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Beschreibung von Bremen, Staats- und Universitätsbibliothek, msc 0190
Kristina Stöbener, Tübingen 2021

Chronica Veteris Monasterii in Buxtehude

Papier · 46 Bl. · 21,5 x 16 · Altkloster Buxtehude · 16. Jh., 2. Viertel (I); 16. Jh., 1. Hälfte (II); 1532 (III); 16. Jh., Mitte (IV)

Die Hs. besteht aus vier Teilen: I: Bl. 1–25; II: Bl. 26–33; III: Bl. 34–38; IV: Bl. 39–46 (äußere Beschreibung der einzelnen Teile s. u.).

Einband: (s. unten).

Fragment: Umschlag (Vorderdeckel, Vorderspiegel, Hinterspiegel, Hinterdeckel; die Rectoseite ist nach innen geheftet, die Versoseite bildet die äußeren Deckel, so dass die korrekte Lesereihenfolge lautet: Vorderspiegel, Hinterspiegel, Vorderdeckel, Hinterdeckel). 13. Jh., Ende. Pergament. 1 Bl. 29,8 × 21,5. Schriftraum: 24,5 × 16,5, einspaltig, 13 Textzeilen, Textualis von einer Hand, über jeder Textzeile ein Notensystem aus vier Linien, mit c- und f-Schlüsseln, Metzer Notation, rubriziert, rote Lombarden, Text: [Antiphonale officii (Commune sanctorum)]. 1. (VorderspiegelHinterspiegel, VorderdeckelHinterdeckel) [Commune unius confessoris]. Beginn auf dem Vorderspiegel mitten im Responsorium mit Versikel CAO 7644 mit 7644a, es folgen der Versikel CAO 8115 und, durchgehend zu Hinterspiegel und Vorderdeckel, die Responsorien mit Versikeln CAO 6081 mit 6081a, 7255 mit 7255a, 7009 (nur anzitiert), 7059.1 mit 7059c und 7898 mit 7898a. Auf dem Vorderdeckel schließen sich an die Antiphonen ad Laudes CAO 2734, 1634, 2868, 2553 und 4871, auf dem Hinterdeckel folgen die Antiphonen in II vesperis und zu den kleinen Horen, beginnend in der Zeile auf dem Buchrücken mit CAO 2732, dann die nur anzitierten Antiphonen CAO 5442, 4348, 1854, 2250, 3542 und 1359. Direkt anschließend 2.(Hinterdeckel) De una virgine. Beginnt zur Vesper mit den Versikeln CAO 8014 und 8046 sowie dem Responsorium mit Versikel CAO 7828 mit 7828a. Es folgt noch der Beginn der Antiphon CAO 1229, worin der Text abbricht. Aufgrund des erhaltenen Textes, der paläographischen Merkmale und des spärlichen Buchschmucks ist eine genaue Lokalisierung des Fragments nicht möglich, es dürfte jedoch aus dem norddeutschen Raum stammen.

Herkunft: Der Codex wurde im zweiten Viertel des 16. Jh. im Altkloster Buxtehude angefertigt. Die nordmittelniederdeutsche Schreibsprache der Teile II und IV und deren Inhalt stützen diese Lokalisierung. — Über seinen Verbleib nach der Auflösung des Konvents im Jahre 1650 ist nichts Genaues bekannt; möglicherweise befand er sich eine Zeitlang in Hildesheim, wo ein Nachtrag (24r) hinzugefügt worden ist. Der Codex ist danach erstmals sicher zu Beginn des Jahres 1930 in der Altkunsthandlung Goerke & Co., Georgsplatz 8, Hannover, nachgewiesen, vgl. dazu Handbuch des Kunstmarktes. Kunstadressbuch für das Deutsche Reich, Danzig und Deutsch-Österreich, Berlin 1926, S. 431. Dort erwarb ihn der Bremer Kunstmäzen und Sammler Ludwig Roselius (1874–1943) am 28. März 1930, vgl. die entsprechende Inventarkarteikarte der Museen Böttcherstraße Bremen und den Datumseintrag in Bleistift (vermutlich von Roselius‘ Hand) auf Bl. 46v: 28/3. 30; ferner daneben in gleicher Schrift: 46 ganze Bl., ½, ¼ H. M = Br. Als weitere Provenienzmerkmale befinden sich auf dem Fußsteg von Bl. 1r ein rosa Exlibris mit der gedruckten Aufschrift Roselius-Haus Bremen und der hinzugeschriebenen Nummer 617 (auf der Inventarkarteikarte ist dagegen als alte Inventarnummer 648 angegeben), daneben der Besitzstempel mit Namenszug Ludwig Roselius-Sammlung und die gültige Inventarnummer B 4514 (zweifach: in Bleistift und als Aufkleber) und schließlich die Nummer 2/89 in Bleistift (möglicherweise eine sammlungsinterne Zählung der im sog. Vitrinenzimmer ausgestellten Stücke ?). — 2009 wurde der Codex zusammen mit fünf weiteren Handschriften der Kunstsammlungen Böttcherstraße der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen als Dauerleihgabe überlassen.

