Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung
Cantica canticorum cum Glossa ordinaria. Commentum in Cantica Canticorum. Honorius Augustodunensis
Pergament — 151 Bl. — 24,5 × 16 cm — Lamspringe, Benediktinerinnenkloster — 12. Jh., 3. Viertel
Aus drei Teilen zusammengesetzt: I 1r–21vb; II 22ra–72v; III 73r–150v. Lagen: 2 IV (16). II+1 (21). 6 IV (68)! IV–4 (72). III+1 (79). 8 IV (143). IV–1 (150). Tintenfoliierung modern: 1–150, Zählfehler: zwischen Bl. 38 und 39 ein Bl. übersprungen.
Unverzierter romanischer Holzdeckelband, mit erdbeerrot gefärbtem Schafsleder überzogen. 3 Doppelbünde. 2 Riemenschließen mit Ösenverschluss und Dornen an der Kante des VD, Schließenriemen und Ösen verloren. An Bl. 78, 99, 128 und 137 Blattweiser aus Pergament angenäht, an Bl. 78 aus einer Hs. des 9. oder 10. Jh. mit nicht mehr identifizierbaren Textresten.
Fragmente, VS und HS: Pergament, je ein Bl., misst noch ca. 24 x 16 cm., HS kopfständig eingeklebt. Schriftraum: 17,5–18 x 10–12 cm (beschnitten und überklebt), noch 18 bzw. 21 Zeilen sichtbar. Karolingische Minuskel. 11. Jh. Rituale. VS: Oratio 2325. Danach Rubrik ›ad completorium‹ und Orationes 2320, anschließend Benediktion: [Et]bened[ictio] dei patris omnipotentis et filii [et spiritus sancti descendat et] maneat super nos Amen. Danach Rubrik ›ad aspersionem‹ und Orationes [Presta quesumus omnipotens Deus per] huius aquę aspersionem sanitatem mentis … [sa]lutis corroborationem fidei spei et …, Ora pro nobis beate martyr Adriane … Dann Versikel 2812 und Beginn der oratio [Gloria sanctorum omnium domine] Ihesu Christe qui ad te venien[tibus][claritatis] gaudia contulisti ambitum templi istius …. HS: Orationes pro defunctis. … a cunctis reatibus absoluti sine [fine letentur Per] ( 1444). Folgt die Oratio aus: Ein Rituale in beneventanischer Schrift: Roma, Biblioteca Vallicelliana, cod. C 32, Ende des 11. Jahrhunderts, hrsg. von Anschließend , Fribourg 1980 (Spicilegium Friburgense 26), 337 Nr. 308. 1437. Danach Rubrik ›Pro episcopo‹ mit den Orationes 2812 (mit modifiziertem Schluss: … presta quesumus ut quorum vicem ad horam [gerebat in] [ter]ris eorum quoque perpetuo consortio letetur in celis), 3009 und 3012.
Herkunft: Die drei Teile des Codex wurden im frühen 3. Viertel des 12. Jh. etwa gleichzeitig mit Cod. Guelf. 482a Helmst., 723 Helmst. und 943 Helmst. im Benediktinerinnenkloster Lamspringe geschrieben, worauf nicht nur die paläographischen Merkmale der sog. "Scriptrix"-Gruppe, sondern auch die stilistischen Merkmale des Buchschmucks hindeuten. Auf Bl. 1r steht ein entsprechender Besitzvermerk Liber sancti Adriani in Lamesprige. — Am 10.4.1572 mit den übrigen Lamspringer Codices in die Hofbibliothek nach Wolfenbüttel überführt, 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 27r–v) als Cantica canticorum cum glossa et Explicatione auff Pergamein geschrieben in quarto vnd brettern mit rotem leder vbertzogen gebunden verzeichnet. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 289 [284]) unter den Exegetici Bibliorum als Cantica Canticorum manuscripta in pergamenis mit der Signatur K 18 nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 13r) als Cantica canticorum cum glossa interlinerari et marginali. Commentarius in Cantica Canticorum. In Cantica Canticorum quatuor libri commentariorum. Omnia in membrana unter den Theologici MSSti in quarto beschrieben; auf dem VS die entsprechende Helmstedter Signatur T 4to 9. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 462 genannt.
