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Beschreibung von Cod. Guelf. 704 Helmst. (geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"

Theologische Sammelhandschrift (mndt.)

Papier — 247 Bl. — 21 x 14,5 cm — Marienwohlde, Birgittenkloster — um 1460

Aus fünf Teilen zusammengesetzt: Lagen: VI+1 (12)! 9 VI (120). V (130). 9 VI (238). V–2 (246). Bleistiftfoliierung modern: 1246, vorderes Vorsatzbl. leer, ungez.

Spätgotischer Holzdeckelband, mit braun gefärbtem Schafsleder überzogen. Streicheisenlinien. Einzelstempel Blatt, dreiteilig: EBDB s001610. Lilie, Mittelblatt rhombisch, unterer Abschluss lilienförmig: EBDB s002079, s002283. Drache, ungeflügelt, zweibeinig: EBDB s004231. Herz: EBDB s005251. Rosette, ein Blattkranz, fünfblättrig: EBDB s006615, s007651, Stern, fünfstrahlig: EBDB s008691. Stern, sechsstrahlig: EBDB s009009. Sämtlich aus der ins Birgittenkloster Marienwohlde zu lokalisierenden Werkstatt "Wappen: Herz" (EBDB w000932). Vier Doppelbünde. Zwei Riemenschließen mit schlanken, langgestreckten Stiftlagern in Vogelkopfform und identisch gestalteten, spangenartig gebogenen Schließenhaken mit halbrunden Gegenblechen.

VS und HS sind mit zwei Teilen eines nur auf einer Seite in regelmäßiger Textualis beschriebenen, mitgehefteten und um die erste bzw. letzte Lage gehängten Bl. so beklebt, dass die leere Versoseite sichtbar ist. Die lediglich auf den Falzen sichtbaren Textfragmente reichen zu einer inhaltlichen und kodikologischen Bestimmung nicht aus.

Herkunft: Nach Ausweis des Kolophons wurde Teil V des Codex um 1460 im Birgitten-Doppelkloster Marienwohlde bei Mölln geschrieben; da der Einband ebenfalls dort angefertigt wurde, ist es zumindest sehr wahrscheinlich, dass auch die übrigen Teile dort entstanden sind. — Später befand sich der Codex im Besitz einer Frau, vgl. den Vermerk auf Bl. 246v: Dyt bok hat der Bulow hort vnde dar steyt suuerke lere ynne. Es ist unbekannt, ob es sich dabei um eine weltliche Person, um eine Konventualin aus Marienwohlde oder aus einem anderen Kloster oder Stift handelt. Die bislang vertretene Ansicht, diese Vorbesitzerin sei identisch mit der in dem Frühdruck E 114.8° Helmst. auf dem VS genannten Ermgart von Bülow (Dut bock hort llsen Buirinck dat hefft oer Ermgart van Builow oer alderleueste mesterinne gegeuen got geue oer dat ewige leuent vnd mick ja ock na dussem leuende), ist angesichts der weit verzweigten Familie von Bülow keineswegs zwingend. Auch die Definition der Ermgard von Bülow nach diesem Eintrag als Priorin des Augustiner-Chorfrauenstifts Steterburg (Kruse Stiftsbibliotheken, 424 und 487) dürfte nicht zutreffen, da eine solche nicht nachgewiesen ist und die Bezeichnung "Meisterin" eher auf eine Novizenmeisterin oder Lehrerin hindeutet – wozu der Inhalt des Codex freilich passen würde. In den südniedersächsischen Frauenkonventen ist eine Amtsträgerin oder Konventualin dieses namens bislang nicht nachgewiesen. Dennoch dürfte der Band zu einem unbekannten Zeitpunkt in einen dieser Konvente und anschließend in die Wolfenbütteler Hofbibliothek gelangt sein. — Dafür spricht der auf dem VS angebrachte datierte Registrierungs- und Inhaltsvermerk des Bibliothekars J. A. Lonicerus: Ex Illustri Illustrissimorum Guelphorum Bibliotheca Ducali que est Wolferbyti 1600, gefolgt von einer ausführlichen Inhaltsangabe und dem abschließenden Registratus per Lonicerum. 1614 im Gesamtkatalog seines Nachfolgers Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 339 [334]) ist der Band in der Gruppe Christus Α et Ω mit der Signatur Ω.o 10 folgendermaßen beschrieben: De Geistlÿke Bedudinge der heilgen vieff feste vnsers leven herrn Christi. Manuscriptum a moniali quadam. Ibidem vitae aliquot Christianarum virginum. Ibidem Johannis de Hamborg ordinis Carthusiensium domus prope Stetin sororibus beatae Brigittae monasterii prope Revaliam ist geschrieben 1425. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt; 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 18r) unter den Theologici MSSti in quarto als De quinque festis Christi. Vita S. Agnetis. Passio Iulianae virginis. Vita S. Faustae virginis. Epistolae Johannis de Hamborg prioris Cartusiensis ad moniales B. Brigittae prope Rephaleam [!]. De sacramentis praeceptis et peccatis tractatus. Alle in Sächsischer Sprache aufgeführt; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 750 genannt.

