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Beschreibung von Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 2° Cod.Ms. jurid. 213
Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger.

Karl IV., Goldene Bulle (dt.)

Papier — II, 27, II Bl. — 25 × 18,3 cm — Hagenau (?) — 1419

Wasserzeichen: Ochsenkopf (WZIS DE3270-jurid213_27); Ochsenkopf (WZIS DE3270-jurid213_6). Lagen: VIII (16). VI-1 (27); am Ende der zweiten Lage bzw. des Sexternio ist ein wohl leeres Blatt weggeschnitten; bei der Neubindung im 18. Jh. (s. zum Einband) wurden je zwei neue Vorsatz- und Nachsatzbl. angefügt. Bleistiftfoliierung modern: 1-27. Der Buchblock der Handschrift wurde nachträglich offenbar deutlich beschnitten, möglicherweise bei der Vereinigung mit jenem Druck, mit dem er noch im 18. Jh. nachweislich zusammengebunden war (s. zur Geschichte der Handschrift). Schriftraum: 18,5-19 × 13,5-14,5 cm, zweispaltig, 23-35 Zeilen; gesamter Haupttext in jüngerer gotischer Buchkursive von ein oder zwei Händen geschrieben; verschiedentlich Streichungen und Korrekturen; zudem auf 8r und 12v Federproben. Abschnitt I: 1r–10v (sorgfältige jüngere gotische Buchkursive); Abschnitt II: 11r–24r (ebenfalls sorgfältige jüngere gotische Buchkursive, doch deutlich kleiner und mit leicht anderem Gesamteindruck als in Abschnitt I); durchgehend rubriziert; Kapitelüberschriften in Textualis und roter Tinte; einfache Lombarden bzw. Initialen in Rot; zudem speziell die jeweils ersten Buchstaben der einzelnen Spalten mit stark vergrößerten Oberlängen - teilweise mit cadellenartigen Verzierungen, mehrfach aber auch mit Ansätzen von schlichtem Fleuronnée oder mit einfachem - und bisweilen durchaus üppigem - Rankenwerk in Rot und Schwarz. Auf 1r am Beginn des Textes eine über sechs Zeilen reichende, von einem rot-schwarzen, rechteckigen Rahmen gefasste K-Initiale, die von drei menschlichen Gesichtern sowie einem Mensch-Tier-Mischwesen (mit rotem Schnabel oder feuerspeiend?) bewohnt ist. Da Letzteres genauso wie einer der drei Köpfe eine Kopfbedeckung trägt, die wohl als Judenhut zu verstehen ist, könnte es sich hier um antijüdische Bildpolemik handeln. Im Anschluss an das Textende der Goldenen Bulle auf 24r folgt auf derselben Seite ein Schreib- und Besitzvermerk von Hermann Reisser samt einer bildlichen Rahmung bzw. rot-schwarzen Federzeichnung in Form einer Kartusche oder Urkunde, an die unten mittels einer Schnur ein Wappenschild (wohl des Hermann Reisser) angehängt ist - gleichsam als (Wappen-)Siegel: Schild gespalten in Gold und Silber, aus Letzterem ein (Eichen?)Blatt oder Zweig in die goldene Wappenhälfte hineinwachsend (vielleicht als 'reis'/Zweig und damit als redendes Wappen H. Reissers zu verstehen?); auf dem unteren Rand bzw. der Plica der gezeichneten Urkunde zudem ein kleiner schwarzer Lindwurm mit roten Augen.

Pappeinband des 18. Jhs., auf dem Rücken und an den Ecken mit braunem Leder verstärkt; angefertigt, nachdem die Handschrift an die UB Göttingen gelangt und dort aus dem Verbund mit einem (oder zwei) Druck(en) herausgelöst worden war (d. h. frühestens 1771; s. unter Herkunft); auf dem Rücken aufgeklebt ein ledernes Titelschildchen mit Goldprägung bzw. der Aufschrift Caroli IV./ Gulden Bull/ msc 1419; auf dem VD Signaturenschildchen aus Papier mit der modernen Signatur der SUB Göttingen, die auch auf dem VS mit Bleistift eingetragen ist (2° Cod. Ms. jurid. 213); darunter eingeklebt ein Papierschildchen mit dem Vermerk digitalisiert: 2017 66 sowie das übliche Bearbeitungsformular der Preuß. Akad. d. Wiss. (Bearbeiterin: Dr. Marie-Luise Dittrich; Juni 1938) und die Handschriftenbeschreibung von Wilhelm Meyer; auf dem HS ist die ältere Göttinger Signatur Ms. jurid. 73 vermerkt.