, 70 Nr. 3.12. — Nr. 558. — , 473. — 11, 370 — , 468, 476. — , 138. — , 119, 124f., 128, 130, 137 mit Abb. 7. — , 266f. Nr. 1068. — , 48f., 79f. Nr. 9. — , 90. — , 30. — , 73f. mit Abb. 5. — , 169. — , 263. — , 239f. — , 53. — , 332–334. — .
I
Pergament — 21 Bl. — 24,5 × 16 cm — 12. Jh., 3. Viertel
Lagen: 2 IV (16). II+1 (21). 16v und 24v auf dem Fußsteg Reste von Kustoden in römischen Zahlen (IIus, IIIus). Schriftraum: 21 × 13,5 cm, Bl. 1v zweispaltig, sonst Drei-Spalten-Klammerform ( , 66–68), Textspalte 6–14 Zeilen, Glossenspalten in variierender Breite bis zu 59 Zeilen. Carolino-Gothica in wechselnder Größe (kleine Glossen- und größere Textschrift) von einer Hand der sog. "Scriptrix-Gruppe", vgl. bei Cod. Guelf. 482a Helmst. Auf dem Kopfsteg von Bl. 2r–8r (jeweils auf der Recto-Seite) von einer Hand des 15. Jh. die Angabe der Kapitel des Bibeltextes als Seitentitel (ähnlich in Cod. Guelf. 447 Helmst.). . Rubriziert, rote Satzmajuskeln und Lombarden, letztere meist mit den charakteristischen Silhouettenornamenten der "Scriptrix-Gruppe", vgl. bei Cod. Guelf. 510 Helmst. Bl. 2r Spaltleisteninitiale O über 3 Text- und 6 Interlinearglossenzeilen mit weißem, rot umzeichneten Leistenstamm, Schnallen und roter Spaltfüllung, der innere Leistenstamm ist im Binnenfeld volutenartig eingerollt, die spiralig verschlungene und verästelte Ranke läuft in Halbpalmetten und Knollenblätter aus. Das Binnenfeld ist im oberen Teil mit einem grünen, im unteren mit einem blauen Polstergrund versehen, den Buchstaben umgibt ein rechteckiger Rahmen in dunkelgelber Farbe mit roten Punkten (vgl. zu anderen ähnlichen Initialen bei Cod. Guelf. 443 Helmst.).
1r Besitzvermerk (siehe oben), Inhaltsangabe (Textus Cantica [!] Canticorum cum glosa interliniari [!], Bastarda, 15. Jh., gleiche Hand wie in Cod. Guelf. 475 Helmst., 1r) und Federproben (auf dem Kopfsteg: omnis homo primum ponit et nobile … und auf dem vorderen Seitensteg: pater noster qui es in celis sanctificetur nomen tuum adveniat …).
1va–21vb Cantica canticorum cum Glossa ordinaria. (1v) Prologus. Iste liber primum compositus fuit metrice hebraica lingua postea translatus in grecum … — … dicebat in orationibus suis Quando veniet? Veniet? Quando nascetur putas videbo? [sic, cfr. Aug. serm. 370,3]. Der Prolog gehört nicht ursprünglich zur Glossa ordinaria, sondern entspricht in seinen an die ‘Accessus ad auctores’ angelehnten Abschnitten (Materia Salemonis [!] est in hoc opere sponsus et sponsa. Modus est quod ostendit qualiter sponsus preparat sponsam …, Intencio eius est ut exemplo sponsę hortetur alios …, Incipiunt cantica canticorum id est illa per membra documenta que dicuntur cantica …, Osculetur me cum debeat hortari ad dilectionem …) der Vorrede und dem Beginn des Cantica-Kommentars von Ps.-Stephan Langton, vgl. 7810, insbesondere mit den in den Anmerkungen beschriebenen Hss. Paris, BN, lat. 393, 220r–224v, und Graz, UB, Ms. 290, 210r–227r ( 1, 159). Der Prolog mit identischem Initium auch in Berlin, SBBPK, Ms. theol. lat. fol. 339, 62vb–63rb ( , 132 Nr. 335.). (2r–21v) Ct. (2ra–21v) Glossa ordinaria marginalis. Quatuor mihi in hoc opere videor invenisse personas sponsum et sodales ipsius … — … cum in montibus figas pedes dignare dilabi ad valles. (2ra–21v) Glossa ordinaria interlinearis. 'Osculetur' delectet et certificet humanam naturam. 'osculo' incarnatione filii sui que est quasi prelibatio coniunctionis … — … purgatis viciis amore celestium tenentur ut virtutum odore fraglant et bonus odor Christi sunt. Edition: 113, 1125–1168; 170, 73–413. Literatur: 11804.