Lübben 1, 69. — Heinemann Nr. 768. — Borchling 3, 1517. — Stammler Mystik, 425–427. — K. Schnabel, Mittelalterliches Buch- und Bibliothekswesen geistlicher Gemeinschaften in Schleswig und Holstein, in: Klöster, Stifte und Konvente nördlich der Elbe. Zum gegenwärtigen Stand der Klosterforschung in Schleswig-Holstein, Nordschleswig sowie den Hansestädten Lübeck und Hamburg, hrsg. von O. Auge und K. Hillebrand, Neumünster 2013 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins 120), 165–216, hier 173.Kruse Stiftsbibliotheken, 422 und 430. — K. Schnabel, "Liber sanctae Mariae virginis in Bordesholm …". Geschichte einer holsteinischen Stiftsbibliothek, Wiesbaden 2018 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 33), 150.H. Dormeier, J. C. Holst, Art. "Marienwohlde, Birgittinerinnen und Birgittiner", in: Klosterbuch Schleswig-Holstein und Hamburg. Klöster, Stifte und Konvente von den Anfängen bis zur Reformation, hrsg. von O. Auge und K. Hillebrand, Bd. 2, Regensburg 2019, 215–252, hier 232 Nr. 2.4.9. — Handschriftencensus Nr. 6714.

I

Papier — 120 Bl. — 21 × 14,5 cm — um 1460

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE0960-4Inc2103_1, DE0960-4Inc2103_109 (beide bis 1466). Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange, darüber Blume: WZMA AT8500-3727_23, AT8500-3727_24 (beide 1462). Lagen: VI+1 (12)! 9 VI (120). Reklamanten, z. T. durch Beschnitt verloren oder fragmentiert. Schriftraum: 15,5–16 × 9–10 cm, einspaltig, 22–25 Zeilen. Regelmäßige Bastarda, z. T. mit, z. T. ohne Schlaufen, von einer Hand. Nur Bl. 1r28r rubriziert, rote Lombarden, sonst keine Buchschmuck und Raum für Lombarden ausgespart.

Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.

1r70v Über die fünf Herrenfeste (mndt.).
(1r) Tabula. Hir heuet sik an de geystlike bedudinge der hilgen vieff feste vnses leuen heren: Alz he wart entfanghen. Alz he wart getelt adir geboren. Alz he wart besneden … — … vnde is noeth iowelker zelen dat so tho doende de myt godde ewichliken will leuen.
(1r2r) Prolog. Welke ynnige sele begeret ewichliken tho leuen selich myt gode de muet alle dinck de geschyn synt nha Cristus [!] vnses heren anbeginne geistliken leren vorstaen … — … ok myt groter innicheit geistlich celebreren vnde begaen myt groter geistliken leue vnde suetticheit. Weicht erheblich vom lat. Text ab.
(2r70v) Text. ›Thom ersten wo de innige zele entfanghen scal geistlick vnsen heren Ihesum Christum alz vnse frowe Maria liffliken dede‹. Wen de geist des mynschen gewaschen ys vor dat erste myt rechter ruwe warer bichte vnde williger penitencien gereyniget wart … — … date eyn juwelck ynnige sele dat bevinden moghe tho der godes ere vnde erer salicheit des helpe or god vader vnde sone vnde de hilge geist. Amen. Die bislang nur hier nachgewiesene und ungedruckte mndt. Bearbeitung von Bonaventuras 'De V festivitatibus pueri Iesu' erfolgte, wie schon der stark abgewandelte Prolog und die modifizierte Gliederung zeigen, relativ frei. Edition der lat. Vorlage: Bonaventurae opera 8, 88–98. Literatur: Glorieux Répertoire, 2, 42 Nr. 305aj; Distelbrink, 20f. Nr. 15; Mohan 85f.; CALMA 2, 454 Nr. 17; 2VL 1, 937–947 (941 Nr. 2.A.d Hs. genannt); Honemann Schrifttum, 674 (Hs. genannt).

