Pontificale Romano-Germanicum
Ansbach (?) — 12. Jh., Anfang
Provenienz: Litanei (126r) und personalisierte Gebete (291v) der Handschrift verweisen auf das Kollegiatsstift St. Gumbert in Ansbach, eine Einordnnung, die durch die späteren Einträge - Iv (Kopfsteg) und 298r (Fußsteg), beide von einer Hand des 15. Jh.: Liber ecclesie sancti Gumberti in Onolspach - unterstützt wird (zur Auswertung der Texte vgl. , in Vorb.; 493 Helmst.). 1552 erwarb Matthias Flacius Illyricus den Codex, vermutlich bei einem Aufenthalt in Ansbach (vgl. , 100). Ir die Signatur No 192 der flacianischen Bibliothek. 1r Pontificale cum Exorcismis von der Hand eines Mitarbeiter von Matthias Flacius Illyricus. Von Flacius selbst stammen mehrere marginale Vermerke mit Rötelstift (vgl. in Vorb.). Im Rahmen des Ankaufs der flacianischen Bibliothek gelangte die Handschrift am 20.4.1597 in den Besitz des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig Lüneburg. Im Gesamtkatalog des Liborius Otho (1614; Cod. Guelf. A Extrav.) ist der Codex unter den Papalia Miscellanea als OrdoRomanus vel pontificale cum Excorcismis in membranis manuscriptus mit der Signatur Y 40 ausgewiesen. 1618 wurde er in die Universitätsbiliothek Helmstedt überführt und dort 1644 in das Handschriftenverzeichnis von 1797 BA III, 51 mit der Nummer 34 aufgenommen ( , in Vorb.; 493 Helmst.).
Pergament — 296 Bl. — 25,5 × 19,0 cm
Lagen: 3 IV (23)! III (30)! 6 IV (77). IV+1 (86). 2 IV (102). IV+1 (111). III (118). 2 IV (132)! III (138). I (140). IV+1 (150)! 4 IV (184)! V (194). 5 IV (235)! III+2 (243). III+1 (250). 6 IV (298). Lagenbezeichnungen in römischen Ziffern auf dem jeweils ersten Blatt der Lage (mit Ausnahme der Lagen 1-3 und 32, dort auf dem letzten Blatt der Lage): I-XXXVIIII. Lagenverlust einer Lage nach Bl. 282. Ungezählte Blätter: Bl. 1 und jeweils das Blatt nach Bl. 40 und Bl. 118. Bl. 28, 145, 171, 177 und 198 wurden in der Zählung übersprungen. Schriftraum: 18-19 × 11-12 cm, einspaltig, 25 Zeilen. Späte Karolingische Minuskel von zahlreichen Händen. Rubrizierung. Rote, 2-3zeilige Initialmajuskeln in Capitalis quadrata, Capitalis rustica und Unzialis.
Der romanische Einband des vermutlich ursprünglich als Liber catenatus gebrauchten Buchs, ist verloren (vgl. Cod. Guelf. 454 Helmst.).
, Ansbacher Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806. Ein Beitrag zur Kultur- und Geistesgeschichte des Fürstentums Brandenburg-Ansbach, Kallmünz 1961 [Schriften des Instituts für Fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen, Historische Reihe 8], 12-14). Der jetzige Ganzledereinband aus aufgezogenem, dunkelbraun gefärbtem Schafsleder, mit einfachen blindgepressten Streicheisenlinien stammt aus der Helmstedter Buchbinderwerksatt des A. F. Wirck (2. Hälfte 18. Jh.; vgl. auchINHALT
Iv-298r Pontificale Romano-Germanicum (vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB]). 1-3; , Bd. 1-5; ausführliche Textanalyse, vgl. [in Vorb.,
AUSSTATTUNG
Eine Initiale.Zum Textbeginn (Iv) eine Spaltleisteninitiale mit unterem Ausläufer entlang der Textspalte. Schlanker Initialstamm mit schmalen Spangen und einer Blattapplik, das Randband in der Stammmitte überkreuz geführt (Ansatz ein Stufenbandes). Vom Initialstamm ausgehend locker geschwungene Rankenabläufe mit Knollen, Knospen und Palmetten als Endbesatz. Die Blattformen und Knospen mit eingerollten Ansatzblättern. Am unteren Ablauf eine spiralförmig gedrehte, große Stauchung. Die Umrisszeichnung der Initiale ist durch Abrieb verblasst. 13,0 cm.
