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250413
Tobias Hübner an Augustus Buchner
[Inhaltsverzeichnis]
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250413

Tobias Hübner an Augustus Buchner


Hübner (Der Nutzbare, FG 25) hat Buchners (FG 362; 1641) Schreiben am 12. 4. 1625 empfangen. Hübner entnimmt ihm, daß sein Brief vom 13./ 18. 2. 1625 und seine Gedichte Buchner nicht unwillkommen waren. Buchners Gedichte, die seinem jüngsten Schreiben beilagen, können sich nach Hübners Meinung mit denen von Martin Opitz (FG 200; 1629) messen. — Verhinderungen bei der Lektüre der Poetik von Opitz , die Buchner Hübner gesandt hatte. Zur Verteilung an Freunde wie Opitz schickt Hübner Buchner sechs Exemplare seiner Clag vnd Trostwort Der Fürstlichen Fraw Mutter über den Tod Pz. Moritz' v. Anhalt-Dessau . Auch mit dem beiliegenden Gedicht Diederichs v. dem Werder (FG 31), Selbst eigene Gottselige Thränen, und mit einem der beiden übersandten Exemplare von F. Ludwigs neuen Versen könne Buchner Opitz bedienen, damit dieser wisse, daß sich auch die Vornehmsten schon vor dem Erscheinen seiner Poetik der Dichtkunst gewidmet hätten. — Hübner leiht Buchner auf ein bis zwei Monate ein begehrtes Statius-Manuskript der fürstlichen Bibliothek in Dessau . Mit der Bitte um Rücksendung schickt er Buchner auch die Vorrede zu seiner Übertragung von Salustes La semaine. Die Erste Woche übertreffe seine Andere Woche (1622), jedoch entspreche sie wohl nicht in allem Opitz ' subtilen Regeln. Sie soll daher allein Buchner gezeigt und noch nicht veröffentlicht werden.

Beschreibung der Quelle

QCL. VIRI | AUGUSTI BUCHNERI | EPISTO- | LARUM | PARTES TRES; |
Qvarum | TERTIA JAM PRIMUM AD- | SPICIT LUMEN. | SINGULIS EPISTOLIS ARGUMENTA | SUA PERSPICUIS | ac concinnis verbis præposita sunt, & totum | opus à mendis purgatum prioribus, | opera | M. JOH. JACOBI STÜBELII, | Illustris Afr. Misn. Rectoris. | Cujus etiam Pnefatio de Scriptoribus | variis Epistolarum praemissa. | Adjecti sunt valde necessarii atque utilissimi | Indices. | CUM PRIVILEG. || [388] S. CӔSAR. MAJEST. | POTENTISS. REGIS POLON. ET | ELECT. SAXON. | [Linie] | FRANCOF. ET LIPSIAE, | Apud MARTINUM GABRIELEM HÜBNERUM. | Typis IOH. HEINRICI RICHTERI. | ANNO M. DCC. VII. 8°. III, 670- 672, Nr. XI (HAB: Li 1022) [A]. — Als weitere Überlieferungen wurden berücksichtigt: Buchner 1708, 27-29, Nr. XI (zit. Bu 1708; SuStB Augsburg: NL 1002); Buchner 1720, III, 671- 672, Nr. XII (zit. Bu 1720; HAB: Li 1023; reichste Sammlung, mit Regesten).

Adresse oder Anschrift

AFehlt.

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Lætatura sua carmina illi non fuisse ingrata, & Buchneriana laudat & magnifacit. Opitii Poëticam, quam nondum perlustrârit, quamprimùm se remissurum recipit. Mittit interim alia etiam à Principe Anhaltino scripta. Porrò se de Buchnero rectè judicâsse contendit, cui Statii MStum è bibliothecâ illustri communicat, & addit præfationem suam translatæ à se in vernaculam primæ Bartasii septimanæ præfigendam.

LIteras meas nuperrimas,1 iisq́ue juncta mea vetera & novissima carmina non ingrata tibi fuisse, cognovi ex tuis, quæ heri mihi traditæ sunt. Et proptereà mihi gavisus sum & gratulatus. Tua2 quæ modò misisti prorsus non insubida sunt, & valdè faceta, nec ipsius Opitii sapidissimis carminibus dissimilia. Non dubites igitur ampliùs, te tua χϱύσεα χαλϰίοισ meis permutare. Errores in iis Opitius ipse lynceis suis oculis vix agnoscet: Ego verò ea amare, suspicere, admirari sat habeo. Opitii Poëticam,3 quia heri propter potionem à Medico propinatam, integrum non erat, hodiè propter negotia Principalia, cras propter diem festum,4 perendie propter iter trans Albim, non erit, quamprimùm percurram: ad te verò propediem5 eam redituram, hisce recipio. Interim quia video, querelam Principis6 nostræb præ aliis tibi placuisse, idcircò transmitto tibi sex exemplaria, amicis pro libitu distribuenda. Si dignum judicas, ipsi [671] Opitio unum feretur. Iis addidi duo exemplaria rhythmorum Germanicorum ab ipso Illustrissimo Principe Ludovico Anhaltino nuperrimè conscriptorum:7 quorum alteram si eidem Opitio, unà cum Werderi lacrymis, quas Lipsiæ denuò,8 sed omissis quatuor versibus,9 quos adjeci, impressas in eum finem, hisce junctas accipies, transmittere libet, licebit, ne nesciat, etiam Principes Viros huic studio ante ipsius Poëticam, ne dicam nomen cognitum,10 deditos fuisse. De doctrinâ porrò tuâ & ingeniô hactenus rectissimè me judicâsse, pertinaciter statuo. Judices obductis velo oculis, ne personarum dignititate obfuscentur, judicare rectiùs creduntur: Et ego amore tui cæcus, uti tu scribis, nec ego prorsus diffiteor, ad te potiùs, quàm tua merita absque oculis respexerim? Vide, quid sit solis lumen in meridie negare. Cæterùm, quia Statii, à te tantoperè amati, manuscriptum11 te tam avidè desiderare animadverto, illud tibi ex Illustric Bibliothecâ transmitto, eiq́ue perlegendo, posteà verò remittendo, mensem unum atque alteram præfinio. Quibus exactis eum bibliothecæd aut mihi reddi curabis. Vale, VIR Clarissime, mihiq́ue charissime, & tui desiderium gratissimis tuis literis lenire perge. Dab. Dessæ, d. XIII. Apr. M DC XXV. Tuuse in ævum Tobias Hübnerus . P. S. || [389] Addidi hisce quam ante annum ampliùs meditatus eram præfationem primæ Bartasii septimanæ,12 & quidem secundâ ante tres annos editâ13 longè perfectiori, præfigendam. Sed & vereor subtilibus Opitii regulis, quas nondum videre licuit, non in omni-[672]bus convenientem. Quocirca etiam jam nunc lucem publicam non aspiciet, nec ab ullo præter te conspicietur: ad me tamen, si libet, primâ revertetur occasione.

