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Beschreibung von Cod. Guelf. 511 Helmst.
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 2: 12. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Cantica canticorum cum Glossa ordinaria. Commentarius in Cantica Canticorum. Honorius Augustodunensis

Lamspringe — 12. Jh., 3. Viertel

Provenienz: Besitzeintrag 1r Liber sancti Adriani in Lamesprige (aus der Entstehungszeit der Handschrift, um 1200). Vermerke von dieser Hand auch in 145 Helmst., VS; 204 Helmst., 1r; 443 Helmst., 1v; 447 Helmst., 5r; 475 Helmst., 1r; 480 Helmst., 1r; 482a Helmst., 1r; 504 Helmst., VS; 510 Helmst., 1r; 519 Helmst., 1r; 553 Helmst., 1r; 650 Helmst., 1r; 723 Helmst., 1r; 943 Helmst., 1r; 1012 Helmst., 1r; 1030 Helmst., 1r; 1034 Helmst., 1r; 1113 Helmst., 1r und 1196 Helmst., 1r). 1572 mit den übrigen Lamspringer Codices in die Bibliotheca Julia in Wolfenbüttel überführt. Von Eberhard Eggelinck im Verzeichnis der Pergamenthandschriften der Bibliotheca Julia als Cantica canticorum cum glossa et Explicatione auff Pergamein geschrieben in quarto vnd brettern mit rotem leder vbertzogen gebunden genannt (Wolfenbüttel, NLA – StA, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 27rv). 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 289) unter den Exegetici Bibliorum als Cantica Canticorum manuscripta in pergamenis erwähnt. Im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 13r) als Cantica canticorum cum glossa interlinerari et marginali. Commentarius in Cantica Canticorum. In Cantica Canticorum quatuor libri commentariorum. Omnia in membrana unter den Theologici MSSti in quarto genannt. Auf dem VS entsprechend die Helmstedter Signatur T 4to 9. Als Nr. 462 im Handschriftenverzeichnis von 1797 aufgeführt (BA III, 52).

Pergament — 150 Bl. — 24,5 × 16 cm

Lagen: Aus drei Teilen zusammengesetzt: I 1r-21vb; II 22ra-72v; III 73r-150v. VS und HS (karolingische Minuskel, 11. Jh., Rituale; zum Text vgl. ausführlichKat. Helmstedt 4 [in Vorb., vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB] ). Moderne Tintenfoliierung.

Romanischer Holzdeckelband mit rotem Schaflederüberzug. Buchblock und Deckel in derselben Größe. 2 Riemenschließen (an der Kante des VD Ösenverschluss und Dornen noch vorhanden, Schließenriemen und Ösen verloren). Blattweiser (Pergament) angenäht (Bl. 78 aus einer nicht mehr zu identifizieren Handschrift des 9. oder 10 Jh.).

AUSSTATTUNG

8 ornamentierte Initialen. 2 historisierte Initialen.

Ornamentierte Initialen: Hauptsächlich zu den Büchern des Honorius Augustodunensis (73r-150v) aber auch zu Beginn der Cantica (2r) und des Kommentars (22r) stilistisch einheitliche Spaltleisteninitialen. Zu Beginn der Kapitel und Bücher ornamentierte Spaltleisteninitialen (2r - Cantica canticorum, cap. 1, 22r - Beginn des Kommentars, 73r - Praefatio lib. I, 99r - lib. II, 128v - Praefatio lib. III, 137r - Praefatio lib. IV, 137v - lib. IV; 2,8-7,5 cm). Die Initialstämme gefüllt mit Punktreihungen und verziert mit blüten- oder kreuzverzierten Spangen. Einige Buchstabenstämme bestehend aus geflochtenen Schlangenleibern (78r, 99r). In den Binnenfeldern, ausgehend von den Spangen, locker spiralförmig verlaufende Ranken mit angedeuteten, auf 78r auch plastisch ausgeformten Gabelungen, teils mit großen Knospen (137r). Als Endbesatz umgeschlagene Palmetten mit schraffierten Rücken und geperlten Bändern (vgl. 22r), Wein (78r) sowie Knollenblätter und eine dreiteilige Blüte (128v oben). Zahlreiche Tiere/Fabelwesen in die Ranken/Initialen eingefügt oder beigegeben (Vögel: 137r; Vierfüßer (Löwen): 22r, 78r und 137v; geflügelte Drachen: 73r, 78r).

Historisierte Initialen:

78r Honorius Augustodunensis, Expositio in cantica canticorum, lib. I. Bekrönter Prinz (filius regis). Oberhalb der F-Haste das Brustbild eines bekrönten Prinzen. Die Rechte zum Redegestus erhoben, in der Linken ein aufgeschlagenes Buch. Textbeginn: Filius regis Ierusalem desponsavit sibi filiam regis babilonis per internuntios … . 5,6 × 4,0 cm.