70v87r Traktat über die Bewahrung der Reinheit des Herzens (mndt.). [H]ir heuet sik an de wise vnde lere wo men bewarn scal in reynicheit den ynnewendigen mynschen dat es de sele vnde ere kreffte … — … went dat he kummet to deme anderen boden dat is to deme beger des ewigen leuendes in rechter leue dar ynne to bliuende vp dat wÿ kommen dar des helpe vns de vader vnde de sone vnde de hilge geÿst. Amen. Die vorliegende, bislang nur hier nachgewiesene mndt. Fassung des verschiedenen Autoren – meist Hugo von St.-Victor, aber auch wie hier Anselm von Canterbury – zugeschriebenen Traktats ist ungedruckt. Die lat. Vorlage (als cap. XIII–XV des Traktats "De anima liber IV") vgl. in: PL 177, 171A–190D, hier 185A–188D. Literatur: W. Stammler, Mittelalterliche Prosa in deutscher Sprache, in: Deutsche Philologie im Aufriß, Bd. 2, unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von dems., Berlin 21960 749–1102 (918 Hs. genannt); Goy Hugo von St. Viktor, 494; Bloomfield 243; 2VL 4, 282–292 (289f. Nr. II.7 Hs. genannt); CPPM 3088; Sicard Iter victorinum, 524–531 (530 Hs. genannt).

87r120r Streit der vier Töchter Gottes (mndt.).
(87r119v) Text. ›[H]yr heuet sik an de viantschop vnde de strid twischen den von Babilonien vnde den van Iherusalem vnde wu de gnade godes vnde de warheit iegen eyn ander komen in vrede vnde de rechtuerdicheit mit deme vrede ouer eyn komen in deme kusse der ewigen fruntschop dat alle in der olden ee nÿ konde gescheyn. Dÿt bokelyn beschrift vns de sote lerer Bernhardus vnde secht also‹. [T]wischen Babilonien vnde Iherusalem is neyn vrede noch sekericheit wen alle zijd krich vnde vn vrede … — … guden willen to hebben vlite sik eyn iowelk dede begeret vrede to hebbende den vns alle geue de ewige wijsheit vnse leue here Ihesus Christus des soten benediden godes son deme sy ere glorie vnde werdicheÿt nu vnde to allen tijden. Amen. Der bislang nur hier nachgewiesene Text kombiniert die Parabel II Bernhards von Clairvaux (Streit zwischen dem himmlischen Jerusalem und Babylon, d. h. zwischen Christus und dem Teufel, 87r–104r) und die Parabel IX (Streit zwischen den vier Töchtern Gottes, eine Bearbeitung des bernhardinischen Sermo I in annuntatione BMV, 104r–119v).
(119v120r) Epilog. Disse dre bokere hoeren so by eyn ander: Dat erste leret wu men godes gnade erweruen schal mit welker schicknisse vnde bereÿdunge … — … Hir vmme wert he dat bespotten vnde belachen dar alle ynnige herten de benedide god vor beware. Amen. Die drei vorstehenden, von einer Hand geschriebenen (und vielleicht auch von der gleichen Person ins Mittelniederdeutsche übertragenen) Texte sollten gemäß der Leseanweisung als ein zusammengehöriges Ganzes gelesen werden. Edition und Kommentar beider Stücke: W. Timmermann, Studien zur allegorischen Bildlichkeit in den Parabolae Bernhards von Clairvaux. Mit der Erstedition einer mittelniederdeutschen Übersetzung der Parabolae 'Vom geistlichen Streit' und 'Vom Streit der vier Töchter Gottes', Frankfurt a. M. 1982 (Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung 10), 235–268 (nach dieser Hs., 138–138 pass. genannt, 230–234 ausführlich beschrieben). Edition der lat. Vorlagen: Bernardi opera 6/2, 267–273 (Parabola II); H. M. Rochais, Enquête sur les sermons divers et les sentences de Saint Bernard, in: Analecta sacri ordinis Cisterciensis 18.3/4 (1962), 1–183, hier 58–66 (Parabola II und IX wie hier im Zusammenhang). Literatur: CALMA 2, 306f. Nr. 9 und 10; Ruh Bonaventura, 119 (Hs. genannt); 2VL 1, 754–762 (757 Nr. 2 Hs. genannt); 9, 396–402 (400f. Nr. B.II.8 Hs. genannt). – 120v leer.