250413I

Diederichs von dem Werder Klage über den Tod seiner Gemahlin.

Beschreibung der Quelle

Q[Holzschnittrahmen:] Selbst eigene Gottselige | Thränen | Dieterichs von dem | Werder
| Die Er | Der weiland WholEdlen Vielehr | vnd Tugentreichen Frawen | DOROTHEEN CATHARINEN, | gebornen von Waldaw auß dem Hause Schwa- | nowitz/ seinem hertzvielgeliebten Ehegemahl/ Als dieselbe in | seinem abwesen den 12. Februarii Selig von dieser Welt ab- | geschieden/ vnd er ihren Cörper folgendes tages zu | seiner anheimkunfft verblichen ge- | funden/ | Zu Jhrem Lob von Hertzen nach- | gesandt hat. | Geschehen im Jahr vnsers Erlösers | M. DC. XXV. | [Zierleiste] | Gedruckt zu Zerbst bey Zacharias | Dörffern. — Deutsche Staatsbibliothek, Berlin: Ee 541 no. 6.1 Ab V. 203 abgedr. bei Beckmann VII, 289.

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[(A)r] Jn Sprüchen Salomons
am 31. Cap.2

EJn Weib das den H E R R E N Fürchtet soll man loben. Sie wird gerühmet
werden von den Früchten ihrer Hände/ vnd ihre wercke werden sie preisen.
Jhr Mann lobet sie.

Jes: Syr: am 38. Cap.3

WAnn dir einer stirbt so beweine vnd klage ihn/ Du solt bitterlich weinen/
vnd hertzlich betrübt sein/ vnd leide tragen. [(A ij) r]
WJe soll elender ich vnd hochbetrübter Mann/
Wie soll ich meine reim vnd klage stimmen an?
Soll ich (O trewstes Weib) ewr schönes lob hersingen/
Vnd ewre Tugendt lan auff meiner Harff erklingen?
(5)Ja oder soll ich nuhr mein Pein beschreiben hier/
Vnd bringen meinen Schmertz vnd Leiden zu Pappier?
Jch solts ja beydes thun: Dann ewer Edle Ehre
Jst wehrt/ das nimmermehr ihr süsser klang auffhöre/
Auch ist so wichtig wohl meins Creutzes schwere bürd/
(10)Das in ein Messing sie tieff eingeschnitten würd.

Mit was thon aber wolt man ewer stilles leben/
Ewr fromme sittsamkeit vnd Gottesfurcht anheben?
|| [390] Mit was für einer Stim könt man doch ewre güt
Lan hören/ vnd darbey ewr redlich strack4 gemüt?
(15)Mit welchem Jnstrument/ auff was für einer Seiten
Könt ewer warhaft Hertz man spielen vnd außbreiten?
Ja die verschwiegenheit/ die demut/ die gedult/
Vnd wie ihr euch so wohl vmb Arme Leut verschuld/
Wer könt die Keuschheit doch die reinligkeit hersagen/
(20)Die ihr habt stets im Sinn vnd an dem Leib getragen?
Wie ihr hereinher tratt recht in einfältigkeit/ [A ij v]
Vnd zeigt doch ein verstandt darneben allezeit/
Wie ihr so fleissig wahrt im Hauß vnd allem handel/
Wie ihr so erbarlich fuhrt stetig ewren wandel/
(25)Wie ihr so embsig wahrt in vnsrer Kinderzucht/
Wie ihr ihr bestes habt an Seel und Leib gesucht/
Wie ewrer Mutter ihr in allem ewrem wesen
Mit trewer Kindeslieb gehorsam seit gewesen?
(Jch fürcht es krenck sich noch/ Weichs doch verhüte Gott/
(30)Die Allerliebste Fraw ümb ewren Todt zu Todt)
Mit welcher lauten auch könt werden satt gepriesen/
Die trewe lieb/ die ihr mir ewrem Mann erwiesen?
Die vngefärbte lieb/ die mir ja in der that
Vnd worten ewer Hertz Standhafft bezeiget hat.

(35)Wie that ihr doch so viel der müh vnd fleiß anlegen/
Das oft mir vnbewust ihr mein wohl möchtet pflegen?
Wie habt mein willen ihr/ mein nutzen/ meine lust/
Vnd mein begnügung doch zu suchen so gewust?
Jhr nant mich ewer Hertz/ ewr Haupt vnd ewre Sonne/
(40)Ewr liebe/ ewern trost/ ewr Frewde/ Kron vnd Wonne.
Ach wie betrübt ihr euch wann ich verreisen solt!
Wie baat ihr/ das ich doch die Reiß einstellen wolt?
Wann ich dann ewrer bitt nit folgen kont ohn schaden/ [A iij r]

So fingt ewr backen ihr mit thränen an zu baden/
(45)Mit säufftzen/ mit gebet/ mit küß/ mit weinen heiß
That ihr dann segnen mich mit Gott auffa meine Reiß/
Wann ich dann wiederkam/ so sprangt ihr vnterwegen
Entzündet im gesicht für frewden mir entgegen/
Wo ich mich nur hinwand/ ich laaß/ stund oder ging
(50)Jm Hause/ Garten/ Feld/ vnd was ich nur anfing/
Da waret allezeit ihr bey mir an der Seiten/
Jhr kont nit lassen mich an alle ort zugleiten.
Wie5 ofte sagt ihr mir ! Ach liebster Engel mein/
Geht doch nit ohne mich/ Ach last mich bey euch sein!
(55)Wer weiß wie lang ihr mich noch bey euch habt auff Erden/
|| [391] Wer weiß wie lang wir noch beysamen bleiben werden.6
Wie ofte bat ihr Gott; wann vnser Ehlich Bandt
Zerrissen werden solt einst durch deß Todes Handt/
Das er mich dann so lang ja lebend wolt bewahren/
(60)Biß ihr auß dieser Welt zu erst wehrt abgefahren
(Ach leider leider mir zu gar früh waare Wort!
Wort/ So ich tausentmahl auß ewrem Mund gehort)

Jn Summa niemand kan die trew lan recht erschallen/
Ja mitten im gesang würd ihm die Stimm entfallen/
(65)Kein Zitter/ Orgel/ Geig/ kein flöt/ kein instrument [A iij v]
Kan ewre Tugendt all herspielen auff ein endt/
Kein Baß vnd kein Discant so tieff vnd hoch kan streichen/
Der ewres ruhmes höh vnd tieffe könt erreichen
Hier würd nichts richten auß Marons Poeterey!
(70)Orpheus fehlte hier in seiner Melodey.