128v Honorius Augustodunensis, Expositio in cantica canticorum, lib. III. Sponsus und Sponsa. Rechts, vor blauem Hintergrund, mit roter Schriftrolle in der Hand, Sponsus. Links Sponsa vor grünem Hintergrund. Beide bekrönt. 3,9 × 3,4 cm.

Farben: Die Initialen gezeichnet mit roter Feder. Die Gründe ausgeführt in Blau, Grün, Ockerfarben und Gold, häufig in Kombination. Details farbig koloriert (Kronen gelb lasiert - vgl. 128v, Gewanddetails in Dunkelrot und Grün - vgl. 128v, Initialspangen auf 98v in Dunkelblau).

STIL UND EINORDNUNG

Die vorliegende Hoheliedhandschrift zeigt anteilig (Teil III: 78r-150r) die Hand der Schreiberin, die sich in 943 Helmst. als Scriptrix bezeichnet. Der restliche Text wurde von Händen geschrieben, die aus ihrem direkten Umfeld stammen (s.o.; zur Scriptrix-Gruppe vgl. 943 Helmst. und Härtel Geschrieben und gemalt, 21f.). Die Initialausstattung, die in allen drei Teilen der Handschrift vorliegt, ist im Stil einheitlich, so dass von einer direkten Zusammenstellung der Texte nach ihrer Entstehung ausgegangen werden kann. Rankenornament sowie Füll- und Besatzmotive zeigen Verwandtschaft mit 943 Helmst., 1030 Helmst. und 519 Helmst.. Die sehr schlanken Rankenverläufe, die überwiegend verwendeten schlanken, fast lappigen Palmetten, die aus den Rankengabelungen hervorkommende oder als Endbesatzmotiv eingesetzte Knospe (vgl. 137r) sowie die lavierten farbigen Hintergründe finden sich besonders in 519 Helmst. Letztere dürfte nahezu zeitgleich mit 511 Helmst. entstanden sein. Über die Ähnlichkeit zu den für die frühen Lamspringer Codices wegweisenden Lippoldsberger Vorlagen hinaus (vgl. hierzu 943 Helmst.; insbesondere Kassel, LB, 8° Ms. theol. 3, 154v; Abb. siehe Müller Einflüsse, Abb. 9 und 10), zeigt die Handschrift verstärkt Parallelen zur Kölner Buchmalerei der Zeit um 1150. Hier finden sich farblich ähnlich arrangierte, lavierte Hintergrundfelder, auch mit gebuchteten Randungen wie auf 78r (vgl. Köln, Dombibliothek, Hs. 31, 33v; Glaube und Wissen, Kat.Nr. 31) sowie die im Initialverbund stehenden Vierbeiner (78r), wie sie bereits in der in Frankenthal um 1148 entstandenen Wormser Bibel vorkommen (London, BL, Harley MS 2803 und London, BL, Harley MS 2804; vgl. Cohen-Mushlin Worms Bible, bes. 74-83; vgl. auch 510 Helmst.). Bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Köln oder am Niederrhein entstandener Augustinuskommentar steht mit der Kombination aus Flechtband/Initialstamm und figurierter Initiale sowie sehr ähnlicher Farbpalette der Wolfenbütteler Handschrift nahe (Köln, Dombibliothek, Hs. 61, 118v; Glaube und Wissen, Kat.-Nr. 27, Abb. 182).

Schönemann, 70. — Wolfenbüttel Helmst., Nr. 558 (Heinemann Nr.). — Wolter-von dem Knesebeck Lamspringe, 476. — Härtel Geschrieben und gemalt, Kat.Nr. 9. — Kat. Helmstedt 4 (in Vorb., vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).

A

Pergament — 21 Bl. — 24,5 × 16 cm — Lamspringe — 12. Jh., 4. Viertel

Pergament — 21 Bl. — 24,5 × 16 cm

Lagen: 2 IV (16). II+1 (21). 16v und 24v unterer Blattrand Reste von Kustoden IIus, IIIus. Schriftraum: 21,0 × 13,5 cm, dreispalten Klammerform (vgl. Powitz, 66-68; 1v zweispaltig), 6-19 Zeilen (Glosse bis zu 59 Zeilen). Carolino-Gothica von einer Hand der Scriptrix-Gruppe (zur Gruppe gehörig: Cod. Guelf. 443 Helmst., Cod. Guelf. 447 Helmst., Cod. Guelf. 482a [1r-81v], Cod. Guelf. 519 Helmst., Cod. Guelf. 510 Helmst., Cod. Guelf. 519 Helmst., Cod. Guelf. 718 Helmst. [10v-97r], Cod. Guelf. 723 Helmst., Cod. Guelf. 903 Helmst. [1r-75r], Cod. Guelf. 943 Helmst., Cod. Guelf. 1030 Helmst.). Rubrizierte Textanfänge und Initial- und Satzmajuskeln. 2r-8r Seitentitel (Hand des 15. Jh.).

