Beschreibung von Cod. Guelf. 77 Weiss.
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 12. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)
Handschriftentitel: Prudentius Minor
Entstehungsort: Weißenburg
Entstehungszeit: 9. Jh., Mitte
Beschreibstoff: Pergament
Umfang: 52 Bl.Jeweils ein beschriebenes Vor- und Nachsatzblatt. Die Blätter gehören zu einem Legendar aus dem 8. Jahrhundert, von dem sich weitere Fragmente in Handschriften befinden (66 Weiss., 67 Weiss., 18 Weiss. und 63 Weiss., 63 Weiss., 404.2 (4) Novi, Berlin, SBBPK, Lat. fol. 381; Zusammenstellung vgl. , 369).
Format: 24 × 17 cm
Seitennummerierung: Moderne Tintenfoliierung.
Lagenstruktur: I Vorsatzblatt. 5 IV (43). 2 III (52). I Nachsatzblatt. Lagenbezeichnungen in römischen Zahlen am unteren Blattrand rechts. Verluste durch Blattbeschnitt. Erhalten sind die Bezeichnungen I, II und VI.
Zustand: Guter Zustand.
Seiteneinrichtung: 17,5 × 12 cm, einspaltig, 24 Zeilen.
Hände: Karolingische Minuskel von zwei Händen.
Der Schreiber vom Haupttext wird durch weitere Hände ergänzt: Hand A: 1r, Z. 1-13 (9. Jahrhundert); Hand B: 1r Z. 14-18 (9. Jahrhundert); Hand C: 50v, Z. 1 (Ende 9. Jahrhundert); Hand D: 50v, Z. 1 (Ende 9. Jahrhundert) und Hand E 50v, Z. 5-51v (identisch mit der Hand 62 Weiss., 99v; vgl. , Bd. 1, 316). Zahlreiche lateinische und althochdeutsche, interlineare und marginale Wortglossen, sowie Korrekturen und Nachträge. Nach Kleiber handelt es sich hierbei um die Hand Otfrids von Weißenburg, dem er auch die Auszeichnungsschrift auf 1v zuschreibt. In sieben weiteren Handschriften aus dem Weißenburger Skriptorium liegen althochdeutsche Glossen vor (3 Weiss., 47 Weiss., 48 Weiss., 56 Weiss., 29 Weiss., 66 Weiss. ; vgl. , 109-110, 150).
Der Schreiber vom Haupttext wird durch weitere Hände ergänzt: Hand A: 1r, Z. 1-13 (9. Jahrhundert); Hand B: 1r Z. 14-18 (9. Jahrhundert); Hand C: 50v, Z. 1 (Ende 9. Jahrhundert); Hand D: 50v, Z. 1 (Ende 9. Jahrhundert) und Hand E 50v, Z. 5-51v (identisch mit der Hand 62 Weiss., 99v; vgl. , Bd. 1, 316). Zahlreiche lateinische und althochdeutsche, interlineare und marginale Wortglossen, sowie Korrekturen und Nachträge. Nach Kleiber handelt es sich hierbei um die Hand Otfrids von Weißenburg, dem er auch die Auszeichnungsschrift auf 1v zuschreibt. In sieben weiteren Handschriften aus dem Weißenburger Skriptorium liegen althochdeutsche Glossen vor (3 Weiss., 47 Weiss., 48 Weiss., 56 Weiss., 29 Weiss., 66 Weiss. ; vgl. , 109-110, 150).
Schrift: Incipit in roter Capitalis. Buchüberschriften in roter Capitalis Rustica. Zu den Versanfängen 1,5-3zeilige, unverzierte rote Initialen. Zu Beginn jeder Zeile eine rote Majuskel.
Incipit in roter Capitalis. Buchüberschriften in roter Capitalis Rustica. Zu den Versanfängen 1,5-3zeilige, unverzierte rote Initialen. Zu Beginn jeder Zeile eine rote Majuskel.
2r einleitend eine Textzierseite in tintenfarbiger Capitalis verziert mit zwei gestielten Herzblättern. Die Textanfänge in schwarzer Unzialis. Im Text vergrößerte 1-2zeilige Satzmajuskeln. Buchstaben hervorgehobener Satzanfänge farbig hinterlegt.
Incipit in roter Capitalis. Buchüberschriften in roter Capitalis Rustica. Zu den Versanfängen 1,5-3zeilige, unverzierte rote Initialen. Zu Beginn jeder Zeile eine rote Majuskel.
2r einleitend eine Textzierseite in tintenfarbiger Capitalis verziert mit zwei gestielten Herzblättern. Die Textanfänge in schwarzer Unzialis. Im Text vergrößerte 1-2zeilige Satzmajuskeln. Buchstaben hervorgehobener Satzanfänge farbig hinterlegt.
