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Beschreibung von Cod. Guelf. 1030 Helmst. (geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil VI: Cod. Guelf. 930 bis 1160 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil VI: Cod. Guelf. 930 bis 1160 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung

Beda Venerabilis. Paschasius Radbertus. Ordo professionis et investitionis sanctimonialium

Pergament — 152 Bl. — 18 × 11 cm — Lamspringe, Benediktinerinnenkloster — 12. Jh., 3. Viertel

Lagen: 10 IV (79)! II+4 (87). III+2 (95). 4 IV (127). III+2 (135). 2 IV (151). Kustoden in römischen Zahlen auf der letzten Versoseite der Lagen (mit Ausnahme der letzten drei Lagen): I.XVI. Bleistiftfoliierung modern: 1151, Zählfehler: Nach Bl. 79 ein Bl. übersprungen. Die Doppelbl. 76r–77v und 91r–92v (jeweils in der Lagenmitte) sind palimpsestiert; der untere Text ist auch mit Hilfsmitteln nicht mehr lesbar. Schriftraum: 13,5–14 × 7,5–8 cm, einspaltig, 27–29 blindliniierte Zeilen, Punkturen an den Blatträndern sichtbar, z. T. auch anstrichartige Ansätze einer Tintenliniierung am Zeilenanfang. Sehr kleine, regelmäßige Carolino-Gothica von zwei Händen, Hand 1: 2r147v; Hand 2: 147v151r. Die bislang der sog. "Scriptrix"-Gruppe zugeordneten Hände weisen ungeachtet grundlegender Ähnlichkeiten einige abweichende Merkmale auf, unter anderem stark auf den Fußsteg ausgezogene litterae elongatae. 58v in marg. eine Reihe linienloser Neumen ohne Text. In marg. zahlreiche, als langgezogene Ligaturen ausgeführte Nota-Vermerke von einer (der anlegenden?) Hand. Rubriziert, Überschriften in roten und schwarzen Unzialmajuskeln, einige (z. B. 2v) grün laviert. Die Incipitzeile 4r ist in einer für das Lamspringer Skriptorium unüblichen Weise in großen, wechselnd schwarzen und roten Unzialmajuskeln mit breiten grünen Konturbegleitstrichen und scheibenartigen grünen Punkten ausgeführt; einige Buchstaben sind gänzlich von kleinen roten Punkten umgeben (vielleicht wurden hier die Ausstattungsmerkmale einer insular beeinflußten Textvorlage reproduziert?). Am Beginn einzelner Textabschnitte sekundäre rote Initialen in unverzierter Unzialform. 2r Spaltleisteninitiale E über 8 Zeilen; der federgezeichnete Buchstabenkörper ist rot konturiert mit roten Spaltfüllungen; die Spaltleisten werden an Bogen und Querbalken von fünf jeweils fünffach genagelten Spangen zusammengehalten. Von diesen erstrecken sich locker geschwungene Spiralranken ins Binnenfeld, die mit schraffiert geäderten Knollenblättern, an den Enden zusätzlich mit geäderten und teilweise gekernten Halb- und Vollpalmettenblättern besetzt sind. Die Rankengabelungen sind mit plastisch oder linear ausgeführten Stauchungen hervorgehoben, Spangen und Endblätter gelb laviert. Gleichartig gestaltete Spaltleisteninitialen auf Bl. 2v (Initiale E über 5 Zeilen), 4r (Initiale E über 13 Zeilen), 48v (Initiale P über 8 Zeilen, Buchstabenstamm an den Endstellen mit Blattappliken), 90v (Initiale V über 7 Zeilen, die Spaltleiste des Buchstabenbogens endet in einem Drachenkopf, aus dessen geöffnetem Maul die das Binnenfeld füllende Spiralranke hervorwächst) und 129v (Initiale E über 5 Zeilen). Auf 1v befindet sich vor dem Beginn des Beda-Textes eine seitengroße (13 × 7,5 cm) lavierend kolorierte Federzeichnung. Sie ist von einem rot konturierten Rahmen aus zwei schmalen Leisten umgeben, zwischen denen sich eine als Schriftträger dienende breitere Leiste befindet, die umlaufend folgende gelb lavierte Inschrift zeigt: Ut huius sancti Hieronimi beatitudinis particeps apud dominum efficiatur prefiguratus felix Petrus idcirco quantum humana possibilitas permittit eius doctrinis et meritis divina gratia preveniente incessanter adheret. Im Zentrum sitzt in Dreiviertelansicht auf einer orange gemusterten, gelb lavierten Bank mit grüner Sitzfläche und mit orangeroten Kreuzschraffen gemusterten Kissen ein durch die Umschrift als Hieronymus (auf diesen bezieht sich auch Beda in der anschließenden Praefatio) bezeichneter Schreiber. Der Kirchenvater ist im Typus des gelehrten Klerikers