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Beschreibung von Cod. Guelf. 453 Helmst.
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil III: Cod. Guelf. 371 bis 460 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).

Kompilation über die westfälischen Femegerichte (sog. „Hahnsches Rechtsbuch“). Gerichtsordnung des Freistuhls in Bergneustadt

Papier — 33 Bl. — 28 × 21 cm — Rheinland — 1460–1553

Aus zwei Teilen zusammengesetzt: I 1r28v, II 29r–*IIv. Beide Teile bildeten ursprünglich mit Exemplaren der Drucke VD16 W 4513, W 4509 und W 4504 einen Überlieferungsverbund in dem Mischband L 599.2° Helmst. (siehe unten). Lagen: VIII (16). VI (28). III–1 (31)! Bleistiftfoliierung modern: 131, die beiden letzten leeren Bl. ungez. Das heute in der Hs. fehlende letzte Blatt der dritten Lage ist als Spiegel an den hinteren Einbanddeckel des Sammelbandes L 599.2° Helmst. geklebt. Der Band wurde bei der Neubindung insbesondere am oberen Rand beschnitten.

Der originale Einband des älteren ersten Handschriftenteils ist verloren. Nach den Klebe- und Abdruckspuren des umgeschlagenen Überzugs auf Bl. 1r zu urteilen, dürfte es sich um einen spätgotischen Holzdeckelband mit Ganzbezug gehandelt haben, der vermutlich noch weitere Texte enthielt. Das erste Bl. der Hs. bildete offenbar das Spiegelbl. dieses Einbands, das bei der Entnahme aus dem Codex abgelöst wurde. — Der Mischband erhielt um 1554 einen Renaissanceeinband aus Buchenholzdeckeln mit einem Halbbezug aus alaungegerbtem, ungefärbtem Schweinsleder; die verwendeten Platten- und Rollenstempel weisen rein vegetabile Motive auf und können aufgrund ihrer hohen Abnutzung nicht mehr näher bestimmt werden. Vier Doppelbünde. Zwei filigrane Riemenschließen mit Stiftlager in Lanzettform; Schließenhaken und -lager mit gravierten Linienbündeln verziert, Schließenhaken unten verloren. Am Beginn aller Texte des Mischbandes kleine Blattweiser aus rotgefärbtem Leder. Am HD ist ein 5 x 4 cm. großes, über dem Vorderschnitt ausklappbares Titelschild aus Pergament mit der Aufschrift: Neue Landtrecht Wirtenberg. Neue Landtordnung Wirtenberg. Westphalische alte Gerichts Ordnung angebracht. — Der herausgelöste handschriftliche Teil ist wie Cod. Guelf. 403 Helmst. in einen Pappdeckelband mit gebrochenem Rücken und Überzug aus hellrotbraunem, fein marmoriertem Kiebitzpapier gebunden, der zwischen dem 4.8.1798 und dem 25.1.1799 in der Werkstatt des Buchbinders Anton Friedrich Wirck in Helmstedt angefertigt wurde, vgl. die Bibliotheksrechnung vom 25.1.1799 in BA III, 39, unpag. Beilage Nr. 17: Westphälische Gerichtsordnung alt. Folio Franz. Pappe 5 ggl.

