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Cod. Guelf. 3.1.300 Aug. 2°

Tetraevangelium Syriacum

Südsyrien — 6. Jh., 2. Hälfte

Provenienz: Einträge: 288v Signatureintrag Q.IV.19 (westliche Bibliothek?). Vermutlich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Südsyrien geschrieben, wurde dem Tetraevangeliar im Jahr 633 einige Blätter mit Bildausstattung (284-288) und ein Einband (nicht mehr erhalten) hinzugefügt. Die Handschrift war vermutlich 1016 noch in ihrer Ursprungsregion im Besitz von Jakobiten (vgl. 203v, Eintrag des Theodosios von Damaskus). Eventuell war sie zwischenzeitlich im Gebrauch von Melkiten (vgl. griechische Einträge). Syrische Einträge auf 286r (1424) und 1r (1427) nennen in Verbindung mit Stiftungen eine Thekla. Weiterhin Einträge aus dem 15 . Jh.: 285v syrsiche Urkunde (1452) über eine Landschenkung an die Kirche des Heiligen Georg (von Bqarqāšā); 56r syrsicher Vermerk des libanesischen Landesgeistlichen Khūrī Daniel; 158r arabischer Grundstücksvertrag (1458). Auf 235r eine weiterer Grundstücksvertrag in arabischer Sparche mit syrischen Buchstaben geschrieben (von einem Priester Petros). Wohl Mitte des 17. Jahrhunderts gelangte die Handschrift aus dem Libanon nach Rom. Dort wurde sie von dem Gelehrten Athanasius Kircher (1601-1680) für Herzog August von Braunschweig erworben und am 19.3.1666 an diesen übergeben (vgl. Beischrift Vorderdeckel). Kirchner ließ die Handschrift von einem maronitischen Geistlichen 1666 restaurieren (vgl. 114v arabische Notiz) und mit dem jetzigen Ledereinband versehen. Dabei wurde fehlende Textstellen von Kirchner nach einer modernen Druckausgabe ergänzt (s.u.) Ob sich die Handschrift vorher im Besitz des Patrons Kirchners, dem Kardinal Francesco Barberini (1597-1679) befunden hat, bleibt im Bereich der Spekulation (vgl. Braida, 60; T. Stäcker, die Lateinischen Briefe Athanasius Kirchers an Herzog August d.J. zu Braunschweig und Lüneburgrisius (1579-1666). Internetedition: http://diglib.hab.de/edoc/ed000005/startx.htm).

Pergament — 288 Bl. (gezählt von hinten nach vorne; Bl. 122, 130, 280-283 später ergänzt). — 28,5 × 35,5 cm

Lagen: 5 II (20). I (22). 25 II (122). 123-126! I (128). 38 II (280). IV+I (286). I (88). Bl. 122, 130, 280-283 später ergänzt. Die Blätter 284-288 in falscher Reihenfolge zusammengefügt. Ursprüngliche Reihenfolge: 285vr ㅣverloren ㅣ 287vr ㅣverlorenㅣ286rv ㅣverloren ㅣ288rv ㅣ284rv (vgl. Divina Officia, Kat.Nr. 2 [M. Kohlbacher]). Zählung von hinten nach vorne. Fehlende Textseiten nach einer Druckausgabe von Kirchner ersetzt: 112, 130, 280-283. Neuere Tintenfoliierung. Das Pergament teils stark wellig und seitlich mit Büttenpapier geflickt. Sämtliche Lagen im Falz zerissen. Zahlreiche Wasserschäden und Wasserränder, kleine kreisrunde Wachsflecken, Schriftraum: 21 × 27,5 cm, zweispaltig, 19 Zeilen. Estrangelo von einer Hand. 1-283 Hand aus der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts (586; vgl. Hatch, Taf. XXXIV). Nachträge mit roter Tinte (abweichende Perikopeneinteilung) und griechische Einträge (13. Jh.?). Zahlreiche Einträge von Benutzern in syrischer und arabischer Sprache (u.a. syrsiche Einträge des Metropoliton Theodosios von Damaskos, vgl. 203v). Zum Evangelium auf dem oberen Blattrand rote Überschriften und am seitlichen Blattrand Ziffernbuchstaben der Kanoneseinteilungen (hinzugefügt).

Heutiger Einband gefertigt in Italien (Rom?) im 17. Jahrhundert (vgl. E. Braida, Codex Guelph. 3.1.300. The Note of the Restorer, in: Journal of the Canadian Society for Syriac Studies 13 (2013), 57-65.).

