Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung
Raimundus de Pennaforti. Guilelmus Redonensis
Pergament — 418 Bl. — 23 × 17 cm — Nordfrankreich — 1240–1250
Lagen: V–2 (8). 25 V (258). III (264). 15 V (413)! II (416)! Kustoden in römischen Zahlen auf dem Fußsteg der letzten Versoseite jeder Lage mit Ausnahme der ersten und letzten: I–XLI. Bleistiftfoliierung modern: 1–416, Zählfehler: Zwischen 317 und 318 ein Bl. übersprungen, das letzte, leere Bl. ist ungez. Ab Bl. 9 nachträgliche mittelalterliche Foliierung in rubrizierten römischen Zahlen auf dem Kopfsteg der Rectoseite (ab Bl. 334 auf dem Kopfsteg der Versoseite): ›I‹–›CCCCIX‹, Zählfehler: Auf ›CCLXV‹ (274) folgt ›CCLXVII‹ (275). Schriftraum: 17–18 × 13–14 cm, im einzelnen: Bl. 1ra–8vb Register zweispaltig (mit Majuskelspalte), 46 tintenliniierte Zeilen; Bl. 9r–356v Haupttext (Schriftraum 13 x 9,5 cm, 20–22 tintenliniierte Zeilen) mit Glossenapparat (max. 51 Zeilen) in Zwei-Spalten-Klammerform ( , 65f.). Sehr regelmäßige, im Apparat kleine und stark abgekürzte französische Textualis von drei Händen, Hand 1: 1ra–8vb (Register); Hand 2: 9r–416v (Haupttext); Hand 3: 9r–416v (Glosse). Rubriziert, rote Paragraphenzeichen, Seitentitel (Buchzählung L I–IIII) aus roten und blauen, von Fibrillen beseiteten Majuskeln, im Register ebenfalls abwechselnd rote und blaue elongierte Initialmajuskeln. Im Text und im Apparat sind die jeweils aufeinander bezogenen Lemmata rot unterstrichen. Am Beginn der einzelnen Bücher jeweils sorgfältig ausgeführte Fleuronnéeinitialen über 2–3 Zeilen (Höhe des Buchstabenkörpers), die Unterlängen sind durch Fleuronnéeleisten mit abwechselnd rotem und blauem Keilen mit endständigem Fibrillenbesatz bordürenartig verlängert. Die Buchstabenkörper sind in Blattgold ausgeführt. Reicher konturbegleitender und -verlängernder Besatz mit meist zweifachen Fadenausläufern in der Gegenfarbe, verziert mit Fibrillen, gekernten Perlen und Knospen (356v, ist die Unterlänge des Q als Knospenähre nach dem Vorbild des "prolongement à l'italienne" ausgeführt). Im Binnenfeld meist zu axialsymmetrich angeordneten spiraligen Arabesken gerollte doppelte Fleuronnéeranken, die vielfach in gekernte Perlen auslaufen, 9r als Füllung axialsymmetrische Knospenbüschel. Die abwechselnd roten und blauen Lombarden am Beginn der einzelnen Tituli des Textes sowie an den entsprechenden Kommentarpassagen sind kleiner (stets nur über 2 Zeilen) und mit analog gestaltetem Fleuronnée jeweils in der Gegenfarbe verziert; die hier fehlenden Fleuronnéeleisten sind durch verlängerte Fadenranken ersetzt. Vergleichsbeispiele aus dem Pariser Raum bei , 67f. und 73 Nr. 29–32.
Frühgotischer französischer Holzdeckelband, mit unverziertem, gelbgefärbtem Schafsleder überzogen (Fleischseite außen). 4 Doppelbünde. Zunächst 4 Schließen (2 an der Vorderkante, je eine an der Ober- und Unterkante der Deckel), im 15. Jh. offenbar nach Verlust durch zwei schmale Langriemenschließen aus Schweinsleder mit Schließenösen in Drachenkopfform (an der unteren noch die Ledertroddel als Zugriemen erhalten) ersetzt. Identische Schließen auch an den Wöltingeroder Hss. Cod. Guelf. 1014 Helmst., 1170 Helmst. und 1424 Helmst.