II

Papier — 10 Bl. — 21 × 14,5 cm — um 1460

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE8280-Hs.187.1208_198 (15. Jh., 2. Hälfte). Lagen: V (130). Schriftraum: 15,5 × 9 cm, einspaltig, 31–33 Zeilen. Regelmäßige schlaufenlose Bastarda von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden.

Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.

121r128v Leben der hl. Agnes (mndt.). ›Hire begynnet sek dat leuent der hilgen Juncfrouwen sunte Agneten also et bescreuen is van sunte Ambrosio‹. Agnes besunderen vth gesproken so bedudet et souel also eyn lam wente se is vor war eyn vnschuldich lemmeken ghe wesen vnses leuen heren godes … — … vor myddelst der vorbiddinghe der hilgen juncfrowen sunte Agnen geue ghe suntheyt an deme lyue vnde ok an der zele da wij nummer meer von gode ghe scheden. Amen. Der mndt. Text, der nach dem Vorbild der 'Legende aurea' mit einer Namenserklärung eingeleitet wird, ist ungedruckt; die lateinische Vorlage (Ps.-Ambrosius) vgl. in: AA SS Jan. 2, 351–354, hier bis 353 § 16. Literatur: BHL 156; Ruh Bonaventura, 148 (Hs. genannt); W. Williams-Krapp, Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters. Studien zu ihrer Überlieferungs-, Text- und Wirkungsgeschichte, Tübingen 1986 (Texte und Textgeschichte 20), 387 (Hs. genannt); M. Costard, Spätmittelalterliche Frauenfrömmigkeit am Niederrhein. Geschichte, Spiritualität und Handschriften der Schwesternhäuser in Geldern und Sonsbeck, Tübingen 2011 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 62), 428 (Hs. genannt); 2VL 1, 82; 11, 29 (jeweils ohne diese Hs., mit Verweis auf die gen. Lit.)

128v129r Agnesmirakel (mndt.). Mee lest van eynneme prestere de heyt Paulynus de was sunte Agnen sunderlike capellan wente sunte Agnes de was in syner kerken de ouerste patron. Dusse krech so be grote bekoringhe van deme ouelen geyste … — … de prester de wart in so groter leue myt sunte Agnen entfunket dat he na deme male neyne bose bekorynghe mer hadde etc. Mndt. Bearbeitung eines Agneswunders aus Jacobus de Voragine: Legenda aurea, cap. 24, hier vergl. mit dem Druck der lat. Fassung: Maggioni LA, 172f. § 60–63. Die mndt. Fassung selbst ist ungedruckt. – 129v130v leer.

III

Papier — 12 Bl. — 21 × 14,5 cm — um 1460

Wasserzeichen: Krone ohne Bügel, Mittelzinken einkonturig, Enden blattförmig, oben offen, Reif zweikonturig: WZIS DE4620-PO-50433 (1460, zwei weitere Typen nicht nachweisbar). Lagen: VI (142). Schriftraum: 16,5–17 × 8,5–9 cm, einspaltig, 36–38 Zeilen. Unregelmäßig wirkende Bastarda mit Schlaufen von einer Hand. Keinerlei Buchschmuck.

Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.

