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Beschreibung von Cod. Guelf. 820 Helmst.
geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"

Commentum in sertum rhetoricae. Nicolaus de Dybin

Papier — 100 Bl. — 20,5 × 15,5 cm — Südniedersachsen — 1400–1415

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Maul, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE3285-PO-78339, DE3285-PO-78557 (beide 1404). Ochsenkopf mit Augen, darüber einkonturige Stange, darüber Blume: WZIS DE3315-GMXIX.E.42._56, DE3315-GMXIX.E.42._94 (beide 1405), DE1935-Mscr_Dresd_M_244_88, DE1935-Mscr_Dresd_M_244_100, DE1935-Mscr_Dresd_M_244_108 (sämtlich 1405–1415). Krone ohne Bügel, Mittelzinken zweikonturig, Enden kreisförmig, oben offen, Reif einkonturig, um 90° gedreht: WZIS DE8100-PO-51276, DE8100-PO-51277 (beide 1407) Lagen: VI+1 (12)! VI (24). VI+6 (42). VI+2 (56). VI–3 (65). 2 VI (89). VI–6 (95). VI–8 (99). Lagenmitte jeweils mit Pergamentfalzen als Heftverstärkung. Bleistiftfoliierung modern: 199, das Vorsatzbl. ist ungez. Insgesamt acht gez. Schaltzettel: Bl. 27 (15,5 x 15 cm), Bl. 29 (10,5 x 14,5 cm), Bl. 31 (11 x 15 cm), Bl. 35 (14,5 x 15 cm), Bl. 37 (11 x 15 cm), Bl. 41 (15,5 x 15 cm), Bl. 46 (14 x 15 cm) und Bl. 52 (15,5 x 14,5 cm). Schriftraum: 16–19 × 8–12 cm, 1ra–24vb zweispaltig (Spalten innen 5,5–6, außen 5 cm breit), 40–44 Zeilen; 25r–73v Zwei-Spalten-Klammerform (Textspalte misst 12 x 7–7,5 cm, Kommentarspalte 5–5,5 cm breit), Textspalte 18–26 Zeilen, Kommentarspalte 54–64 Zeilen, sonst einspaltig, 26–30 Zeilen. Jüngere gotische Kursive in verschiedener Ausprägung von vier Händen, Hand 1: Ir–24vb (in den anzitierten Lemmata Textualis als Auszeichnungsschrift); Hand 2: 25r–56v (in den anzitierten Lemmata Textualis als Auszeichnungsschrift); Hand 3: 57r–61r; Hand 4 (Schreiber Johannes): 66r–84r sowie die Federproben 99v. 1ra–13rb und 25r–49r rubriziert, rote Lombarden, sonst Raum für Lombarden ausgespart.

Spätgotischer Koperteinband aus Kalbspergament (Haarseite außen). Die Lagen sind mit Kettenstichheftung direkt durch den Pergamentumschlag auf eine durchgehende Rückenverstärkung aus dickem Leder geheftet. Der Umschlag war zunächst mit einem zweifachen Knopf-Wickelverschluss an einer Klappe des hinteren Umschlagteils versehen; die auf dem Rücken befestigten Knöpfe sind noch vorhanden, während die Umschlagklappe fehlt. Vgl. ähnliche Einbände bei Cod. Guelf. 414 Helmst. und 603 Helmst. Auf dem VD Signaturschild (Papier, 6 × 2,5 cm) der Konventsbibliothek Clus mit der braunen Aufschrift: H IIII (vgl. das gleichartige Schild bei Cod. Guelf. 873 Helmst.); darunter Titelaufschrift (16./17. Jh.): Rhetorica. VD und HD sind fast vollständig mit stark verblassten, selbst mit Hilfsmitteln nicht mehr lesbaren Federproben bedeckt.

Herkunft: Die Handschrift wurde gemäß Wasserzeichendatierung zwischen 1400 und 1415 im südniedersächsischen Raum geschrieben. Nach Ausweis der Federproben, des Inhalts und der Ausstattung ist die Entstehung im Umfeld einer Schule, vielleicht in Göttingen, zu vermuten. Eine genauere Lokalisierung ist anhand des erhaltenen Materials allerdings nicht möglich. — Der Codex gelangte zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Ausweis des typischen Signaturschildes ins Benediktinerkloster Clus. — Er wurde am 3.2.1624 mit einem Großteil der Buchbestände des Konvents von Clus in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 31r) nach der Titelaufschrift als Rhetorica unter den Miscellanei MSSti in quarto nachgewiesen; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 678 aufgeführt.

