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Beschreibung von Cod. Guelf. 133 Gud. lat.
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii. Solinus, Collectanea rerum memorabilium

Westdeutschland / Liesborn, Benediktinerabtei — 10. Jh./ um 1000

Provenienz: Teil B der Handschrift, der Solinus (ohne Buchschmuck), wird bereits 1219 in einem Bestandskatalog der Benediktinerabtei Liesborn genannt (H .Müller, Das Kanonissenstift und Benediktinerinnenkloster Liesborn, Berlin/New York 1987 [Germania Sacra, N.F. 23], 54; Schmieder Liesborn, 63). Dieser Teil der Handschrift wird wohl vor Ort entstanden sein (vgl. H. Tiefenbach, Zur altsächsischen Glossographie, in: Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hrsg. von R. Bergmann, E. Glaser und C. Moulin-Fankhänel, Heidelberg 2001, 325–351, hier 338–339). Ob sie bereits dort vor Ort mit Teil A der Handschrift, welcher ebenfalls im westdeutschen Raum geschrieben worden ist, zusammengefügt wurde, ist nicht mit Sicherheit zu belegen. Wohl in der 2.Hälfte des 15. Jh. wurde die Handschrift mit dem heutigen Einband im Fraterhaus Lüchtenhof in Hildesheim versehen (s. Einband). Später gelangte sie über Bernhard Rottendorf in den Besitz Marquard Gudes (1635–1689), 1710 in den Besitz der Herzog August Bibliothek (zur Sammlung Gude in Wolfenbüttel vgl. Lesser Ornamentum, 445–516).

Pergament — 87 Bl. — 26 × 21,2 cm

Lagen: I-1 (1). III (7). 3 IV (31). V-1 (40). IV-1 (47). 5 IV (87). Als hinterer Spiegel ein Blatt aus einer Augustinushandschrift (West- oder Niederdeutschland. Nordostfrankreich (?), 9. Jh., 2. Viertel; Bischoff Katalog 3, 502, Nr. 7318). Neuere Tintenfoliierung. Bl. 51 genähter Riss. Bl. 70 und Bl. 71 Blattverlust in der unteren Blatthälfte.

Hellbrauner Ledereinband mit Streicheisenleisten/Stempelverzierung und Metallschließe aus der Werkstatt Christuskopf des Hildesheimer Lüchtenhofs (Tätigkeitszeitraum 1450–1517, Werkstatt: EBDB w000207; ID Nummer des Einbands, Einbanddatenbank: EBDB 200704w). Streicheisenrahmung auf Vorder- und Rückdeckel. In den Ecken die Stempelverzierungen der vier Evangelisten (Matthäus/Engel: EBDB s004416; Lukas/Stier EBDB w004417; Johannes/Adler mit gespreizten Flügeln: EBDB s004418; Markus/schreitender Löwe EBDB s004419). Im Rahmen die Schriftzüge: J(h)esus EBDB s008475 und Maria EBDB s008499. Im Rahmenfeld ein Rautengitter mit Blattwerk (EBDB s000843 und EBDB s000883) sowie einer Lilie (EBDB s006045). Zu Einbänden aus der Werkstatt Lüchtenhof/Hildesheim vgl. B. Lesser, Zwischen Kloster und Stadt. Das Semireligiosentum im spätmittelalterlichen Hildesheim, in: Zeitenwende 1400. Hildesheim als europäische Metropole, Ausstellung im Dommuseum Hildesheim 2020, hrsg. von C. Höhl, G. Lutz und F. Prinz, Regensburg 2019, 109–124, hier 118–120; zu Hildesheimer Handschriften in Wolfenbüttel vgl. Die Handschriften im Domschatz zu Hildesheim, Beschreibungen von M. Stähli, hrsg. von H. Härtel, Wiesbaden 1984, XXVII, Anm. 70 Handschrift genannt.

STIL UND EINORDNUNG

Paläographisch wird die vorliegende Handschrift nach Westdeutschland, ins 10. Jh. (Teil A) und in die Benediktinerinnenabtei von Liesborn, in die Zeit um 1000 (Teil B) gegeben. Die althochdeutschen Glossen in Teil B der Handschrift sind gleichzeitig mit dem Text um 1000 entstanden (zur Einordnung vgl. Bergmann/Stricker Glossenhandschriften, Nr. 963). Die relativ unspezifische Initialausstattung des Teil A der Handschrift zeigt mit den Palmettenansätzen Anklänge, der Flechtbandknoten insulare Einflüsse, beides Merkmale, die die paläographische Einordnung - Lokalisierung und Datierung - bestätigen. Das Musikdiagramm auf 1r bezieht sich auf die De institutione musica des Boethius. Eine ähnliche Abbildung zeigt Bamberg, SB, Msc. Class. 9, 64v, Lothringen (?), Ende 10. Jh. (Suckale-Redlefsen Ill. Hss. 1, Nr. 56,). Die Bamberger Handschrift beinhaltet neben Boethius auch den in der Wolfenbüttler Handschrift enthaltenen Martianus Capella.

