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Beschreibung von Cod. Guelf. 24 Weiss.
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Cassiodorus, Commentarius in psalmos 51–100

Weißenburg, Benediktinerkloster — 8. Jh., 4. Viertel/um 800

Provenienz: 1r Benediktinerkloster Weißenburg, Besitzvermerk: Cassiodorus a psalmos lj ad c. Codex sanctorum Petri et Pauli apostolorum in Wissenburg. 2r Weißenburger Signaturenbuchstabe: .C. (14. Jh.). Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. Wiener Liste 53 (Butzmann Weißenburg, 3–18).

Pergament — I, 224 Bl. — 31,2 × 23 cm

Lagen: III+1 (7). 4 IV (39). II (43). III+1 (51). 2 IV (68). III (74). V-1 (83). 4 IV (115). II (119). 5 IV (159). III (165). II (167). 5 IV (206). III (217). IV (220). II (224). Neue Tintenfoliierung. Guter Zustand. Schriftraum: 25 × 19 cm, einspaltig, 31 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen. 127v unterer Blattrand: A und D (für Adallandus; vgl. Schreiber in 14 Weiss.; John Scribes in CLA, 111, 115). Gleiche Hand wie in 81 Weiss. (vgl. Butzmann Weißenburg, 133). Adallandus-Gruppe, zugehörig: 10 Weiss., 14 Weiss., 17 Weiss., 18 Weiss., 24 Weiss., 13 Weiss., 43 Weiss., 67 Weiss. (?) und 81 Weiss. (Butzmann Weißenburg, 51–59). Textanfänge in schwarzer Unzialis, teils mit roter Punktumrandung. Incipit und Explicit in ornamentierten Hohlbuchstaben. 2r einleitend eine Textzierseite in tintenfarbiger Capitalis verziert mit zwei gestielten Herzblättern. Die Textanfänge in schwarzer Unzialis. Im Text vergrößerte 1–2zeilige Satzmajuskeln. Buchstaben hervorgehobener Satzanfänge farbig hinterlegt.

Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1964).

INHALT

2r224v Cassiodorus: Commentarius in psalmos. Teil 2: Ps 51–100 (PL 70, 371–704; CC SL 97, 472–640, 98, 647–896; CPL 900). Zugehörige Bände: Cod.Guelf. 4 Weiss. (Teil 1: Ps 1–50) und Cod. Guelf. 14 Weiss. (Teil 3: Ps 101–150).

AUSSTATTUNG

Zahlreiche kleine farbig unterlegte Initialen und Federinitialen. Zahlreiche kolorierte Hohlbuchstaben. Zeilenfüller. Federprobe.

Initialen: Textabschnitte einleitend zahlreiche 2–7zeilige Hohlbuchstaben, farbig unterlegte Initialen (1,5–6 cm) oder 1–3zeilige Federinitialen. 123v223r meist unvollständig oder nicht kolorierte Hohlbuchstaben. Einige Incipits ebenfalls in kolorierten Hohlbuchstaben (vgl. 151v). Im Text aufwendige, kolorierte Zeilenfüller mit Halbpalmetten (66v, 83v, 86r). 1v eine unkolorierte Federbrobe: Flechtband.