Rainer Stamm, Das Museum im Roselius-Haus – Denkmal, Sammlermuseum, Wunderkammer, in: Hans Tallasch (Hg.), Projekt Böttcherstraße, Bremen 2002, S. 301–311, hier S. 308. — Thomas Elsmann, Vom Wert des Beiwerkes: Eine Übergabe von historischen Handschriften- und Buchbeständen aus den Kunstsammlungen Böttcherstraße an die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, in: Bremisches Jahrbuch 90 (2011), S. 11–24, hier S. 16 f. und S. 19. — Robert Gahde, Artikel „Buxtehude-Altkloster“, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, Bd. 1, hg. von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 56,1), Bielefeld 2012, S. 294–300, hier S. 297.

I

Papier — Altkloster Buxtehude — 16. Jh., 2. Viertel

Bl. 1–25: drei Wz.: Schlange: = WZIS DE6300-PO-43338 (1529, Speyer); Wappen (= Stadtwappen von Troyes) mit Krone: Siebpaar (W1 und W2): Wappen mit Krone (W1): ~ Briquet 1048 (1526/1527, Brügge) und Wappen mit Krone (W2): ~ Briquet 1049 (1530, Brügge) · Lagen: (V–1)9 + V19 + III25. · moderne Bleistiftfoliierung: 125, zwischen Bl. 8 und 9 sowie zwischen Bl. 15 und 16 jeweils ein beschriebener und als Bl. 8a und 15a foliierter Schaltzettel eingebunden. · durchgehend Textverlust infolge Wasserschadens in der oberen Hälfte des Innenrandes. · Schriftraum: 15,5–16,5 × 11–12,5 · einspaltig · 27–31 Zeilen · Bastarda · eine Haupthand, Nachträge auf Bl. 1v und Schaltzettel Bl. 8 wahrscheinlich von gleicher späterer Hand (leichte Abweichungen der Hand aufgrund des zeitlichen Abstands).

1r Titelblatt mit der zentralen Aufschrift (in Textualis): Cronica evi nostri; in einem Zwischenraum darunter modern mit Bleistift von zwei Händen ergänzt: …Monast. Si. Laurentii, dahinter: monasterium Sti. Laurentii Bardow[ick, Ortsangabe fehlerhaft]. Über dem Titel die beiden Bibelzitate [Et quoniam mille] anni ante oculos tuos tamquam dies hesterna [que preteriit] Psalmus 89[,4] und [Quoniam omnes] dies nostri defecerunt et in ira tua defecimus. Psalmus quo supra [Ps 89,9]; unter der Aufschrift stehen: Letati sumus pro diebus quibus nos humiliasti annis quibus vidimus mala. Psalmus 89[,15] und Quoniam melior est dies in atriis tuis super milia. Psalmus 83[,11]. Darunter wiederum mit Bleistift die moderne Jahresangabe 1532; auf dem Fußsteg Inventarvermerke des Roseliushauses (s. oben).