Heinemann Nr. 916. — Polak Treatises 3, 571. — Lesser Clus, 176, 220.

Ir Versus maccaronici de bono caupone. Is der wirt eyn beder man cum sua largitate | Wer geen nicht unbegobit van dan promissa probitate … — … Den kargen welle wer lossen farn ad atrium inferni | Sal seyne wonunge seyn pallacii superni. Die Verse, meist Kombinationen aus mnd. Achtsilbler und lat. Sechssilbler, vgl. sehr ähnlich Carmina Burana Nr. 185 (= Walther I 8647: 'Ich was ein chint so wolgetan'; Druck: Carmina Burana, Bd. 1: Text, Teil 2: Die Liebeslieder, mit Benutzung der Vorarbeiten W. Meyers kritisch hrsg. von A. Hilka und O. Schumann, Heidelberg 1941, 310f. Nr. 185; W. Meyer, Gesammelte Abhandlungen zur mittellateinischen Rythmik, Bd. 1, Berlin 1905, 316), sind unregelmäßig gebaut und vielleicht ein imitatives Schulprodukt. Druck: Heinemann Nr. 916; Sprachmischung 1, 31 (nach dieser Hs., genannt).– Iv leer.

1ra–24vb Commentum in sertum rhetoricae Nicolai Dybini. 'O quam Tulii [!] venerabilis facultas sum'. O quam Tullii venerabilis facultas summis desideriis est apprehenda. Istam proposicionem scribit venerabilis Boecius in libello de disciplina scholarium quamvis quelibet ars seu sciencia ab appetitu humano racionabiliter semper sit appetenda … — … alii proprie apparere ne videantur mali christiani. Alii ut parcant sumptibus ut amicus. Nota … (Text bricht ab). Der bislang nur aus diesem Codex bekannte, offenbar unvollständige Kommentar (der darin erläuterte Text des Werkes umfasst in der anschließenden Abschrift die Bl. 25r–33v) ist ungedruckt. Literatur: F.-J. Worstbrock, Rezension zu: H. Szklenar, Magister Nicolaus de Dybin. Vorstudien zu einer Edition seiner Schriften. Ein Beitrag zur Geschichte der literarischen Rhetorik im späteren Mittelalter, München 1981 (MTU 65), in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 106 (1984), 453–461 (457 Hs. genannt); F.-J. Worstbrock, Die Rhetorik des Aristoteles im Spätmittelalter. Elemente ihrer Rezeption, in: Aristotelische Rhetorik-Tradition. Akten der 5. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 5.–6. Oktober 2001 in Tübingen, hrsg. von J. Knape und T. Schirren, Stuttgart 2005 (Philosophie der Antike 18), 164–196 (192 Anm. 114 Hs. genannt).

25r–61r Ps.-Nicolaus de Dybin: Sertum rhetoricae cum commento.
(25r–61r) Textus. Quilibet agrestis est sermo Seneca testis | Non redolens flore verbi sensusve colore | Hinc virtute dei puerili carmine pegi | Rethorice sertum gemmis utriusque refertum … — … Sed interim quod currimus erroris in hac via | Nos cum prole pia benedicat virgo Maria. Der abschließende, als Beispiel für verschiedene Versmaße dienende Marienhymnus ist separat gedruckt in: AH 30 Nr. 153. Unter dem Text folgende leoninische Hexameter als Schlussverse Mille tricenteni quinquagin quatuor anni | Mense septimi post quartum stat communi | Collum truncatur ex tunc liber iste paratur | Quem levitate stili nec non scripsit puerili | Si tamen errores aliquos videant seniores | Hos Christi causa mutant cui laus sine pausa. Druck der Verse aus dieser Hs.: Szklenar, 198.
(26v–61r) Commentum. 'Et talis ordo est'. Hic determinat auctor de ordine rethoricali dum se ponens quemdam divisionem … — … qui a se ipso implere nil poterit merito grates exhibet adiuvamine etc. Der in Zwei-Spalten-Klammerform angeordnete Kommentar ist zu Anfang nicht ausgeführt, da dort der unabhängig angefertigte Kommentar (s. oben) zur Verfügung stand; beide Kommentare überschneiden sich allerdings. Der Kommentar ist am Schluss (ab 57v) nur noch unregelmäßig eingetragen. ›Et sic est finis sertum retorice‹. Zu Parallelüberlieferung, Autor und Literatur vgl. insgesamt bei Cod. Guelf. 692 Helmst., 36ra–53r. Text und Kommentar sind ungedruckt. Literatur (mit dieser Hs.): Walther I 16005; Szklenar, 190f., 197–199 Nr. 8 (Hs. genannt).– 61v–65v leer.

