Aurelius Augustinus, Sermones
Lamspringe — 12. Jh., 4. Viertel
Provenienz: 1r Besitz- und Schreibervermerk, Lamspringe: Liber sancti Adriani martiris in Lamesprigge scriptus a domina Ermengarde diebus domine Judite priorisse et Gerhardi prepositi (12./13. Jh.; Propst Gerhard ist für Lamspringe in der Zeit 1178-1205 urkundlich belegt; Lit.: Hildesheim, UB Hochstift 1, 387, 390, 396, 416, 428, 431, 475, 476, 499, 604, 674). Vermerke von dieser Hand auch in 145 Helmst., VS; 443 Helmst.,1r; 447 Helmst., 5r; 475 Helmst., 1r; 480 Helmst., 1r; 482a Helmst., 1r; 504 Helmst., VS; 510 Helmst., 1r; 511 Helmst., 1r; 519 Helmst., 1r; 553 Helmst., 1r; 650 Helmst., 1r; 723 Helmst., 1r; 943 Helmst., 1r; 1012 Helmst., 1r; 1030 Helmst., 1r; 1034 Helmst., 1r; 1113 Helmst., 1r und 1196 Helmst., 1r. Von späterer Hand: De dominica oratione. Die Hs. wurde am 10.4.1572 mit den übrigen Lamspringer Codices in die Wolfenbütteler Hofbibliothek überführt, 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 27r) als: Augustinus de Oratione Dominica et varii sermones eiusdem auff Pergamein geschrieben in folio vnd bretern ohne leder gebunden verzeichnet. 1614 im Gesamtkatalogvon Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 212 [207]) unter den Patres als Sermones et Tractatus aliquot Augustini manuscripti in pergameno mit der Signatur E 20 nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 2v) als Augustini Sermones et Tractatus aliquot in membrana unter den Theologici MSSti in folio beschrieben; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 51) unter Nr. 50 genannt.
Pergament — 191 Bl. — 32,0 × 21,0 cm
Lagen: I+1 (2). 23 IV (185). I+1 (189). Nach Bl. 1 ein Bl. ungezählt, Blattzahl 96 doppelt vergeben. Neuere Tintenfoliierung. HS Fragment eines Breviers (Marienoffizium, 9. Jh.; zum Text vgl. 1v-2, 4v 1. Spalte, Zeile 14-189. Hand 2: Hamersleben-Gruppe, 3va-4va 1. Spalte, Zeile 14; zur Händeteilung vgl. , 161, Anm. 21). Ähnlichkeit zu beiden Händen besteht mit den Handschriften der Hamersleben-Gruppe: 903 Helmst., 75v-142v (Hand 2) und 475 Helmst., 1v-4 (Hand 2) und 480 Helmst., 1v ( , 165). Zu den Büchern 2-5zeilige rote Initialmajuskeln. Buchüberschriften rubriziert.
, Kat. Nr. 1.; , 262). Schriftraum: 25,0 × 16,0 cm, zweispaltig, 38 Zeilen. Carolino-Gothica von zwei Händen. Hand 1: Schreiberin Ermgard (vgl. Eintrag auf 1r),Romanischer Holzdeckeleinband mit 8 mm dicken, gehobelten Eichenbrettern. Bezugsleder nicht mehr vorhanden.
INHALT
1v-189r : Sermones (ausführliche Editionsangaben bei , 67f.; , 262-264).
AUSSTATTUNG
Eine historisierte Initiale.Historisierte Initiale: Zu Beginn des Textes auf 3v eine Spaltleisteninitiale vor einem mit Leistenrahmen umschlossenen Hintergrund. Im Binnenfeld mittig auf einer Bank, vor einem Vorgang sitzend, der hl. Augustinus. Er trägt das bischöfliche Ornat. In seiner Rechten hält er den Bischofsstab, in der Linken das aufgeschlagene Buch, das von seinem linken Bein gestützt wird. Sein Kopf wirkt im Verhältnis zum gedrungenen Körper recht groß und das Inkarnat besitzt sehr feine Nuancierungen. Die Fältelung des Vorhangs und des Untergewandes mit tiefen, klar gesetzten Faltentälern. Die Spaltleisteninitiale mit fünfach genagelten Spangen, die Cauda mit Palmettenbesatz, hier die Blätter mit kräftiger Äderung/Schraffur, das Endblatt mit charakteristisch abstehendem Hakenblatt. Der im Hintergrund befindliche Vorhang ist mit Dreipunktblüten verziert und besitzt eine Borte mit Punktreihung. 5,5 cm.
Farben: Der blaue Hintergrund schließt mit einem grünen Leistenrahmen ab. Die Stoffbahnen des Gewandes und des Vorhangs in den Farben Rot, Grün und Blau. Faltentäler in kräftigen Strichen der Grundfarbe, Übergänge laviert. Umrisse in Schwarz.