131r135v Passio der hl. Juliana (mndt.). Oc was eyn edel senate de heet Eleusinus eyn na gheborne ffrunt des keysers Maximiani. Dusse senate de vriede eyne eddel Juncfrouwen gheheten Juliana … — … so vordrank he myt drittich mannen syner knechte vnde alzo de lichamme to lande sloch myt den anderen syner kumpane so vreten de wulue de lichamen vnde de duuele hadden de zele. ›Hir endiget sek de passio sunte Juliane effte Julianen. Amen. Ore dach de ys des sesten daghes vor sunte Patres daghe dede in edder vor der vasten plecht to komende.‹ Auf dem Kopfsteg von Bl. 131r ein Titelvermerk von der Hand des Wolfenbütteler Bibliothekars J. A. Lonicerus: Passio Julianae virginis. Der mndt. Text ist ungedruckt; die lateinische Vorlage (deren prologartiger Einleitungssatz in der volkssprachigen Fassung fehlt) vgl. in: AA SS Feb. 2, 873F–877D. Literatur: BHL 4522; 2VL 11, 816–818 (818 Hs. genannt).

136r140r Passio der hl. Fausta (mndt.). Alzo de bose keyser Maximianus regnerede so was do eyn hillich eddel Juncfrouwe gheheten Fausta. Dusser Juncfrouwen der storuen or elderen in der joeget … — … vnde grouen de lichamme der hilghen martilere myt groter innicheyt des twolften daghes des ersten manes in dem herweste. ›Hir endiget sek dat leuent der hilghen Juncfrouwen sunte Fausten.‹ Auf dem Kopfsteg von Bl. 136r ein Titelvermerk von der Hand des Wolfenbütteler Bibliothekars J. A. Lonicerus: Vita sanctae Faustae. Der mndt. Text ist ungedruckt; die lateinische Vorlage vgl. in: AA SS Sept. 6, 144F–146D. Literatur: BHL 2833. – 140v142v leer.

IV

Papier — 48 Bl. — 21 × 14,5 cm — 1461

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS CH0780-PO-74743, CH0780-PO-74744 (beide 1459, beide auch in Teil V), DE2730-PO-77043, DE2730-PO-77067 (beide 1462). Lagen: 4 VI (190). Kustoden in arabischen Ziffern auf dem Fußsteg der ersten Rectoseite der Lagen, nur 167r fragmentarisch erhalten: 3. . Schriftraum: 15,5–16 × 9,5 cm, einspaltig, 28–30 Zeilen. Regelmäßige schlaufenlose Bastarda von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden.

Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.

143r188r Johannes Rode von Hamburg: Briefe an die Birgittinerinnen bei Reval (mndt.). Venerabilibus religiosisque sororibus conversacionis ac vite honestate conspicuis ordinis beate Brigitte monasterii prope Revaliam … Venerabiles domine sororesque in Christo karissime. Iuwer susterlyken leue vnde gunstes to vnseme couente alzo gy vns entfangen in Iuew broderscop … — … dyt is to hope sammelt vnde bescreuen in deme iare Christi M CCCC XXV in der vasten Iuwen entuoldigen sonen vor be nomet cartuser to Stettin. Expliciunt epistole domini Johannis prioris Cartusiensis prope Stettin per manus Johannis Wy presbiteri in die Leonis pape hora tercia post meridiem vel quasi tercia [!] die mensis Aprilis anno domini Mo CCCCo LXIo (Colophons 8257). Auch in Cod. Guelf. 613 Helmst., 1r–46v (vermutlich von dieser Hs. kopiert). Ungedruckt. Literatur: F. Köhler, Der Kartäuserprior Johannes von Hamburg und die Schwestern des Brigittenklosters bei Reval, in: Revaler Beobachter vom 14.10.1892, Sonderdruck, 1–8 (1f. Hs. genannt); R. Ohlbaum, Johann Rode aus Hamburg. Vom deutschen Geistesleben in Böhmen um 1400, Prag 1943 (Sudetendeutsches historisches Archiv 5), (IX, 92 Nr. VI.2 Hs. genannt); G. Schlegel, Johann Rode (1373–1439) – I. Leben und Werk eines Kartäusers, in: Liber amicorum James Hogg – Kartäuserforschung 1970–2006, hrsg. von M. Niederkorn-Bruck, Bd. 6 (Analecta Cartusiana 210/6), Salzburg 2008, 69–92 (78 Nr. 4.6 Hs. genannt); 2VL 8, 123–128 (127 Hs. genannt); Das geistliche Schrifttum 806–808 (808 Hs. genannt). – 188v190v leer.

