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Beschreibung von Cod. Guelf. 355 Helmst. (Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil II: Cod. Guelf. 277 bis 370 Helmst. Mit einem Anhang: Die mittelalterlichen Handschriften und Fragmente der Ehemaligen Universitätsbibliothek Helmstedt, beschrieben von Bertram Lesser. Wiesbaden 2022.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil II: Cod. Guelf. 277 bis 370 Helmst. Mit einem Anhang: Die mittelalterlichen Handschriften und Fragmente der Ehemaligen Universitätsbibliothek Helmstedt, beschrieben von Bertram Lesser (im Erscheinen).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung

Alexander de Villa Dei. Johannes Marchesinus. Robertus Kilwardby

Papier — VI, 234, IV Bl. — 30 x 21 cm — Northeim, Benediktinerkloster St. Blasius — 15. Jh., Mitte

Aus zwei Teilen zusammengesetzt: I 1r–12v, II 13ra–236ra, zu diesem Teil gehören auch die ungez. Bl. der vorderen und hinteren Vorsatzkonstruktion. Lagen: III (ungez.). 5 VI (62)! VI+1 (75). V–1 (84). II (88). I+1 (91). II+1 (96). VI+1 (109). 4 VIII (173). VI+1 (186). VI (198). VII (212). VI (224). V (234). III (236)! Lagenmitte mit Pergamentfalzen verstärkt. Bleistiftfoliierung modern: 1–236, sechs leere Bl. vorn und vier leere Bl. hinten ungez., Zählfehler: Auf Bl. 55 folgt Bl. 58.

Spätgotischer Holzdeckelband mit Schafslederbezug, beschädigt. Streicheisenlinien. Drei Doppelbünde, alternierend mit zwei einfachen Zierbünden ohne Heftfunktion wie bei späteren Northeimer Einbänden, vgl. die Liste oben bei Cod. Guelf. 296 Helmst. Kapital an Kopf und Schwanz mit ungefärbten Lederstreifen umflochten. Zwei Langriemenschließen verloren, Gegenbleche mit Riemenresten erhalten. Auf dem HD vier Schonernägel in Hutform. Liber catenatus, nur noch Löcher der Halteöse und Rostspuren auf dem HS erkennbar. Auf dem VD Papierschild (12 × 2 cm) mit der rubrizierten Aufschrift (Textualis): Mammetractus scriptus D XXVIII. Ab Bl. 13 insgesamt 36 aufgeklebte Registerzungen aus einer makulierten volkssprachigen Pergamenths. als Blattweiser, Aufschriften zumeist stark verblasst.

Fragment: Spiegel. 13. Jh., 1. Hälfte. Norddeutschland. Pergament. 4 Doppelbl. 30 × 21 cm. Auf jedem Spiegel sind jeweils zwei Doppelbl. übereinander und kopfständig aufgeklebt. Schriftraum: 15 × 9 cm, einspaltig (beschnitten), noch max. 9–10 Textzeilen erhalten. Frühe Textualis von einer Hand. Über jeder Textzeile diastematische, sog. "frühdeutsche" Neumen auf vier Notenlinien, f-Linie rot, mit c-Schlüssel. Rubriziert, rote Lombarden und Satzmajuskeln. Auf den Seitenstegen des VS wurden im späten 14 oder 15. Jh. eine Liste der biblischen Bücher des VT nachgetragen sowie der Merksatz: Productus est quando medias silbas [!] cum longa mora proferimus. Correptus est quando medias silbas cum brevi mora vocis proferimus [Beda metr. 1,5]. Druck: CC SL 123A, 99. VSa–b, HSa–b Graduale. Die vier als Spiegel verwendeten Einzelbl. enthalten folgende Stücke: (VSa) Commune sanctorum. Auf dem oberen Bl. (a) des VS befinden sich ein Tractus mit Versikeln (CANTUS g01285 mit g01285a und g01287) und Communio (CANTUS g00472) zum Commune unius martyris, anschließend Introitus (CANTUS g01325), Gradualresponsorium (CANTUS g00038), Offertorium (CANTUS g01317) und Communio (CANTUS g01258) zum Commune plurimorum martyrum. (VSb) Proprium de tempore. Auf dem unteren, kopfständig aufgeklebten Bl. (b) des VS befinden sich Introitus (CANTUS g01241) und Gradualresponsorium (CANTUS g01242) in dominica XXI post pentecosten sowie Introitus mit Versikel (CANTUS g01229 mit g01229c), Alleluia-Versikel (CANTUS g010498) und Offertorium (CANTUS g01231) in dominica XVIII post pentecosten. (HSa) Proprium de sanctis. Auf dem oberen Bl. (a, kopfständig) des HS befinden sich Offertorium (CANTUS g00397) und Communio (CANTUS g00398) in festo sancti Michaelis sowie Introitus mit Versikel (CANTUS g00327 mit g00327a) und Gradualresponsorium mit Versikel (CANTUS g00328 mit g00328a) in ›Vigilia Laurentii‹. (HSb) Proprium de tempore. Auf dem unteren, ebenfalls kopfständig eingeklebten Bl. (b) des HS befinden sich die Communio (CANTUS g01172) in dominica VIII post pentecosten, der Introitus mit Versikel (CANTUS g01173 mit g01173a) und der Beginn des Gradualresponsoriums (CANTUS g01174) in dominica IX post pentecosten sowie ein Gradual- und ein Alleuiaversikel (CANTUS g01189a und g01197) und das Offertorium (CANTUS g01192) in dominica XII post pentecosten.