Ey so verzeiht mir dann Mein Allerliebste Seele/
Wann ich von ewrem rühm nach würden nichts erzehle/
Ey so verzeihet mir mein liebstes Ehgemahl/
Wann meine Stim von euch gibt dißmahl keinen schall/
(75)Ey so verzeihet mir Mein Weib trew außerlesen/
Wann ewer Ehr man nit kan in mein reimen lesen/
Begnügt euch/ das da wird im Himmel hoch itzund
Gerühmet ewer Ehr in aller Engel Mundt/
Begnügt euch/ das da nit hienieden ist geblieben
(80)Ewr Ehre/ Sondern ist im Himmel angeschrieben/
Begnügt euch/ das nuhn ist mit Christi Ehrenkron
Gekrönet ewre Ehr für Gottes Stuel vnd Thron

Gleich wie kein Mensch nun kan ewr Tugent all außsprechen/
So ist die meng auch nit der pein all hehrzurechen [(A iiij)r]
(85)Die mich thut ängsten sehr; dann nemts doch selber ab/
Was ich für grosses gut an euch verlohren hab.

Kan ewer from gemüt nit werden außgemessen/
So hat das hertzeleid kein end so mich besessen/
War so auffrichtig strack7 vnd warhaft ewer Hertz/
(90)So machts ümb so viel mehr warhaftig meinen schmertz
War so Gottsfürchtig still vnd Sittsam ewer Leben/
So muß mit vnruh ich sein desto mehr ümbgeben/
Steht ewrer Keuschheit lob in so eim hellen schein/
So muß es vmb mein leid rumb desto finstrer sein/
(95)Wurd bey euch so viel sorg mit reinligkeit gespüret/
So ist vnsäglich viel deß brastes8 / der mich rühret/
Je höher ewre trew vnd liebe wird geschätzt/
|| [392] Je höher muß dann sein die Qual/ die mich verletzt/
Ach ich fühl gar zu wohl die Last auff meiner Seelen/
(100)Wie mein gemüte stets sich martern thut vnd quelen/
Jch fühl ja gar zu wohl die angst/ die mich besitzt/
Vnd wie für bangigkeit schier blut mein hertze schwitzt/
Jch fühle wie es stickt9 in einer Preß gehemmet/
Wie hart es wird darin zerkeltert vnd geklemmet.

(105)Ach das ihr liebstes lieb doch nur könt sehen mich/
Wie ich mich doch ümb euch betrüb so hertziglich! [(A iiij)v]

Ach dz ihr noch einmahl ewr augen könt auffschliessen!
Zu sehn die augen mein/ wie sie von thränen fliessen!
Ach das ihr schawen könt wie vnd auff was gestalt
(110)Mein hertze hin vnd her mir in dem Leibe Walt!
Wie mir es drinnen schlegt/ wie mir es wil zerspringen/
Wie sichs will mit gewalt zun Augen rausser dringen.

Ach wann ihr nur einmahl noch woltet blicken an
Mich/ ewren biß in todt für leid betrübten Mann!
(115)Wie ich am Tische mich mit Zähren speiß vnd träncke/
Wie ich mich tag vnd nacht ümb ewre hinfahrt krencke/
Wie meine Zunge mir an meinen gaumen kleb/
Wie meine heische10 Stimm/ wie meine Lippe beb.
Eröfnet doch zuletzt noch einmahl ewre Ohren/
(120)Mein säuftzen/ mein geheul vnd angzen11 anzuhören/
Ach dz doch ewrem Mund noch einmahl wer vergönt/
Das er zu guter letzt mich noch gesegnen könt!
Ach das ich het auff ihm so viel noch lebens funden/
Das ich het seine küß vnd er die mein empfunden.

(125)Ja wohl/ Mein liebstes hertz/ ihr habt es hoch begehrt/
Vnd habts nit können sein in ewrem Todt gewehrt/
Wie oft hat man die wort auß ewren Mund vernomen/
Wil dann/ eh ich noch sterb/ mein Mann nit wiederkommen? [B r]
Ach möcht mein liebsten Mann ich doch noch einmahl sehn/
(130)Eh vollends mir noch gar zu meine Augen gehn!
Ach dz mein Engel doch noch erstlich möcht vernehmen
Mein meinung/ vnd wie ich wolt abschied von jm nemen/
Wie ich ihm legen wolt zu letzt/ zum trewen pfand/
Mein Mund an seinen Mund/ mein Hand in seine Hand.

(135)So sagt ihr: Vnd befahlt in ewres Schöpffers Hände
Ewr Seel/ vnd nahmet drauff ein selig schönes ende.

Weil aber damahl ich nit eben war zur stett/
Vnd ewrer nit gepflegt auff ewrem Todtenbett/
|| [393] Weil ich euch hab ümbsonst so lassen nach mir schreyen/
(140)Vnd mein abwesenheit vergebens so berewen;
So ist diß eben das/ das meinen schmertzen häuft/
Daher mein thränenstroom auch so viel stärcker läuft/
So ist diß eben das/ das meine angst vermehret/
Das meine Leibeskräft vnd athem mit verzehret:
(145)Ja es geschieht mir nun auch recht vnd überrecht/
Wann ich der einsamkeit muß sein ein steter Knecht/
Wann ewrer gegenward ich muß beraubet bleiben/
Vnd ohn euch/ Meine Frewd/ ein kläglich leben treiben/ [Bv]
Wa ihr mich nun hinfort nicht seht noch höret mehr/
(150)Ob ich auch ruffe schon vnd schreye noch so sehr/
Wān auf mein winseln ihr nit wollet mehr antworten/
Wann ich euch such ümbsonst an allen end vnd orten/
Wann ich hinfort allein in meinem Hause wohn
Ohn euch/ Mein werther Schatz/ Mein ehr vnd Meine Kron.
(155)O wie geschieht mir recht/ wann ich gantz nichtes schaffe
Mit aller meiner klag! O Talionis Straffe12 !

Drümb schweig O Musa mein/ drüm schweig O mein gesang/
Hör auff mit deiner Stimm/ halt inne deinen klang/
Mein Hand weich du zurück/ mein feder liege stille/
(160)Vnd diß Pappier nit mehr mit deim geschmier erfülle/
Jhr seid gar zu gering/ zu wenig vnd zu schwach/
Das zuverstehen ihr wolt geben diese sach/
Es kan so schwartz auch nit kein Tint vnd schwärtze
Das sie könt schwartz genug hehr drücken meinen schmertzen.
(165)Jn meinem Hertzen bleibt allein recht eingedruckt
Das Bildnüß meiner not vnd leidens vnverruckt. [B ij r]
Drümb sag ich nur noch diß: Gleich wie ich allerwegen
Mit euch hab/ O mein Schatz/ gespüret Gottes segen/
So habt ihr mir auch hier zwey schöner Pfläntzelein
(170)Zum trost gelassen noch/ ein Sohn vnd Töchterlein/
Zwey liebe werthe pfandt/ die Gott geleit vnd führe/
Vnd mit seim guten Geist zu seiner Ehr regiere.
Zwey sein schon für euch hin in hoher Seeligkeit/
Das fünft habt in dem arm ihr bey euch an der Seit.