Fragment HS: Pergament, ein Bl., 23 × 13 cm. Schriftraum: 14 × 13,5 cm, einspaltig, 24 Zeilen. Textualis, 14. Jh. Rubriziert, rote Satzmajuskeln im charakteristischen Wöltingeroder Stil des späten 13. und 14. Jh. (vgl. bei Cod. Guelf. 498 Helmst.). Am Beginn des Textes schlichte rote Initiale D in Unzialform über 4 Zeilen mit Schaftaussparungen in floral modifizierter Kopfstempelform, die geschwungene Oberlänge läuft in einem floralen Silhouettenornament aus. Orationes IV de passione Jesu Christi. Domine Ihesu Christe fons misericordie et abyssus pietatis pone dulcissimam humanitatem … — … inter animam meam et iudicium tuum. Amen. Folgt: Domine Ihesu Christe per illam amaritudinem quam in cruce sustinuisti … — … miserere anime mee in egressu suo. Amen. Gehört als Nr. III in die weit verbreitete Reihe der sog. Orationes VII sancti Gregorii, Druck: 2, 346 Nr. XXXVII (Wortlaut geringfügig modifiziert). Folgt: In illa commendacione piissime domine qua tu in humanitate sanctissima pro nobis peccatoribus moriturus … — … post tam gloriosam confessionem nominis tui perduxisti. Amen. Sehr ähnlich in den Hss. Trier, StB, 263/16 8°, 24v–26r, und Trier, StB, 494/1596 8°, 28r–v ( , 13 und 39). Druck (leicht abweichend): Beten mit Bild und Wort. Der Meditationszyklus der Hildegard von Bingen nach der Handschrift für den St. Galler Abt Ulrich Rösch; Codex Einsidlensis 285: Devotionale pulcherrimum, hrsg. von , Halbbd. 1, Zollikon-Zürich 1996, 75 Nr. 59. – Abschließend: Rogo te dulcissime domine Ihesu Christe per illam commendacionem qua et sanctissimam animam in manus patris commendasti … — … in hora exitus sui et solves eam ab desperatione et perturbatione. Amen. Da im Text alle Formen des Wortes mors stets rot geschrieben sind, waren die Gebete zweifellos als Fürbitten pro defunctis vorgesehen. Auf dem unteren Fußsteg von anlegender Hand als probacio penne charakterisiert.
Herkunft: Nach Ausweis der paläographischen Merkmale und des Buchschmucks wurde der Codex zwischen 1240 und 1250 im nordfranzösischen Raum geschrieben. Zum Vergleich herangezogen wurden u. a. die Hss. Paris, BN, lat. 8884, Paris, BN, MSS lat. 9970, Paris, BN, lat. 15239 und Paris, BN, lat. 15615 ( , Versuch einer Geschlechts-Geschichte des Reichsgräflichen Hauses von Schwicheldt aus theils gedruckten, theils ungedruckten Urkunden, Celle 1823, 75–77 § 17; sowie die nekrologische Notiz mit Todesdatum in dem ebenfalls in Frankreich geschrieben und möglicherweise auch aus seinem Besitz stammenden Psalterium , Erfurter Juristen im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhunderts, Leiden 2003 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 17), 1729–1734 Nr. 580Cod. Guelf. 1244 Helmst., 17v. Wo und auf welchem Weg Johannes von Schwicheldt die Codices erwarb, ist unbekannt. Die Hs. gelangte schließlich ins Zisterzienserinnenkloster Wöltingerode, dazu ein entsprechender Vermerk auf Bl. 1r: Liber sanctissime virginis Marie in Waltingerode quem contulit nobis fidelis amicus noster Johannes de Swichelte (diese Hand nur hier). Ob Schwicheldt den Codex selbst noch übergab, ist unbekannt. — Am 14.3.1572 mit den übrigen Buchbeständen des Konvents in die Hofbibliothek nach Wolfenbüttel transportiert, entsprechender Eingangsvermerk auf dem VS: Anno 1572 14. Martii Einkommen, aus dem Closter Woltingerode. 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 29v) verzeichnet als: Quatuor libri Decretalium auff Pergamein geschrieben vnd gloßen In quarto vnd brettern mit gelem Semischem leder vbertzogen gebunden. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 155 [151]) unter den Libri iuridici als Summa de Matrimonio Magistri Reimundi anno 1203 [!] compilata mit der Signatur M 20 nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Katalog der Helmstedter Universitätsbibliothek (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 13v) unter den Theologici MSSti in quarto als Raimundi summa de matrimonio. In membrana beschrieben, auf dem VS die entsprechende Helmstedter Signatur T. 4to 19. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 457 genannt.