Herkunft: Beide Handschriftenteile erwarb der Jurist Michael von Kaden jun. († 1561) vor 1552 während seiner Tätigkeit als Advokat und Prokurator der Reichsstadt Nürnberg am Reichskammergericht in Speyer, der den ersten Teil durcharbeitete und ihn mit zahlreichen Marginalien versah. Um 1555 fügte er die Handschrift mit drei Drucken (siehe oben) zu einem Mischband zusammen, den er auf dem Vorsatz mit seinem typischen Besitzvermerk Michael von Kaden Doctor (L 599.2° Helmst., Ir) versah. Dabei erhielt der handschriftliche Teil auf Bl. 1r eine Überschrift in Fraktur, die den Titelblättern der vorangehenden Drucke angeglichen ist. — Der Mischband gelangte mit der übrigen Sammlung Kaden am 17.7.1562 in den Besitz des Herzogs Julius von Braunschweig-Lüneburg; auf Bl. 1r des Sammelbands L 599.2° Helmst. der typische Eingangsvermerk von Sekretärshand: Aliis inserviendo consumor Anno 1567 IULIVS D. B. & L. 17 Julii (gleiche Hand wie in Cod. Guelf. 318 Helmst.). 1614 im Gesamtkatalog der Wolfenbütteler Hofbibliothek von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 139 [135]) unter Nr. 13 der Libri iuridici sub litera H serie postrema a genannt: Wirtembergisch Landrecht in 4 teil 1554. Ibidem Wirtembergische Landesordnung. Ibidem Wirtembergisch Vorstordnung. Ibidem Westphahlsche alte Gerichtsordung, manuscriptum. — 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt; alte Signatur H 351 auf dem VS des Mischbandes. Nach der Neuordnung der Universitätsbibliothek umsigniert und entsprechend im Helmstedter Gesamtkatalog (um 1770, BA III, 87, p. 102) unter der neuen Signatur eingetragen: L 599.2° a) b) Würtenbergische Landrechte, Item LandsOrd. s[ine] l[oco] 1554. c) Würtenbergische Holtz- und Forst-Ordnung s[ine] l[oco] 1552. d) Westphälische alte Gerichts-Ord. MS. Der Helmstedter Bibliothekar P. J. Bruns löste nach Ausweis der Buchbinderrechnungen (siehe oben) den Mischband zwischen August 1798 und Januar 1799 auf, beließ die Drucke im ursprünglichen Einband und ließ den handschriftlichen Teil neu binden. Als Separatum beschrieb er den Codex erstmals in seinem Handschriftenkatalog (BA III, 52) unter Nr. 1276: Alte „Westphalische Allte Gerichtsordnung“. Edita est lex ab Hahn in collect. monumentor. T. II Editionem passim emendavit P. J. Bruns in Beitr. zu den deutschen Rechten des Mittelalters p. 290.

Bruns Beyträge, 290–292. — Ebert Handschriften, 26. — C. G. von Wächter, Beiträge zur Deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des Deutschen Strafrechts, Tübingen 1845, 125–128.Heinemann Nr. 487 (A). — H. Duncker, Kritische Besprechung der wichtigsten Quellen zur Geschichte der westfälischen Femgerichte, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 5 (1884), 116–197, hier 174–186. — T. Lindner, Die Fragen des Königs Ruprecht über die Vemegerichte, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1 (1884–1886), 194–214, hier 196. — T. Lindner, Die Veme, Münster und Paderborn 1888, 207f. Nr. 16Homeyer Rechtsbücher, 269 Nr. 1201 (Signatur falsch). — Oppitz 2, 876 Nr. 1598. — C. Lippelt, Hoheitsträger und Wirtschaftsbetrieb. Die herzogliche Amtsverwaltung zur Zeit der Herzöge Heinrich der Jüngere, Julius und Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel 1547–1613, Hamburg 2008 (Schriften zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 12), 234.Handschriftencensus Nr. 25082.

I

Papier — 28 Bl. — 28 × 21 cm — Mittelrheingebiet — um 1460

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange, darüber Blume: WZIS AT3800-PO-69447, IT1365-PO-69532, IT1365-PO-69534 (sämtlich 1460). Lagen: VIII (16). VI (28). Schriftraum: 20–22 × 12–13 cm, einspaltig, 35–43 Zeilen. Sehr regelmäßige, schwungvolle Bastarda mit Merkmalen der Kursive von einer Hand. Die im gesamten Text von anlegender Hand hinzugefügten lateinischen Marginalien fassen meist den Inhalt der betreffenden Abschnitte zusammen und weisen den Abschreiber als juristisch gebildet aus. Außerdem zahlreiche Marginalien späterer Benutzer, darunter auch Zeigehände sowie lateinische und deutsche Vermerke des Juristen Michael von Kaden jun. (vgl. z. B. Cod. Guelf. 123 Helmst.). Am Beginn der einzelnen Abschnitte Cadellen von unterschiedlicher Größe mit zahlreichen Verzierungen; in den ersten bzw. letzten Zeilen der Seiten z. T. litterae elongatae.