INHALT

1v-21v Cantica canticorum. Mit Glossa ordinaria interlinear und an den Texträndern (Editionen: PL, 113, 1128; CC CM 170, 73-413; weiterführende Literatur vgl. Kat. Helmstedt 4 [in Vorb., vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB]).

B

Pergament — 52 Bl. — 24,5 × 16 cm — Lamspringe — 12. Jh., 4. Viertel

Pergament — 52 Bl. — 24,5 × 16 cm

Lagen: 6 IV (68)! IV-4. Schriftraum: 18,0 × 11,0 cm, zweispaltig, 38-39 Zeilen. Carolino-Gothica von einer Hand der Scriptrix-Gruppe. Zahlreiche marginale Ergänzungen von anlegender oder gleichzeitiger Hand. Marginale Ergänzungen rot umrandet.

INHALT

22r-72r Commentarius in cantica canticorum (Stegmüller RB 11728 ; weiterführende Literatur vgl. Kat. Helmstedt 4 [in Vorb., vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB]). 72v leer.

C

Pergament — 78 Bl. — 24,5 × 16 cm — 12. Jh., 3. Viertel

Pergament — 78 Bl. — 24,5 × 16 cm

Lagen: III+1 (79). 8 IV (143). IV-1 (150). Schriftraum: 24,5 × 16,0 cm, einspaltig, 42 Zeilen. Carolino-Gothica von einer Hand der Scriptrix-Gruppe 2-4zeilige Initial-und Satzmajuskeln, rot und schwarz. Rubrizierte oder mit roten Begleitstrichen versehene Überschriften in Unzialis. Zahlreiche Ergänzungen und Anmerkungen von anlegender und ergänzender Hand rot umrandet. Zitate rot unterstrichen.

INHALT

73r-150r Honorius Augustodunensis: Expositio in cantica canticorum (PL 172, 347-496; Stegmüller RB 3573 [Handschrift genannt]; weiterführende Literatur vgl.Kat. Helmstedt 4 [in Vorb., vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB] ). 150r Versus (AH 46, Nr. 312). 150v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

AH Analecta hymnica medii aevi, hrsg. von G. M. Dreves und C. Blume, Bd. 1–55, Leipzig 1886–1922, Registerbd. 1–3, hrsg. von M. Lütolf, Bern u. a. 1978
CC CM Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis, Bd. 1–, Turnhout 1971–
Cohen-Mushlin Worms Bible A. Cohen-Mushlin, The making of a manuscript. The Worms Bible of 1148 (British Library, Harley 2803-2804), Wiesbaden 1993 (Wolfenbütteler Forschungen 25)
Glaube und Wissen Glaube und Wissen im Mittelalter. Die Kölner Dombibliothek, bearb. von J. M. Plotzek, U. Surmann, Ausstellung Köln, 7. August - 16. September 1998, München 1998
Härtel Geschrieben und gemalt H. Härtel, Geschrieben und gemalt. Gelehrte Bücher aus Frauenhand. Eine Klosterbibliothek sächsischer Benediktinerinnen des 12. Jahrhunderts, Wiesbaden 2006 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek 86)
Kat. Helmstedt 4 Geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil IV: Cod. Guelf. 462 bis 615 , beschrieben von Bertram Lesser
Müller Einflüsse M. E. Müller, Einflüsse aus West und Ost in der Hildesheimer und in der thüringisch-sächsischen Buchmalerei des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Zentrum oder Peripherie? Kulturtransfer in Hildesheim und im Raum Niedersachsen (12.–15. Jahrhundert), hrsg. von ders. und J. Reiche, Wiesbaden 2017 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 32), 305–366
PL Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865
Powitz G. Powitz, Textus cum commento, in: Codices manuscripti. Zeitschrift für Handschriftenkunde 5 (1979), 80–89, ND in Ders., Handschriften und frühe Drucke. Ausgewählte Aufsätze zur mittelalterlichen Buch- und Bibliotheksgeschichte, Frankfurt/M. 2005 (Frankfurter Bibliotheksschriften 12), 57–81
Schönemann K. P. C. Schönemann, Zur Geschichte und Beschreibung der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, in: Serapeum 18 (1857), 65–91, 97–107
Stegmüller RB F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980
Wolfenbüttel Helmst. O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Wolter-von dem Knesebeck Lamspringe H. Wolter-von dem Knesebeck, Lamspringe, ein unbekanntes Scriptorium des Hamersleben–Halberstädter Reformkreises zur Zeit Heinrichs des Löwen, in: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, Bd. 2: Essays, hrsg. von J. Luckhardt und F. Niehoff, München 1995, 468–477

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil II (12. Jh.).
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