3, 93, 145, 409 und 687 mit Taf. XLII, XLIII). Die beiden Kolophone, nach denen der Codex bisher datiert wurde, beziehen sich eher auf die Fertigstellung der Texte als auf die Abschrift selbst. — Der erste nachweisbare Besitzer des Codex ist Johannes von Schwicheldt († 1449), der nach dem Rechtsstudium in Erfurt und Prag (Abschluss als lic. decr.) verschiedene Pfründen an den Domkapiteln von Hildesheim (seit 1395 Domkanoniker), Magdeburg, Halberstadt und Goslar (seit 1418 Archidiakon) innehatte. Er verstarb am 27.4.1449 und wurde in der Wöltingeroder Klosterkirche begraben. Vgl. zu ihm— , Geschichte des Ablasses im Mittelalter, Bd. 1: Vom Ursprunge bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Paderborn 1922, 242. , 428 Nr. 110. — , 28. — , 842. — , 116. — , 195, 199, 212. — , 277. — , 19, 31, 65, 79, 192 Nr. 12, 243.
, 83 Nr. 13.7. — 2, LXXXI mit Taf. IXc. — Nr. 573. —1ra–416v : Summa de paenitentia et de matrimonio (libris IV distincta cum apparatu tabulaque Guilelmi Redonensis). (1ra–8vb) : Tabula alphabetica. Absolucio una sufficit pro multis excommunicacionibus nisi in casu. Absolucio sive fuerit iusta sive iniusta semper tenet quoad ecclesiam militantem … — … Vasa ecclesie ut calix et cetera ornamenta possunt vendi aliis ecclesiis et in eadem forma. Amen. Textidentisch in der ebenfalls in Frankreich geschriebenen Hs. Jena, ULB, Ms. El. f. 59, 1r–15r ( , 159f.). Zu Guilelmus Redonensis als Verf. der Tabula siehe , Guillaume de Rennes, Frère Precheur, in: Histoire littéraire de la France, Bd. 18, Paris 1835, 403–406, bes. 404. Neben den Lemmata ist eine Spalte für die entsprechenden Folioangaben angelegt, die von mehreren Händen (allerdings unvollständig) nachgetragen wurden. Ungedruckt. (9r–356v) : Summa de paenitentia (liber I–III). Quoniam ut ait Ieronymus secunda tabula post naufragium est culpam simpliciter confiteri … — … dulcem et effabile [!] iocunditatis vocem illam: Venite benedicti patris mei percipite regnum [Mt 25,34] Amen. Der Text entspricht den unten gen. Ausgaben und enthält den Prolog (9r–v) und die Bücher I (10r–97r), II (97r–173v) und III (174r–356v) jeweils mit vorangestelltem Titelverzeichnis. (356v–416v) : Summa de matrimonio (liber IV). Quoniam frequenter in foro penitenciali dubitaciones circa matrimonium immo etiam interdum quasi perplexitates occurrunt … — … postulans a lectore ut que corrigenda viderit et addenda non invidenti animo sed benigno corrigat et emendet. Explicit summa de matrimonio a magistro Remundo et a fratre ordinis predicatorum compilata Anno domini Mo CCo XXX … [Rasur]in die beati Sixti pape et martiris [6.8] . Der Text entspricht den unten gen. Ausgaben und enthält nach dem Prolog (356v–357r) das vorangestellte Titelverzeichnis. Die gesamte Abschrift gehört laut Textgestalt, Gliederung in vier Bücher und Explicit zur zweiten Fassung des Werkes, vgl. , Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae des hl. Raymund von Penyafort, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abt. 39 (1953), 419–434. Das in dieser Hs. überlieferte, z. T. radierte Kolophon datiert nicht, wie bislang angenommen, die Abschrift, sondern die Fertigstellung des Textes selbst. Meist erheblich bearbeitete Auszüge des Textes auch in Cod. Guelf. 