zu sehen, sein Gesicht zeigt auf pergamentfarbenem Inkarnat runde rote Wangen und einen leicht gelockten Vollbart, das mittellange Haar ist tonsuriert, der Nimbus gelb laviert. Das Obergewand ist lavierend hellgrün gefärbt, die runden, nicht gebrochenen Falten sind in dunklerem Lokalton gehalten, die Säume orangerot gemustert. Mit leicht nach vorn geneigtem Haupt beugt sich der Kirchenvater über ein Schreibpult mit aufgeschlagener Doppelseite, die er beim Beschriften mit einer Feder mit dem in der Linken gehaltenen Federmesser fixiert. Die Platte des Pults ist grün umrandet; im rechten Rand stecken in Vertiefungen eine weitere Feder und zwei Tintenhörner. Das Pult steht auf einem mehrteiligen, mit Palmetten sowie orangen und grünen Kreuzschraffen verzierten Schaft. Diesen hält von links eine kleinere, knieende Gestalt mit geneigtem Haupt umklammert, die durch ihre Tonsur ebenfalls als Kleriker ausgewiesen ist; die Gestaltung seines orangerot gefärbten Gewands ist identisch wie beim sitzenden Hieronymus. Der bartlose Kleriker überschneidet den Rahmen der Zeichnung und verbindet damit die irdische Sphäre (und damit auch die des Codex selbst) mit dem vom heiligen Kirchenvater bewohnten himmlischen Raum. Die Beischrift weist den Knieenden explizit als felix Petrus aus, bei dem es sich vermutlich um den Besitzer und/oder Auftraggeber bzw. Stifter des Codex handelt. Die Hypothese von H. Wolter-von dem Knesebeck (s. unten), es könne sich dabei um einen Lamspringer Propst handeln, ist insofern unzutreffend als alle Lamspringer Pröpste des 12. Jh. namentlich bekannt sind und sich unter ihnen keiner mit Namen Petrus befindet. Er dürfte vielmehr ein Angehöriger der mindestens seit 1172 in Lamspringe nachweisbaren kleinen Gemeinschaft von Klerikern und Schülern gewesen sein, vgl. dazu unten. Eine auch inhaltlich bis in einzelne Gestaltungsmotive (Gewandsäume u. a.) sehr ähnliche, allerdings qualitätvoller ausgeführte Zeichnung findet sich in Cod. Guelf. 50.4 Aug. 4°, 1v, aus dem Hildesheimer Benediktinerkloster St. Michael, vgl. Wolter-von dem Knesebeck Lamspringe, 469 mit Abb. 355 und 356; Schätze im Himmel, 369–372 Nr. 42 mit Abb. 42.1 (M. E. Müller). – Zur Darstellung von Hieronymus als gelehrter Kleriker vgl. auch P. Carmassi, Theological issues and traces of controversy in manuscripts transmitting works of the church fathers, in: The annotated book in the early Middle Ages. Practices of reading and writing, edited by M. Teeuwen and I. van Renswoude, Turnhout 2017 (Utrecht studies in medieval literacy 38), 743–764, hier 747–752 mit Fig. 1 und 2. 35r auf dem Kopfsteg Blindgriffelzeichnung Kopfbild eines bärtigen Mannes in Dreiviertelansicht mit phrygischer Mütze. 136r auf dem Fußsteg die marginale federgezeichnete Palmettenstaude in schwarzen Umrisslinien mit langgestielten roten knospenartigen Auswüchsen. 139r auf dem Fußsteg die kolorierte Federzeichnung eines tonsurierten Mannes als Kniestück in Dreiviertelansicht mit einem roten, mantelartig auseinanderschlagenden Ober- und grünem Untergewand, der in der Rechten einen lilienartig stilisierten Zweig emporhält. Neben ihm in identischer Ausführung ein heraldisch stilisierter doppelköpfiger Vogel, der in beiden Schnäbeln gleichartige Zweige hält. Darüber die rubrizierte erläuternde Beischrift ›Filius columbae .P[etrus]. porta[n]s ramum olive [Gn 8,8] scilicet viscera misericordiae [Lc 1,78]‹. Daneben die neumierte Beischrift Vox turturis [Ct 2,12] = Beginn der Antiphon CAO 5510 in festo Assumptionis BMV. Die gesamte Darstellung bezieht sich auf den darüberstehenden Text zur Assumptio BMV und den durch rubrizierte Unzialmajuskeln im Fließtext hervorgehobenen Apostel Petrus, der nach Mt 16,17 den Beinamen Bariona (Taubensohn, vgl. z. B. Beda Hom. 2,16,6) trug, während die Olivenzweige und das Genesiszitat zugleich auf die von Moses ausgesandte Taube nach der Sintflut verweisen. Darüber hinaus wird außerdem ein Bezug zum Kleriker Petrus der Eingangsminiatur hergestellt, dessen Gestalt in der Randzeichnung den im Text genannten Apostel repräsentiert.