1v Begriffserklärungen. Untereinander stehen folgende Abschnitte: Comedia. Comedia dicitur villanus cantus vel descripcio [factorum hominum quorundam.] Tragedia. Et differunt tragedia et comedia quia [comedia privatorum hominum] continet facta, tragedia regum et mag[natum. Item comedia] humili stilo describitur tragedia alto. Item comedia a tristibus incipit sed cum leticia [desinit. Tragedia] econtrario. Unde in salutacione solemus mitt[ere et optare tragicum] principium et comicum finem id est bonum principium et [letum finem]. Calculacio dicitur conputacio [!]. Faxo. Faxo, xis, xit verbum defectivum et comicum id est facere [et non habet] amplius nisi predictas voces et faxim et dicitur a facio, [cis. Et faxo] faxis faxit quandoque accipiuntur in vi futuri quandoque in vi pre[sentis] tam subiunctivi quam indicativi. Faxim est presentis temporis subiunc[tivi] modi accipitur tamen pro futuro. Lustrum est spacium quinque annorum. Indictio. Indictio est spacium trium lustrorum id est quindecim annorum vel summa eorum quibus indicitur ut in Regum III [sic, recte: V]: Et erat indictio eorum XXX milia id est summa eorum quibus indicebatur. Et est numerus romanorum. Unde invenitur crebro in passionibus martyrum et in descripsionibus [!] decretorum notabilium. Die Stücke sind meist gekürzt und modifiziert (nur bei faxo vollständig und wörtlich) übernommen aus einer der zahlreichen gedruckten Ausgaben des „Vocabularius brevilogus“, hier verglichen mit der Inkunabel-Ausgabe: Johann Reuchlin: Vocabularius breviloquus. Mit Beig. des Guarinus Veronensis. Basel: [Johann Amerbach], 1478, x7va, m4va–b, 32ra–b (GW M37896). Die gleichen Einträge finden sich mit geringfügigen Abweichungen auch im „Catholicon“ des Johannes Balbus, hier verglichen mit der Inkunabel-Ausgabe: Johannes Balbus: Catholicon. Venedig: Johann Hamann für Peter Liechtenstein, 28.II.1497/98 (?), n4rb–va und R1rb–va, l2vb, s3rb, B4rb (GW 3203), allerdings folgt die Hs. bei den Abweichungen stets der Fassung des Vocabularius brevilogus. Darunter noch folgendes Stück: Aristotiles: Principatus virum ostendit [Eth. Nic. 5,7,6]. Unde metrice dicitur: Cum poteris quod vis probat actio te tua quid sis. Entnommen aus Robertus Holcot: Postilla in Sapientiam Salomonis, cap. V, lectio LXXII, hier verglichen mit der Inkunabel-Ausgabe: Robertus Holkot: Super sapientiam Salomonis. Hagenau: [Heinrich Gran], 1494, 97vb (GW 12889). Darunter: Item versus: Prudens prudenti stultus placet insipienti (Walther II Nr. 22789).

