Beschreibung des Cod. Guelf. 576.2 Novi
Butzmann, Hans: Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppen Extravagantes, Novi und Novissimi. Frankfurt/M.: Klostermann, 1972. (Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Neue Reihe, Bd. 15) S. 358–361
EVANGELIAR
ACHTUNG: Weitgehend unkorrigierter OCR-Text aus einer Digitalisierungskampagne des Projektes Handschriftenportal.
Pergament. 200 blatt. Bl. 26,5 x 19 cm. cm. X. Jh.Meist Quaternionen. Die erste Lage ist eine zusammengestückte „Quaternio“,
die zweite (9–15) eine um das letzte Blatt gekürzte Quaternio, die neunte
(64–68) eine ebenso gekürzte Ternio; in beiden Fällen stehen am Schluß Bilder.
In die zwanzigste Lage (149–157), zwischen 156 und 157, ist das Bildblatt eingeschaltet.
Die letzte Lage ist eine Binio, deren letztes Blatt verloren ist. Blindlinierung
mit je zwei senkrechten Einfassungslinien. Textspiegel 19,5X12 cm.
26 Zeilen. Karolingische Minuskel. Händewechsel: 16r, 24r, 52r, 61r, 96r, lOlr,
103r. Gegen Schluß, bei sinkendem Schriftniveau, scheint oft mehr als eine Hand
an einer Seite beteiligt (z.B. 107v). 16r Überschrift in Uncialis, Anfangszeile in
Capitalis, beide blaßrot. 69r vier Anfangszeilen in großer Majuskel, jeder Buchstabe
rot gefüllt. 101r Überschrift und Anfangszeilen in Capitalis und Uncialis.
Weitere rote Überschriften. Anfangsbuchstaben, meist blaßrot, vor dem Text.
Buchschmuck s. u. Die ersten Blätter etwas verschmutzt, auch im Innern Gebrauchsspuren.
Dicke Holzdeckel, im XIX. Jh. mit braunem Leder überzogen, Rücken und
Ecken dunkler gefärbt. Auch die beiden Schließen erneuert, mit älteren kleinen
Messingösen, die obere mit einem bärtigen Männerkopf, die untere mit einem
Frauenkopf (Faun u. Nymphe?).
Bl. 2r oberer Rand von einer Hand des XIV. Jhs. der Ortsname Rodhe. Davor
eine scharfe Rasur. Buddensieg (s.u.) liest: „liber beate Marie Magdalene in
Rodhe“. Bl. 149r unten der Besitzvermerk: Iste liber est dominorum de novali.
Buddensieg nimmt an, daß es sich um die Benediktinerprobstei St. Maria Magdalena
in Rode bei Corvey handelt. Auf der Platte, auf welcher der Thron des
Matthäus ruht (Bl. 15v), die Buchstaben R.a.h., wohl von einer Hand des
XIV. Jhs. Die Handschrift kam aus dem Kloster St. Blasii in Braunschweig an das
Herzogliche Landeshauptarchiv (jetzt Niedersächsisches Staatsarchiv in Wolfen-
büttel), wahrscheinlich 1837. In die Wolfenbütteier Bibliothek gelangte sie 1885
durch Tausch. Die Evangelienbilder sind den Bildern eines Evangeliars in der
Graf Schönbomschen Schloßbibliothek zu Pommersfelden fast täuschend ähnlich.
Diese Handschrift stammt laut Besitzvermerk aus dem Augustinerchorherrenstift
Rebdorf bei Eichstätt, was mir Wilhelm Schonath freundlich mitteilte.
Tilmann Buddensieg, Zur ottonischen Buchmalerei und Elfenbeinskulptur in
Sachsen. 2. Das Evangeliar aus Rode in Wolfenbüttel, in: Studien zur Buchmalerei
und Goldschmiedekunst des Mittelalters. Festschrift für Karl Hermann
Usener, Marburg 1967, S. 101–104 mit Abb. aller vier Evangelistenbilder S. 96.
Evangeliarium. Ir Ü: Beatissimo papae Damaso Hieronimus. A: Novum opus
facere … PL 29, 525–530. 2v Ü: Explicit epistula Hieronimi. Incipit prologus
IIHor evangeliorum. A: Flures fuisse, qui … 4r E: … vivis canendas. PL 29,
15–20 A. 4r Ü: Eusebius Carpiano fratri in domino salutem. A: Ammonius quidem
… PL 29, 529–531. 5r Ü: Hieronimus Damaso papae. A: Sciendum etiam…
PL 29, 529, Anm. c. Darunter Ü: Incipit argumentum secundum Mattheum. A:
Mattheus ex Iudea, sicut in ordine … 6r Ü: Explicit argumentum. Incipit breviarium
eiusdem. 6r Capitula. A: 1. Nativitas Christi. Magi cum muneribus
veniunt… 8v leer. 9r Kanonestafeln (s. u.). I5r leer. 15v Matthaeusbild. 16r
Evangelium Matthaei. 65r Ü: Incipit prologus in Marcum. A: Marcus euangelista
dei… PL 103, 279. 66r A: Petrus apostolus secundum hystoriq fidem …
66v E: … diaboli temptationibus edoceret. Danach: Explicit argumentum. Incipit
breviarium. 67r A: De Iohanne Baptista … 68v Marcusbild. 69r Evangelium
Marci. 95v leer. 96r Ü: Incipit argumentum evangelii secundum Lucam. A: Lucas,
Syrus Antiochensis … PL 30, 463. 96v Ü: Incipiunt Capitula. A: Zacharias viso
angelo … lOOv Lucasbild. 101r Evangelium Lucae. 148r Ü: Incipit argumentum
secundum Iohannem. A: Hic est Iohannes euangelista, unus … PL 92, 633–636.