Herkunft: Der in der älteren Forschung aufgrund seiner zahlreichen sinnentstellenden Lesarten meist negativ bewertete Codex (vgl. Duncker, Kritische Besprechung, siehe oben, 174f.; Lindner, Veme, siehe oben, 272–275, hier 273: von „…jammervolle[r] Beschaffenheit…“) wurde um 1460 vermutlich im Mittelrheingebiet von einer älteren, zwischen 1437 und 1442 entstandenen Vorlage abgeschrieben, die auch dem Kopisten von Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8° zur Verfügung gestanden haben muss. Ob der Autor der abschließenden Quaestio, Heinrich Seldenhorn, die Vorlage für diese Hs. selbst als eine Materialsammlung zur persönlichen Verteidigung kompiliert hat, bleibt eine nicht beweisbare Hypothese.

Schreibsprache: Westmitteldeutsch (rheinfränkisch), lateinische Rubriken und Marginalien.

Auf Bl. 1r Gesamttitel des 16. Jh. in Fraktur: Westphahlsch Allte Gerichts Ordnung (in Schriftbild und Layout an die ursprünglich vorausgehenden Drucke angepasst), darüber folgende Nota-Vermerke in flüchtiger gotischer Kursive: Nota Faym, Forfaymen, Faymrugung[?], Faymbruch. – 1v leer.

2r5v Sammlung zu den Grundlagen des Femegerichts. (2rv) Über die Entstehung des Femegerichts. Hie hebt sich an konig Karols gericht das man nennt das heimlich gericht zu Westvaln oder die faim das nymant by lybe ere vnd lebenn lesenn sol er sei denn auch ein freyschefft … — … als du vindest lauter hienach in der question der doctor[es]. Der abschließende Verweis bezieht sich offenbar aus die Quaestio unten, 24v28v. (3r4v) ›Wie einer des Romischen Reichs vnd des heimlichen geriechts Richter vnd freyschepff sol werdenn‹. Item er soll keinen fur einen echten rechten freygrafen der zu gericht siczt mit dem swert an des Romischen konigs statt vnd soll begern zugelassen werden … — … im selber das geriecht mecht das helt auch Cristinus von Erpel doctor juris. (4v5v) Artikel des Freigrafenkapitels von Soest (1430). ›Vermerck wie sich die freygreuen in dem Recht halten sollen noch [!] den Artickeln So in dem Capitel zu Sost das von Emphellnisse wegen vnsers herren des Romischen kunigs Sigmunds gesaczt ist worden vnd die freygreuen dem Bischoff von Koln vff das kunig brieff vnd hochgebott haben zugesagt hinfure vestickeit zu haben als billich vnd Recht. Artickelen‹. Item es soll kein freygreue keinen schepffen machen noch zulassen des er nit kennet … — … sein stull herren oder seine wiessentlichen Amptlute. (5v) ›Nota Artickele der vorbotten Rechtenn‹. Das sind die Artickele die vff das geriecht sin geseczt von keyser Karle vnd sein faimbrieff … — … den man nent den Speigel vnd des Romischen konigs kameren. ›Sequitur aliud capitulum‹. Eine schreibsprachlich identische, aber weniger fehlerbehaftete Fassung des gesamten Abschnitts ohne Untergliederung in Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8°, 10v–20r (von der gleichen Vorlage); einzelne Passagen nach dieser Hs. auch in Cod. Guelf. 277.5 Extrav., 1r–2v mit der Fortsetzung auf Bl. 89r–v (verbunden). Druck (nach dieser Hs.): Collectio Monumentorum veterum et recentium…, Bd. 2, hrsg. von S. F. Hahn, Braunschweig 1726, 598–607. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 126f.; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 174–178; Lindner, Veme (siehe oben), 223–226 und 275.