2r 22v [Chronica Veteris Monasterii in Buxtehude]. [Anno domini … et VII] constructum est monasterium vetus Bux[tehudense … venerabilibus] viris videlicet Heynrico et Gherlaco ute[rinis fratribus et generosa] domina Floria eiusdem Heynrici uxore … — … quidam autem amicorum ex ipsis ruralibus premonicionem [facie]bant per quandam puellam sed nemo de nostris in curia exis[tentibus] advertere voluit vel precavere. Abgesehen von der kurzen, hier auf 1197 datierten Gründungsnotiz umfasst der Berichtshorizont den Zeitraum von 1476 (Tod des Propstes Heinrich Brunow, s. unten) über die von dem Magister Gerardus Halepaghe initiierte Bursfelder Reform des Konvents 1479 bis zum Jahre 1542, vgl. dazu Martin Jank, Leben und Wirken des Buxtehuder Magisters Halepaghe, hg. von der Stadtsparkasse Buxtehude, Buxtehude 1984, S. 43–45. Besonders hervorgehoben werden die Zerstörung des Klosterareals 1499 und der Wiederaufbau (2v–6r mit den Namenslisten der Konventualinnen) sowie die den größten Teil des Textes ab Bl. 8r einnehmenden Ereignisse um die Wahl und die Absetzung des Propstes Heinrich Soth (1535–1542), der später der protestantischen Reformation zuneigte und nur durch langwierige, hier genau dokumentierte Auseinandersetzungen zum Rücktritt gezwungen werden konnte, so dass der Fortbestand des Klosterlebens nach der Bursfelder Observanz auch im protestantischen Umfeld bis zur Aufhebung des Klosters 1650 im Zuge der schwedischen Eroberung des Erzstifts Bremen gesichert war. Wahrscheinlich diente der in der Forschung bislang unbeachtete Text als Vorlage für die in der Hs. Hildesheim, Stadtarchiv, Best. 52 Nr. 174, 30r–38v überlieferte Abschrift des 17. Jh. (vgl. auch unten, 24r). Vgl. zur Geschichte des Klosters: Bernd Kappelhoff und Heinz-Joachim Schulze, Artikel „Buxtehude, Altkloster“, in: Die Frauenklöster in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen, bearb. von Ulrich Faust (Germania Benedictina 11), St. Ottilien 1984, S. 134–159; Robert Gahde, Artikel „Buxtehude-Altkloster“, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, Bd. 1, hg. von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 56,1), Bielefeld 2012, S. 294–300 (Hs. genannt S. 297). – 23rv leer.

24r Notiz. [Heinrich von Swarz]burg domprobst tho Hildensem anno 1483 item eodem anno Tile … — … [1452] cantori domini Eggerdt von Herlsem. Die kurze Notiz zu Ereignissen aus den Jahren 1480 und 1483 stammt aus dem 17. Jh. und weist inhaltlich nach Hildesheim: genannt werden u. a. Graf Heinrich XXIX. von Schwarzburg-Blankenburg († 1499), vermutlich ab 1483 Dompropst, und Eckhard von Harlessem († 1476), der 1450–1472 als Kanoniker und Kantor im Domstift Hildesheim nachgewiesen ist, vgl. zu ihm Hermann Adolph Lüntzel, Geschichte der Diözese und Stadt Hildesheim, Bd. 2, Hildesheim 1858, S. 524; Urkundenbuch der Stadt Hildesheim, im Auftrag des Magistrats zu Hildesheim hg. von Richard Doebner und Herman Brandes, Theil 7: Von 1451 bis 1480, mit Auszügen aus den Kämmereirechnungen und achtzehn Siegeltafeln, Hildesheim 1899, S. 80–82 Nr. 131. – 24v25v leer.

II

Papier — Altkloster Buxtehude — 16. Jh., 1. Hälfte

Bl. 26–33: zwei Wz.: Traube mit Buchstaben, darüber Wappen: Traube 1: Typ Briquet 13120 (1507–1540, Nantes) und Traube 2: Typ Briquet 13131 (1510, Angle), Typ Briquet 13136 (1531, Tours) · Lagen: IV33. · moderne Bleistiftfoliierung: 2633. · durchgehend Textverlust infolge Wasserschadens in der oberen Hälfte des Innenrandes. · Schriftraum: 15,5–16,5 × 11,5–12 · einspaltig · 23–27 Zeilen · Bastarda, dazu in einigen Rubriken Textualis als Auszeichnungsschrift · eine Hand, diese Hand auch in Teil IV.

Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.

26r 32v [Chronik des Altklosters Buxtehude (mnd. Fortsetzung)]. [Casus] quedam ab olim monasterio Veteris Buxtehuden accidentes. [Alse] prauest Her Hynrick voleken affgesettet was myt [vnwillen] konden se langhe nenen prauest wedder krighen … — … dar wart he hem ghevort wente dar hetten syne olderen van oldingen ere grafft ghehat etc. Der mit Ausnahme der einleitenden Rubrik in mittelniederdeutscher Sprache abgefasste Text ergänzt die vorhergehende Konventschronik um Nachrichten zu den Pröpsten und Ereignissen der äußeren Geschichte des Konvents, z. B. um die wichtige Einnahmequelle der Sülzgüter in Lüneburg. Der Berichtshorizont reicht von der Absetzung des Propstes Heinrich Brinkmann (1451) über seine Nachfolger Johannes Glasewerte (1452–1463, Resignation), Heinrich Brunow (1463–1476), Johannes Murmester (1478–1502), Friedrich Statius (1503–1519, Resignation), Barthold Rese (1519–1529), Leonard Keller (1530–1533) bis zu Heinrich Soth (1535–1542, Resignation), dessen Todesnachricht zum 15.11.1549 (Anno domini etc. XLIX…, in marg.: des fridach na Martini) den Text beschließt. Zu den Amtszeiten der Pröpste vgl. die Liste bei Kappelhoff / Schulze, Buxtehude, Altkloster, S. 155. – 33rv leer.