149r Ü: Incipit breviarium evangelii secundum Iohannem. A: Pharisqorum levite
interrogant… 149v Ü: Incipit euangelium secundum Iohannem. Unter der Überschrift
auf leerem Raum nachgetragen: De regno coelorum. A: Beatitudinem
regni celorum promisit dominus … I50r E: … leticia et sine fine felicitas. 150v
Iohannesbild. 151r Evangelium Iohannis. 187r Capitulare. Ü: Incipit capitulare
evangeliorum de circulo anni. A: In natale domini ad sanctam Mariam …
… In natale sancti Silvestri… Anschließend: Dominica .i. post natale domini…
In octabas domini… In natale sanctae Mariq … Brichl ab 200v: Pro ordinantibus
episcopis secundum Marcum capitulum.lii. Circuiibat Ihesus in circuito
docens. Usque et unguebant oleo multos. — Die Kanonestafeln. Säulen und Bögen
bestehen aus einfachen Parallellinien. Nur die Basen und Kapitelle sind durch
ornamentale Behandlung und Verwendung roter Farbe hervorgehoben. Kapitelle.
Bl. 9: Zwei ineinandergreifende Ringe aus Schlangen, die sich in den Schwanz
beißen. Bl. 10: Stierköpfe. Bl. 11: Dreilappige Blätter. Bl. 12: „Akanthus“ und
Herzblätter. Bl. 13: Abwechselnd Männerköpfe und Frauenköpfe mit verschiedenem
Gesichtsausdruck. Bl. 14: Gekerbte Doppelblätter an einfacher Schleife.
Die Evangelistenbilder. Federzeichnungen, nur wenig rote oder rosa Farbe (Sitzkissen,
Nimbus). Lediglich die Gewandfalten des Johannes sind (später?) rot und
grünlich grau ausgetuscht, flächig oder mit roten Punkten, wobei die feine Linienführung,
zumal die der zart plastisch wirkenden Faltenstürze an den Beinen,
verwischt wurde. Alle Evangelisten, in Haltung und Gebärde auffällig differenziert,
sitzen auf architektonisch gegliederten Thronen zwischen zwei Säulen unter
einem Architrav, darüber die Symbole unter einem Rundbogen. Siehe die Abbildungen
bei Buddensieg (s.o.) S. 112. 15v Matthaeus frontal in herrscherlicher
Haltung, das linke Knie abgespreizt unter dem Gewände, die nackten Füße im
Kontrapost. Die rechte Hand umfaßt eine kleine Schriftrolle, die linke berührt mit
ausgestreckten schlanken Fingern den hinteren Rand des leeren ebenen Pulttischchens.
Der Kopf ist leicht nach links gedreht, die Augen blicken geradeaus.
Der Engel über ihm, ähnlich in Kopfhaltung und Blick, hält ein Buch in beiden
Händen. 68v Markus, von der Seite gesehen, ist ganz vom Beschauer abgewandt.
Er beugt sich tief über die Schreibunterlage auf seinen Knien, sein Kopf ist leicht
nach vom gewendet, die Augen folgen der Schreibarbeit. Seine Füße stehen eng
zusammen. Auch der ruhende Leib des geflügelten Löwen ist von der Seite gesehen.
Der Kopf, mit etwas grimmigem Ausdruck, wendet sich halb rückwärts.
lOOv Lukas, frontal gesehen, mit gespreizten mächtigen Knien, hält mit der linken
Hand eine hohe Schreibtafel, deren oberen Rand er umfaßt, deren unterer
Rand auf das linke Knie gestützt ist. Zwischen den Schreibfingern der wie ausholend
zur Seite gewendeten rechten Hand hält er einen Griffel. Dieser Haltung
entspricht der leicht nach links gewendete Kopf und der über die Schreibtafel hinweg
sinnende Ausdruck der Augen; es wird ein Gedanke geformt. Das geflügelte
Rind liegt lang gestreckt auf einem felsigen Grund, der Kopf ist nach vorn gedreht.
150v Johannes, ähnlich frontal wie Lukas, hält auch eine Schreibtafel auf
dem linken Knie, die haltenden Finger umgreifen ein Tintenhorn. Zur Rechten
steht ein Pulttischchen mit einem Buch, in welchem die rechte Hand des Evangelisten
zu blättern scheint. Indem so beide Hände beschäftigt sind, ist der Kopf
zur Seite geneigt, die Augen blicken wie in einer Vision nach oben. Der Adler,
seitlich gesehen, wendet den Kopf nach rückwärts. Charakteristisch für alle vier
Gestalten ist der Mund; er besteht aus zwei Wellenlinien und wirkt etwas aufgestülpt
(„Fischmaul“).
Bl. 16r Initiale L (Höhe 8,5 cm). Blaßrote Zeichnung. Am Kopf des Schaftes,
mitten im Schaft, im Winkel und am Ende der Basislinie Flechtbandknoten. Über
und unter dem Knoten ineinandergreifende Dreieckblätter. Neben dem Knick,
zum Schaft parallel, steigt eine dreifach gegliederte Blattranke auf.
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