V

Papier — 56 Bl. — 21 × 14,5 cm — um 1460

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS CH0780-PO-74743, CH0780-PO-74744 (beide 1459, beide auch in Teil IV), DE8310-Mc254_6 (1461–1462, zwei weitere Typen nicht nachweisbar). Lagen: 4 VI (238). V–2 (246). Lagensignaturen in Minuskelbuchstaben und arabischen Ziffern auf dem Kopfsteg der ersten Rectoseite der Lagen, z. T. durch Beschnitt fragmentiert: a 1e 5. Schriftraum: 13 × 8,5 cm, einspaltig, 18–27 Zeilen. Regelmäßige Bastarda mit Schlaufen von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden.

Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.

191r237r Spiegel der samwitticheit.
(191r192r) Vorrede. Krefftliken eyn jowelk mynsche dat mot betrachten dede salich wyl werden dat ome drierleye synt also de sacramenta de he mot hebben de bode de he mot holden de sunde de he schal vormiden … — … so stinket de sundighe zele noch vuler vor gode wen eyn vul vorrotet hunt vor eynen mynschen.
(192r237r) Text. To deme ersten scholtu weten dat men drierleye wijs de sunde begheyt edder van vnwetenheyt edder van kranckheyt edder van bosheyt … — … ghe laden hefft vpp dat wy myd oem de ewighen ere an deme hemele besytten moten de vns gheuen mote de sulue vnse leue here Ihesus Christus. Amen. ›We dessen vorscreuen speygel der samwitticheit [lest] de bidde god vor her Marqwart Kremon eyn broder to Marienwolde de on vt dem latine in dudesche gesettet hefft‹. Ungeachtet des Vermerks in der Schlussrubrik konnte die lat. Vorlage des Gewissensspiegels bislang nicht ermittelt werden, zumal das darin transportierte Gedankengut (u. a. triplex peccatum per ignorantiam, infirmitatem et malitiam) weit verbreitet war. Zu den sonst unter diesem Titel tradierten volkssprachlichen Texten besteht allenfalls ein loser inhaltlicher Zusammenhang (es liegt keine Identität vor). Der Übersetzer, Marquard Cremon (Kremon, Cramon, nicht Kremer), entstammte zweifellos dem gleichnamigen mecklenburgischen Adelsgeschlecht und dürfte mit dem Lübecker Ratsherren Gottfried von Cremon († um 1300) und dem Lübecker Bischof Bertram Cremon (amtierte 1350–1377) verwandt sein. Er tritt urkundlich erstmals in Lübeck am 21.3.1414 als Priester der Diözese Ratzeburg beim Erwerb einer Lieferung livländischen Wachses in Erscheinung, vgl. Liv-, Est- und Kurländisches Urkundenbuch nebst Regesten, hrsg. von F. G. von Bunge, Bd. 1,5: 1414–1423, Reval 1862, Sp. 9 Nr. MCMLXIII und Regest Nr. 2346. Als Konventuale des Birgitten-Doppelklosters Marienwohlde ist Cremon 1430–1436 nachgewiesen, vgl. K.-J. Lorenzen-Schmidt, Ortsnachweis der nordelbischen Kleriker und Konventualen/Konventualinnen des Mittelalters, in: Pfarrer, Nonnen, Mönche. Beiträge zur spätmittelalterlichen Klerikerprosopographie Schleswig-Holsteins und Hamburgs, hrsg. von dems. und A. Meesenburg, Neumünster 2011 (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins 49 = Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte 55), 133–264, hier 230. Literatur: J. Geffcken, Der Bildercatechismus des funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther, Bd. 1: Die Zehn Gebote. Mit 12 Bildtafeln nach Cod. Heidelb. 438, Leipzig 1855, Anhang, Sp. 177–179 Nr. XX (Zusammenfassung des Textes auf Bl. 205r–219r nach dieser Hs., 177 genannt); 2VL 5, 353f. (353 Hs. genannt); 9, 121–124 (zu den identisch betitelten weiteren Werken); 10, 1484–1503 (1496 Nr. B.I.b.8 Hs. genannt).