Romanischer Holzdeckelband mit geradem Rücken, Kanten bündig mit Buchblock, Spuren von Anobienfraß. Der Originalbezug aus ungefärbtem Schafsleder ist verloren, Reste sind auf den Spiegeln erhalten. Die Deckel wurden nachträglich mit einem Halbbezug aus hellbraun gefärbtem Kalbsleder versehen (vgl. bei Cod. Guelf. 510 Helmst.). Drei Doppelbünde. Zwei Riemenschließen mit Ösenverschluss, Schließenriemen und Ösen verloren, nur noch die zugehörige Dornen an der Kante des VD und die Gegenbleche am HD mit Riemenresten erhalten.

Fragment: Spiegel. Norddeutschland. 12. Jh., 1. Hälfte. Pergament. 2 Bl. 18 × 11 cm. Die beiden Spiegelbl. bildeten nach dem Inhalt wohl ursprünglich ein Bl, wobei auf dem VS der obere und auf dem HS der untere Teil verwendet wurde. Schriftraum: 14,5 × 7,5 cm, einspaltig (beschnitten, Schriftraum nicht mehr vollständig sichtbar), vorn 11, hinten 12 Zeilen erhalten. Späte karolingische Minuskel von einer Hand.Keinerlei Buchschmuck. VS, HS Liber ordinarius (Proprium de tempore). Jeweils nur anzitiert Antiphonen, Responsorien, Invitatorien, Lesungen und Kollekten des Stundengebets sowie die Teile des Ordinarium missae von vigilia pentecostes (mit den zugehörigen ›OffertoriumCANTUS g01088 und ›CommunioCANTUS g01089) bis Feria IIII post pentecosten; der Text beginnt auf dem VS und endet auf dem HS.