6r10v Die sog. „Ruprechtschen Fragen“ mit Anhang und Ergänzungen. (6r7r) Der Anhang mit Stuhlherrenverzeichnis. ›Hie hebenn an die lauff vnd gerige [sc. genge] des Geriechts etc.Zum erstenn wer das ein man boßheit gethon hette mit fursacz … — … die doch vnder den vorgescreben Fursten vnd hern sind etc. Die Hs. enthält die älteste Fassung des Anhangs. Auch in Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8°, 20r–24r (siehe oben); das Stuhlverzeichnis auch in Cod. Guelf. 277.5 Extrav., 89r–90r. Druck dieser Fassung: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 608–611 (nach dieser Hs.); H. C. von Senckenberg, Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, welche von den Zeiten Kayser Conrads II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden… erster Theil derer Reichs-Abschiede, bis auf das Jahr 1494, inclusive, Frankfurt/M. 1747, 109f. Nr. XXX, § 34–45. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 127; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 133f., 179–182; Lindner, Veme (siehe oben), 261–264 und 275. (7r10r) Die sog. „Ruprechtschen Fragen“. ›Item darnach sind die stucke vnd Artickel die wieland [!] konig Ruprecht hat gemacht die hernach geschriben frey greuen mit namen Gobel von Weidingßhausen freygraue von Wolmerstein Clauß von Wilkenpracht freygreue von Walperg Steinheym freygraue zum Hammer [!] vnd Bernhart Moßhart freygraue der still [recte: stule] zu Wilßhurst die selben freygrauen sint also gefragt worden in der zall der jar MCCCCVIII [feria quarta] post Urbani [30.5.1408] ‹. Des erstenn was rechts ein Romischer Kunig habe in den heimlichen geriechten … — … so sol man geleich dem verfeimten halten vnd auch also von in riechten am find der Artickel Ruperten dir gar nuczlich sind. Zur wohl korrekten Datierung auf den 30.5.1408 vgl. neben der unten gen. Literatur auch RTA 5, 79. Das hier ausgefallene Tagesdatum findet sich korrekt in der zweiten, modifizierten Abschrift unten, 20v. Der dem Text vorangestellte Vermerk Nota das ist von dem Marggrauen von Brandenburg her kommen, der keinerlei Beziehung zu den vorhergehenden wie anschließenden Stücken aufweist, gehört offenbar zu einem Passus, der sich in der gemeinsamen Vorlage von dieser Hs. und von Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8° befunden hat, aber nur in letzterer auf Bl. 24v–25v übernommen wurde, vgl. Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 182–184. Abweichende Fassungen in dieser Hs. unten, 20v–22r (Zusatz am Schluss); ein kurzer Auszug nach dieser Hs. in Cod. Guelf. 277.5 Extrav., 90r–91r. Eine abweichende vollständige Fassung in Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8°, 1r–10v. Druck: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 611–618 (nach dieser Hs.); Senckenberg, Neue und vollständigere Sammlung (siehe oben), 105–109 Nr. XXX, § 1–33; Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen, hrsg. von J. S. Seibertz, Bd. 3: Urkunden von 1400 bis 1800, Arnsberg 1854, 6–20 Nr. 904 (stark abweichende Fassung); Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 191–197 (Abdruck nach Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8°); T. Lindner, Die Fragen des Königs Ruprecht (siehe oben), Text 203–209 (196 Hs. genannt); Lindner, Veme (siehe oben), 212–220. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 127 und 131–135; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 118–136; Lindner, Veme (siehe oben), 211–223 und 275. (10rv) Auszüge aus verschiedenen Weistümern. Item ein Schopff mannet den anndern bey dem hochsten eyd im ein kuntschafft zu geben … — … darnach Kurfursten Herren Ritter vnd Knecht in des kunigs gegenwertikeit. Der ohne Rubrik an die Ruprechtschen Fragen angeschlossene Abschnitt ist formal ähnlich wie diese angelegt und behandelt diverse Fragen zu Einzelheiten der Femegerichtsverfahren, vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 127 („…wunderliches Gemisch…“); Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 186; Lindner, Veme (siehe oben), 275. Druck (nach dieser Hs.): Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 618–621.