237r240r Über die Versuchungen und ihre Heilmittel (mndt.). Mennygher leyge bekorynghe lyd eyn mynsche in dusser: De erste ys scharp vnde hart de kumpt eyneme to wo eyn mynsche hefft ware ruwe vnde bycht ghe dan … — … an den hylghen gheyst ys neyn sunde so swar also mystrost wente mystrost berouet gode synes eghendomes alse der barmherticheyt etc. ›Deus meus‹. Der in vier Abschnitte gegliederte, in dieser Form bislang nur hier nachgewiesene und ungedruckte Text behandelt mehrere Versuchungen und einige Heilmittel; eine lat. Vorlage ist sehr wahrscheinlich.

240r243v Geistliche Ermahnungen (mndt.). ›Sanctus Thomas de Aquino wart gevraget van eynem syner brodere wo he mochte komen to deme schatte der gotlike wisheit. Sanctus Thomas antworde alse hir na steyt‹. Du hefft van my ghe vraghet wo me schal vortgan dat me moghe vor waruen den schat der gotliken wysheid … — … loue vnde ere vore den alweldighen god de dar ys mylde vnde barmhartych de sy benedyet to ewighen tyden Amen. Der Thomas von Aquin zugeschriebene, in dieser Form bislang nur hier nachgewiesene und ungedruckte Text behandelt in Sentenzenform Grundlagen des geistlichen Lebens; eine lat. Vorlage ist auch hier anzunehmen. – 244r246r leer, 246v nur Besitzvermerk (s. oben).


Abgekürzt zitierte Literatur

AA SS Acta Sanctorum, quotquot toto orbe coluntur, vel a Catholicis scriptoribus celebrantur…, Bd. 1–67, Antwerpen u. a. 1643–
Bernardi opera Sancti Bernardi opera, hrsg. von J. Leclercq und H.-M. Rochais, Bd. 1–9, Rom 1957–1998
BHL Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis, 2 Bde., ed. Socii Bollandini, Bruxelles 1898 und 1901 (Subsidia hagiographica 6), Bd. 3: Supplementi editio altera, Bruxelles 1911 (Subsidia hagiographica 12)
Bloomfield M. W. Bloomfield, Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices 1100–1500 A.D., Cambridge/Mass. 1979 (Publications of the Medieval Academy of America 88)
Bonaventurae opera Doctoris Seraphici S. Bonaventurae S. R. E. Episcopi Cardinalis opera omnia … edita studio et cura P. P. Collegii a S. Bonaventura …, Bd. 1–10, Ad Claras Aquas (Quaracchi) 1898–1901
Borchling 3 C. Borchling, Mittelniederdeutsche Handschriften in Wolfenbüttel und einigen benachbarten Bibliotheken. Dritter Reisebericht, Göttingen 1902 (Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1902, Beiheft)
CALMA C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999–
Colophons Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1–6, ed. par les Bénédictins du Bouveret, Fribourg/Schweiz 1965–1982 (Spicilegii Friburgensis Subsidia 2–7)
CPPM Clavis patristica pseudepigraphorum medii aevi, hrsg. von I. Machielsen, Turnhout 1990– (Corpus Christianorum. Series Latina)
Das geistliche Schrifttum Das geistliche Schrifttum des Spätmittelalters, mit einem einführenden Essay von R. D. Schiewer und W. Williams-Krapp, Berlin, New York 2011 (Deutsches Literatur-Lexikon 2)
Distelbrink B. Distelbrink, Bonaventurae scripta authentica, dubia vel spuria critice recensita, Rom 1975 (Subsidia scientifica franciscalia 5)
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
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2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 12 Bde., hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin/New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin/New York 2005–2015
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)
WZMA Wasserzeichen des Mittelalters (WZMA). Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien (http://www.ksbm.oeaw.ac.at/wz/wzma.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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