Herkunft: Der Codex wurde im 3. Viertel des 12. Jh. für den Gebrauch im Benediktinerinnenkloster Lamspringe geschrieben, vgl. auf Bl. 1r den Besitzvermerk des 12. Jh.: Liber sancti Adriani in Lamesprigge sowie darunter die charakteristische Inhaltsangabe (Bastarda, 15. Jh., gleiche Hand wie in Cod. Guelf. 943 Helmst.): Liber Hesdre Bedae [das letzte Wort wurde vom Wolfenbütteler Bibliothekar Liborius Otho hinzugefügt]. Trotz grundlegender Übereinstimmungen weisen Schrift und Ausstattung Unterschiede zu den übrigen im Kloster entstandenen Codices auf. Die einleitende Federzeichnung (1v) mit dem namentlich genannten Kleriker Petrus, die ebenfalls auf diesen hinweisende Randzeichnung (139r) und der im Codex enthaltene Ordo zur Nonnenweihe legen die Hypothese nahe, dass der Band für einen Angehörigen der mindestens seit 1172 neben dem Propst im Kloster nachweisbaren Klerikergemeinschaft bestimmt war, vgl. Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe, bearb. von H. Hoogeweg, Teil 1: Bis 1221, hrsg. von K. Janicke, Leipzig 1896 (Publikationen aus den k. preußischen Staatsarchiven 65), 318f. Nr. 333 (datiert 1162); 341f. Nr. 358 (datiert 1172, genannt Propst Berno von Lamspringe und die primi capitales Lamespringensis ecclesie videlicet sacerdotes Heinricus, Adelbertus, Hildvardus, Adelbertus quoque sacerdos ipsius ecclesie que est Yllide necnon et Walterus sacerdos de Grashurst); 343 Nr. 360 (datiert 1172–1178); Germania Benedictina 11, 334 und 352–355 sowie die einleitende Bemerkung in Cod. Guelf. 718 Helmst., Ir. — Am 10.4.1572 mit den übrigen Lamspringer Codices in die Wolfenbütteler Hofbibliothek überführt, 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 27v) als Expositiones Bedae praesbiteri super Libros Esdrae in quarto vnd bretern mit Pergamein vbertzogen gebunden vff Pergamein geschrieben verzeichnet. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 305 [300]) als Beda presbyter in tres libros Esdras. Ibidem Sermo B. Hieronymi ad Paulam et ad virgines sub ea degentes de assumptione S. Mariae virginis unter Nr. Z 125 der Papalia miscellanea nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 18r) als Bedae commentarii in Esdram in membrana unter den Theologici MSSti in quarto beschrieben; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 521 genannt.

Schönemann, 70 Nr. 3.7. — Heinemann Nr. 1132. — Krämer, 473. — Germania Benedictina 11, 370. — Wolter-von dem Knesebeck Lamspringe, 468f. mit Abb. 355, 476. — Oldermann-Meier, 138. — Härtel Lamspringe, 119, 130. — Härtel, 61, 93f. Nr. 20. — El-Kholi, 48, 195. — Bertelsmeier-Kierst Audi filia, 264. — Röckelein Klosterfrauen, 30 und 34. — Müller Einflüsse, 331f. — Kat. Illuminierte Hs. HAB 1.

1r Besitz- und Inhaltsvermerke (s. oben), 1v Federzeichnung (s. oben).

2r129v Beda Venerabilis: In Esram et Neemiam prophetas allegorica expositio. Die Gliederung in Prolog (2rv: ›Incipit prefacio libri Ezre prophete … Explicit prefacio‹), Kapitelverzeichnis (2v4r: ›Incipiunt capitula libri Ezre prophete‹), Buch I (4r48v: ›Incipit liber Ezdre … Explicit liber primus‹), Buch II (48v90v: ›Incipit secundus … Explicit liber secundus expositionis Bede presbyteri in Ezram‹) und Buch III (90v129v: ›Incipit liber tercius in verba Neemie … Explicit liber tercius expositionis Bede in Ezram et Neemiam‹) entspricht der Ausgabe. Druck: PL 91, 807B–924C; CC SL 119A, 237–392. Literatur: Laistner/King, 39–41 (40 Hs. genannt); Stegmüller RB 1607; CPL 1349; Sharpe, 72 Nr. 152.11; CALMA 2, 174 Nr. 15.