11r13r Über die Freischöffen. ›Ein ander Ordenung des Rechtes dartzu auch die Behaltung der Scabiner ist ge ainiget‹. (11r12r) Einsetzung und Rechte der Freischöffen. Item das einer des heyligen Reichs freyschopp werden wil der muß eelich sein … — … er recht habe vnd nympt ein fursprechen. Auf dem Kopfsteg von Bl. 11r beschnittener Vermerk von späterer Hand: Secundus ordo Judicum. Gekürzt auch in Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8°, 26r–28r. (12rv) Gelöbnisbrief dreier verklagter fränkischer Freischöffen zum Erscheinen vor Gericht. Ich Heinrich von Krewlsheym vnd Ich Dietherich von Krelingen vnd ich Balthasar von Husen alle drey echt recht freyschopffen des heyligen Reychs embietten dem ersamen Heinrich von Werdigshusen vnsern gruß zuuor … — … auch an disen brif gehenckt han doch im on schaden etc. Über dem Text ein schwer lesbarer Vermerk von späterer Hand: Ab der freyschepffen. (12v13r) Formular eines Gelöbnisbriefs. Wir A B C echt recht freyschopffen des heyligen Reychs heimlichen achtembietten dem ersamen N vnsern gruss beuor … — … daruber nicht zu riechten. Des zu vrkund etc. Urkunde hier nur als Formular mit Platzhaltern für die Namen der Aussteller und Adressaten. Über dem Text ein schwer lesbarer Vermerk von späterer Hand: Ab der freyschepffen. Druck (nach dieser Hs.): Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 621–626. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 127; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 184f.; Lindner, Veme (siehe oben), 275.

13r15r Die Arnsberger Reformation der Femegerichte (27.4.1437). ›Reformacio in Arnspergk super vetido [!] judicio facta‹. Hic incipit reformacio judicii fetidi des heimlichen geriechts wue man das ordenlich nach alten gesitten vnd herkommen der heimlichen acht halten sollen … — … so is er verbottet zu allen seinen Rechtten. Gehört zur Textgruppe B (Lindner Veme [siehe oben]), 235). Der letzte Abschnitt des Textes (Corroboratio der Reformartikel) wurde gegenüber den anderen Überlieferungszeugen durch knappe Ausführungen zur Vorladung von Freigrafen vor das Femegericht ersetzt. Auch in Cod. Guelf. 226 Extrav., 126r–129r; 277.5 Extrav., 8r–18r; ein kurzer Auszug in Cod. Guelf. 64.7 Aug. 8°, 31v–32r. Druck: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 627–632 (nach dieser Hs.); F. Ph. Usener, Die Frei- und heimlichen Gerichte Westphalens. Beitrag zu deren Geschichte nach Urkunden aus dem Archiv der freien Stadt Frankfurt, Frankfurt/M. 1832, 114–119 Nr. VII; Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen (siehe oben), 76–85 Nr. 938. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 127f. und 135–141; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 138–144 und 145–147; Lindner, Veme (siehe oben), 230–245 und 275.