III

Papier — Altkloster Buxtehude (?) — 1532

Bl. 34–38: ein Wz.: Buchstabe P: = WZIS AT8100-PO-109736 (1530, Mecheln), = WZIS DE7710-PO-109733 (1530, Soest) · Lagen: (III–1)38. · moderne Bleistiftfoliierung: 3438. · durchgehend Textverlust infolge Wasserschadens in der oberen Hälfte des Innenrandes. · Schriftraum: 15–15,5 × 10,5–11 · einspaltig · 23–25 Zeilen · Bastarda · eine Hand (Schreiber: Augustinus ab Getelen) · rubriziert; Bl. 34r: Lombarde.

34r 38r [Augustinus ab Getelen (?): Dialogus de ratione et utilitate eucharistiae]. Dialogus de Sacrosancta Synaxi. Interloquutores: Pastor Ovis. Pastor. Ad quid hunc venisti mea ovicula? quid poscis? Ovis: Ut sacrosanctam eucharistiam, bone pastor, e manu tua accipiam … — … Eciam amen mea ovis fiducialiter age et accipe sanctum corpus domini tui. Sicut credidisti ita fiet tibi. Ovis: Per Christum Iesum dominum nostrum. Amen. Augustinus ab Getelen. 1532. Der vom nicht näher identifizierbaren Unterzeichnenden vermutlich aus altgläubiger, d. h. katholischer Perspektive verfasste Lehrdialog zum Nutzen der Eucharistie diente offenbar der Selbstvergewisserung der katholisch gebliebenen Benediktinerinnen des Altklosters in ihrem protestantischen Umfeld. Die in der Rubrik verwendete Bezeichnung der Synaxis für die Eucharistie rekurriert offenbar auf einen Brief des Erasmus von Rotterdam an Konrad Pellikan (1478–1556) anlässlich des Basler Abendmahlsstreites, der 1526 zweimal separat gedruckt wurde, vgl. Desiderius Erasmus: Expostulatio admodum pia et christiana, ad quendam amicum parum pie sentientem de sacrosancta Eucharistia et sinaxi. Köln: Quentel, Peter, 1526 (VD 16 E 2977), und E. Roterodami de sacro sancta synaxi & unionis sacramento corporis & sanguinis Christi ad amicum expostulatio … Luzern: Murner, Thomas, 1526 (VD 16 E 2978). Unter der Schlussrubrik ebenfalls in Rot von Schreiberhand die Schriftzitate I Cor 10,1–5 und I Cor 11,28. – 38v leer.

IV

Papier — Altkloster Buxtehude — 16. Jh., Mitte

Bl. 39–46: ein Wz.: Krug: ~ WZIS DE4620-PO-31446 (1556, Danzig), ~ WZIS DE4620-PO-31444 (1556, Boizenburg), ~ WZIS DE4620-PO-31456 (1556, Schwerin, Mecklenburg), ~ WZIS NL0360-PO-31451 (1555, Culemborg) · Lagen: (V–1)46. · moderne Bleistiftfoliierung: 3946. · durchgehend Textverlust infolge Wasserschadens in der oberen Hälfte des Innenrandes. · Schriftraum: 15–16 × 11 · einspaltig · 26–29 Zeilen · Bastarda · eine Hand, diese Hand auch in Teil II · rubriziert; Bl. 40r: Lombarde.

Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.