II
Pergament — 52 Bl. — 24,5 × 16 cm — 12. Jh., 3. Viertel
Lagen: 6 IV (68)! IV–4 (72). Schriftraum: 18 × 11 cm, zweispaltig, 38–39 Zeilen. Regelmäßige Carolino-Gothica von einer Hand der sog. "Scriptrix-Gruppe" (siehe oben). Zahlreiche marginale Korrekturen und Textergänzungen der anlegenden und anderer gleichzeitiger Hände. Marginale Korrekturen rot gerahmt. Bl. 22ra Spaltleisteninitiale N über 6 Zeilen mit weißem, rot umzeichneten Leistenstamm, Schnallen und roter Spaltfüllung. An der Schnalle der mittleren Haste ist eine s-förmig nach oben geschwungene Ranke mit verschiedenen Blattformen befestigt. Unter der schrägrechten Haste schreitet ein ebenfalls rot konturierter, dem Betrachter zugewandter Löwe (heraldischer Leopard). Der Buchstabe ist im linken Teil blau, im rechten grün grundiert; der Polstergrund reicht über den Buchstaben hinaus und bildet einen zweifarbigen Rahmen.
22ra–72rb Commentum in Cantica Canticorum. Notandum est cum cantica canticorum supponantur divinę philosophię sub qua parte ponantur … — … aromata id est bona opera et grana virtutum tibi Christe redolentia. Identisch auch in der aus Frankreich stammenden Hs. Darmstadt, ULB, Hs. 3103, 1v–22v ( , 279 Nr. 175). Ein weiteres Exemplar ist im Bibliothekskatalog des Benediktinerklosters Fleury-sur-Loire von 1562 erwähnt, vgl. Catalogue général des Manuscrits des bibliothèques publiques de France, Bd. 12: Orléans, par , Paris 1889, XI Nr. 100 („Liber anonymus, cujus initium est Notandum est cum cantica canticorum supponantur divinae philosophiae“). Der Text ist demnach in Frankreich entstanden. Ungedruckt. Literatur: 11728 (nur diese Hs.). – 72v leer.
III
Pergament — 78 Bl. — 24,5 × 16 cm — 12. Jh., 3. Viertel
Lagen: III+1 (79). 8 IV (143). IV–1 (150). Schriftraum: 19 × 10,5 cm, einspaltig, 42 Zeilen. Regelmäßige Carolino-Gothica von der Hand der sog. scriptrix (vgl. Cod. Guelf. 482a Helmst.), Satzmajuskeln in Capitalis und Unzialis, letztere auch als rot gestrichelte Auszeichnungsschrift am Beginn der Bücher. Marginale Anmerkungen, Korrekturen, Textergänzungen und Notazeichen der anlegenden und anderer, gleichzeitiger Hände. Rubriziert, rote Lombarden, marginale Korrekturen und Ergänzungen rot umrandet, Schriftzitate rot unterstrichen. Satzmajuskeln schwarz, je nach Buchstabenform rot gestrichelt, gepunktet oder gefüllt. Am Beginn der einzelnen Bücher Spaltleisteninitialen mit weißem, rot umzeichneten Leistenstamm, Schnallen und roter Spaltfüllung, farbig grundiert und gerahmt. Im einzelnen: 73r, (Praefatio lib. I) I über 9 Zeilen, durch den Spalt im Buchstabenstamm windet sich ein rot konturierter Drache; der Buchstabe ist links blau, rechts grün gerahmt, jeweils mit roten Punkten. 78r, (lib. I) F über 10 Zeilen auf einer rahmenden links blauen, rechts grünen Grundierung mit roten Punkten, die von einer roten Wellenlinie umgeben ist. Die senkrechte Haste des F wird aus zwei spiralig verschlungenen, grün konturierten Leisten gebildet, die eine läuft oben in einen belaubten geschwungenen Ast und unten in einen Schlangenkopf aus, die Enden der zweiten sind identisch, aber umgekehrt angeordnet. Aus dem oberen Schlangenkopf wächst der Leib eines geflügelten Drachen hervor, der den oberen Querbalken des Buchstabens bildet, aus seinem Maul ragt ein menschlicher Fuß hervor. Der zweite Querbalken des F ist eine schlichte Spaltleiste, die zwei Binnenfeldmotive trennt: Im oberen Teil der im Text genannte, gekrönte filius regis in Federzeichnung als Bruststück im Redegestus mit einem geöffneten Buch, im unteren Teil ein hundeartiges Raubtier, aus dessen Rachen eine mit Knollen- und Krautblättern sowie Halbpalmetten besetzte Ranke wächst. Vergrößerte Abb. bei , 48. 