Die Hohlbuchstaben zum Teil einfarbig oder farbig segmentiert mit trennenden Schnallen. Letztere gelegentlich flankiert von spitz zulaufenden Dreiecken, selten mit M-förmigen Buchtungen (vgl. 47r). Buchstabenkörper gefüllt mit gegenständigen Halbpalmetten (44r), diagonalen Bänderungen (47v), Stufenband (vgl. 49v), Zickzackband mit Knospenansätzen (vgl. 48r), randständigen Rechtecken (70r), Seilbändern (78v), Wellenband (Schlange ohne Auge, 79v), Büste mit ausgebreiteten Armen (140r ), Rauten (143v). Als Besatz: Halbpalmetten, gelegentlich mit unregelmäßigen Lappungen und geraden Abschlüssen, kleine Blüte (49v) und Tierköpfe (vgl. 75v). Als Buchstabenersatz Fische und Vögel - mit und ohne Augen (70r). Die M-Initialen besitzen am Scheitelpunkt ihrer Diagonalbalken auffällige rautenförmige Verzierungen (vgl. 69v), die E-Initialen mittig flankierende Voluten (82v). Die farbig unterlegten Initialen häufig mit Flechtband im Aussparungstypus wechselnd mit farbigen Segmenten (vgl. 83v) und mit Achterschlaufen (vgl. 82v83v). Hier wie auch in den Hohlbuchstaben teils unverstandenes, koloriertes Flechtband (vgl. 84r). Ab 161r regelmäßiges, komplexes Flechtband nach dem Vorbild der Federprobe auf 1v . Ab 161r zudem ein zweiter Initialtypus, teils mit Randleisten, die an den Initialecken in flankierende Voluten enden. Hier als Füllmotiv Schraffuren (vgl. 116r). Die Federinitialen mit roter Punktkontur (vgl. 181v), mit farblich rot/pergamentfarben alternierenden Kreisen. Sämtliche Buchstabenkörper mit gegabelten oder eingerollten Serifen. Die Buchstabenkörper der Hohlinitialen häufig mittig verdünnt und trichterförmig endend (42v). Die Buchstabenenden mit Tierköpfen, die auch kopfüber unten am Initialstamm angefügt sein können (vgl. 49v, 75v, 76v - mit Geweih) und mit einstufigen Blüten. Ab 161r die Buchstabenkörper oben und unten flankiert von einfachen Voluten, teils als Randleisteninitiale ausgeführt (vgl. 161r). Als Besonderheiten gelten das Profilblatt mit geradem Abschluss der Lappungen (vgl. 83v), häufig in Kombination mit flankierenden Voluten, vgl. 82v, 83v (Zeilenfüller), sowie die Voluten an den Initialstammendungen (161r).

Farben: Für die Initialstammfüllungen und Schmuckelemente der Hohlinitialen: Gelb, Beige, Grün und Minium. Ab 161r die Kombination von Minium, Beige und ausgespartem Pergament.

STIL UND EINORDNUNG

Die Handschrift wird paläographisch nach Weißenburg gegeben und um 800 datiert (Bischoff). Butzmann zählt die Handschrift zu den Adallandus-Handschriften (zur Adallandusgruppe vgl. Butzmann Weißenburg, 50–59, Nr. 10, 13, 17, 18, 24, 81) und erkennt neben der Hand des Adallandus eine weitere, die sich durch ihre Regelmäßigkeit hervorhebt, in dem Martyrologium 81 Weiss. vorkommt (Butzmann Weißenburg, 53) und von ihm folglich als Hand des Meisters des Martyrologiums bezeichnet wird. 24 Weiss. bildet als 2. Band zusammen mit 4 Weiss. (Teil 1) und 14 Weiss. (Teil 3) die dreibändige Ausgabe des Wolfenbütteler Cassiodors. Ihre Ausstattung weist unterschiedliche Initialstile - Hohl- und Federinitialen - auf, die nach- und nebeneinander kombiniert werden. Butzmann nennt 14 Weiss. und 81 Weiss. als schriftverwandte Handschrift (Butzmann Weißenburg, 115, 133). Als Schreiber von Weißenburger Urkunden ist ein Adallandus aus der Zeit 782 und 790 bekannt (Codex traditionum Wizenburgensium, vgl. Butzmann Weißenburg, 114). Mit den Buchstaben A D auf 127v kann in dieser Handschrift, wie auch in 14 Weiss. Adallandus gemeint sein (vgl. oben). In den kolorierten Hohlbuchstaben schließt sich 24 Weiss. eng an 14 Weiss. an, erweitert aber das Spektrum der Besatz- und Füllmotive u.a. um das Flechtband und Vogelinitialen (Vögel mit tropfenförmigen Augen). Ersteres findet, im Gegenzug zu 14 Weiss., Einzug als Füllmotiv der Initialstämme, wobei die Umsetzung Probleme zu bereiten schien (vgl. 85v). Die Flechtbandübung (Federprobe; 1v) zu Beginn der Handschrift mag dies bestätigen. Ebenso wie in 14 Weiss. tritt im Buchschmuck der stark rätische Einfluss in den Vordergrund (Zusammenstellung der sogenannten älteren rätischen Gruppe bei von Euw Liber Viventium, 100–105). Hier sind es allerdings nicht wie in 14 Weiss. die Federinitialen, sondern die kolorierten Hohlinitialen und die farbig hinterlegten Initialen, die entsprechende Elemente aufweisen. Es handelt sich um das Zickzackband mit eingefügten Knospen (49v), die M-Formen in Füllornament (vgl. 47r), die unregelmäßig verlaufende Palmettenlappungen mit z.T. geraden Abschlüssen und die E-Initiale mit flankierenden Voluten am Hastenansatz (82v) sowie die am Fuß der Initiale überkopf angefügten Tierköpfe (vgl. 50v, 71r, 75v). Auch der zweite Initialtypus der Handschrift ab 161r, mit seinen flankierenden Voluten und dem dicht gesetzten, teils segmentierten Flechtband zeigt rätischen Einfluss (vgl. Stuttgart, WLB, HB VI 113, Rätien, um 800; Burkhart Ill. Hss. 1, Nr.37 und New York, PML, MS G. 27, Einzelblatt aus einem Sakramentar, wahrscheinlich Chur oder Pfäfers, um 800; von Euw Liber Viventium, 100, 101, Abb. 51). Die Handschrift steht in engem Zusammenhang mit 14 Weiss. und ist, wie auch von Bischoff Katalog 3 paläographisch begründet, um 800 zu datieren.