INHALT

1v-283r Syrisches Tetraevangelium nach der Pšīttā. 1v-78r Matthäus-Evangelium, 78v-129v Markus-Evangelium, 130r-215r Lukas-Evangelium (Bl. 130 wurde 1666 ergänzt), 215r-283r Johannes-Evangelium. 284r-288v Anhang. 633 in einem Kloster in Beth Ḥalā bei Damaskos hinzugefügt - zu einem späteren Zeitpunkt in verkehrter Reihenfolge mit Blattverlust gebunden; enthält 284r Perikopenanordnung für die Zeit vom 26. - 40. Sonntag, 284v kreuzförmiges Kolophon; 285r Abhandlung über die Verschiedenheit der Stammbäume Christi; 285v Tabelle zum Matthäusevangelium (Anfang); 286r Tabelle zum Johannesevangelium (Ende); 286v Einteilungen der Lesungen des Evangeliums; 287r Tabellen zum Markusevangelium (Ende) und zum Lukasevangelium (Anfang); 287v Tabelle zum Lukasevangelium (Fortsetzung); 288r Perikopen für die Heiligenfeste; 288v Perikopen für die Sonntage (bis zum 25. Sonntag).

AUSSTATTUNG

Eine Kreuzzierseite. 5 gerahmte Schriftseiten. Zeilenfüller.

Kreuzzierseite (Kolophon):

284v seitengroßes Kreuz. In der Mitte ein Medaillon mit Christusbüste (jugendlicher Christus). Christus mit geschlossenem Buch in der linken nicht sichtbaren Hand. Die Rechte greift dieses an der rechten oberen Ecke. Die Rahmung bestehend aus zwei farbigen Leisten. Zwischen diesen ein Wellenfries mit kopfstempelartigen Blumen. Mittig auf dem oberen Arm eine abschließende Staude. An den Ecken des Leistenrahmens tropfenförmige Verzierungen. Das Medaillon gerahmt mit farbiger Leiste und innen liegender Seilschlinge im Aussparungstypus. An den Seitenarmen des Kreuzes an ausgesparten Seilschlingen hängend rechts ein Alpha und links ein Omega. In den oberen Kreuzzwickeln jeweils ein 8-strahliger Stern mit in der Mitte und an den Strahlenenden befindlichen, kreisförmigen Ein- und Abschlüssen. Inschriften in den Kreuzarmen: Oberer Teil des Kreuzstammes: Im Jahre 945, / 7. (έβδόμη) Indikation / am 24. Tag des Kānūn I, / wurde erneuert [alt. es wurde gemacht] dieses heilige Buch / des Matthäus, Markus, / Lukas, Johannes mit großem / Eifer - es sind [alt. es wurden eingefügt] aber in ihm / die Lesungen aller Feste / im Jahr und anderer Riten / und die verschiedenen Indices, / die in den Evangelisten sind [Hinweis auf den Beginn des Werkes auf 285v] - / und dieser sein neuer Einband / mit Platten (πέταλα) und [alt. Siegel, Stempel] und Edelsteinen. Es war / nämlich mit der Hilfe Gottes und jener / heiligen Märtyrer (von) Bēṯ Ḥl' [Vokalisation unbekannt] …. Linker Querbalken (Fortsetzung): in den Tagen des reinen und seligen / Mār Jōḥannān, des Patriachen / des apostolischen Stuhls / von Antiocheia [Johannes I., jakobistischer Patriach von Antichochia - 630/1-648] und in den Tagen des reinen / und heiligen Mār Thomas, / unseres Bischofs vom / heiligen Kloster von Bēṯ / Rabbānē [Vokalisation unsicher]. Möge Gott, auf / dessen heiligen Namen sie bestellt sind, / das Volk des Herren zu hüten, / seine Gläubigen würdigen, dass sie auch / sich hüten lassen und sich erwerben / das Leben der Ewigkeit! / Rechter Querbalken (Fortsetzung): Es aber, / dieses heilige Buch / des Tetraevangeliums des Matthäus, / Markus, Lukas, Johannes, / es haben sich bemüht und eingesetzt seine / Lesungen [Perikopenverzeichnisse, Bl. 284-288?] mit viel Sorgfalt / und großer Gedult - zusammen mit / diesem seinen Einband, der oben erwähnt / worden sit - der Hervorragende der Auserwählte Gottes, / der Priester und Klostervorsteher Mār / Sbnj [Vokalisation unbekannt] vom hl. Kloster von Bēṯ Ḥl', das im Gebiet (ϰώρα) von Damaskus liegt / und der Hervorragende der Auserwählte Gottes / …. Unterer Teil des Kreuzstammes (Fortsetzung): Priester Mār / 'lws [Vokalisation unbekannt], der Damaszener, der "Zweite" [der δεύτεрος; zweiter Klostervorsteher] / des Klostervorstehers, zusammen mit dem Rest / aller Priester und diakone / und der ganzen Brüderschaft, der gesegneten / und von Gott behüteten, dieses erwähnten / Bēṯ Ḥl'. / möge Gott, um dessen heiligen / Namens willen sie diesen / eifer hatten, ihnen geben gute / Belohnungen zusammen mit jenen letzten [Anspielung auf Matth. 20, 1-16] Arbeitern, die sich bemühten im Weinberg / Christi, und möge er sie würdigen, / dass sie zurückgeben jenes Talents, / womit sie betraut wurden [vgl. Matth. 25, 14-30] mit offenem Angesicht, wenn sie hören jenes / Wort, das sagt: 'O / guter und getreuer Knecht, / über weniges bist du getreu gewesen, / über viele will ich Dich setzen. Geh ein / in die Freude Deines Herren! [vgl. Matth. 25, 21] Amen! Über dem rechten Querbalken: Jeder, der liest, möge beten für den Priester Mār Sargīs, der von … , der sich viel gemüht hat. Über dem linken Querbalken: Um unseres Herren willen betet für Sar(gīs) / bar Ged'ā und für Marjam / und für G … rgwn', seinen Sohn (damit) / ihnen dadurch (?) Gemeinschaft (sei?). (Übersetzung nach Assfalg, 10-12). (Kreuz: 32 × 21,8 cm; mittleres Medaillon: 8 cm; Sterne: 5 cm).