STIL UND EINORDNUNG
Der Text des vorliegenden Pontificale mit seinen personalisierten Gebeten und der spezifischen Litanei lässt darauf schließen, dass die Handschrift für die Benutzung in St. Gumbertus eingerichtet wurde. In der Litanei, auf 126r, Nr. 2, finden sich die Namen der Stiftspatrone Maria (Sancta Maria ora) und Gumbertus (Sancte Gumberte ora) neben dem Würzburger Diözesanpatron Kilian (Sancte Kiline cum sociis ora) und dem Kölner St. Gereon (Sancte Gereon ora) durch die Verwendung von Capitalis rustica und roten Begleitstrichen hervorgehoben. Auf 291rv wurde der Text zeitgleich durch folgenden Absatz ergänzt: Ora pro nobis beate Gumberte. [...].. Spätere Einträge aus dem 15. Jh. beinhalten Besitzvermerke für St. Gumbert (s. Provenienz). Bereits im 8. Jahrhundert (vor 786) wurde im Rangau von dem Adeligen Gumbertus ein Marienkloster gegründet und dann später, um die Jahrtausendwende, in ein Chorherrenstift umgewandelt. Es war besonders dem Würzburger Domkapitel verbunden. Für das Früh- und Hochmittelalter konnte bisher keine Schreibschule für das Stift festgemacht werden. Schreibtätigkeiten beschränkten sich wohl auf die Herstellung von Urkunden und sind bereits für das 12. Jahrhundert nachzuweisen. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts und im 13. Jahrhundert schrieben in St. Gumbertus nachweislich Ansbacher Chorherren für die Kanzlei des Würzburger Bischofs ( , Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg, Würzburg 1967 [Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Bd. 20], 167-175). Die Bibliothek gewann zunehmend an Umfang, gelangte aber erst im 15. Jahrhundert zur Blüte (zum Stift und seiner Bibliothek vgl. ). Aus der Zeit vor 1200 haben sich inklusive des vorliegenden Pontificale insgesamt 4 Handschriften aus der Bibliothek des Stiftes erhalten. Neben der bekannten Gumbertusbibel (Erlangen, UB, Ms. 1, Skriptorium unter Salzburger und Regensburger Einfluss, 1180/85) sind es mit dem Gumbertus Evangeliar (Erlangen, UB, Ms. 10, Nordostfrankreich, um 850-75) und dem Fuldaer Evangeliar (Erlangen, UB, Ms. 9) zwei karolingische Codices, die überliefert sind (zu den Handschriften vgl. Kat. Nr. 1, 29 und 31). Das im Pontifikale zum Textbeginn auf Iv verwendete Initialornament ist aufgrund fehlender Vergleiche aus Ansbach allgemein der mittelfränkischen Region zuzuschreiben. Ähnliche Ausführungen finden sich in Codices aus dem Benediktinerkloster Amorbach (Bistum Würzburg), vgl. Berlin, SBBPK, Ms. theol. lat. fol. 263, Franken (Amorbach ?), 11. und 12. Jh.; , Kat.Nr. 2, Abb. 4 und 5; zu Amorbach vgl. P. Lehmann, Die Bibliothek des Klosters Amorbach, in: Erforschung des Mittalalters. Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze von Paul Lehmann, Bd. 3, Stuttgart 1960, 76-109.vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, 221, Nr. 34. — , Nr. 530 (Heinemann Nr.). — , Immixtio et consecratio. La consécration par contact dans les documents liturgiques du moyen âge, Paris 1924 (Bibliothèque de l'Institut de Droit Canonique de l'Université de Strasbourg 2), 63f. — 1, XXV. — , 429-441. — , Étude sur les sacramentaires romains. Tome 2,2: Le sacramentaire d'Hadrien, le supplement d'Alcuin et les gregoriens mixtes. Releve des manuscrits et bibliographie, Città del Vaticano 1958 (Studi di antichità cristiana 25), 374f. Nr. 499. — , Précisions sur la date et l'ordonnance primitive du pontifical romano-germanique, in: Ephemerides liturgicae 74 (1960), 145–162, hier 147. — , 29 und 31. — , Ansbacher Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806. Ein Beitrag zur Kultur- und Geistesgeschichte des Fürstentums Brandenburg-Ansbach, Kallmünz 1961 (Schriften des Instituts für Fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen, Historische Reihe 8), 4, 7, 223. — 3, 9, 68 und 71. — , 205 Anm. 544, Nr. 16. — , 24. — , 15 Anm. 29. — , 496, Kat.Nr. 24.03.01 ( ). — , 100, 234. — , Kat.Nr. 55 ( ). — , 471, Nr. 229 ( ). — , 158, Nr. 277 und 381. — A. Beck, M. C. Ferrari, Gumbertus, das Stift und seine Bücher, in: Die Gumbertusbibel. Goldene Bilderpracht der Romanik. Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, 1. Mai bis 27. Juli 2014, hrsg. von Dems. und A. Pawlik, Nürnberg 2014 (Ausstellungskataloge des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg), 77–81, hier 80. — (in Vorb.,Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil II (12. Jh.).