrhunderts, in: Regensburger Buchmalerei, 23-29
Schätze im Himmel Schätze im Himmel – Bücher auf Erden. Mittelalterliche Handschriften aus Hildesheim, Ausstellung Wolfenbüttel 5. September 2010-27. Februar 2011, hrsg. von M. E. Müller, Wolfenbüttel 2010 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 93)
Schneyer J. B. Schneyer, Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters für die Zeit von 1150–1350, Bd. 1–11, Münster/Westf. 1969–1990, Bd. 1–4 ebd. 21973–1974 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 43,1–11)
Schunke/von Rabenau Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen. Nach Motiven geordnet und nach Werkstätten bestimmt und beschrieben von I. Schunke, Teil 2: Werkstätten, fortgeführt von K. von Rabenau, Berlin 1996 (Beiträge zur Inkunabelkunde 3,10)
Splendor of the word The splendor of the word. Medieval and Rennaisance illuminated manuscripts at the New York Public Library, hrsg. von J. J. G. Alexander, J. Marrow und L. Freeman Sandler, New York 2005
Spunar P. Spunar, Die Wenzelslegende in der Buchkunst, in: Scire litteras. Forschungen zum mittelalterlichen Geistesleben, hrsg. von S. Krämer und M. Bernhard, München 1988, 351-361
Spunar Wenzelslegende P. Spunar, Die Wenzelslegende in der Buchkunst, in: Scire litteras. Forschungen zum mittelalterlichen Geistesleben, hrsg. von S. Krämer und M. Bernhard, München 1988, 351-361
Suckale-Redlefsen Ill. Hss. 1 Die Handschriften des 8. bis 11. Jahrhunderts der Staatsbibliothek Bamberg, 2 Bde., bearbeitet von G. Suckale-Redlefsen, Wiesbaden 2004 (Katalog der illuminierten Handschriften der Staatsbibliothek Bamberg 1)
Thorndike/Kibre L. Thorndike, P. Kibre, A catalogue of incipits of mediaeval scientific writings in latin, revisited and augmented edition, London 21963 (Mediaeval Academy of America publication 29)
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 12 Bde., hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin/New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin/New York 2005–2015
Vor dem Jahr 1000 Vor dem Jahr 1000. Abendländische Buchkunst zur Zeit der Kaiserin Theophanu, Ausstellung des Schnütgen-Museums zum Gedenken an den 1000. Todestag der Kaiserin Theophanu am 15. Juni 991 und ihr Begräbnis in St. Pantaleon zu Köln, vom 12. April bis 16. Juni 1991 in der Cäcilienkirche, Konzeption und Ausstellung A. von Euw, Köln 1991
Wesenberg Bernwardinische Plastik R. Wesenberg, Bernwardinische Plastik. Zur ottonischen Kunst unter Bischof Bernward von Hildesheim, Berlin 1955
Winterer Fuldaer Sakramentar C. Winterer, Das Fuldaer Sakramentar in Göttingen. Benediktinische Observanz und römische Liturgie, Petersberg 2009 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 70)
Wolfenbüttel Aug. Die Augusteischen Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, Teil 1-5, Frankfurt/M. 1890–1903, ND 1965–1966 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 4–8)
Wolfenbüttel Ill. Hss. 2 Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 2: 12. Jahrhundert, beschrieben von S. Westphal (in Bearbeitung)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil II (12. Jh.).
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