129v147v Paschasius Radbertus: Epistula de assumptione BMV. ›Incipit sermo beati Hieronimi ad paulam et ad virgines sub ea degentes de assumptione sancte marie semper virginis‹. Cogitis me o Paula et Eustochium immo caritas Christi me compellit qui vobis dudum tractatibus loqui consueveram … — … illuc dirigite mentem ut cum Christus virginis filius apparuerit in fine seculi cum ipso et vos appareatis in gloria Amen. ›Explicit sermo de assumptione dei genitricis perpetue virginis Marie‹. Im laufenden Text ist der Name Maria und die Namen der erwähnten Apostel stets in roten oder wechselnd roten und schwarzen Unzialmajuskeln als Auszeichnungsschrift ausgeführt. Lesungen aus diesem Text vgl. in Cod. Guelf. 413 Helmst., 23rb–29rb; 725 Helmst., 94r–96r und 99v–112v; weitere Auszüge in Cod. Guelf. 33.1 Aug. 2°, 354v–355v; 4.3 Aug. 4°, 116r–118r. Edition: PL 30, 122C–142D; Der Pseudo-Hieronymus-Brief IX "Cogitis me". Ein erster marianischer Traktat des Mittelalters von Paschasius Radbert, hrsg. von A. Ripberger, Freiburg/CH 1962 (Spicilegium Friburgense 9), 57–113, ND in CC CM 56C, 109–162. Literatur: BHL 5355d; BHM 309 (Hs. genannt); CPL 633; CPPM 858.

147v151r Ordo professionis et investitionis sanctimonialium. ›De habitudine et ordine earum que seculo huic renuntiare desiderant‹. Post evangelium maioris misse benedictio et ordinatio monacharum rite est agenda et hoc modo inchoanda: Novicie que sunt ordinande ante gradus statuuntur in choro secundum ordinem … — … ut ad sancta sanctorum tuorum puris mereamur mentibus introire. Per. Bei dem vorliegenden, in der Forschung bislang unbeachteten Text handelt es sich, wie das Formular und die Rubriken mit der Erwähnung des ›abbas‹ nahelegen, nicht um einen genuinen Ordo zur Jungfrauenweihe und -einkleidung, sondern um einen für Nonnen adaptierten Ordo zur Mönchsprofess. Die hier vorhandenen Bestandteile finden sich in monastischen Ritualien und auch teilweise im römischen Pontifikale, wurden allerdings eigenständig kombiniert und ergänzt. Je nach der Formulierung des verwendeten Ursprungstextes sind in Rot die jeweiligen Singular- oder Pluralformen superskribiert. Zur Identifikation der Texte wurden benutzt: Andrieu 1, 174–176 Nr. XVI; Rheinauer Rituale, 144–147 Nr. XXXIII; O. Ringholz, Wernher II., Abt und Dekan von Einsiedeln, seine Constitutiones und sein Ordo ad faciendum Monachum, in: Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner- und dem Cistercienser-Orden 6/2 (1885), 326–344, hier 333–339. Im einzelnen sind enthalten:
