Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung
Kalendarium. Psalterium feriatum. Officium defunctorum
Pergament — I, 167 Bl. — 21,5 × 15 cm — Hildesheim, Fraterhaus Lüchtenhof — um 1500
Lagen: 20 IV (160). I (162). II+1 (167). Lagensignaturen, meist durch Beschnitt verloren oder fragmentiert. Bleistiftfoliierung modern: 1–167. Viele Bl. infolge intensiver Benutzung am Fußsteg gebräunt und abgegriffen. Schriftraum: 15,5 × 9,5 cm, einspaltig, 23 Zeilen, Tintenliniierung. Der Haupttext (1r–165v) in regelmäßiger Textualis von einer Hand; der Nachtrag 166r–167v in Bastarda von einer zweiten Hand. Jeweils die erste Strophe der Hymnen auf Bl. 13v, und 26r,, die Antiphonen und Versikel zu den Vesperpsalmen (100r–136r,) und die Gesangsteile des Officium defunctorum (142v–157r) sind jeweils mit gotischer Choralnotation auf einem Fünfliniensystem ausgestattet. Rubriziert, am Beginn der einzelnen Psalmen abwechselnd rote und blaue Lombarden über 2 Zeilen; am Beginn der einzelnen Psalmverse abwechselnd rote und blaue Satzmajuskeln in Unzialform. 100r–136r, und 142v–157r am Beginn der notierten Antiphonen und Versikel schwarze, unverzierte Cadellen. Gleichartige Gestaltung auch in Cod. Guelf. 500 Helmst. und Cod. Guelf. 551 Helmst. Am Beginn der einzelnen Gliederungspsalmen gemäß der liturgischen Achtteilung des Psalterium feriatum (14r, zu Ps 1, 30r, zu Ps 26, 41r, zu Ps 38, 51v, zu Ps 52, 61v, zu Ps 68, 74v, zu Ps 80, 86v, zu Ps 97 und 100v, zu Ps 109) sorgfältig ausgeführte Fleuronnéeinitialen meist über 6 Zeilen, lediglich 14r, über 8 Zeilen und 30r über 5 Zeilen. Die Buchstabenkörper in Unzialform sind in komplexem Kopfstempelschnitt als litterae duplices von Rot und Blau geteilt, den Buchstaben umgibt ein Rahmen aus blassrotem Fadenwerk, am linken Textspiegel ist bordürenartig ein Bündel von mehreren parallelen Fadenranken bis zur Unterkante des Textspiegels oder bis auf den Fußsteg geführt, von dem in regelmäßigen Abständen die Enden der jeweils äußersten Ranke nach links ausschwingen. Die Zwickel des Rahmens und die Binnenfelder der Initialen sind mit äußerst sorgfältig in blassroter Umrisszeichnung ausgeführten und vielfältig variierten, meist axialsymmetrisch angeordneten vegetabilen Motiven versehen, vor allem finden sich Ranken mit phantasievoll gebogenen und gezaddelten Blättern in zahlreichen Formen. Die Blätter sind geädert, die Kanten mit Strichelung zur Steigerung der plastischen Wirkung hervorgehoben. Die Hintergründe sind mit feinen Kreuzschraffen gefüllt, so dass der Eindruck einer bewussten Nachahmung druckgraphischer Vorbilder entsteht. Eine sehr ähnliche Initiale findet sich auch in dem zumindest teilweise im Lüchtenhof für das Hildesheimer Magdalenerinnenkloster angefertigten Stundenbuch am Beginn des Officium parvum BMV, Hildesheim, StaA, Best. 52 Nr. 375, 14r, vgl. dazu , 72–74; ZeitenWende 1400. Hildesheim als europäische Metropole um 1400, hrsg. von , , und , Regensburg 2019, 366f. Nr. 68 ( ; jeweils ohne Angabe der Schriftheimat).