(175)O möcht ich sein der dritt in ewrem Sarck verschlossen!
Weils aber Gottes raht vielleicht also beschlossen/
Das ich diß elend hier noch länger bawen soll/
So bitt ich/ das er mir die gnad verleihen woll/
Das ich ob ewrem Todt erkenne meine Sünden/
(180)Damit ich hab den Zorn meins Gottes thun entzündē/
Das diese Züchtigung ich annem mit gedult/
|| [394] Als die ich tausentmahl ümb meinen Gott verschuldt/
Dz Gottes rechte Hand mir durch mein hertze dringe/
Vnd mich auff rechter bahn zur wahren Busse bringe/
(185)Das mir/ so lang ich noch hier auff der Erden wall/
Sein Wort ja allezeit in meinen Ohren schall/
Das in den wegen ich deß HErren stets mög gehen/
Vnd in der warheit sein/ ja bleibe fest bestehen/ [B ij v]
Das ihr/ O seligs Weib/ mir möcht ein fürbild sein/
(190)Wie meinen wandel ich soll führen keusch vnd rein/
Das ihr mir dienen möcht zum Spiegel vnd exempel/
Wie ich soll meinen Leib als Gottes seinen Tempel
Bewahren rein vnd Keusch in aller heiligkeit/
Jn demut/ in der lieb vnd in Gottseligkeit.

(195)Wann dann die letzte stund/ die mir von Gott bestimet/
Herbey rückt/ drinnen mich der Todt hinweg auch nimmet/
Das ich so selig dann/ WJE IHR/ in sanffter ruh
Mit wahrem glauben mög mein Augen schliessen zu:
Vnd das mein Cörper letzt das glück noch möge haben/
(200)Das er werd nah an euch in eine höl begraben/
Vnd schlaff da in der still mit euch ohn alle klag/
Biß das sich dring heran deß HErren grosser Tag.

Wann der dann bricht herein mit Donner/ schrecken/ krachen/
Vnd wir dann ingesamt mit frewden beyd erwachen/
(205)So will/ so bald ich nur mein Augen öfnen kan/
Den trewen Heiland mein zum ersten blicken an/
Den zweyten Augenblick den wil ich euch verehren/
Ja wohl/ ich wil/ wann wir in herrligkeit vnd ehren [(B iij)r]
Für Gottes seinem Thron mit allen Engeln stehn/
(210)Gott ewiglich in euch/ vnd euch in Gott ansehn.

Dahin hat sich mein Seel zu sehnen angefangen/
Dahin trag ich O HErr ein mächtig groß verlangen/
Dann danck ichs ewig dir/ das du/ O Jesu Christ/
Meins angesichtes hülff vnd Gott gewesen bist.

E N / D E.
|| [395]

250413II

Fürst Ludwigs und Fürstin Amoena Amalias Klage über den Tod ihrer Tochter Prinzessin Loysa Amoena

Beschreibung der Quelle

QChristliche Leichpredigt/ | Aus dem schönen Bet- und Trostspruch | des 31. Psalms/
v. 6. | Jn deine hände/ befehle ich meinen | Geist/ etc. | Bey der Fürstlichen Leichbegängnüß der weiland | Durchläuchtigen und Hochgebornen Fürstin und Fräwleins/ Fräwlein | Loysen-Amoenen/ Des Durchläuchtigen/ Hochgebornen Fürsten | und Herrn/ | Herrn Ludwigen/ Fürsten zu Anhalt/ Graffen zu | Ascanien/ Herrn zu Bernburgk und Zerbst/ etc. | hertzliebster einiger Tochter und Fräwleins: | So zu Harderwick im Gellerland den 26. Martij Anno | 1625. sanfft und selig im HErrn entschlaffen/ der Fürstli- | che Cörper aber zu Cöthen in der Pfarrkirchen in die new- | zugerichtete Fürstliche Grufft und Ruhbett- | lein den 24. Junij selbigen Jahres | gesetzet und beschlossen | worden; | Gehalten durch | ADAMUM STRESONEM Superintendenten | und Pfarrerrn daselbst. | [Linie] | Gedruckt zu Cöthen im Fürstenthumb Anhalt/ | im Jahr M. DC. XXV. 4°, 31 S. Bl. F 2v - [F iij]v. HAB: LP Stolberg 5457.

Text

Klag-Reim beyder Fürstl. Eltern über jhre in Gott abgeleibte überbliebene eintzige Tochter.