(147v150r) Ordo professionis sanctimonialium. Am Beginn stehen das Professversprechen der Novizinnen (Ego soror N promitto stabilitatem … in hoc monasterio quod constructum est in honore sancti A[driani] in presentia domini N abbatis et patris nostri) und die Bitte um Aufnahme, weitgehend übereinstimmend mit Rheinauer Rituale, 144f Nr. XXXIII.116. (148r–v) folgt eine Litanei (hervorgehoben sind Georg, die Klosterpatrone Hadrian und Dionysius sowie Michael und Benedikt) mit Fürbitten, davon zwei mit Neumierung zur cantillatio auf dem Kopfsteg von 148v nachgetragen. (148v–150r) folgen insgesamt sechs Weihegebete, zunächst die vier aus den römischen und cluniazensischen Ordines bekannten (vgl. Andrieu 1, 174f. Nr. XVI.2–5 = Rheinauer Rituale, 145–147 Nr. XXXIII.117–120), im Anschluss stehen zusätzlich Deus religionis amator omnis boni largitor … und Dignare domine quesumus famulabus tuis renuntiantibus … (vgl. Ringholz Wernher II., s. oben, 335f.).
(150rv) Ordo investitionis sanctimonialium. ›Hinc surgunt novicie ab oratione et dominus abbas occurrat illis ad gradus conspergatque eas aqua benedicta et melotes ita benedicat‹ … — … ›Circumeunt per totum chorum ut omnes sorores deosculentur. In his tribus diebus caput non denudant capello [!] iugiter coopertum. Tercio die pater monasterii post communionem sanctam abstrahit eis velamen quod nos claram dicimus et capitibus earum superponit et de cetero licet eis sicut aliis sororibus loqui et exuere indumentum‹. Weitgehend übereinstimmend mit Rheinauer Rituale, 147 Nr. XXXIII.121–123, hier ist allerdings nach der einleitenden Segensformel noch eine zusätzliche Oration eingeschoben: Deus eternorum bonorum fidelissime promissor certissime persolutor … (vgl. Ringholz Wernher II., s. oben, 337); ein weiteres Zusatzgebet folgt am Schluss: Omnipotens sempiterne deus cuius karitatis ardore succense hec famule tue … cuncta sue devotionis promissa adimplesse letentur. Per.
(150v151r) ›Missa in die professionis earum‹. Angeführt sind ›Oratio‹, ›Secreto [!]‹ und ›Postcommunio‹ (Formular wie bei Ringholz Wernher II., s. oben, 338f.); den Textschluss bildet unter der Rubrik ›Cum accesseris ad altare dicito‹ die Gebetsformel Deshusses 814. Literatur (jeweils ohne Kenntnis dieses Beispiels): H. Frank, Untersuchungen zur Geschichte der benediktinischen Profeßliturgie im frühen Mittelalter, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 63 (1951), 93–139; S. Hilpisch, Die Entwicklung des Profeßritus der Nonnen, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 66 (1955), 28–34; P. Hofmeister, Benediktinische Profeßriten, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 74 (1963), 241–285; M. Breitenstein, Das Noviziat im hohen Mittelalter. Zur Organisation des Eintrittes bei den Cluniazensern, Cisterziensern und Franziskanern, Berlin, Münster 2008 (Vita regularis. Abhandlungen 38), 73–77, 205–209, 256–266 und 409–412.151v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