Renaissance-Einband (16. Jh., 3. Viertel) mit alaungegerbtem weißem Schweinslederbezug. Streicheisenlinien, Plattenstempel, VD: Platte Justitia, HD: Platte Lucretia wie bei Cod. Guelf. 499.1 Helmst. Rollenstempel: Rolle Reformatoren und Rolle Sächsisches Wappen wie bei Cod. Guelf. 499.1 Helmst., dazu Rolle Kandelaber: 0,6 cm breit, je zwei mit den oberen und unteren Enden zusammenstoßende Kandelaber. 4 Doppelbünde. Rotschnitt. 2 Riemenschließen mit keilförmigem Stiftlager und Schließenhaken in Gabelform mit gravierten Dekorationsmotiven (Linienbündel, Fischgrat- und Rautenmuster, vgl. bei Cod. Guelf. 499.1 Helmst.). An VD und HD 2 x 4 umgreifende Eckbeschläge aus Messing in Form eines langgezogenen Drachenvierecks in Druchbrucharbeit mit je einem getriebenen Hohlbuckel sowie getriebenen und gravierten Knollenblättern. Identische Einbände und Schließen (ohne Eckbeschläge) bei Cod. Guelf. 563 Helmst. und dem Druck S 363.4° Helmst.
Herkunft: Der Codex wurde nach Ausweis der Schriftmerkmale und des Buchschmucks um 1500 im Hildesheimer Fraterhaus Lüchtenhof geschrieben. Die Datierung wird gestützt durch das von anlegender Hand eingetragene Annenfest im Kalendar, vgl. oben bei Cod. Guelf. 499.1 Helmst. — Er war vermutlich als Auftragsarbeit für das Augustiner-Chorfrauenstift Hilwartshausen bestimmt. Für diese Lokalisierung sprechen die Feste der Ordens-, Diözesan- und Hauspatrone im Kalendar und die dort angebrachten nekrologischen Nachträge, die vermutlich auf die Hilwartshäuser Subpriorin Luttrudis von Adelebsen (s. unten) als Vorbesitzerin hindeuten. — Der Codex befand sich mindestens seit 1578 im Besitz Wilhelms von Lysfelt, vgl. bei Cod. Guelf. 499.1 Helmst. — Der Codex gelangte mit dem größten Teil von Lysfelts Sammlung am 5.4.1587 in die Wolfenbütteler Hofbibliothek, 1r entsprechender Einkunftsvermerk: Presentiret Juliusfriedenstede bey der Heinrichsstad zu Gotteslager den 5ten Aprilis Anno 1587 von Fritzlar einkomen, dahin es H. Erichen zu Braunschweig vnehelicher Sohn Wilhelm aus dem Lande gebracht. 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 26v) zusammen mit Cod. Guelf. 540 Helmst. und 551 Helmst. als Psalterium Dauidis vff Pergamein in quarto vnd bretern mit weißem leder vbertzogen vnd Clausuren beschlagen gebunden, 3 Exemplaria verzeichnet. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 184 [159]) unter den Sacra Biblia et partes bibliorum als Psalterium manuscriptum in pergameno mit bockeln mit der Signatur E 13 nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 19v) in einem Sammeleintrag unter Sechs und zwanzig Psalteria Latina pro Choro, vf pergamen unter den Theologici Mssti in Quarto enthalten; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 738 aufgeführt.
Nr. 588. — 2, 805. — , 82.