Herkunft: Der Codex wurde in der Mitte des 15. Jh. – ungewöhnlich ist die Diskrepanz zwischen der Wasserzeichendatierung des Papiers und dem korrekt angegebenen Datum des Kolophons – im Benediktinerkloster St. Blasius in Northeim geschrieben, entsprechende Besitzvermerke Ir: Liber monasterii sancti Blasii in Northeym ordinis sancti Benedicti unionis Bursfeldensis Maguntinensis diocesis Anno domini MDXVII und auf dem Kopfsteg von 232v: Liber monasterii sancti Blasii in Northeym. In Johann Letzners Northeimer Bücherverzeichnis von 1592 wie auf dem Titelschild als Mammetractus verzeichnet, vgl. Herbst Bibliothek Northeim, Sp. 69 Nr. 90. — Am 3.2.1624 wurde der Codex in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt und 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 6v) als Mammetractus. Est brevis Expositio textus Sacrae Scripturae unter den Theologici [MSSti] in folio nachgewiesen, auf dem VS die entsprechende Helmstedter Signatur T. 97. Im Katalog von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 187 aufgeführt.

Heinemann Nr. 390. — Herbst Northeim, 617f. — Krämer, 608.

I

Papier — 12 Bl. — 30 × 21 cm — Northeim, Benediktinerkloster St. Blasius — um 1450

Wasserzeichen: Lilie, darüber einkonturige Stange, darüber Stern (nicht nachweisbar). Lagen: VI (12). Schriftraum: 24–24,5 × 18–19 cm, einspaltig, je nach Textanordnung 40–60 Zeilen. Unregelmäßig wirkende jüngere gotische Kursive von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden.

1r–10r Alexander de Villa Dei: Summarium biblicum cum commento. ›Genesis‹. Sex prohibet peccant Abel Enoch archa fit intrant | Egreditur dormit variantur turris it Abram … — … Due pugna cantant phyalas plagas meretricis | Flebunt ad cenam surgant sponsam venio iam etc.
(1r–10r) Commentum. Opera dierum et creacio celi et terre et omnia que in eis sunt creavit … — … ego sum altissimus alpha et omega id est principium et finis. Zu Text und Parallelüberlieferung vgl. Cod. Guelf. 294 Helmst., 84r–97v (mit weitgehend identischem Kommentar). – 10v–12v leer.

II

Papier — VI, 222, IV Bl. — 30 × 21 cm — Northeim, Benediktinerkloster St. Blasius — 1460

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Maul, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS NL0360-PO-78434 (1410), DE5925-PO-78445, DE4200-PO-78504 (beide 1413), CH0780-PO-78449 (1415). Mohrenkopf mit Stirnband, zwei Schlaufenenden: WZIS DE2730-PO-20536, DE2730-PO-20574 (beide 1415). Glocke, zwischen zwei Bindedrähten, Klöppel mit der Kontur des Randes verschmolzen, darüber Blume: WZMA AT5000-335_123 (1415–1425). Glocke, zwischen zwei Bindedrähten, ohne Beizeichen, Klöppel mit der Kontur des Randes verschmolzen: WZMA AT4000-443_1 (1415), AT5000-279_227 (1415–1416). Ochsenkopf mit Augen, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZMA AT6200-MC27_136 (1414, fünf weitere Typen nicht nachweisbar). Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange, darüber zweikonturiges Kreuz: WZMA AT5000-324_123, AT5000-324_131 (beide 1410–1415). Lilie, darüber einkonturige Stange, darüber Blume (nicht nachweisbar). Lagen: III (ungez.). 4 VI (62)! VI+1 (75). V–1 (84). II (88). I+1 (91). II+1 (96). VI+1 (109). 4 VIII (173). VI+1 (186). VI (198). VII (212). VI (224). V (234). III (236)! Lagenmitte mit Pergamentfalzen verstärkt. Zeitgenössische Tintenfoliierung (13r–185r) in römischen Zahlen: I–CLXIX. Zwei gez. Schaltzettel mit Textnachträgen: Bl. 92 misst nur 12 × 11 cm; Bl. 99 misst 30 × 13 cm. Schriftraum: 22–23 × 15–16 cm, zweispaltig (Spalten 7 cm breit), je nach Hand 26–46 Zeilen. Unregelmäßig wirkende jüngere gotische Kursive von zahlreichen, schwer unterscheidbaren Händen. Nur wenige Bl. rubriziert, rote Lombarden.