Andrieu M. Andrieu, Les Ordines Romani du haut moyen âge, Bd. 1–5, Louvain 1931–1961 (Spicilegium sacrum Lovaniense: Études et documents 11, 23, 24, 28, 29)
Bertelsmeier-Kierst Audi filia C. Bertelsmeier-Kierst, Audi filia et vide. Frauenkonvente nach der monastischen Reform, in: Zwischen Vernunft und Gefühl. Weibliche Religiosität von der Antike bis heute, hrsg. von Ders., Frankfurt/M. u.a. 2010 (Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 3), 61–90, hier nach dem ND in: Dies., Buchkultur und Überlieferung im kulturellen Kontext, hrsg. von T. Terrahe, R. Toepfer und J. Wolf, Berlin 2017 (Philologische Studien und Quellen 17), 255–286
BHL Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis, 2 Bde., ed. Socii Bollandini, Bruxelles 1898 und 1901 (Subsidia hagiographica 6), Bd. 3: Supplementi editio altera, Bruxelles 1911 (Subsidia hagiographica 12)
BHM B. Lambert, Bibliotheca Hieronymiana Manuscripta. La tradition manuscrite des oeuvres de Saint Jérôme, Bd. 1A–4B, Steenbrugge 1969–1972 (Instrumenta patristica 4)
CALMA C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999–
CANTUS CANTUS: A Database for Latin Ecclesiastical Chant. Indices of chants in selected manuscripts and early printed sources of the liturgical Office (https://cantusdatabase.org/)
CAO R.-J. Hesbert, Corpus antiphonalium officii, Bd. 1–6, Rom 1963–1979 (Rerum ecclesiasticarum documenta. Series maior 7–12)
CC CM Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis, Bd. 1–, Turnhout 1971–
CC SL Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954–
CPL Clavis patrum Latinorum, hrsg. von E. Dekkers, Steenbrugge u.a. 31995 (Corpus Christianorum. Series Latina)
CPPM Clavis patristica pseudepigraphorum medii aevi, hrsg. von I. Machielsen, Turnhout 1990– (Corpus Christianorum. Series Latina)
Deshusses J. Deshusses, Le sacramentaire Grégorien. Ses principales formes d'après les plus anciens manuscrits, Bd. 1–3, Fribourg 1971–1982 (Spicilegium Friburgense 16, 24, 28)
El-Kholi S. El-Kholi, Lektüre in Frauenkonventen des ostfränkisch-deutschen Reiches vom 8. Jahrhundert bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, Würzburg 1997 (Epistemata 203)
Germania Benedictina Germania Benedictina, hrsg. von der Bayerischen Benediktiner-Akademie München in Verbindung mit dem Abt-Herwegen-Institut Maria Laach, Bd. 1–, St. Ottilien 1994–
Härtel H. Härtel, Geschrieben und gemalt. Gelehrte Bücher aus Frauenhand. Eine Klosterbibliothek sächsischer Benediktinerinnen des 12. Jahrhunderts, Wiesbaden 2006 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 86)
Härtel Lamspringe H. Härtel, Lamspringe. Ein mittelalterliches Skriptorium in einem Benediktinerinnenkloster, in: Kloster und Bildung im Mittelalter, hrsg. von N. Kruppa und J. Wilke, Göttingen 2006 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 218 = Studien zur Germania sacra 28), 115–153
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Kat. Illuminierte Hs. HAB 1 Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von S. Westphal (in Bearbeitung)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
Laistner/King M. L. W. Laistner, H. H. King, A hand-list of Bede manuscripts, Ithaca/N.Y. 1943
Müller Einflüsse M. E. Müller, Einflüsse aus West und Ost in der Hildesheimer und in der thüringisch-sächsischen Buchmalerei des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Zentrum oder Peripherie? Kulturtransfer in Hildesheim und im Raum Niedersachsen (12.–15. Jahrhundert), hrsg. von ders. und J. Reiche, Wiesbaden 2017 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 32), 305–366
Oldermann-Meier R. Oldermann-Meier, Der Kirchenschatz des ehemaligen Benediktinerinnenklosters Lamspringe. Zusammensetzung und Einziehung zur Zeit der lutherischen Reformation, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 66 (1998), 111–146
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Rheinauer Rituale Das Rheinauer Rituale (Zürich Rh 114, Anfang 12. Jahrhundert), hrsg. von G. Hürlimann, Fribourg 1970 (Spicilegium Friburgense 5)
Röckelein Klosterfrauen H. Röckelein, Schreibende Klosterfrauen – allgemeine Praxis oder Sonderfall?, in: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter. Mit einer Einführung von H. Härtel, hrsg. von H. Schmidt-Glintzer, Wiesbaden 2008 (Wolfenbütteler Hefte 22), 15–38
Schätze im Himmel Schätze im Himmel – Bücher auf Erden. Mittelalterliche Handschriften aus Hildesheim, Ausstellung Wolfenbüttel 5. September 2010-27. Februar 2011, hrsg. von M. E. Müller, Wolfenbüttel 2010 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 93)
Schönemann K. P. C. Schönemann, Zur Geschichte und Beschreibung der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, in: Serapeum 18 (1857), 65–91, 97–107
Sharpe R. Sharpe, A Handlist of the Latin Writers of Great Britain and Ireland before 1540, Turnhout 1997, Additions and corrections (1997–2001), Turnhout 2001 (Publications of the Journal of medieval Latin 1)
Stegmüller RB F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980
Wolter-von dem Knesebeck Lamspringe H. Wolter-von dem Knesebeck, Lamspringe, ein unbekanntes Scriptorium des Hamersleben–Halberstädter Reformkreises zur Zeit Heinrichs des Löwen, in: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, Bd. 2: Essays, hrsg. von J. Luckhardt und F. Niehoff, München 1995, 468–477

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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