STIL UND EINORDNUNG
204 Helmst. mit seinen namentlichen Einträgen in Bezug auf das Benediktinerinnenkloster Lamspringe, bildet, ebenso wie 475 Helmst., einen Ankerpunkt für die Tätigkeit des hier in der zweiten Hälfte ds 12. Jh. arbeitenden Skriptoriums (Lit.: C. Römer, "Lamspringe", in: U. Faust (Bearb.), Die Frauenklöster in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen, St. Ottilien 1984 (Germania Benedictina 11), 331-376, hier 334f.; A. Dylong, "Lamspringe", in: , Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, Teil 2, Bielefeld 2012, 901-908 ; ; ; ; ; , 331, Anm. 83). Die in Zusammenhang mit der Lamspringer Priorin Judith und dem 4. Lamspringer Propst Gerhard (amt. 1178-1205/1210) auf 1r genannte Schreiberin Ermengarde ist, wie Schönemann berichtet, auch aus einer verschollenen, 1810 in Helmstedt verauktionierte Handschrift der Ratio divinorum officiorum bekannt ( , 71). Sie wurde dort, ebenso wie in 204 Helmst., in Zusammenhang mit der genannten Priorin, dem Propst und zusätzlich zusammen mit einer weiteren Schreiberin, namens Odelgarde in der Schlussschrift erwähnt. Neben der Hand der Schreiberin Ermengard, ist auf den folgenden ersten Seiten des Codex (3va-4va) eine Hand auszumachen, die bereits Cohen-Mushlin und, in der Nachfolge, auch Härtel als eng verwandt zum Schreiber B der Hamerslebener Bibel (Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 472 [olim M 1]; , 165-168) identifizierten ( , 155; , 20). Weitere Codices, in denen die Hand B der Bibel nachzuweisen ist, der Hamerslebener Psalter, Wolfenbüttel, HAB, Cod. Guelf. 1075 Helmst., das Evangeliar New York, PML, MS M.565 (Lit.: , 58-74, , 278-282) sowie das Evangeliar Moskau, Russisches Staatsarchiv Alter Akten [RGADA], Fond 1607, Inv. 1, No. 23 (Lit.: , 74-95). Zudem ist der Schreiber B der Bibel in Urkunden zu erkennen, die im Namen des Herzogs Adalbert von Sommerschenburg und der Bischöfe Ulrich und Dietrich in den Jahren 1174, 1178 und 1181 geschrieben wurden ( , Nr. 17, 21, 25). Die erste Hand der Wolfenbütteler Handschrift, die Hand der Ermengard, imitiert, laut Cohen-Mushlin, die zweite, von Hamersleben abhängige Schrift ( ,161). In einem heute verschollenen Hamerslebener Dokument ist die personelle Verbindung des Lamspringer Propstes Gerhard zum Propst Hermann von Hamersleben (1182-1202) belegt. Zu dieser Zeit dürfte es einen engen Austausch beider Klöster gegeben haben ( , 165). Als paläographisch besonders eng zur Wolfenbütteler Augustinushandschrift bezeichnet Cohen-Mushlin eine Hand im Moskauer Evangeliar, 7v ( , 155, Abb. 134), so dass davon ausgegangen werden kann, dass zwischen beiden Klöstern, Hamersleben und Lamspringe, ein enger Austausch bestand (ausführlicher zu Hamersleben und dem Hamersleben-Halberstädter Reformkreis der Augustiner-Chorherren, vgl. 1075 Helmst.). Die Erwähnung in einem Hamerslebener Dokument, geschrieben am 22. Juni 1186, nennt beide Pröpste, Gerhard für Lamspringe und seinen Bruder Hermann (amt. ca. 1182-1202; , 239, Anm. 24) für Hamersleben, in direkter Verbindung (Hermannus praeposits de Hamersleve, Gerhardus frater eius praepositus in Lamspringe; heute verschollen, Lit.: , Nr. 28, 138-139). Weitere Schreiberhände, die die Nähe zum Hamerslebener Skriptorium zeigen finden sich in den Codices 475 Helmst.; 480 Helmst., 1v; 903 Helmst., Bl. 75-150; 982 Helmst., Bl. 25-169; 1012 Helmst. und 1034 Helmst. 204 Helmst. besitzt als einzigen Buchschmuck die zu Textbeginn platzierte historisierende Initiale mit dem Autorenbild des thronenden Augustinus. Stilistische und ikongraphische Paralellen zeigt die Clemensdarstellungen in 475 Helmst., 102r und die Gregoriusdarstellung in 903 Helmst., 75v (Gewänder und Farbwahl, letztere nahezu identisch mit 903 Helmst.). Stilistisch besonders eng, mit gedrungenen Körpern, großen Köpfen, gleichem Inkarnat und Haaren sowie gleicher Farbpalette, gibt sich die Clemens/Petrus-Darstellung in 475 Helmst., 102r ( , 161; vgl. 475 Helmst.), deren Beischrift, laut Cohen-Mushlin, von Hand der Schreiberin der vorliegenden Handschrift - Ermengard - stammt. Es ist also anzunehmen, dass nicht nur der Text, sondern auch die historisierte Initiale von 204 Helmst. dieser Künstlerin/Schreiberin zuzuschreiben ist. Wie die Vergleichshandschriften (475 Helmst., 903 Helmst. und auch 480 Helmst.), dürfte auch 204 Helmst. in der Amtszeit des Propstes Gerhard und in der frühen Amtszeit des Hamerslebener Propstes Hermann, also in den 70/80er Jahren des 12. Jh. enstanden sein, da sich in der Gruppe noch Schreiberhände der sogenannten Scriptrix-Gruppe (3. Viertel 12. Jh.) ausmachen lassen.Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, 70. — , Nr. 237 (Heinemann Nr.). — , 508f. — , Kat. Nr. G 85b ( ). — , 469, 476. — , 44f., 328. — , Chapter four a Twelfth-Century Scriptrix from Nunnaminster, in: Of the making of books. Medieval manuscripts, their scribes and readers, Essays presented to M. B. Parkes, hrsg. von u.a., Aldersot, Hants 1997, 89 Anm. 78. — , 18, 155, 161, 165, 181, Abb. 131-133. — , Kat. Nr. 109 ( ). — , Kat. Nr. 1. — , The Place of Germany in the Twelfth-Century Renaissance, in: Manuscript and Monastic Culture. Reform and Renewal in Twelfth-Century Germany, hrsg. von , Turnhout 2007 (Medieval Church Studies, Bd. 13), 19-42, hier 34 Anm. 54. — , 87-92. — , 249 Anm. 80. — , 33. — , 262-264 (Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.