Auszeichnungsschriften / Buchschmuck:
- Eine einfache Initiale. Eine Zierinitiale. Eine Federzeichnung/Skizze.
-
Initialen:
1v zum ersten Absatz der Apotheosis (De Trinitate), deren Text von Otfrid von Weißenburgs Hand stammt (vgl. , 109-110), eine E-Initiale in schwarzer Federzeichnung mit kaum in Erscheinung tretenden Eck- und spitz zulaufenden Endverflechtungen (1v; 8,0). Als Füllmotive dienen Spiral- und Wirbelmotive, wobei die Spiralmotive von den Eckverflechtungen abzweigen und die Wirbelmotive flankieren (Sporangien). In den Hasten einbeschriebene Flechtbandfelder mit ausgesparter, kolorierter Bandführung. Die Eckgeflechte mit spiral- oder hakenförmigen Sporangien. Diese ersetzen auch die Hörner der Endverflechtungen. Motive und Gründe in den Farben Grün, Gelb und Rot, in der Zusammenstellung mit harmonisch abgestimmten Kombinationen.1v zum Beginn der Vorrede eine in roter Federzeichnung angelegte E-Initiale mit axial gespiegeltem, fadenförmigem Flechtband im Binnenfeld (3,0). -
Zeichnung:
52v Zeichnung/Skizze eines jugendlichen, männlichen Kopfes ausgeführt mit sicherer, kräftiger Linienführung (1,5). Der Kopf ist leicht nach rechts gewandt und zeigt sich in einer angedeuteten Dreiviertelansicht (vermutlich später hinzugefügt, 12.-13. Jh.?). -
Farben:
Grün, Rot und Gelb. 1v Binnenfeld und Geflecht in den Farben Gelb und Grün axial komplementär hinterlegt.
Einband: Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1968).
Geschichte der Handschrift:
Das für den Unterricht bestimmte Lehrbuch (vgl. P. Carmassi, Litterae e scrittura nell'insegnamento della Grammatica in età altomedievale: premesse teoretiche e aspetti pratici, in: Teaching Writing, Learning to Write. Proceedings of the XVIth Colloquium of the Comité International de Paléographie Latine, hrsg. von P. R. Robinson, London 2010, 37-60, Pl. 4.2 und 4.3) gilt, neben acht weiteren Weissenburger Handschriften (10 Weiss., 26 Weiss., 32 Weiss., 33 Weiss., 36 Weiss., 50 Weiss., 59 Weiss., 87 Weiss.) und dem Wiener Evangelienbuch mit seinen Einträgen (Wien, ÖNB, Cod. 2687) als eines der Otfrid-Autographen (Zusammenstellung und paläographischer Nachweis, vgl. , 102-125, 133-135). Die Prudentius-Anthologie dürfte, ebenso wie die teilweise von Otfrid eigenhändig geschriebene Priscian-Handschrift 50 Weiss. in Weißenburg für den Unterricht des Triviums und des Quadriviums, speziell für den Unterricht in Grammatik/Rhetorik, gedient haben (vgl. , 107-109). Die von Otfrid geschriebenen Zeilen zu Beginn und zum Ende der Handschrift stehen in festem Zusammenhang mit dem Haupttext und der Initialausstattung des Unterrichtswerkes, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Handschrift vollständig in Weißenburg, dort wo Otfrid als Schul- bzw. Skriptoriumsleiter tätig gewesen ist (vgl. , 131-160; , 322-326), geschrieben und illuminiert wurde.
Die Initialaustattung der Handschrift lässt sich nicht direkt mit der Buchmalerei des Weißenburger Skriptoriums um 800 und des ersten Drittels des 9. Jahrhunderts in Verbindung bringen, zeigt jedoch Ähnlichkeit zu der Ausstattung des im 2. Viertel des 9. Jahrhunderts in Weißenburg unter Fuldaer Einfluss entstandenen Evangeliars 61 Weiss. Hier sind es die Verwendung der insularen Wirbelräder, das in den Gelenk- und Endverflechtungen auftretende schwarze, fadenförmig geführte Flechtband und dessen sorgfältig, stark kontrastierend gewählte farbige Hinterlegung, sowie das als Füllmotiv verwendete, in Feldern eingefügte, ebenfalls in den Farben wechselnde bandförmige Flechtband. Die in beiden Handschriften gebrauchten, leuchtenden Farben Grün, Rot und Gelb (in 61 Weiss. ergänzt durch ein bräunliches Beige) vervollständigen das Bild. Die Zusammenstellung von größeren Zierinitialen und kleineren roten Federinitialen mit farbiger Hinterlegung begegnet in den später entstandenen Weißenburger apokryphen Apostelgeschichten 48 Weiss. Hier finden sich die ebenfalls in 77 Weiss. vorhandenen, spitz zulaufenden Endgeflechte (vgl. 20r). Die Heidelberger Otfrid-Handschrift, zeigt die spiralartig aufgerollten Fädchen (Heidelberg, UB, Cod. Pal. lat. 52, Weißenburg, um 870, 8r; , Bd. 2, Teil 2, Taf. II)).