98v, (Praefatio lib. II) P über 16 Zeilen, schlichte Form mit Knollenblattranke im Binnenfeld und konturbegleitender Halbpalmettenranke; Buchstabe goldfarbig gerahmt, nur unter dem Stamm blau, ebenso die Grundierung des Binnennfelds. 99r, (lib. II) gleichartig gerahmtes I über 9 Zeilen, dessen Buchstabenkörper aus zwei symmetrisch verschlugenen Schlangen gebildet ist. 129v, (Praefatio lib. III) E über 6 Zeilen, golden gerahmt, Binnenfeld oben und vorn blau, unten grün grundiert, an der Schnalle des Querbalkens zwei dazu axialsymmetrisch angeordnete Spiralranken mit vegetabilen Ausläufern. 129v, (lib. III) D über 9 Zeilen, golden gerahmt, Binnenfeld links blau, rechts grün, darin die gekrönten Halbfiguren von Sponsus (links mit roter Schriftrolle) und Sponsa (rechts), vergrößerte Abb. bei , 49. 137r, (Praefatio lib. IV) P über 12 Zeilen, analoge Gestaltung wie oben, allerdings ist die Grundierung hier dreifarbig (golden, blau, grün), auf der Ranke des Binnenfelds sitzt zusätzlich ein Vogel. 137v (lib. IV) V über 11 Zeilen mit dreifarbiger (golden, blau, grün) Grundierung bzw. Rahmung; das Binnenfeld wird vom Vorderkörper eines seitelich gezeigten, nach hinten sehenden Löwen eingenommen, dessen Hinterleib mit durch die Hinterläufe gewundenem Schweif weit nach links auf den Seitenrand ragt. Aus seinem Maul wächst eine Ranke mit Knollenblättern und Halbpalmette.
73r–150r : Expositio in Cantica canticorum. Filius regis Ierusalem desponsavit sibi filiam regis babilonis per internuntios … — … spiritui sancto compositori et expositori utriusque operis gratias agamus Amen. ›Cantica digna thoris caste flagrantis amoris | Digne scripta meo sunt simul officio | Digna deo regi finitur laus hymenei‹ ( 2384). Die Prologe fehlen. Teilweise in Cod. Guelf. 586 Helmst., 993 Helmst., 132ra–161va. Edition: 172, 347–496, hier ab 357C. Literatur: 3573 (Hs. genannt); 4, 122–132, hier 127f.; I, 61–70 und 123–125; , Honorius Augustodunensis of Regensburg, in: Authors of the Middle Ages. Historical and Religious Writers of the Latin West, hrsg. von , Bd. 2 Nr. 6, Aldershot 1995, 89–183, hier 147 und 167–169 (169 Hs. genannt); , 180 Nr. 494.16; 6, 235f. Nr. 15.
150r Versus. Eligo peiora licet aspiciam meliora | Dum tamen utriusque dicerno bonumque malumque … — … Fortunatus eris miseris bene si misereris | Ut deus in celis te protegat esto fidelis. Die ersten beiden Verse entstammen dem ‘Carmen de vanitate saeculi’ ( 46 Nr. 312, hier 355 Z. 17f., dazu 6558), die drei letzten sind nicht nachweisbar. Von anderer, gleichzeitiger, aber unbeholfen wirkender (Schüler?-)Hand direkt unter dem Text nachgetragen. – 150v leer.
Abgekürzt zitierte Literatur
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C. Bertelsmeier-Kierst, Handschriften für Frauen und von Frauen. Buchkultur aus norddeutschen Frauenklöstern im 13. Jahrhundert, in: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter. Mit einer Einführung von H. Härtel, hrsg. von H. Schmidt-Glintzer, Wiesbaden 2008 (Wolfenbütteler Hefte 22), 83–122 | |
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- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
- Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.