66r–73v Nicolaus de Dybin: Viaticus dictandi (pars eiusdem operis quae 'Rhetorica est scientia' nuncupatur). [R]ethorica est sciencia dicens de quacumque perswasibili decenter invenire materiam et ipsius congruenter ornare particulas … — … est moderata resumpcio eiusdem dictionis aliqui autem multa horum representat pro ornatu etc. Der ungedruckte Text stellt einen Auszug aus dem verbreiteten "Viaticus dictandi" dar, vgl. dazu bei Cod. Guelf. 654 Helmst., 255ra–271r. Literatur: Doskočil, 76–78; Szklenar, 158–160 (160 Nr. 14 Hs. genannt).

74r–84r Nicolaus de Dybin: Viaticus dictandi (partim). Epistola est fidelis secretorum nuncia. Epistola amicabilis hostilis … — … nomen sui ipsius ut per manus talis notarii vel cancellarii. ›Flos in pictura non est flos ymmo figura | Qui pingit florem non pingit floris odorem‹ (Walther II 9678, Hs. genannt). Der ungedruckte Text wurde vergl. mit der Parallelüberlieferung in Cod. Guelf. 576 Helmst., 5va–12vb; im Gegensatz zu allen anderen Wolfenbütteler Überlieferungsträgern enthält diese Abschrift am Schluss einen Abschnitt de privilegiis, der sonst fehlt. Zu Parallelüberlieferung, Autor und Literatur vgl. insgesamt bei Cod. Guelf. 654 Helmst., 255ra–271r. – 84v–99r leer.

99v Probationes pennae. Zahlreiche Federproben von einer Hand in Textualis, Bastarda und Kursive, darunter mehrfach wiederholte lat. Bibelzitate (Ps. 109,1 bzw. Mt 22,44 und Lc 14,16) und volkssprachliche Stücke: Myn fruntlicken denst tho vorn werter leyue vader alzo alze ek von yu scheet, Myn fruntlicken denst tho vorn werte leyue moder, leue Johannes circa Gottingen und der Teil eines Schreiberdistichons: Nomen scriptoris si tu cognoscere cupis | Nes han io verte et … (Schluss des Verses unleserlich).


Abgekürzt zitierte Literatur

AH Analecta hymnica medii aevi, hrsg. von G. M. Dreves und C. Blume, Bd. 1–55, Leipzig 1886–1922, Registerbd. 1–3, hrsg. von M. Lütolf, Bern u. a. 1978
Doskočil K. Doskočil, Mistr Dybin, rétor doby Karlovy, Prag 1948 (Zvláštní otisk ze práv českého zemského archivu 11)
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Lesser Clus B. Lesser, Die Benediktiner von Clus und ihre Bücher. Exemplarische Analyse und Rekonstruktion der Konventsbibliothek, in: Zentrum oder Peripherie? Kulturtransfer in Hildesheim und im Raum Niedersachsen (12.–15. Jahrhundert), hrsg. von M. E. Müller und J. Reiche, Wiesbaden 2017 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 32), 165–228
Polak Treatises 3 E. J. Polak, Medieval and Renaissance letter treatises and form letters, Bd. 3: A census of manuscripts found in part of Europe. The works on letter writing from the eleventh through the seventeenth century found in Albania, Austria, Bulgaria, France, Germany, and Italy, Leiden 2015
Szklenar H. Szklenar, Magister Nicolaus de Dybin. Vorstudien zu einer Edition seiner Schriften. Ein Beitrag zur Geschichte der literarischen Rhetorik im späteren Mittelalter, München 1981 (MTU 65)
Walther I H. Walther, Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris Latinorum, Göttingen 1959 (Carmina medii aevi posterioris Latina 1)
Walther II H. Walther, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi, Bd. 1–6; P. G. Schmidt, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi. Nova series, Bd. 7–9, Göttingen 1963–1986 (Carmina medii aevi posterioris Latina 2,1–9)
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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