39r Mnd. Gedicht über den Nutzen der paulinischen Briefe. Tho eynem ideren Cristen. [Wultu] Iesum gans hebben bekant | [So nym] diit bock in dyne hant. | [Hiir] vinstu van dem herrn dre dinghe | [Syne] lere dot vnde vpstandinghe … — … God tho ewighen tiden louen | Des helpe vns god dat wij dar kamen | Dorch Iesum Cristum synen sone Amen. 16 Verse, am Rand die zum Thema „Lehre“ (II Tessa. I, Hebr. VI), „Tod“ (Romanos VI) und „Auferstehung“ (Romanos VI, Colos. 3) passenden Briefstellen ausgeworfen; ebenso sind die entsprechenden Gruppen von je zwei Versen (Verse 6–11) mit den roten römischen Zahlen I, II und III gekennzeichnet. Das Gedicht diente aufgrund dieser drei Themen als Einleitung zur folgenden Messerklärung. Es ist in dieser Form bislang nur hier überliefert und ungedruckt.

39v 40r [De nomine missae et de rebus in ea faciendis]. Commemoracio Christi mortis significatur Vestibus Gestibus Crucibus … — … que precipue pertinent ad Christi mortem et commemo[racionem] passionis eius. Dicit enim: Hoc facite in meam commemoracionem. Die hier in Gestalt kurzer tabellarischer Zusammenfassungen gebotenen Grundlagen zur Messe, wie Auslegung der Messgewänder, Bedeutung des Begriffs „Messe“, können aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit kaum auf eine konkrete Quelle zurückgeführt werden, vgl. z. B. zu den Messgewändern Adolph Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter. Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens, Freiburg/Br. 1902, ND Darmstadt 1963, S. 733–736. Die Ausführungen dienten wohl ebenfalls als Einleitung zum folgenden Stück.

40r 46r Mnd. Messauslegung. Van der missen bedudinghe. Christus hefft de missen anghesettet in dissen vorden: Hoc facite in meam commemoracionem. Diit dot in myne ghe[decht]enisse … — … im rike gades dat wij dar moghen god lauen in ewicheyt vorlene vns de vader vnde de sone vnde de hilghe geyst AMEN. Die umfangreiche mittelniederdeutsche Messauslegung berücksichtigt den gesamten Ablauf der Messe und deutet deren Teile und benutzte Texte auf die Passion Christi und sein Erlösungswerk hin; die drei zu Beginn des Faszikels im einleitenden Gedicht evozierten Hauptpunkte – Lehre, Tod und Auferstehung Christi – werden erneut thematisiert. In welcher Beziehung der unikal überlieferte Text zu älteren lateinischen und/oder volkssprachlichen Messauslegungen steht, bedürfte genauerer Analyse.

46v Ermahnung an alle Christen. Tho vnderscheden de predicanten de guden van den quaden. Eyn Ider recht cristlich predicant | De schal Christum gans maken bekannt | Myt syner lere, dot vnde vpstant … — … Dorch de vpstandingh vorniget bist tho synen baden | Holdt dusse so kumpstu tho gade Amen. Das aus zwölf Versen bestehende, unikal überlieferte Gedicht bildet zusammen mit den einleitenden Versen einen formalen und inhaltlichen Rahmen um die Messauslegung. – Unter dem Text von einer Hand des 17. Jh. folgender Vermerk: Sit Nomen Domini Benedictum ex Hoc Nunc et usque in Seculum Amen. Auf dem Fußsteg Bleistiftvermerk zum Kaufdatum (s. oben).


Abgekürzt zitierte Literatur

Briquet C. M. Briquet, Les Filigranes. Dictionnaire historique des marques du papier, Bd. 1–4, Leipzig 21923
CAO R.-J. Hesbert, Corpus antiphonalium officii, Bd. 1–6, Rom 1963–1979 (Rerum ecclesiasticarum documenta. Series maior 7–12)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Walther II H. Walther, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi, Bd. 1–6; P. G. Schmidt, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi. Nova series, Bd. 7–9, Göttingen 1963–1986 (Carmina medii aevi posterioris Latina 2,1–9)
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Digitalisierung der mittelalterlichen Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen.
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