15v17r Formular. Die hier ohne Rubrik aneinandergereihten Stücke sind in anderen Zusammenhängen auch separat überliefert: (15v16r) Rechtsweisung zum Freigericht. Item wenn du wilt einen freyschopffen machen so lege das geriecht als sich das gepurt … — … noch vmb eines dinges willen die in der welt sint. (16rv) Anweisung zur Hegung eines Freidings. Wann du wilt ein offen freydingk vnd geriecht hegen so sprich zu dem frumen aldus … — … als recht ist wane das hy det geuerte. (16v) Anweisung zum Erwirken eines Freibanns. Item wiltu einen freybann wircken so frag den frone aldus … — … vnd gebed das vnder konigs bann. (16v16r) Wiedereinsetzung eines zu Unrecht verfemten Freischöffen. Item wann du wilt wieder einen in sein recht seczen vnd in sin fryde so soltu einen freyen bann warcken … — … dann ich von clag wegenn N. geheyschet vnd verbotten hatt. Druck (nach dieser Hs.): Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 632–637. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 128; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 148–157; Lindner, Veme (siehe oben), 256–261 (258f. zusätzlich Abdruck des letzten Abschnitts) und 275.

17v19v Die Arnsberger Weistümer (10.–11.4.1437). ›Questiones hec sequentes mote sunt in capitulo Arnspergensi etc.Das erste wardt ein vrteile gefragt gestalt an den Schultheyssen von Bernstoffe [!] ob ein freyschopff verbotten wurde an einen freyen stule fur einen pflichttage … — … das zu beclagende vnd zu rechtfertigen nach vrteile vnd nach recht als sich gepurt etc. Der einleitende Abschnitt fehlt, einige Paragraphen sind gekürzt. Auch in Cod. Guelf. 226 Extrav., 129r–133r; 277.5 Extrav., 18v–25v. Druck: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 637–642 (nach dieser Hs.); Usener, Die Frei- und heimlichen Gerichte Westphalens (siehe oben), 119–124 Nr. VIII. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 128 und 141f.; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 144f.; Lindner, Veme (siehe oben), 245 und 275.

20rv Über die Freischöffen. ›Dis ist ein altes koenigs Recht‹. Unter dieser Rubrik sind folgende Stücke zusammengestellt: (20r) Wie man einen Schöffen vorladen soll. Item zum ersten ist zuwissen fur recht vnd woellen des wullen stan so wann einen freyschopffen anteydingen wil … — … man gewynnet in selb syebend vollkomen schopffen. Der Text enthält die gekürzten und modifizierten Artikel 20–26 aus dem sog. „Ersten Rechtbuch Wigands“. Druck: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 642f. (nach dieser Hs.); P. Wigand, Das Femgericht Westphalens, aus den Quellen dargestellt und mit noch ungedruckten Urkunden erläutert, Hamm 1825, 551–558 Nr. XXVI, hier 555f. § 20–26 (vielfach ergänzt); Lindner, Veme (siehe oben), 247–249. Vgl. dazu Wächter, Beiträge (siehe oben), 120f. und 128; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 133f., 178–182, 186; Lindner, Veme (siehe oben), 247–249, 264–267 und 275. (20r) ›Item in der Reformacion steet disse puncten‹. Item so sollen vnd mogen alle Stulherren alle freygreuen vnd echte rechte freyschopffen der puncten geprauchen … — … recht des heyligen Reichs in ire verbottunge vss vnd heyme. Es ist dies der letzte, als Corroboratio dienende Artikel der Arnsberger Reformation, der oben (15r) ausgelassen und ersetzt wurde. Druck: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 643 (nach dieser Hs.); Usener, Die Frei- und heimlichen Gerichte Westphalens (siehe oben), 119 Nr. VII. (20v) Zur Urteilsfreiheit eines Freischöffen. Item sol soll ein iglich freyschopffe wol verstan was freyheit ime gegeben wurt … — … einem vesten fundament daran yczlich freyschopffen zuuerlassen mage. Dieser bemerkenswerte Abschnitt, der an die freie persönliche Urteilsfindung durch die Schöffen auf der Basis des gesatzten Rechts appelliert, ist offenbar eine eigene Zutat des Kompilators und bislang nur hier nachgewiesen. Druck: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 644. Dazu Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 186 („…müssiger Zusatz…“).