1r–13r Kalendarium. Liturgisches Standardkalendarium der Windesheimer Kongregation der Augustiner-Chorherren, vergl. mit dem Druck 5243 (ungez.). Angegeben sind Goldene Zahl (rot), Tagesbuchstaben (schwarz) und römische Tageszählung (rot). Feste, Festgrade und Zusätze weitgehend identisch mit Cod. Guelf. 500 Helmst., 1r–10r, zusätzlich noch 5r zum Fest des Mainzer Diözesanpatrons Bonifatius am 5.6.: Psalterium in honore patronorum nostrorum usque ad diem sancti Viti (15.6.). Außerdem von späterer Hand folgende nekrologische Notizen: 2r zum 4.2. Obiit Elyzabeth de Adellefsen mater mea; 3r zum 28.3. Obiit Lucka de Adellefsen monialis; 4v zum 5.5. Bartholdus de Adellefsen laicus; 7v zum 25.7. Lysa de Althem avia mea; 8r zum 9.8. Luttru[dis] de Adellefsen laica; 9v zum 22.9. Bartholdus de Adellefsen pater meus; 12r zum 25.11. Obiit Anna de Adellefsen soror mea; 13r an Schluss des Kalendars zwei Einträge radiert: Bartholdus de Adellefsen avus meus, darunter Luttrudis de Adellefsen avia mea. Die Auswahl der bei Nr. 588, abgedruckten Einträge lassen darauf schließen, das eine Besitzerin bzw. Benutzerin des Psalters der Familie von Adelebsen angehörte; in Frage käme hier vor allem Luttrudis von Adelebsen, die 1501–1529 urkundlich als Subpriorin des Stifts Hilwartshausen nachgewiesen ist, vgl. , 354f. Nr. 395, 367–369 Nr. 408 und 409, 382f. Nr. 423, 385f. Nr. 426, 387f. Nr. 428, 389–396 Nr. 431–434, 436, 437 und 439.
13v–142v Psalterium feriatum canticis litaniisque adiectis secundum cursum Romanum ad usum congregationis Windeshemensis CanAug.
(11r–146r) Psalterium feriatum. Gestaltung und Ausstattung mit Invitatorien, Antiphonen, Versikeln, Hymnen u.a. nach dem Gebrauch der Windesheimer Kongregation, vgl. ausführlich bei dem textidentischen Cod. Guelf. 500 Helmst., 11r–152v. Die Gliederung des eigentlichen Psalteriums entspricht wie dort der biblischen Abfolge der Psalmen sowie deren liturgischer Achtteilung: (13v–26r) ›Dominicis diebus‹ (Ps 1–20, mit Hymnen: 13v ›Ad nocturnum ymnus‹: 51 Nr. 24; 26r ›Ymnus‹: 51 Nr. 31), anschließend (26v–29v) Ps 21–25 ad primam; (29v–40r) ›Feria secunda‹ (Ps 26–37, angeschlossen 40v das ›Canticum Ysaie prophete‹ = 21g1); (40v–51r) ›Feria tercia‹ (Ps 38–51, vorangestellt 40v: ›Ymnus et dicetur ferialibus diebus ad omnes nocturnas‹ = 51 Nr. 26, angeschlossen 50r–v ›Canticum Ezechie regis‹ = 21g2 sowie 50v–51r der Hymnus 51 Nr. 32 mit Doxologie); (51r–61r) ›Feria quarta‹ (Ps 52–67, angeschlossen 60r–61r das ›Canticum Anne‹ = 21g3); (61r–74r) ›Feria quinta‹ (Ps 68–79, angeschlossen 73r–74r das ›Canticum Moysi‹ = 21g4); (74r–86r) ›Feria sexta‹ (Ps 80–96, angeschlossen 84v–86r das ›Canticum Abacuc‹ = 21g5); (86r–100r) ›Sabbato‹ (Ps 97–108, angeschlossen 97v–100r das ›Canticum Moysi‹ = 21g6). Alle Gesangsteile sind in kleinerer Schrift abgesetzt, die erste Strophe der ausgeschriebenen Hymnen ist notiert. — (100r–136r) Ps 109–116 und 119–147 ad vesperas, Ps 117 und 118 für die kleinen Horen und Ps 148–150 ad laudes, jeweils ergänzt mit entsprechenden Kollekten, Invitatorien, Antiphonen, Versikel mit Notation. Folgende Hymnen sind ausgeschrieben, erste Strophe mit Notation: (103r) ›Ymnus [in dominicis diebus ad vesperas]‹ ( 51 Nr. 34); (105r–v) ›Ad primas ymnus‹ ( 51 Nr. 41); (110v–111r) ›Ad tercias ymnus‹ ( 50 Nr. 18); (113v) ›Ad sextam ymnus‹ ( 50 Nr. 19); (115v) ›Ad nonam ymnus‹ ( 50 Nr. 20); (118v–119r) ›Ymnus [in feria II ad vesperas]‹ ( 51 Nr. 35); (121r) ›Ymnus [in feria III ad vesperas]‹ ( 51 Nr. 36); (123r) ›Ymnus [in feria IV ad vesperas]‹ ( 51 Nr. 37); (126v–127r) ›Ymnus [in feria V ad vesperas]‹ ( 51 Nr. 38); (130r–v) ›Ymnus [in feria VI ad vesperas]‹ ( 51 Nr. 39); (134v–135r) ›Ymnus [in sabbato ad vesperas]‹ ( 50 Nr. 7).