Wolfenbüttel Gud., Nr. 4437. — Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu. 972 April 14, Rom, eine Ausstellung des Niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel 1972, Göttingen 1972 (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung, Beiheft,16), Nr. 69, 74f. — Krämer, Bd. 1, 1.2, 493. — Bergmann/Stricker Glossenhandschriften, Nr. 963. — G. Köbler, Altdeutsch. Katalog aller allgemein bekannten altdeutschen Handschriften. Althochdeutsch, Altsächsisch, Altniederfränkisch, Gießen 2005 (Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft 60).

A

Westdeutschland — 10. Jh.

Schriftraum: 18,0 × 14,0 cm, einspaltig, 18 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen. Zu Versanfängen einzeilige rote Initialmajuskeln. Explicit in Capitalis Rustica.

INHALT

1r Musiktheoretisches Schema, Ausschnitt aus: Boethius, De institutione musica (Boèce. Traité de la musique, hrsg. von C. Meyer, Turnhout 2004). 1v47r Martianus Capella: De nuptiis Philologiae et Mercurii Liber I, II. (Edition: Martianus Capella. De Nuptiis Philologiae et Mercurii, hrsg. von J. Willis, Leipzig 1983). Der Text mit zeitgleichen Interlinearglossen (Edition: CC CM 237, 5–44; S. O'Sullivan, Problems in Editing Glosses. A Case Study of Carolingian Glosses on Martianus Capella, in: The Arts of Editing Medieval Greek an Latin. A Casebook, hrsg. u.a. von E. Göransson, Toronto 2016 [Studies and Texts, 203], 290–310).

AUSSTATTUNG

2 Initialen. 1 Musikdiagramm.

Initialen: Auf 1v und 2r zu den Textanfängen einfache, unkolorierte Federinitialen. Die Initiale auf 1v als Flechtbandknoten. Die 2. Initiale auf 2r mit stilisierter Fisch- oder Vogelverzierung im Initialbogen und Knospenverzierung als Endbesatz. Der Bogenverlauf mit Palmettenlappungen. Als Gliederungsmotive finden sich Segmenteinsätze (2–3,1 cm).

Diagramm: 1r Ganzseitiges, quergestelltes Musikdiagramm mit Überfangbögen (links beschnitten; 14,00 × 19,5 cm).

B

Liesborn, Benediktinerabtei — um 1000

Schriftraum: 17,4 × 13 cm, einspaltig, 17 Zeilen. Karolingische Minuskel von einer Hand. Incipit und Explicit rubriziert. Initialmajuskeln zu Beginn jeder Zeile in Rot und Schwarz wechselnd. Im weiteren Textverlauf die Abschnitte eingeleitet mit schwarzen, teil rot hinterlegten Initialmajuskeln.

INHALT

49r87v Gaius Julius Solinus: Collectanea rerum memorabilium (Edition: C. Julii Solini Collectanea rerum memorabilium, Berlin 1895, Literatur: D. Paniagua, Notes et matériaux- An Inventory oft the Manuscripts of Julius Solinus, in: Scriptorium, Bd. 73 [2019], 101–125, hier 117; mit althochdeutschen Glossen auf 80r [interlinear] und 81v Texthand [marginal], Edition: H. Mayer, Althochdeutsche Glossen, Nachträge, Toronto 1974, 146,19–156,23).


Abgekürzt zitierte Literatur

Bergmann/Stricker Glossenhandschriften Katalog der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften, bearbeitet von R. Bergmann und S. Stricker, Bd. 4, Teil C. Katalog Nr. 780–1070, Berlin 2005
Bischoff Katalog 3 B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014
CC CM Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis, Bd. 1–, Turnhout 1971–
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
Lesser Ornamentum B. Lesser, Longe maximum vero Bibliothecae Augustae ornamentum, in: Retter der Antike, Marquard Gude (1635-1689) auf der Suche nach den Klassikern, hrsg. von P. Carmassi, Wiesbaden 2016 (Wolfenbütteler Forschungen 147), 445-516
Schmieder Liesborn S. Schmieder, Quellen zur Geschichte des Klosters Liesborn, Beckum 1968 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Kreises Beckum 2)
Suckale-Redlefsen Ill. Hss. 1 Die Handschriften des 8. bis 11. Jahrhunderts der Staatsbibliothek Bamberg, 2 Bde., bearbeitet von G. Suckale-Redlefsen, Wiesbaden 2004 (Katalog der illuminierten Handschriften der Staatsbibliothek Bamberg 1)
Wolfenbüttel Gud. Die Gudischen Handschriften, beschrieben von F. Köhler und G. Milchsack, Wolfenbüttel 1913, ND 1966 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 9)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).
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