20v22r Die sog. „Ruprechtschen Fragen“ modifiziert und gekürzt. Vnnser gnediger herre koenig Rupprecht hat besant an der Mittwochen nach Urbani anno etc. vm dise hernach geschriben freygreuen vnd hatt sie dise hernach geschriben stucke thon frogen … — … freygraue zum III. mit XVI freyschopffen VII freygauen VI wochen III tage. Der tabellarische Schluss zur Vorladung von Freigrafen vor das Femegericht findet sich ausformuliert bereits oben, 15r, als Anhang zur Arnsberger Reformation. Druck dieser Fassung: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 644–648 (nach dieser Hs.). Zum Text siehe oben, 7r10r.

22v24r Rechtsweisungen. (22v23v) ›Also sol ein freygreue des heyligen Richs obersten fryen gericht anheben vnd hegen nach altem geseczt des grossen keyser Karols vnd des heylgen bapstes Leo etc.Ich frage dich forone [!] ob des wol tage vnd zytt si das ich in statt vnd stule meins herren des Romischen konigs ein geriecht vnd heylig dingk hegde … — … das in hangen an den nechsten bawme den sie gehaben mogen. Eine gekürzte, abweichende Fassung auch in Cod. Guelf. 277.5 Extrav., 4v–7v. (23v24r) ›Also soltu schopffen machen‹. Do freyenn oder annder bekannt schopffen in deiner graffschafft stůlen einen vnwiessenden bringen … — … soltu das geriecht waren so tustu dinen eyde wul den du dem konig geschworen hast. Druck und Literatur: Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 648–653 (nach dieser Hs.); Wigand, Das Femgericht Westphalens (siehe oben), 551–554 § 1–14, 556f. § 27–30 und 554f. § 15–19 (abweichend, ohne den Schlusssatz); Lindner, Veme (siehe oben), 249–256.

24v28v Heinrich Seldenhorn: Quaestio disputata über die Gültigkeit der Femegerichte. ›Sequitur questio per doctorem Teologie In studio Coloniensi disputata que multum antedicta Judicia fetida [!] reprobat‹. (25r) Des Erstenn ob ein weltlicher Romischer furst muge Recht seczenn damit ein abwesender vnuerhort vff leibe vnd ere verteyltwerden … — … die der freyheit sachen wollent freyenn die můssen auch das leydenn dat diss gesaczt auß wyset etc. ›Et sic est finis huius questionis‹. Der Autor der Quaestio, Heinrich Seldenhorn, stammte aus dem heutigen Bad Waldsee, sein Studienort ist unbekannt. Er ist seit 1415 im Dienst des Herzogs Friedrich IV. von Österreich und seit 1427–1430 als Hofrichter in Brixen und Tiroler Freischöffe nachgewiesen und verfügte über enge Beziehungen zu Oswald von Wolkenstein. Da Seldenhorn in die Querelen um die Wahlkapitulation des Brixener Bischofs Ulrich Putsch (1427–1437) verwickelt war und dabei mit einigen Schöffen den bischofstreuen Adligen Johannes von Annenberg ohne reguläres Verfahren hinrichtete, wurde er vom Femegericht in Villigst (Schwerte) seinerseits in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Seldenhorn floh daraufhin Anfang 1431 nach Venedig, wo ihn der Doge zwar gefangensetzte, aber nicht auslieferte. Von dort begab sich Seldenhorn über die Alpen nach Bayern, wo er zwischen 1434 und 1438 als Landschreiber (einer der obersten Verwaltungsbeamten, vgl. auch bei Cod. Guelf. 318 Helmst.) des Herzogs Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt (1413–1447) nachweisbar ist. Vgl. dazu ausführlich U. M. Schwob, Spuren der Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol, Innsbruck 2009 (Schlern-Schriften 345), s.v. „Seldenhorn, Heinrich“, bes. 61, 72–74, 88f., 106. Da Seldenhorn in der Quaestio unter anderem die Umstände der eigenen Verurteilung hinterfragt, dürfte sie daher um oder kurz nach 1430 entstanden sein. Druck (nach dieser Hs.): Collectio Monumentorum Bd. 2 (siehe oben), 653–662; Schwob, Spuren der Femgerichtsbarkeit (siehe oben), 195–199 Anhang I Nr. 7 (teilweise, zum Text ausführlich 92–96). Vgl. außerdem Wächter, Beiträge (siehe oben), 128; Duncker, Kritische Besprechung (siehe oben), 186; Lindner, Veme (siehe oben), 275.