(136r–v) Te deum. ›Canticum‹. Druck (u. a.): 86, 944A–D; 2, 276f. Nr. II. Zum Text vgl. 650.
(136v–137v) ›Canticum trium puerorum‹. 21g7.
(137v–138r) ›Canticum Zacharie‹. 21h1.
(138r) ›Canticum Marie‹. 21h2.
(138r) ›Canticum Symeonis‹. 21h3.
(138v–140v) Kyrie cum litaniis rogationibusque. ›Item letania‹. Die Namen der angerufenen Heiligen sind zweispaltig angeordnet. Die Litanei entspricht dem Windesheimer Brevier ( 5240, h VIIrb–VIIIva) ohne nachträgliche Modifikationen wie in Cod. Guelf. 500 Helmst., 148r–150r.
(140v–141v) Preces minores. ›Preces‹.
(141v–142v) ›Preces maiores‹. Zu Parallelüberlieferung und Ausgaben vgl. Cod. Guelf. 500 Helmst., 11r–152v.
142v–157r Officium defunctorum secundum usum congregationis Windeshemensis CanAug. ›Incipiunt vigilie animarum defunctorum. Ad vesperas antiphona‹. Placebo domino in regione vivorum (4293) … — … Vix iustus salvabitur et iniquus condempnabitur ante tribunal iudicis in die iudicii (7091ab). Libera . Der Text des Windesheimer Totenoffiziums ist einschließlich der beiden zusätzlichen Versikel am Schluss identisch mit Cod. Guelf. 499.1 Helmst., 1r–16v; die Responsorien entsprechen wie dort , 174: 25–44–47, 138–93–83, 40–79–18, sowie 143: 14–72–24, 68–57–82, 32–58–38. Zu Parallelüberlieferung und Druckausgaben vgl. Cod. Guelf. 483 Helmst., 86r–97v.
157r–167v Orationes de commendatione defunctorum. ›Sequitur commendacio defunctorum‹. Die Textsammlung wiederholt die Litanei und die Fürbitten (vgl. oben, 138v–140v, hier allerdings mit dem von anlegender Hand hinzugefügten Vitus als Hilwartshäuser Stiftspatron) und enthält im einzelnen folgende, durch Psalmverse, Antiphonen, Responsorien und Versikel ergänzte Gebete: 3803, 1415, 4071, 4077, 4059, 1407, 1408, 1412, 1414, 1413, 2935, 4073, 1437, 4075, 1403, 1401, 1399, 1402, 4072, 1398, 1409–1411. 166r–167v folgt ein weiterer, von anderer Hand hinzugefügter Abschnitt mit den (zumeist wiederholten) Orationen 1407, 2123, 1408, 1412, 1414, 1413, 2935, 1404 und 1437. Alle Gebetsformeln sind konsequent ins feminine grammatische Geschlecht transponiert. Der gesamte Text ist aus dem sog. "Manuale Windeshemense" entnommen und ergänzt, vgl. dazu mit weiterführenden Angaben bei Cod. Guelf. 500 Helmst., 162v–167v.
Abgekürzt zitierte Literatur
- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.