O Weh! des grossen leids/ so unser hertz thut nagen/
Wir sind nun kinderloß in eim Jahr und eilff tagen/
Es wurd vergangen Jahr der Sohn1 voran geschickt/
Vns dieses jammerthals durch lange sucht entstrickt:
(5)Nun unsre Tochter folgt/ da Sie fünff tag gelegen/
Der vorig schmertze groß sich zwiefach thut erregen/
Kein schwachheit zeigt sich da drumb man vermuth den todt/
Sie hat auch wollen han zu sich der liebe Gott.
Ein frisch gesundes hertz/ im leib gantz unversehret
(10)Der kranckheit so geschwind/2 kont doch nicht seyn gewehret/
Der Todt erleget Sie/ Sie must jhr leben lahn.
Vnd wolte Gott mit jhr gehn gantz ein andre bahn/
An Sorgfalt/ Artzeney und fleiß thet nichts erwinden/
Dann wenn das stündlein dar/ kan man kein mittel finden/
(15)Dasselb erkent Sie wol/ als Sie mit andacht groß/
Befahl jhr glaubig seel in JEsu Christi schooß:
Vnd sprach, mein ührlein wird nun bald sein außgelauffen:
Verständig/ Christlich/ bett/ biß in Jhr letztes schnauffen/
Letzt3 sich von jederman/ und nur des stündlein' wart/
(20)Biß Jhr getrewer Gott Jhr hülff zur Himmelsfahrt.
Als wir vor hertzenleid hinweg/ hat Sie geschlossen
Bald jhre augen sanfft: Viel thränen wir vergossen/
Vnd noch vergiessen offt/ bey diesem grossen leid/
Da jmmer fleisch und blut liegt mit dem Geist im streit.
|| [396] (25)Man kan ohn seinen trost auch heilen nicht die wunde/
Davon wir linderung noch finden keine stunde.
Ja daß noch unser Creutz viel grösser macht und mehrt/
Jst daß wir han nicht mehr die so uns Gott beschert/ [F iij r]
Vnd nun so einsamlich ein zeit ohn kinder leben/
(30)Die uns der gütig Gott klug und verständig geben.
Da wir vermeint zu han an jhnen frewd und won/
Wird uns ob jhrem todt nur trawren hie zu lohn.
Wir hofften es würd Gott durch Sie nach uns fortsetzen/
Sein Kirche und dadurch manch glaubig hertz ergetzen:
(35)Wie ist es müglich doch/ daß länger wir außstehn
Diß hertzenleid und angst/ und drob nicht gantz vergehn?
Wer wil von unserm blut/ im alter/ hülff uns reichen/
Vnd was uns unlust bringt abwenden und weg scheuchen?
Da ist kein Sohn nicht mehr/ da ist kein Tochter nicht/
(40)Die unsre wehmuth groß/ mit sanfften worten schlicht.
Ach Gott wilstu dann nun so einsam uns hier lassen/
Vnd ob du uns nicht kentst/ so gantz und gar verlassen?
Wilstu dann jmmerdar mit uns gehn ins gericht/
Vnd wenden nicht zu uns mehr dein klar angesicht?
(45)Wir sind ja nicht ohn sünd/ und die mit rew bekennen/
Wir können uns getrost doch auch dein kinder nennen/
Die deiner züchtigung gern underworffen seyn/
Vnd deren kindlich hertz zu dir gericht allein.
Die zweiglein zwey die uns dein milde hand geschencket/
(50)Drümb unser fleisch im hertz so schmertzlich wird gekrencket/
Hastu genommen hin/ weil sie uns nur gelehnt/
Ob wir uns schon sehr offt/ nach jhnen han gesehnt/
Vnd dürffen wir ja nicht/ warumb dus thust/ dich fragen/
Viel mehr gedüldig/ still/ mit Job wir sollen sagen/
(55)Du hasts gegeben HErr/ genommen wieder auch/
Weil doch das leben ist/ gleich einem dampff und rauch:
Vnd wer da wol außgeht/ deß seel Gott zu sich nimmet/
Vnd zeucht jhn in die frewd von ewigkeit bestimmet/
Auch daß wir dencken nicht Gott uns da unrecht thu
(60)Jn deme daß er nimpt/ sie zu sich in die ruh/
Vnd daß er uns nicht solt mit diesem Creutz belohnen/
Vnd sie des todes noch ein lange zeit verschonen:
Nein das gesche doch nicht/ Gott uns nichts schuldig ist/
Wir können aber jhm gnug thun zu keiner frist/ [F iij v]
(65)Vnd müssen brauchen uns doch seiner güt und gnaden/
Weil er hat unsre seel geheilet vom erbschaden.
Er hat ans Creutzes stam getragen unser schult/
Die zahlung da gethan mit beten und gedult:
Daß wir nun folgen jhm im Creutz und auch im leiden/
|| [397] (70)Soll uns ja nicht seyn new/ Gott hat dazu bescheiden
Vorlengst die kinder seyn/ der eingang ists zum Reich
Der Himmel Gottes statt. Drumb last uns nicht seyn weich/
Dann durch viel trübsal wir dahin sollen eingehen/
Ob wir die schon auff erd/ mit kummer außzustehen:
(75)Da wird denn grösser seyn die ewigwehrend frewd/
Wann Gott wegnehmen wird all unser hertzenleid.
Abwaschen wird er auch von unsern nassen augen/
Die bittre thränen schwer/ die doch zu nichtes taugen/
So kom HErr Christ nun kom/ tröst uns durch deinen Geist/
(80)Der uns nur trösten kan/ und auch der Tröster heist/
Gib uns die rechte salb/ laß uns durch die erquicken/
Daß wir gedüldig nun in dieses Creutz uns schicken/
Nichts reden wider dich/ uns halten sanfft und still/
Vnd wie der deine ist/ so sey auch unser will:
(85)Laß unser leben doch in ruh fortan zubringen/
Wend ab was schaden bringt/ laß uns im ohre klingen
Dein gnade/ trost und krafft/ und uns nicht gar verlaß/
Daß wir/ wanns dir gefellt/ dir mögen dienen baß/
Vnd bringen wieder ein/ was wir vor nachgelassen/
(90)Auff dich in Zuversicht allein uns gar verlassen.
Ach HErr mit deinem Geist/ uns jmmer stehe bey/
Jn unsre hertzen gib den uns gewiß und new/
Vnd hilff uns frewdig doch diß Creutz auch überwinden/
Ja unsrer hertzen angst/ mit deiner salb verbinden/
(95)Auff daß wir rühmen dich/ dir geben lob und ehr/
Jn unserm Christenthumb zunehmen mehr und mehr/
Vnd dencken an dein gnad die mächtig in den schwachen/
Die in eim augenblick du kanst viel stärcker machen/
Als menschlich artzeney/ dein nahme sey gepreist/
(100)Du bist alleine der der uns sein güt beweist/ [(F iiij)r]
Wir thun mit leib und seel uns HErr dir gantz ergeben/
Führ uns den rechten weg nochmals in unserm leben.
Verleihe überall was selig uns und gut/
Weil wir in deinem schutz/ seynd in der höchsten hut/
(105)Ach Gott wann dirs gefellt/ wohn uns bey mit deim segen/
Daß wir drin spüren mehr wie viel daran gelegen/
Von deinem dienste nie in rechter furcht ablahn/
Vnd bey der warheit dein im glauben fest bestahn:
Drumb nun o liebe seel in uns zur ruh dich giebe/
(110)Denck doch an Gottes gnad sein güte und sein liebe/
Daß er nie die vergist/ die jhm vertrawen fest/
Vnd was er uns zuschickt/ das sey das allerbest/
Ja das es müsse uns zu unsern nutzen dienen/
Daß Sie4 mit seinem liecht Gott gnädig angeschienen/
|| [398] (115)Da er im glauben stet geruffen sie zu sich/
Vnd Sie jhm hat gefolgt von hertzen williglich/
Kein grösser gnad kan seyn/ als selig abzuscheiden/
Da kompt man in die frewd aus jammer creutz und leiden/
Aus diesem leben schnöd zu der vollkommenheit/
(120)Dazu uns gnädig hilff/ HErr zur bestimpten zeit.

KlageSonnet.

ACh hertzes Töchterlein/ von uns so hoch geliebt/
Die du von sechszehn Jahr5 uns eintzig noch gebohren/
Gott dich zum kinde jhm/ deim bruder gleich erkohren/
Du aber hier auff erd uns lessest gantz betrübt.
Jn der Hebreer sprach du fleissig warst geübt/6
Ach wann wir dich nur nicht allhier so bald verlohren/
Den andern du es leicht hettst sollen thun zuvoren/
Da du Frantzösisch auch dich in der schrifft beliebt:
Nun deiner nie bey uns jemals soll seyn vergessen/
Ob schon diß trübniß groß sehr unser hertz thut pressen.
Jn des verleih uns/ Gott/ trost/ stärcke und geduld/
Vnd laß diß schwere Creutz standhafftig uns ertragen/
Daß wir an deiner hülff und gnad ja nicht verzagen/
Vielmehr versichert seyn/ HErr deiner lieb und huld.