13ra–185vb Johannes Marchesinus: Mammotrectus super bibliam. 'Ambrosius' frater in fide. 'Perferens' id est portans me cor et sic 'fero fers' cum omnibus suis participiis … — … et mereantur paradisum translati ad requiem de labore Amen etc. Explicit 1460 in die cinerum [27.2.1460] que finit in illa sillaba 'am' et fuit annus bisextilis. Der Gesamtprolog fehlt: im ersten Teil (13ra–109va) sind die Bibelbücher durch lebende Seitentitel gegliedert. Der zweite Teil (›De mensibus hebreorum‹, 109va–185vb) ist gekürzt und modifiziert, er enthält die Kapitel 1–3 (109va–110vb), 6 (110vb–111ra), 4 (111ra–va), 5 (111va), 7–14 (111vb–125rb), eine Auswahl aus den Sermones der Kapitel 16–18 (125rb–176rb) und am Schluss das vollständige Kapitel 15 (176rb–185vb). Der Vermerk in der Datierung des Kolophons, die Tagesbezeichnung des Aschermittwochs 1460 sei die Silbe am, bezieht sich auf die Datierung durch Cisiojanus, worin diese Silbe (zu Matthiam) den 27.2. in einem Schaltjahr bezeichnet. Drucke: GW M20789–M20831 (vergl. M20811). Literatur (Hs. genannt): Stegmüller RB 4776, 4777. – 186r–v leer.

187ra–232vb Robertus Kilwardby: Tabula de concordantiis librorum Sententiarum. Abraham. Quare Christus non dicitur decimatus in Abraham sicut in Levi … — … Quomodo proprietates determinant ypostases non substanciam vel naturam. Mit identischem Initium und Explicit in Oxford, Merton College, MS. 111, 239r–249r; Oxford, Merton College, MS. 129, 1r–24v (R. M. Thomson, A descriptive catalogue of the medieval manuscripts of Merton College, Oxford. With a description of the Greek manuscripts by N. G. Wilson, Cambridge 2009, 94 und 104). Ungedruckt. Literatur: Stegmüller RS 10,1; Glorieux Faculté, 335 Nr. 411ae; Kaeppeli 3520; Sharpe, 562 Nr. 1481.17.

233ra–236ra Tabula capitum scripturae sacrae secundum ordinem alphabeti (prima pars tantum). A a a domine nescio loqui quia puer ego sum [Ier 1,6]. Abiciamus opera tenebrarum et induamur arma lucis [Rm 13,12] … — … laborum bonorum gloriosus est fructus [Sap 3,15] (Text bricht ab). Die in einer separaten Spalte gebotene Zählung der alphabetisch nach den Textanfängen geordneten Kapitel bricht 234va nach dem Buchstaben C ab. Vollständig in dem vermutlich als Vorlage dieser Abschrift dienenden, ebenfalls aus dem Northeimer Blasiuskloster stammenden Cod. Guelf. 695 Helmst., 148r–157v; außerdem in Cod. Guelf. 965 Helmst., 22r–36v; 59.9 Aug. 2°, 35ra–42ra. Ungedruckt. – 236rb–IV*vb leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

CANTUS CANTUS: A Database for Latin Ecclesiastical Chant. Indices of chants in selected manuscripts and early printed sources of the liturgical Office (https://cantusdatabase.org/)
CC SL Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954–
Glorieux Faculté P. Glorieux, La Faculté des Arts et ses maîtres au XIIIe siècle, Paris 1971 (Études de philosophie médiévale 59)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Herbst Bibliothek Northeim H. Herbst, Zur Geschichte der Bibliothek des St. Blasiusklosters zu Northeim, in: Braunschweigisches Magazin 33 Heft 5 (1927), 66–72
Herbst Northeim H. Herbst, Handschriften aus dem Benediktinerkloster Northeim, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 50 (1932), 355–377 und 611–629
Kaeppeli T. Kaeppeli, Scriptores ordinis praedicatorum, Bd. 1–4, Rom 1970–1993
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
Sharpe R. Sharpe, A Handlist of the Latin Writers of Great Britain and Ireland before 1540, Turnhout 1997, Additions and corrections (1997–2001), Turnhout 2001 (Publications of the Journal of medieval Latin 1)
Stegmüller RB F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980
Stegmüller RS F. Stegmüller, Repertorium commentariorum in Sententias Petri Lombardi, 2 Bde., Würzburg 1947
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)
WZMA Wasserzeichen des Mittelalters (WZMA). Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien (http://www.ksbm.oeaw.ac.at/wz/wzma.php)

Korrekturen, Ergänzungen:
  • Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt. (schassan, 2019-08-20)
  • Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
  • Überarbeitung abgeschlossen; gleicher Stand wie im gedruckten Katalog. (lesser, 2023-01-15)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil II.
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