Becker, 48, Nr. 92–94. — Wolfenbüttel Weiss., Nr. 4108 (Heinemann Nr.). — CLA IX, Nr. 1384. — Lesne, 707. — Butzmann Weißenburg, 115, 116. — Holter Buchschmuck, 77. — Kleiber Otfrid von Weißenburg, 123–128, 126 Anm. 579, 128 Anm. 587. — Cames, 19, 32, 33, 70, 71. — Krämer, Bd. 1,1.2, 824. — Bischoff Katalog 3, 507. — Westphal Buchmalerei Weißenburg, 360, 361.


Abgekürzt zitierte Literatur

Becker G. Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui, Hildesheim, New York 1885, ND Hildesheim, Bonn 1973
Bischoff Katalog 3 B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014
Burkhart Ill. Hss. 1 Die vorromanischen Handschriften in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, beschrieben von P. Burkhart, Wiesbaden 2016 (Katalog der illuminierten Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek 1)
Butzmann Weißenburg H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10)
Cames G. Cames, Dix siècles d'enluminure en Alsace, Contades 1989
CC SL Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954–
CLA Codices Latini antiquiores. A Palaeographical Guide to Latin Manuscripts prior to the ninth century, hrsg. von E. A. Lowe, Bd. 1–12, Oxford 1934–1971
CPL Clavis patrum Latinorum, hrsg. von E. Dekkers, Steenbrugge u.a. 31995 (Corpus Christianorum. Series Latina)
Holter Buchschmuck K. Holter, Der Buchschmuck in Süddeutschland und Oberitalien, in: Karolingische Kunst, hrsg. von W. Braunfels/H. Schnitzler, Düsseldorf 1965 (Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben 3), 76-114
John Scribes in CLA J. John, The Named (and Namable) Scribes in Codices Latini Antiquores, in: Scribi e colofoni. Le sottosrizioni di copisti dalle origini all'avventodella stampa, Atti del seminario di Erice, X Colloquio del Comité international de paléographie latine, 23-28 ottobre 1993, Spoleto 1995, 107-121
Kleiber Otfrid von Weißenburg W. Kleiber, Otfrid von Weißenburg. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und Studien zum Aufbau des Evangelienbuches, Bern/München 1971 (Bibliotheca Germanica 14)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
Lesne E. Lesne, Histoire de la proprieté ecclésiastique en France, Lille 1938
PL Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865
von Euw Liber Viventium A. von Euw, Liber Viventium Fabariensis. Das karolingische Memorialbuch von Pfäfers in seiner liturgie- und kunstgeschichtlichen Bedeutung, Stuttgart 1989
Westphal Buchmalerei Weißenburg S. Westphal, Karolingische Buchmalerei aus dem elsässischen Kloster Weißenburg, in: Die Handschriften der Hofschule Karls des Großen. Individuelle Gestalt und Europäisches Kulturerbe, Tagung Trier 2018, Trier 2019, 357–391
Wiener Liste Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6)
Wolfenbüttel Weiss. Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).
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