250413III

Gedanken Fürst Ludwigs über den Tod seiner Tochter Prinzessin Loysa Amoena

Beschreibung der Quelle

QS. Beilage II, Bl. [F iiij]v - Gr.

Text

Gedancken des Herren Vaters F. G.
Vber den tödtlichen abgang/ dero hochgeliebten und
einigen Fräwleins.

WAs vor fewr/ ungestüm/ pfeil/ hertzeleid/ beschweren/
Brennt/ übereilt/ durchfahrt/ plagt/ und thut mir verzehren
Mein Athem/ meine sinn/ mein hertze/ seele/ frewd.
Von thränen bin ich naß/ von trawren ich verschmachte
(5)Wann mein noch eintzig kind ich anschaw/ und betrachte/
Seh ich schon zugedeckt jhr liebste augen beyd.

Bey tag/ wie bey der nacht/ seh ich Sie vor mir stehen/
Sie folgt mir/ mich begleitt/ von mir wil sie nicht gehen/
|| [399] Sie redt mit meinem Geist/ jhn unterweist und lehrt:
(10)Offt/ ich ein antwort jhr zu geben mich erwege/
Jn meinem hertzen Sie erhebet alle wege
Ein göttlich reden doch/ drob mein verstandt auffhört.

Jch schelt/ klag an/ verfluch/ und feinde an ingleichen
Den todt/ den Himmelsschluß/ das unglück/ und die seuchen1
(15)Die mir durch diesen raub geursacht so viel pein/
Sie aber zeiget mir wie das nichts möge nützen
Sie sagt/ in jhrem ampt/ sie2 allzumahl zu schützen
Das Gottes willens sie2/ nur/ die vollnstrecker seyn.

Von seuffzten/ hertzensprast/ von wehmuth/ angst und klagen/
(20)Ohn Athem/ blaß/ bestürtzt/ bedutzt3 / nach dem verzagen
Kom/ ich offt aus dem steg/ selbst/ der vernunfft hinauß/
Hört auff/ sagt sie mir dann/ den quellen außzulehren4 /
Das ist keins freundes stück/ wann man den lauff wil wehren
Dem frommen wandersman/ der embsig eilt nach hauß.

(25)Mein letzte frewd/ mein kind/ mein hoffen/ trost/ vermügen
Fehrt hin/ verlesset mich/ vergeht/ stirbt/ muß erliegen/
Mein aug/ hertz/ zunge/ mund/ nach jhr sich streckt und dehnt.
Herr Vater/ saget sie/ thut mit der klag inhalten
Der ist kein Christ/ bey dem muß schlechte liebe walten/
(30)Der ümb sein eigen nutz nach seim kind/ sich nur sehnt. [G r]

O grosse Gottesfurcht/ o glauben und vertrawen/
O hertz/ so vor dem todt jhm selbst nicht hat lahn grawen/
Jhr habt mein liebstes kind gehoben aus verderb.
Jch lern jetzt durch jhr end/ daß keins recht könne leben/
(35)Das sich dem tode nicht mit willen erst ergeben/
Vnd das/ wann Gott jhm rufft/ nicht froh und willig sterb.

Reichthumb wil herschen stets/ Ehr wil nur oben schweben/
Gesundheit meint/ es müß allhie stets blümlein geben/
Das leben denckt offt selbst/ es werd nie müssen dran:
(40)Kein mensch hoff aber doch/ daß jhm werd ewig bleiben
Das/ so geliehen jhm: wie könt auch wol bekleiben5
Das/ was auff borg er nur von Gott genommen an.

Wolan/ mein Kind/ die zucht/ die liebe/ das verlangen
Deins lebens/ deiner ehr/ meins sinns nach/ nie vergangen/
(45)Soll blühen/ nie vergehn/ auffwallen stets bey mir.
Mein hertz verbleibt dein grab/ drin solstu ewig leben/
Mein mund soll von deim lob der welt stets zeugniß geben/
Mein seele wüntscht sich jetzt gen Himmel/ nur zu dir.
|| [400]

Sonnet.

ACh Gott/ wie wird so bald der jugend blum verzehret?
Wie hat die tugend selbst hie so ein kurtze zeit?
Wie wird doch/ was man liebt/ so eilend abgemeiht?
Wie kompts doch/ daß die Pare so gar an nichts sich kehret?
Sie nimpt ein Fräwlein hin/ von tugend hoch geehret/
Bewährt in Gottesfurcht/ in zucht/ in freundligkeit!
Ach Gott/ wer tröstet nun die Fürstlich Eltern beyd/
Der6 lust und hoffnung jetzt ist vollend gar zerstöret?
Der Todt rühmt sich vielleicht jetzt/ daß er mit eim streich
Der beyden Eltern frewd und lieb geraubt zugleich.
Ein trost kan jhnen noch allhier gezeiget werden/
Daß/ weil in Himmel sie/ durch jhn7 / gedrungen ist/
So seynd von nun an sie/ und jederman vergwist/
Daß Tugend anderswo sich halt/ als hier auff erden.

250413IV

Wechselgedichte Fürst Ludwigs und Fürstin Amoena Amalias von Anhalt-Köthen über den Tod ihrer Tochter Prinzessin Loysa Amoena

Beschreibung der Quelle

Q S. Beilage II, Bl. G v.

Text

An die Fürstliche Fraw Mutter.

O Fürstin/ ewer kind jetzt jederman beweinet/
Ein jeder kaum genug zu klagen es vermeinet/
Wie baden1 trawrig dann nit stets ewr augen beyd/
Wann in ein felsen euch die angst auch gleich verkehret/
Ward Niobe gleich euch/ zum stein/ als ich gehöret/
Vnd badt mit thränen doch sich stets in jhrem leid.

Antwort J. F. G.

Mein angst ist viel zu schwer/ mein leid ist viel zu groß/
Daß man mit thränen es solt können gnug beweinen/
Drümb jrren die sehr weit/ die in dem hertzensstoß
Vnd Creutze/ Nioben mir gleich zu seyn vermeinen/
Bey meinem elend ist das jhr2 / ach Gott/ so schlecht/
Daß sie/ und alle stein/ das mein3 erbarmen möcht!

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T T: In Bu 1720 grundsätzlich keine Akzente oder Dehnungszeichen.
a || [401] Inhaltsangabe auch in Bu 1720. Überschrift: XI. AUGUSTO BUCHNERO, fehlt in Bu 1708, Bu 1720 XII. Idem Eidem S.
b Bu 1708 nostri
c Bu 1708 illustri
d Bu 1708 Bibliothecæ
e Tuus in ævum kursiv. Bu 1720 bisHübnerus fehlt.