567 Helmst., 30r–103r, 104r–107r und 117r–v; 14.5 Aug. 4°, 17r–26v. Ausgaben: R1340-110/5–110/55; Summa Sancti Raymundi de Peniafort Barcinonensis Ordinis Praedicatorum de poenitentia et matrimonio cum glossis Joannis de Friburgo…, Rom 1603 (vergl., mit Kommentar); S. Raimundus de Pennaforte, Summa de paenitentia, curantibus et , Rom 1976 (Universa bibliotheca iuris 1 B), 277–884 (ohne Kommentar);S. Raimundus de Pennaforte, Summa de matrimonio, decretales novae, responsiones ad dubitabilia circa communicationem Christianorum cum Sarracenis, quaestiones variae canonico–pastorales, summula de consanguinitate et affinitate, curantibus et , Rom 1978 (Universa bibliotheca iuris 1 C), 901–998 (ohne Kommentar, CXIX, CXXI, CXXV jeweils Hs. genannt).Literatur: 2, 410–413 Nr. 99.2.3 (Hs. genannt); , La «Summa de poenitentia» de saint Raymond de Penyafort, in: Ephemerides theologicae Lovanienses 5 (1928), 49–72 (66 Hs. genannt); , «Summa de matrimonio» Sancti Raymundi de Penyafort, in: Ius pontificium seu ephemerides Romanae ad canonicas disciplinas spectantes 9 (1929), 54–61, 228–234, 312–322 (Hs. fehlt); , 513f.; , 34–42; , 443–445; 7, 461–464; 279f. Nr. 1324 (Hs. genannt); 1, 416f. Nr. 10; , 428 Nr. 110 (diese Hs.); , 12–53 Nr. 1, hier 14–34 Nr. 1.3 (31 Hs. genannt); 4943, 5054 und Suppl.; 9, 408; 3407–3408 und Suppl. (Hs. genannt). (9r–416v) : Apparatus ad summam Raimundi. Quoniam ait beatus Ieronymus: de pe. disti. I c II [De poen. D.1 c.72]. Secunda tabula: Tabula hic dicitur baptismus vel penitencia quia sicut nauta nave fracta adherendo alicui tabule evadit maris periculum … — … quod voluptarie expense exactionem non pariunt eciam si voluntate mulieris facte sunt. Anschließend ›Finito libro sit laus et gloria Christo‹ von späterer Hand gestrichen, darunter ergänzt: Explicit correctio et apparatus super summam Remundi edita a magistro Wilhelmo et a fratre ordinis predicatorum Anno domini Anno domini Mo CCo XLIo. Quorum labor R[aimundi] scilicet et Wil[helmi] ecclesie dei valde utilis sit benedictus ab eo qui in unitate perfecta et in trinitate non divisa vivit et regnat deus per omnia secula seculorum. Amen. Der Text des Apparats ist z. T. umfangreicher als in der Ausgabe, vor allem am Beginn der einzelnen Tituli sind zusammenfasende Erläuterungen zu finden, die im Druck fehlen, auch sonst vielfach geringe Abweichungen. Ausgabe: Summa Sancti Raymundi de Peniafort Barcinonensis Ordinis Praedicatorum de poenitentia et matrimonio (siehe oben). Literatur: 2, 413f. Nr. 3; Daunou Guillaume de Rennes (siehe oben); , 34–42; 5, 1080; 356 und Suppl.; 1637 und Suppl. (Hs. genannt); 5, 160 Nr. 1.
Bl. I*r–v ehemaliger, abgelöster HS; I*r leer, I*v Abklatsch und unleserliche Textreste einer Spiegelhinterklebung, Leimspuren.
Abgekürzt zitierte Literatur
- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
- Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.