II

Papier — 5 Bl. — 28 × 21 cm — Speyer — 1553

Wasserzeichen: Schild (einfache Tartsche) mit Schrägrechtsbalken, Bindedraht als Mittelachse, darüber Hörner: WZIS DE8085-PO-23727 (1552). Lagen: III–1 (31)! Schriftraum: 19–20 × 11–12 cm, einspaltig, 22–26 Zeilen. Sehr regelmäßige, sorgfältige Kanzleischrift von einer Hand. Am Beginn der einzelnen Abschnitte vergrößerte Majuskeln.

Herkunft: Der Faszikel dürfte laut der Schlussrubrik 1553 oder wenig später im Umfeld des Reichskammergerichts in Speyer entstanden sein. Michael von Kaden jun. hatte während seiner Tätigkeit dort zahlreiche ähnliche rechtspraktische Stücke gesammelt, die sich in Cod. Guelf. 64 Helmst. und Cod. Guelf. 283–287 Helmst. befinden.

Schreibsprache: Westmitteldeutsch (rheinfränkisch).

29r31v Gerichtsordnung des Freistuhls in Bergneustadt von 1547. ›Ordnung welcher gestalt vnnd wie das Freygericht zur Neuerstadt Im Süderland von alters bey menschen gedencken vill Jar her bis auff den heuttigen tag von einem Freygrafen zum anderen gehalten ist worden vnd der gebrauch gewesen ist wie volgt‹. Anfenglich hat man einem Jegklichen furderlich vnpartheylich Recht, wer des gesunnen vnnd begert hat, widerfarenn lassen … — … vnser Stat Insigel vnnden heran gehangen. Datum vff Sanndt Egidius tag Abbatis Im Jar vnnsers herren als man schreibt Tausent Funffhundert Sibenundvierzig [1.9.1547] . ›Productum Spirae quarta Octobris Anno 53 In sachenn Seuerin Friden Aldenhoffen Contra Churfursten zu Trier‹. Druck: Hahn Collectio monumentorum (siehe oben), 662–665. – *Ir–*IIv leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bruns Beyträge P. J. Bruns, Beyträge zu den deutschen Rechten des Mittelalters aus den Handschriften und Drucken der akademischen Bibliothek in Helmstädt, Helmstedt 1799
Ebert Handschriften F. A. Ebert, Handschriften der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel zur älteren deutschen Geschichte, in: Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 6 (1838), 1–34
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Homeyer Rechtsbücher G. Homeyer, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften, Weimar 1931/1934
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Oppitz U.-D. Oppitz, Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1: Beschreibung der Rechtsbücher, Bd. 2: Beschreibung der Handschriften, Köln u. a. 1990
RTA Deutsche Reichstagsakten. Ältere Reihe, Bd. 1–22, Stuttgart u. a. 1867–2013
VD16 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts, Online-Ressource: http://gateway-bayern.bib-bvb.de/aleph-cgi/bvb_suche?sid=VD16
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Korrekturen, Ergänzungen:
  • Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
  • Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.
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