T I
a anff

Kommentar
1 250218A. Vgl. ebd. die erwähnten Gedichte Hübners (FG 25). Buchners (FG 362) Antwort ist offenbar nicht erhalten.
2 Nicht bestimmbare Dichtungen Buchners . Vgl. Dünnhaupt: Handbuch (1990), 861-867.
3 MARTINI OPITII Buch von der Deutschen Poeterey. In welchem alle jhre eigenschafft vnd zugehör gründtlich erzehlet/ vnd mit exemplen außgeführet wird. Gedruckt in der Fürstlichen Stadt Brieg/ bey Augustino Gründern. In Verlegung David Müllers Buchhändlers in Breßlaw. 1624.Opitz, II. 1, 331-416.Opitz hatte Buchner ein Exemplar seiner Arbeit am 15. 2. 1625 n. St. (s. 250218A) gesandt (Opitz: Briefe [Geiger], 340).
4 Gründonnerstag.
5 Hübner gab die Poetik frühestens Ende Juni 1625 zurück, da er sie noch dem damals erst nach Anhalt zurückkehrenden F. Ludwig zeigen wollte. S. 250218 K 18 u. 250609 K 6.
6 Hübners Gedicht „Clag vnd Trostwort Der Fürstlichen Fraw Mutter/ Vber dem tödtlichen Abgang Jhres hochgeliebten vnd Ertsgebornen Jungen Herrleins." S. 250110 II.
7 Nicht zwei Exemplare des schon in 250218A (s. dort Beil. II) überschickten Gedichts F. Ludwigs auf Fn. Anna v. Anhalt-Bernburg (AL 1617, TG 16), sondern wohl der (unten in Beilage II-IV wiederveröffentlichten) Reime auf Pzn. Loysa Amalia (TG 6), die am 26. 3. 1625 auf Reisen verstorbene Tochter F. Ludwigs und seiner Gemahlin Fn. Amoena Amalia (AL 1618, PA, TG 2). Ob F. Ludwig allein die mitgeteilten Gedichte verfaßte — oder ob seine Gattin, Hübner oder andere dabei mitwirkten (s. Überschriften) —, kann angesichts der Quellenlage nicht entschieden werden. Hübner wird Buchner (uns unbekannte) Abschriften gesandt haben. Die Leichenpredigt, nach der die Texte hier zitiert werden, dürfte erst nach der Bestattung der Prinzessin (24. 6. 1625) gedruckt worden sein. Diese Annahme mag auch durch die Datierung der darin aufgenommenen Gedichte von Martin Opitz unterstützt werden. S. 250700 II. Vgl. Adam Streso: Christliche Leichenpredigt. Bey der fürstlichen Leichbegängnüß der weiland [...] Fräwlein Loysen-Amoenen [...] so [...] den 26. Martij anno 1625 [...] entschlaffen [...] 1625. SPBK Ss 8598 R. Enthält nur eine deutsche Predigt. Vgl. außerdem 250305 K 1 u. 45 u. 250609.
8 Ein in Leipzig 1625 gedrucktes Exemplar ist nicht nachgewiesen, wird auch sonst in der Literatur nicht unabhängig von Hübners Angabe erwähnt. Witkowski, 38. Dünnhaupt: Handbuch, 1915. Wir zitieren daher nach dem einzigen bekannten Exemplar der Zerbster Ausgabe. S. Beilage I. Vgl. 240718 I (Bl. 76r u. 79v), 250305 K 13 u. 250218A K 6.
9 S. K I 5.
10 F. Ludwig .
11 Vielleicht StB Dessau: HB Hs. 12: Publius Papinius Statius: Thebais; 104 Bl., deutsche Handschrift des 12. u. 13. Jahrhunderts, wohl aus dem Kloster Nienburg in die Dessauer Hofbibliothek gelangt. S. Die lateinischen Handschriften der Stadtbibliothek Dessau. Bearb. v. Jutta Fliege. Berlin 1986 (Deutsche Staatsbibliothek. Handschrifteninventare, 10), 112f. Vgl. 250609. Aus einem undatierten Brief Buchners (Buchner 1720, II, Nr. 82) an Heinrich Kitsch (über ihn 250110 K 2) geht vielleicht hervor, daß Buchner zunächst versucht hatte, durch Kitschs Vermittlung das Dessauer Manuskript zu erlangen: „Quæso te, de Statiano negotio, quid tam altum siles? si frustra spero, mature mone & sine ambagibus. Manuscriptos Palatinos Gruterus noster contulit. Cujus excerpta, ut & cætera, quæ in ilium Poëtam meditatus idem amicus, haberem, nisi Rostochii apud Zenzerlingum hærerent. De Bergmanniano MSto multa maxima mihi sum pollicitus. Idcirco jam serio || [402] rem ago. Et si copiam ejus mihi impetrare poteris, iterum dico, regem feceris.” (S. 496f.) Ianus Gruterus , dessen Statius-Edition schon 1600 in Heidelberg erschienen war, erwähnte am 23. 6. 1622 den Verbleib seiner Arbeit in einem Brief an Robert Roberthin : „[...] dn. Iustus Zinzerlingus , quem cupiam custodire Statium meum collatum cum pluribus manuscriptis, dum eum ab ipso aliquando repetam statu meliore.” Reifferscheid, 131. Zu dem Juristen, Philologen und Reiseschriftsteller Justus Zingerling (* um 1580, †1632) vgl. Johann Friedrich Iugler: Beyträge zur juristischen Biographie. 6 Bde. Leipzig 1773-1780. IV. 1, 86-91, daneben ADB Bd. 45, 357f.Zingerling hatte Beiträge zur Textkritik der Thebais geliefert: Criticorvm ivvenilivm promvlsis: quâ in compluria Ciceronis, Taciti, OuidI, Senecæ vtriusque, Papini, Val. Flacci, Claudiani, aliorum, loca notantur emendantur illustrantur (Lvgdvni 1610). Eine Statius-Ausgabe oder ein Kommentar Buchners sind nicht bekannt. Vgl. Borcherdt, 34f.
12 Hübners Übertragung von Guillaume de Saluste sieur Du Bartas : La semaine: Wilhelms von Saluste/ Herren zu Bartas [...] Erste Woche/ Von Erschaffung der Welt und aller Geschöpffe. (Leipzig: Matthias Götze; Cöthen 1631: Johann Röhner). Vgl. Bl. ):(r - [):(]v „Vorrede An die hochlöbliche Fruchtbringende Gesellschafft.” , unterzeichnet von „Dem Nutzbaren." Die frühere, handschriftliche Fassung der Vorrede ist nicht nachgewiesen.
13 Hübners Ausgabe und Übersetzung: La seconde sepmaine de Guillaume de Saluste Seigneur du Bartas. Die Andere Woche Wilhelms von Saluste Herrn zu Bartas (Cöthen 1622).

