Goldenes Wissen
Die Alchemie - Substanzen, Synthesen, Symbolik
Ausstellungsdauer: 31. August 2014 bis 26. April 2015
Ausstellungsort: Augusteerhalle, Schatzkammer und Kabinett der Bibliotheca Augusta
Die Alchemie eröffnet uns ein faszinierendes Wissensfeld der Theorie und Praxis. Hervorgegangen aus der alten Naturphilosophie und Handwerkskunst, verbreitet bereits im Ägypten der Spätantike, strahlte sie über die Zeiten hinweg vielfältig in gesellschaftliche Sphären aus. Jahrhundertelang gründete sich die Alchymia, die „chymische Kunst“, auf die fest verwurzelte Annahme: Der suchende und forschende Mensch ist in der Lage, Einblick in die innersten Zusammenhänge und Triebfedern der Natur zu gewinnen, seine Kunstfertigkeit vermag die pflanzlichen, tierischen und mineralischen Stoffe in eine qualitativ höhere Materie zu verwandeln. Der Wachstums- und Reifungsprozess der Stoffe, in den Metamorphosen, Altersstufen und Jahreszyklen der belebten Natur anschaulich greifbar, wurde als Wandlungsfähigkeit auch der unbelebten Natur, den Metallen und Mineralien, zugesprochen. Praktiken im alchemischen Laboratorium hatten die Funktion, eine Transmutation in Gang zu setzen, das heißt die natürliche „Reifung“ noch minderwertiger Metalle in die Edelmetalle Gold und Silber als den reinsten und vollkommensten metallischen Substanzen zu beschleunigen.
Bis heute ist vor allem dieses Bild der Alchemie als Goldmacherei – ob sie nun in illusionärer Selbsttäuschung oder in bewusst betrügerischer Absicht versucht wurde – im kulturellen Gedächtnis lebendig geblieben. Indessen vereinigte die Alchemie zwei an sich grundverschiedene Konzepte, die in wechselnden Anteilen verwoben waren: Einerseits die Vorstellung einer heiligen Natur, übersät von über sich selbst hinausweisender und miteinander in Beziehung stehender Zeichen, der sich der Mensch mit Ehrfurcht zu nähern habe; andererseits ein forschendes Interesse, das ihre Elemente isolierte, präparierte und ihre Beziehungen aufdeckte. Die Alchemie vereinigte unter ihrem Namen ein spekulatives, von Theologie und Philosophie, zuweilen auch von magischem Denken getragenes Naturverständnis ebenso wie eine mit den Verfahren der Beobachtung, des Experiments, der „Probierkunst“ operierende empirische Wissenspraxis, auf die dann die moderne Naturwissenschaft aufbauen konnte.
Wenn es auch nie gelungen ist, Blei zu Gold zu veredeln oder die Formel der Unsterblichkeit zu finden, wurden dennoch in den alchemischen Laboratorien Wege zur Chemie gebahnt. Viele Sucher nach dem Stein der Weisen waren im Bergbau, in der Metallurgie und in der Töpferei an praktischen Entdeckungen beteiligt. Die Destillation von Alkohol geht auf alchemische Versuche zurück. Alchemiker entdeckten Schwefel- und Salpetersäure und Ammoniak. Ohne vom Ziel der Goldumwandlung abzulassen, fand Johann Rudolf Glauber 1653 das nach ihm benannte Heilmittel Glaubersalz (Natriumsulfat). Der Glasmacher Johann Kunckel machte sich durch die Herstellung von Rubinglas und Kristallfabrikaten einen Namen, Johann Friedrich Böttger schließlich ging als Erfinder des Porzellans, des „weißen Goldes“, in die Geschichte ein. Zwischen dem barocken Hof – der sein Dasein als eine prunkvolle Schaubühne begriff und stets neue Einnahmequellen erschließen wollte – und den Alchemikern, die den Eindruck erweckten, Stoffe zu veredeln beziehungsweise neu zu erzeugen, bestand eine fruchtbare Zweckgemeinschaft. Alchemie war aber weitaus mehr: Viele ihrer Vertreter fühlten sich von der Aussicht, materielle Reichtümer anzuhäufen, kaum berührt, ging es doch für sie darum, den inneren Aufbau der materiellen Welt zu durchschauen. In der Frühen Neuzeit waren „faustische“ Menschen keine Seltenheit.