Gerahmte Schriftseiten:

Gerahmte Textseiten mit zweibahnigen Leistenrahmen (284r, 285r, 286v, 288r und 288v). Die Ecken mit Blattverzierungen. 286r die Überschrift in einer Extrarahmung (einfacher Leistenrahmen mit Blattverzierungen). (25-26 × 20,5-23,5 cm).

Zeilenfüller:

Zeilen gefüllt mit kleinen einfachen Punktblüten (vgl. 285v), liegenden Achten mit aufgesetzten Blüten (vgl. 286r) und Wellenlinie mit Punktverzierung (vgl. ).

Farben:

STIL UND EINORDNUNG

St. Gallen, ...; Lit: Autor Sonstiges

Fleischer, 76. — Wolfenbüttel Aug., Nr. 2025 (Heinemann Nr.). — H. Buchthal, O. Kurz, A Hand List of Illuminated Oriental Christian Manuscripts, London 1942 (Neudruck Nendeln/Lichtenstein 1968), Nr. 66 — Hatch VI, Taf. XXXIV, XLVIII. — Assfalg, 8-15, Farbtaf. und Tafel I u. II. — J. Leroy, Les manuscrits syriaques à peintures conservés dans les Bibliothèque d'Europe et d'Orient (Bibliothèques Archéologique et Historique 77), Paris 1964, 113-119 (Kreuz), 119-125 (Christus-Medaillon), 125-138 (Kanontafeln). — O. K . Werckmeister, Irisch-northumbrische Buchmalerei des 8. Jahrhunderts und monastische Spiritualiät, Berlin 1967, 13, 14, Taf. 3b. — W. Strothmann, Das Wolfenbütteler Tetraevangeliar Syriacum. Lesarten und Lesungen, Wiesbaden 1971 (Göttinger Orientforschungen I,2). — Milde, 14 und Taf., Nr. 8. — J. Leroy, Les manuscrits coptes et coptes-arabes illustrés (Bibliothèques Archéologique et Historique 96), Paris 1974, 57-61, Taf. 2-6, 10.1 (Kreuz). — R. Warland, Das Brustbild Christi. Studien zu spätantiken und frühbyzantinischen Bildgeschichte, Wien 1986 (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskjunde und Kirchengeschichte, 41. Supplementheft), 83, 130, Kat.Nr. F16, Abb. 96. — Sörries, 106, 107, Taf. 61. — J. Lowden, The Beginnings of Biblical Illustration, in: Imaging the Early Medieval Bible, hrsg. von J. Williams, University Park, Pa 1999, 9-59, hier bes. 30-34. — Divina Officia, Kat.Nr. 2 (M. Kohlbacher). — La Bible du Patrice Léon. Codex Reginensis Graecus 1. Commentaire codicologique, paléographique, philologique et artistique, hrsg. von P. Canart, Rom (Vatikan) 2011, 195-272 (Studi e Testi 463) (S. Dufrenne, Les miniatures, hier bes. 87 und Anm. 41, 88). — E. Braida, Codex Guelph. 3.1.300. The Note of the Restorer, in: Journal of the Canadian Society for Syriac studies 13 (2013), 57-65.


Abgekürzt zitierte Literatur

Assfalg J. Assfalg, Syrische Handschriften. Syrische, karsunische, christlichpalästinensische, neusyrische und mandäische Handschriften, Wiesbaden 1963 (Verzeichnis der Orientalischen Handschriften in Deutschland 5)
Braida E. Braida, Codex Guelph. 3.1.300. The Note of the Restorer, in: Journal of the Canadian Society for Syriac studies 13 (2013), 57-65
Fleischer H. O. Fleischer, Catalogus manuscriptorum orientalium bibliothecae regiae Dresdensis, Lipsiae 1831
Hatch W. H. P. Hatch, An Album of Dated Syriac Manuscripts, Boston/Massachusetts 1946
Milde Mittelalterliche Handschriften der Herzog August Bibliothek, ausgewählt und erläutert von W. Milde, Frankfurt/M. 1972 (Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sonderbd. 1)
Sörries R. Sörries, Christlich-antike Buchmalerei im Überblick, 2 Bde., Wiesbaden 1993
Wolfenbüttel Aug. Die Augusteischen Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, Teil 1-5, Frankfurt/M. 1890–1903, ND 1965–1966 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 4–8)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.
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