K I
1 8 BL, letztes Bl. vacat.
2 Text der Lutherbibel angepaßt. Vgl. z. B. Biblia: das ist: Die gantze Heilige Schrifft: Deudsch Auffs new zugericht. D. Mart. Luth. (Wittemberg 1545: Hans Lufft), Bl. 343r: „Lieblich vnd schöne sein ist Nichts/ Ein Weib das den HERRN fürcht/ sol man loben. Sie wird gerhümbt werden von den früchten jrer Hende/ Vnd jre werck werden sie loben in den Thoren.” (Spr. 31, 30f.)
3 Text der Lutherbibel gekürzt. Vgl. z. B. Die Propheten alle deudsch. D. M. Luth. (Wittenberg 1624: Job Wilhelm Fincelius), 207 [in: Biblia Das ist/ Die gantze heilige Schrifft Deutsch. Doct. Martin. Luther. Jetzt von newem (Wittenberg: Zacharias Schürer 1624)]: „Mein Kind/ wenn einer stirbt/ so beweine jhn/ vnd klage jhn/ als sey dir gros Leid geschehen/ Vnd verhülle seinen Leib gebürlicher weise/ vnd bestatte jn ehrlich zum Grabe. Du solt bitterlich weinen/ vnd hertzlich betrübt sein/ vnd leide tragen[...].” (Sir. 38, 16).
4 DW X.3, 591-598, hier 593f: s. v. strack. „2) ,gerade, steil emporstehend' [...]. 4) ,in gerader richtung verlangend' [...] im gegensatz zu krumm, vgl. dazu im subst. gebrauch: dann ihren zeiter lest bleich, zitternd und erschrocken sie (Angelica) laufen, wie er will durch krumb, strack, nass und trocken" Diederich von dem Werder: L'Orlando furioso [1632—1636], 1. Gesang, Str. 12. A. a. O., 596: „[...] als ausdruck geistiger energie ,einfach, ungeschminkt, offen, ehrlich'".
5 Die folgenden vier Verse fehlen in dem Druck o. O. 1632 (HAB: Lo 7589); s. oben die Briefstelle zu K 9.
6 Die folgenden vier Verse fehlen in dem Druck o. O. 1632 (HAB: Lo 7589); s. oben die Briefstelle zu K 9.
7 DW X.3, 591-598, hier 593f: s. v. strack. „2) ,gerade, steil emporstehend' [...]. 4) ,in gerader richtung verlangend' [...] im gegensatz zu krumm, vgl. dazu im subst. gebrauch:
dann ihren zelter lest bleich, zitternd und erschrocken
sie (Angelica) laufen, wie er will durch krumb, strack, nass und trocken”
Diederich von dem Werder: L'Orlando furioso [1632—1636], 1. Gesang, Str. 12. A. a. O., 596: „[...] als ausdruck geistiger energie ,einfach, ungeschminkt, offen, ehrlich'” .
8 Gram. Götze, 39. Vgl. Beil. III, V. 19 hertzensprast.
9 erstickt. DW X.2.2, 2742.
10 heiser. Götze, 118.
11 D. i. angsten, sich ängstigen. Fnhd. Wb. I, 1195.
12 Vgl. Faber/Buchner, 743: „Talio, Poena talionis, significat parem vindictam, gleiche Wiedergeltung [...].”

K II
1 Pz. Ludwig d. J. v. Anhalt-Köthen (FG 6) starb am 15. 3. 1624, ein Jahr und elf Tage vor seiner Schwester Loysa Amoena (TG 6). S. 250110; über seine Krankheit ebd. K I 11ff. u. 210729 K 1.
2 Vgl. Loysa Amoenas Vita, a. a. O., Bl. F 2r: „Post brevem enim quinque dierum ægritudinem, postquam omnibus, qui tum aderant, porrectâ manu vale dixisset, & ardentibus suspiriis ac precibus animam Deo commendasset, || [403] optimè peractam vitam sancto ac beato fine clausit[...].”
3 (Sich feierlich) verabschieden. DW VI, 805. Vgl. Anm. 2
5 Nach Angabe der Lebensbeschreibung starb die am 28. 11. 1609 geborene Prinzessin, „cum in hac mortali vita exegisset annos XV. menses III. dies XXVI. hor. XVII.” (a. a. O., Bl. F 2r).
6 Vgl. ihre Vita, a. a. O., Bl. F: „Accedabat hùc linguarum studium, in quo cùm æquè diligenter unà cum fratre exerceretur, Gallicam tamen præ cœteris adeò feliciter arripuit, ut quod alij ad ostentationem, & inanem mundi gloriam, hæc ad solam pietatem excolendam didicisse visa sit. Præter complures enim sanctioris notæ in eadem scri- [F v]ptos libros, Gallicam Bibliorum versionem tanto studio nocturnâ propè ac diurnâ manu, evolvit, quanto ætate tali nemo quisquam alius. Quid? quòd laudatissimorum parentum exemplo, sanctas etiam Hebræorum literas adjungens, non primoribus saltem labris eas degustavit, sed penitiore earum intelligentia generosum pectus tam ubertim irrigavit, ut cum facilioribus Moysis, Josuæ, & Samuelis libris, venerandam etiam Prophetarum quorundam majestatem attingere non reformidaret. Unde factum est, ut postremo vitæ anno, præcipua totius Psalterij dicta non Hebraico tantum, sed & Gallico sermone, quorum benè gnara fuit, manu suâ enotaverit, atque in libellum usui sancto destinatum comportârit.” S. 250700 K II 1 u. Conermann TG, 590. 593 Anm. 143.

K III
1 Stresos Bericht vom Sterben Loysa Amoenas (a. a. O., Bl. E v - E ij v) und die Lebensbeschreibung der Prinzessin auf dem Sarg (hier Bl. F 2r) geben keinen Aufschluß über die nur fünf Tage dauernde Erkrankung. Es handelte sich wohl um die Pest. S. 261010 K 16.
2 Die im zweiten Vers der Strophe genannten Mächte.
3 Verwirrt, vor den Kopf gestoßen. DW I 1241; XII.1, 263f.; Kluge/Mitzka, 812. Vgl. Stieler, 353: „Verdudden. Er ist gantz verduttet/ exanimatus, fractô animô est.” Vgl. a. a. O., 263.
4 Wohl nicht mit Stieler, 1129 u. DW I, 908 ,auslehren' im Sinne von ,perdocere', sondern etwa ,[Tränenquellen] austrocknen'. DW VII, 2344f. erwähnt unter Quelle nur Belege des 18. Jahrhunderts für „nachrichten, urkunden, schriftstellerische oder künstlerische werke, die zur fundgrube oder nachahmung dienen” .
5 haften, wurzeln, bestehen. DW I, 1420.
6 deren.
7 Tod.

K IV
1 Sich in Tränen baden? Vgl. Spalding, Fasc. 1-10, 179: „in Thränen gebadet ... with tears running down his (her) checks ... the hyperbole in Tränen (or in Zähren) b. appeared in the 17th. c.” Vgl. DW I, 1072.
2 Ihr Elend.
3 Mein Elend.
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