Die Ausstellung zeigt in repräsentativer Breite Text- und Bildquellen aus 300 Jahren Alchemiegeschichte, beginnend mit illuminierten Handschriften aus dem frühen 15. Jahrhundert. Sie endet mit dem 18. Jahrhundert, als sich der kartesianische Zugang zur Welt fest zu etablieren beginnt. Gerade für das, was in den Verifikationen und Falsifikationen der modernen Naturwissenschaft verloren ging, stellte die Alchemie auch weiterhin eine facettenreiche Bildsprache bereit, die je nach Zugang und Zeitalter neu kulturell ausgeschöpft wurde und die auch noch in unserem Alltag Spuren hinterlassen hat. Die Ausstellung präsentiert die Quellen in drei Abschnitten: In der Augusteerhalle kommen unter dem Titel Phänomene und Kontexte der Alchemie Grundlagen zur Entfaltung. In der Schatzkammer werden Bild und Text in alchemischen Handschriften gezeigt und im Kabinett öffnen sich Einblicke in das alchemische Laboratorium.
Katalog
Goldenes Wissen. Die Alchemie – Substanzen, Synthesen, Symbolik. Herausgegeben von Petra Feuerstein-Herz und Stefan Laube. Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek Nr. 98. 2014. ca. 392 S. mit 198 Farbabbildungen. ISBN: 978-3-447-10251-3.
Ausgestellte Handschriften
Signatur | Handschriftentitel | Entstehungsort | Entstehungszeit | Faksimile |
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Cod. Guelf. 16.3 Aug. 4° | Varia secreta medica | 16. Jh. | ||
Cod. Guelf. 16.5 Aug. 4° | Liber XII conclusionum de secretis secretorum lapidis philosophorum. | 15. Jh. | ||
Cod. Guelf. 23.19 Aug. 4° | Michreris de arte alchymica et lapide philosophorum dialogus cum Mirnesindo suo discipulo habitus. | 1500 | ||
Cod. Guelf. 43 Aug. 4° | Ein Spigel der Alchimia. | 1578 | ||
Cod. Guelf. 48.1 Aug. 4° | Ein uberauss herlich vnnd vor niemahlen gesehen Werck, dareinen das göttlich vnnd hohe Geheimnuss der Alchimia kürztlich vnnd warhaftig begriffen | 16. Jh. | ||
Cod. Guelf. 55.7 Aug. 4° | S. Thomae de Aquinotractatus de Lapide philosophorum | 15. Jh. | ||
Cod. Guelf. 77.2 Aug. 8° | Speculum alchymie. | 15. Jh. | ||
Cod. Guelf. 80.4 Aug. 8° | Alchemische Sammelhandschrift | 15. Jh. | ||
Cod. Guelf. 188 Blank. | Ulmannus: Buch der Heiligen Dreifaltigkeit (W2) | Ostmitteldeutschland | 1471 | |
Cod. Guelf. 151 Extrav. | Alchemistischer Sammelband | 16. Jh, Mitte/17. Jh., 1. Viertel | ||
Cod. Guelf. 118 Helmst. | ||||
Cod. Guelf. 242 Helmst. | Medicamenta chymica composita pretiosissima et laboriosissima per D. Henricum Iulium episcopum Halberstadensem, ducem Brunswicensem et Lunaeburgensem | 16.-17. Jh. | ||
Cod. Guelf. 340 Helmst. | Sammlung chemischer Rezepte. Deutsch. 1. Band | Deutschland | 16. Jh. | |
Cod. Guelf. 433 Helmst. | Alchemische Sammelhandschrift | Raum Franken/Bayern | 15. Jh., 2. Drittel | |
Cod. Guelf. 627 Helmst. |