Herkunft: Laut dem Kolophon auf 24r wurde die Handschrift am St. Markus-Tag (25. April) 1419 vollendet und gehörte damals Hermann Reisser, der sehr gut auch ihr Schreiber gewesen sein könnte (bzw. zumindest der Schreiber von Abschnitt II). Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei ihm um jenen Mann, der wenigstens von 1421 bis 1431 als Schöffe in der elsässischen Stadt Hagenau nachweisbar ist (siehe dazu etwa das Regest einer Urkunde vom 3. Dez. 1421 bei Burg Regesten der Prämonstratenserabtei, S. 273, Nr. 694 sowie Batt Das Eigentum zu Hagenau, S. 252); nicht nur die Namensgleicheit und zeitliche Koinzidenz, sondern auch die westoberdeutsche Schreibsprache (Oberrheinisch) und der juristische Inhalt der Handschrift würden gut zu dieser Einordnung passen. — In der weiteren Folge wurde die Handschrift mit zumindest einem Druck zusammengebunden (siehe im Folgenden), auf 24r außerdem, unter dem Schreib- und Besitzvermerk des Hermann Reisser, von neuzeitlicher Hand noch einmal das Entstehungsjahr eingetragen (Anno 1419 geschriben), wobei auf diesen Vermerk noch ein Handzeichen vom selben Schreiber folgt. Im 18. Jh. gelangte sie auf unbekanntem Weg in die Bibliothek des Arztes und Polyhistors Gottfried Thomasius von Troschenreuth und Wiedersberg (1660-1746). Aus dessen Bibliothek bzw. Nachlass wurde sie 1771 von der UB der Georgia Augusta angekauft - im Verbund mit zwei Drucken, von denen wenigstens einer mit der Handschrift zusammengebunden war; vgl. dazu den Eintrag im Katalog Bibliothecae Thomasianae, S. 9, Nr. 40: Die Guldin Bull, Keyser Karls, des vierden, und die Reformation Keyser Friedrichs des dritten, in küniglichen Wirden, zu Franckfurt gemacht. Ulm durch Lienhard Hollen in vier und achzigosten Jare. 2) Eben dieselbe in MS. 1419. geschrieben, 3) Königliche und Kayserliche Land- und Lehen-Rechte sine mentione anni et loci. sehr alt. Beim ersten der hier erwähnten zwei Drucke handelt es sich um das Göttinger Exemplar der von Lienhart Holl gedruckten deutschen Fassung der Goldenen Bulle (GW-Nr. M16096; das Göttinger Exemplar: SUB Göttingen, 4° Jus. Germ. II,3825; vgl. dazu Kind, Bd. 2, S. 299-300, Nr. 1424); dass dieses Exemplar tatsächlich jenes aus dem Besitz des Gottfried Thomasius ist, belegt schon der Umstand, dass dort auf Bl. 37v in derselben Schrift bzw. von derselben Hand wie in der vorliegenden Handschrift das Entstehungsdatum notiert (Anno 1484) und das erwähnte Handzeichen hinzugefügt ist; der zweite Druck, der im Katalog von Thomasius' Bibliothek erwähnt ist, könnte das Göttinger Exemplar der vor 1482 und wohl von Johann Zainer d. Ä. gedruckten Schwabenspiegel-Ausgabe sein (GW-Nr. M40947; SUB Göttingen, 4° Jus. Germ. I,5356; vgl. dazu Kind, Bd. 2, S. 301, Nr. 1426); allerdings ist diese Identifizierung nicht gesichert. Diese Inkunabel kann nämlich unmöglich mit den beiden Fassungen der Goldenen Bulle zusammengebunden gewesen sein, da sie noch einen originalen spätmittelalterlichen Einband besitzt, aus dem ersichtlich nichts ausgelöst wurde. Demnach wäre entweder denkbar, dass der genannte Schwabenspiegel zwar im Verbund, aber nicht zusammengebunden mit den beiden Exemplaren der Goldenen Bulle aus der Bibliothek des Thomasius erworben wurde; oder aber es handelte sich bei dem im Katalog erwähnten Druck doch um einen anderen als den oben genannten.

Göttingen 1, S. 367-368. — Fritz Die Goldene Bulle, S. 31. — Heckmann Zeitnahe Wahrnehmung, S. 943 und S. 981 (Nr. 2) — Bibliothecae Thomasianae, S. 9, Nr. 40. — Handschriftencensus.

1r Vermerke : am oberen Seitenrand der älteste Bibliotheksstempel der Georgia Augusta; mittig am unteren Seitenrand die Zahl 44 vermerkt (Bedeutung an dieser Stelle unklar).

1r–24r Karl IV.: Die Goldene Bulle (dt. Übersetzung). (1r–24r) ›In dem namen der heiligen vndeilsamen der miltekeit seleklich amen amen.Karle der vierde mit gunst götlicher miltekeit Römischer keiser alle zit merer vnd kunig zu Behim des dinges zu ewigen gedencken. … — … oder in zu fügen in iren eigen husern zuhtmeister lere vnd kinde mitte gesellen die ouch dar ynne verstendig sint mit der wandele vnd lere su mittenander mugent in den zungen vnder wiset werdent. amen, amen, amen. Dis bůch wart geschriben an sante Marckus tage in dem iore do man zalte von gottes geburte viertzehen hundert vnd XVIIII jare. Wer dis bůch wider vindet der sol es Herman Reisser wider geben oder sinen erben durch got vnd durch des rehten willen. Unter dem Kolophon ist von neuzeitlicher Hand noch einmal das Jahr der Entstehung notiert, gefolgt von einem Handzeichen desselben Schreibers (siehe dazu zur Provenienz). Zur Goldenen Bulle, ihrer Überlieferung und ihren dt. Übertragungen s. etwa 2VL 3, S. 84-87; Fritz Die Goldene Bulle, S. 31; Edition (lat. Text): ebd. — 24v-27v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

V. Rose, Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliotheken zu Berlin, Bd. 13: Verzeichniss der lateinischen Handschriften, Bd. 2: Die Handschriften der kurfürstlichen Bibliothek und der kurfürstlichen Lande, 1. Abteilung, Berlin 1901
Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Volkssprachige Handschriften.
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