Im Initialstil ergeben sich Parallelen zur frühen St. Galler Buchmalerei. St. Gallen, StiB, Cod. 116, p. 348 (St. Gallen, 1. Drittel 9. Jahrhundert; vgl. , Kat.Nr. 29, Abb. 80) zeigt, ebenso wie 77 Weiss., eine einlinige, bzw. fadenförmige Kontur- und Flechtbandführung, kontrastierende Farbgebung in der Schaft- und Flechtbandfüllung, farbig gefülltes Flechtband als Füllmotiv (vgl. p. 146 und 280; , Abb. 78, 79) und die Verwendung von Spiralmotiven und hakenförmig abstehenden Fädchen. Das insulare Wirbelmotiv ist ebenfalls aus St. Galler Handschriften bekannt (vgl. Wolfcoz-Psalter, St. Gallen, StiB, Cod. 20, p. 65, p. 22 um 820-830; , Abb. 98, 101). Außerdem bestehen Ähnlichkeiten zur Fuldaer Buchmalerei aus der Zeit des Abtes Hrabanus Maurus. Hier finden sich die in 77 Weiss. markant auftretenden, spitz nach unten weisenden unteren Ecken der Endgeflechte (vgl. München, BSB, Clm 29482, 1r, Fulda, 2. Viertel 9. Jahrhundert; , Kat.Nr. 225, Abb. 461 ) und die bereits in 61 Weiss. übernommenen, in den Initialstamm integrierten Flechtbandpaneelen vor farbig wechselnden und stark kontrastierenden Hintergründen sowie das insulare Wirbelmotiv, das auch für St. Gallen belegt ist (s.o.; vgl. Kassel, UB, 2° Ms. theol. 44, 5r, Fulda, 2. Viertel 9. Jahrhundert und Frankfurt, StUB, Barth. 32, 4r, Fulda, 2. Viertel 9. Jahrhundert; , Kat.Nr. 21 und Kat.Nr. 15).
Aufgrund der aufgeführten Vergleiche ist die paläographische Datierung von (Mitte/3. Viertel 9. Jahrhundert) und Hoffmann , Bd. 1, 316 (2. Hälfte 9. Jahrhundert) auf die Mitte des 9. Jahrhunderts zu präzisieren.
Provenienz der Handschrift: Kloster Weißenburg, Besitzvermerk. 2r Signaturenbuchstabe .I. (14. Jh.). Vorsatzblatt verso Codex monasterii sanctorum Petri et Pauli apostolorum in Wissenburg. Wiener Liste 4° 8.
Inhalt:
- 1v-49v Prudentius Minor (zum Text vgl. W. Fels, Prudentius. Das Gesamtwerk, Stuttgart 2011 [Bibliothek der Mittellateinischen Literatur 9], 54-218).
- 1r Güterverzeichnis von Loganstein bei Weissenburg ( , 5220).
- 1v-22v Prudentius: Liber Apotheosis ( 1439, 1-).
- 22v-25v Prudentius: Contra Symmachum. Praefatio und Buch 1 ( 1442).
- 25v-28r Prudentius: Liber Apotheois ( 1439).
- 28r-49v Prudentius: Hamartigenia ( 1440).
- 1v-49v Lateinische und althochdeutsche Glossen (vgl. , 2, 386-387; , 110).
- 50r-50v Carmen. Quadam nocte niger dux candidus alter ( , 14964; , 4,3, 1119-1120).
- 50v-52r Carmina Wissenburgensia (Versus Ercanberti diaconi. Versus Ferdingi subdiaconi; Nachtrag, Ende 9. Jahrhundert; vgl. , Bd. 1, 136).
Bibliographie
- , Nr. 4161 (Heinemann Nr.).
- , 707.
- , 231-232.
- , 123-128, 126 Anm. 579.
- , Bd. 1, 296, 299, 314, 316, Bd. 2, 198a.
- S. O'Sullivan, Early Medieval Glosses on Prudentius' Psychomachia. The Weitz tradition, Leiden/Boston 2004, 28, 28 Anm. 16 und 17, 34 Anm. 53, 74.
- , Nr. 7420.
- , 83.
Korrekturen, Ergänzungen:
- Lizenzangaben korrigiert (schassan, 2020-04-17)
Abgekürzt zitierte Literatur
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